Das Dt. BVerfG erachtete die Verfassungsbeschwerden insoweit für zulässig, als sie sich dagegen wandten, dass es die Deutsche Bundesregierung und der Deutsche Bundestag unterlassen haben, gegen das PSPP vorzugehen. Unzulässig seien hingegen jene Teile, die sich unmittelbar gegen Rechtsakte eines Unionsorgans richteten.
Die zulässigen Teile der Verfassungsbeschwerden seien im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Dt. BVerfG begründet, weil sich das in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nicht in einer formalen Legitimation der Bundesstaatsgewalt erschöpfe. Vielmehr habe dieses auch einen grundlegenden demokratischen Gehalt. Aus dem Grundsatz der Volkssouveränität folgen der Anspruch der Bürger/innen, nur „einer öffentlichen Gewalt ausgesetzt zu sein, die sie auch legitimieren und beeinflussen können“. Dies schließe es aus, dass „sie einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können, und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen“. Dieser Anspruch gelte auch in Ansehung der europäischen Integration. Weiters führte das Dt. BVerfG an, dass das GG die deutschen Staatsorgane nicht ermächtigt, Hoheitsrechte „derart zu übertragen, dass aus ihrer Ausübung heraus eigenständig weitere Zuständigkeiten für die EU begründet werden können“. Davon seien insbesondere das Budgetrecht des Deutschen Bundestages und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung umfasst.
Nach Auffassung des Dt. BVerfG müssen sich die Bundesregierung und der Bundestag aktiv mit der Frage der Wiederherstellung der Kompetenzordnung auseinandersetzen, wenn eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU die „Grenzen des Integrationsprogramms in offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Weise“ überschreitet („Ultra-vires“). Das Dt. BVerfG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung geklärt, dass ihm in dieser Hinsicht Kontrollrechte zukommen, und dass es dabei zurückhaltend und europafreundlich vorgehen soll.
Aus Sicht des Dt. BVerfG folgt aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten auch durch Maßnahmen erfolgen kann, die bloß faktisch (also nicht auf einer ausdrücklichen rechtlichen Grundlage) einer Kompetenzübertragung gleichkämen.
Vor diesem Hintergrund erachtete das Dt. BVerfG die Beschlüsse des EZB-Rates vom 4. März 2015 und einzelne Folgebeschlüsse, mit denen das PSPP eingeleitet wurde, – anders als der EuGH – als Ultra-vires-Maßnahmen. Das Dt. BVerfG hielt fest, dass es zwar aufgrund des Unionsrechts an die Auslegung des EuGH gebunden ist. Zudem gebe es zu bedenken, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts unterlaufen würde, wenn jeder Mitgliedstaat für sich in Anspruch nähme, durch eigene Gerichte über die Gültigkeit von Rechtsakten der Union zu entscheiden. In diesem Fall sei die „Handhabung der Kompetenzabgrenzung durch den Gerichtshof [...] jedoch schlechterdings nicht mehr vertretbar“.
Nach Auffassung des Dt. BVerfG hat der EuGH verkannt, dass bei Kompetenzfragen vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist, was eine Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen des Programms auf die Wirtschaftspolitik und eine wertende Gesamtbetrachtung erfordert. Der Ansatz des EuGH verfehle daher die Anforderungen an eine nachvollziehbare Überprüfung der Einhaltung des währungspolitischen Mandates des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB. Die Selbstbeschränkung der gerichtlichen Prüfung dahingehend, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der EZB vorliegt, erachtete das Dt. BVerfG für ungenügend.
Demgegenüber ist es dem Dt. BVerfG zufolge erforderlich, dass der EZB-Rat prüft, ob die wirtschaftspolitischen Auswirkungen des Programms in einem angemessenen Verhältnis zu den erstrebten währungspolitischen Vorteilen stehen. Nach Auffassung des Dt. BVerfG hat der EZB-Rat dies unterlassen. Das betreffe etwa die Auswirkungen auf das Sparvermögen der Bürger/innen und Unternehmen oder den Umstand, dass durch das PSPP wirtschaftlich nicht mehr lebensfähige Unternehmen aufgrund des allgemein abgesenkten Zinsniveaus am Markt blieben.
Das Dt. BVerfG nahm in seiner Entscheidung jedoch keine abschließende Beurteilung dahingehend vor, ob die Bundesregierung und der Bundestag ihre Integrationsverantwortung auch dadurch verletzt haben, dass sie nicht auf eine Beendigung des PSPP hingewirkt haben. Dafür brauche es eine nachvollziehbare Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den EZB-Rat.
Das Dt. BVerfG hielt schließlich fest, dass die Bundesregierung und der Bundestag nun verpflichtet sind, der bisherigen Handhabung des PSPP entgegenzutreten und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB zu erwirken. Deutsche Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte dürften nicht am Zustandekommen oder der Umsetzung von Ultra-vires-Akten mitwirken. Daher untersagte das Dt. BVerfG der Deutschen Bundesbank, nach einer für die Abstimmung im Eurosystem notwendigen Übergangsfrist von drei Monaten an der weiteren Umsetzung und dem Vollzug der PSPP-Beschlüsse mitzuwirken. Eine Mitwirkung sei nur unter der Bedingung möglich, dass der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlege, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele den in der Entscheidung dargelegten Kriterien der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.