Fachinfos - Judikaturauswertungen 14.10.2021

Mitgliedschaft des bayerischen Landtags in Toleranzbündnis

Gericht sah keinen Verstoß gegen staatliche Neutralitätspflicht durch Mitgliedschaft des Landtags im „Bayerischen Bündnis für Toleranz“ (14. Oktober 2021)

BayVfGH 11.8.2021, Vf. 97-IVa-20

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVfGH) hat entschieden, dass die Mitgliedschaft des Landtags im Bayerischen Bündnis für Toleranz keinen Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht darstellt. Die Bayerische Verfassung ist nicht wertneutral, sondern vom Willen getragen, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates zu erhalten. Diesen Zielen hat sich auch das Bündnis verschrieben. Eine Mitgliedschaft des Landtags greift nicht in die Rechte einzelner Abgeordneter ein.

Sachverhalt

Im Jahr 2005 wurde auf Initiative der evangelischen und katholischen Kirche das Bayerische Bündnis für Toleranz gegründet. Es ist nach eigener Darstellung der größte Zusammenschluss gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Bayern und tritt für den Schutz von Demokratie und Menschenwürde ein. Die 79 Mitglieder des Bündnisses sind überwiegend Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Der Bayerische Landtag ist seit 2009 Mitglied und unterstützt das Bündnis durch jährliche Mitgliedsbeiträge.

Die AntragstellerInnen sind Abgeordnete zum Bayerischen Landtag und Mitglieder der Fraktion Alternative für Deutschland (AfD). Sie machten in einem Antrag an den BayVfGH geltend, dass die Mitgliedschaft das staatliche Neutralitätsgebot verletze und mit dem freien Mandat der Abgeordneten unvereinbar sei. Sie verlangten den Austritt des Landtags aus dem Bayerischen Bündnis für Toleranz.

Entscheidung des Bayerischen Verfassungs­gerichtshofes

Der BayVfGH wies den Antrag als unzulässig zurück:

Zum einen diene ein Organstreitverfahren der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen (z.B. dem Landtag) oder ihren Teilen (z.B. einzelnen Abgeordneten) aus Anlass eines konkreten Streits darüber und nicht der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns.

Zudem hätten die AntragstellerInnen nicht schlüssig darlegen können, wie sie durch den Beitritt des Landtages zum Bayerischen Bündnis für Toleranz in ihren Rechten verletzt worden sein sollten; eine Geltendmachung der Rechte im Namen eines anderen Organs bzw. Organteils sei nicht möglich und zum Zeitpunkt des Beitritts seien die AntragstellerInnen selbst noch nicht Mitglieder des Landtags gewesen.

Zum anderen sei von Seiten der AntragstellerInnen auch nicht dargelegt worden, wie sie durch die fehlende Beendigung der Mitgliedschaft des Landtages in diesem Bündnis in ihren Rechten verletzt worden sein sollten. Sie hätten nicht zu erläutern vermocht, inwieweit die Mitgliedschaft des Landtages in diesem Bündnis, das sich für unabänderliche Grundwerte der Bayerischen Verfassung wie das Demokratieprinzip und die Menschenwürde einsetze, denen alle Verfassungsorgane verpflichtet und die als solche jeder parteipolitischen Disposition entzogen seien, zu einer parteiischen Amtsführung der Landtagspräsidentin geführt und sie in der freien Ausübung ihres Mandats beeinträchtigt haben könnte.

Der BayVfGH hielt außerdem grundsätzlich fest, dass der Einsatz gegen die vom Bayerischen Bündnis für Toleranz bekämpften Einstellungen und Handlungen wie Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus der Zielsetzung der freiheitlichen demokratischen Verfassung und dem Prinzip der Menschenwürde entspricht. Die Bayerische Verfassung sei nicht wertneutral und wolle dies auch nicht sein. Sie sei vielmehr vom Willen getragen, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates – unter Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie – zu erhalten. Wenn der Landtag im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit das Bayerische Bündnis für Toleranz unterstütze, bekenne er sich zu den Grundwerten der Verfassung und trage zu deren Förderung bei. Ein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht liege darin nicht.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.