Fachinfos - Judikaturauswertungen 17.01.2025

Journalist:innen ist Auskunft über städtebauliche Verträge zu erteilen

VwGH 24.10.2024, Ra 2023/05/0006

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien (VwG): Dieses hat festgestellt, dass der Magistrat der Stadt Wien einem Journalisten die von ihm begehrte Auskunft darüber, mit welchen Vertragspartner:innen und mit welchem Inhalt die Stadt Wien städtebauliche Verträge abgeschlossen hatte, zu Unrecht verweigert hat. Der Auskunftserteilung stünden keine gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten – weder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch datenschutzrechtliche Geheimhaltungsansprüche – entgegen, weil das öffentliche Interesse an der Auskunftserteilung (an den journalistisch tätigen Auskunftswerber) überwiege.

Sachverhalt

Ein Journalist begehrte beim Magistrat der Stadt Wien Auskunft darüber, mit welchen Vertragspartner:innen die Stadt Wien privatrechtliche Vereinbarungen gemäß § 1 Bauordnung für Wien (BO; städtebauliche Verträge) abgeschlossen habe und welchen Inhalt diese Verträge hätten.

Das VwG stellte daraufhin fest, dass der Magistrat der Stadt Wien dem Journalisten die Auskunft über die von der Stadt Wien geschlossenen Verträge zu Unrecht verweigert habe. Die begehrte Auskunft sei vom Wiener Auskunftspflichtgesetz (Wr. AuskunftspflichtG) erfasst und es liege kein Verweigerungstatbestand (Beeinträchtigung der Verwaltungsaufgaben, Mutwilligkeit) vor.

Die Behörde habe die Verweigerung auf die gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten (Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter bzw. datenschutzrechtliche Geheimhaltungsansprüche) gestützt: Entgegen den Ausführungen der Behörde, stünden der Auskunftserteilung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter aber nicht schon deshalb entgegen, weil finanzielle Leistungspflichten in städtebaulichen Verträgen Rückschlüsse auf dahinterliegende betriebswirtschaftliche Kalkulationen zulassen würden. Welche konkreten negativen Konsequenzen den Unternehmen aus der Auskunftserteilung erwachsen würden, habe die Behörde nicht dargelegt und sei auch nicht ersichtlich. Dass den Verträgen nur Grobplanungsentwürfe zugrunde liegen und sie deshalb nicht geeignet seien, die Öffentlichkeit zu informieren, sei kein Geheimhaltungsgrund. Auch die umfassende Information der Bevölkerung im Widmungsverfahren schränke die Auskunftspflicht nicht ein. An der Offenlegung von Verpflichtungen der öffentlichen Hand in städtebaulichen Verträgen bestehe schon aus Gründen der politischen Kontrolle evident ein hohes öffentliches Interesse. Der Verweigerung aus datenschutzrechtlichen Geheimhaltungsansprüchen der Vertragspartner:innen sei entgegenzuhalten, dass in den Fällen, in denen Projektwerber:innen auch etwa Grundeigentümer:innen seien, diese im öffentlichen Grundbuch ersichtlich seien und daher von vornherein kein datenschutzrechtlicher Geheimhaltungsanspruch bestehe. Auch sonstige Verfügungsberechtigte würden im weiteren Verlauf der Realisierung am Immobilienmarkt in Erscheinung treten und sich damit aus der Anonymität begeben. Es bestehe ein hohes öffentliches Interesse an der Offenlegung des Umstandes, mit wem die Stadt Wien städtebauliche Verträge schließe, um dies einer öffentlichen Debatte zuführen zu können. Dieses öffentliche Interesse überwiege die Interessen Dritter. Da der Auskunftserteilung im Ergebnis weder eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegenstehe noch ein Verweigerungstatbestand vorliege, hätte die Behörde die Auskunft erteilen müssen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Magistrat der Stadt Wien (außerordentliche) Amtsrevision an den VwGH, weil es an Rechtsprechung fehle, inwieweit vertraglich zugesicherte Geheimhaltungspflichten eine Verschwiegenheitspflicht der Behörde rechtfertigen bzw. das Wr. AuskunftspflichtG zur Vertragsverletzung samt allfälligem Schadenersatz verpflichten könne.

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs

Der VwGH wies die Revision mit der Begründung zurück, dass dem Wr. AuskunftspflichtG ein Regel-Ausnahme Prinzip zugrundeliege. Im Falle der Verweigerung der Auskunftserteilung brauche es als Rechtfertigung nachvollziehbare Feststellungen über jene Umstände, auf die sich die Verweigerung gründe. Aufgrund dieses Regel-Ausnahme Prinzips seien die Ausnahmen streng zu prüfen; außerdem sei der Umfang des subjektiven Rechts auf Auskunft nach dem Wr. AuskunftspflichtG sowie die Reichweite der dieses Recht einschränkenden Bestimmungen verfassungskonform – im Lichte der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR – auszulegen.

Eine pauschale Verweigerung der Auskunft könne nicht mit Verschwiegenheitspflichten hinsichtlich einzelner (Verwaltungs-)Vorgänge begründet werden. Hinsichtlich jener Vorgänge, für die eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht bestehe, sei darüber bescheidmäßig abzusprechen, im Übrigen sei die Auskunft zu erteilen.

Nach der VwGH-Rechtsprechung derogierten vergaberechtliche Vertraulichkeitspflichten jedenfalls nationalen Rechtsvorschriften betreffend den Zugang zu Informationen wie dem Wr. AuskunftspflichtG nicht. Der VwGH habe sich auch bereits mit den aus dem vergaberechtlichen Prozess ergebenden Verpflichtungen der Vertragspartner:innen im Zusammenhang mit dem Wr. AuskunftspflichtG auseinandergesetzt. Die Revision habe daher weder eine fehlende Eindeutigkeit der Rechtsprechung dargelegt, noch aufgezeigt, dass das VwG von der bestehenden Rechtsprechung abgewichen wäre.

Das VwG sei auch nicht – wie in der Revision vorgebracht – von den von der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Prüfung eines Auskunftsersuchens abgewichen: Das VwG habe näher begründet, dass die vorgebrachten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht das öffentliche Interesse an einer Auskunftserteilung an den journalistisch tätigen Auskunftswerber überwiegen würden. Es bestehe auch ein hohes öffentliches Interesse an der Offenlegung, mit wem die Stadt Wien städtebauliche Verträge schließe, um im Sinne eines "social watchdog" allfällige wirtschaftliche bzw. politische Verflechtungen einer öffentlichen Debatte zuführen zu können. Dieses öffentliche Interesse überwiege die Interessen Dritter an einer Geheimhaltung.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.