Das LVwG führte in seiner am 29. März 2023 mündlich verkündeten, am 20. Juli 2023 schriftlich ausgefertigten Entscheidung aus, dass im Kern des Verfahrens die Frage stehe, ob es sich bei der Protestaktion in der Sitzung des Tiroler Landtages um eine anzeigepflichtige Versammlung gehandelt habe und – damit im Zusammenhang – ob die Bestrafungen nach dem VersG zulässig seien.
Zur Frage des Vorliegens einer Versammlung fasste das LVwG zunächst die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zum Versammlungsbegriff des VersG zusammen. Zum konkreten Fall führte das LVwG aus, dass offensichtlich sei, dass der Beschwerdeführer seine Meinung zum Ausdruck habe bringen wollen und sich zu diesem Zweck mit drei weiteren Personen zu der Aktion verabredet und die entsprechenden Banner vorbereitet hatte. Die Aktion habe auch eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Versammlung im Sinne des Art. 12 StGG, Art. 11 EMRK und § 1 VersG vorgelegen habe und der Beschwerdeführer somit den Schutz der Versammlungsfreiheit und zudem jenen der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 10 EMRK) genieße.
Unstrittig sei die Versammlung im Vorhinein nicht gemäß § 2 Abs. 1 VersG bei der Versammlungsbehörde – der LPD – angezeigt worden. Eine Bestrafung gemäß § 19 VersG wegen Verstoßes gegen die Anzeigepflicht käme daher sowohl gegen den Beschwerdeführer als auch gegen die drei weiteren Personen als gleichberechtigte Veranstalter:innen grundsätzlich in Betracht.
Eine Anwendung des § 7 VersG scheide hingegen aus: Gemäß dieser sogenannten Bannmeilenregelung darf, während der Nationalrat, der Bundesrat, die Bundesversammlung oder ein Landtag versammelt ist, im Umkreis von 300 Metern von ihrem Sitze keine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden. Eine Bestrafung wegen Übertretung dieser Regelung komme bei einer Versammlung im Sitzungssaal eines Landtages jedoch schon auf Grund des eindeutigen Wortlautes nicht in Betracht. Verboten seien nur Versammlungen "unter freiem Himmel", nicht im Sitzungssaal selbst.
Die Protestaktion habe im Sitzungssaal und somit innerhalb der Räumlichkeiten des Tiroler Landtages stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe als Besucher den Ablauf der Sitzung am 15. Dezember 2022 derart gestört, dass er gemäß § 19 Abs. 2 dritter Satz GO-LT aufgefordert worden sei, sich aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Das angefochtene Straferkenntnis der LPD ahnde das Verhalten des Beschwerdeführers aber nach dem VersG, obwohl dieses bereits im Rahmen der durch die GO-LT abschließend geregelten Ausübung der Sitzungspolizei eingestellt worden sei. Für eine nachträgliche Bestrafung nach dem VersG bleibe daher in Fällen wie dem vorliegenden kein Raum. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des VfGH, der dies in Bezug auf eine nachträgliche Bestrafung wegen Störung der öffentlichen Ordnung gemäß § 81 des Sicherheitspolizeigesetzes während einer Sitzung des Nationalrates ausdrücklich ausgesprochen habe (VfSlg. 19.990/2015).
Im Ergebnis gab das LVwG daher der Beschwerde des Beschwerdeführers Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.
Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.