Abseits dieser direkten Auswirkungen auf Prozesse der Entscheidungsfindung und die folgende Umsetzung wird partizipativen Prozessen attestiert, dass sie gesellschaftliches Engagement generell erhöhen, wodurch Sozialkapital (Zusammenhalt und Beziehungsgeflechte) und Innovationskraft einer Gesellschaft gesteigert werden. Allerdings gibt es auch Kritik an den großen Hoffnungen, die in partizipative Prozesse gesetzt werden, sowie Fragen, die im Zuge der Umsetzung von partizipativen Prozessen beantwortet werden müssen. In Anlehnung an die Ausführungen des Umweltwissenschaftlers Jens Newig lassen sich diese folgendermaßen auf den Punkt bringen:
- Auswahl der TeilnehmerInnen: Wer gilt als betroffen? Wer darf und/oder kann die Betroffenen repräsentieren? Wie wird die Auswahl getroffen – und von wem wird der Auswahlprozess definiert? Wie sind die TeilnehmerInnen legitimiert? Vor allem den letzten Punkt betreffend besteht die Gefahr, dass nicht die Befähigung oder Eignung von Personen im Mittelpunkt steht, sondern einfach nur die Frage, wer teilnehmen will und kann. So könnten Personen, die eher die Zeit dafür haben, es sich leisten können o. a., überrepräsentiert sein.
- Unterschiedliche Rationalitäten und Kommunikationsweisen: Wie können diese im Rahmen eines vordefinierten und zeitlich begrenzten Prozesses miteinander in Einklang gebracht werden?
- Gruppendynamik: Erfahrungen lassen vermuten, dass die Gruppendynamik tendenziell zu riskanteren Entscheidungen sowie dem Ausschluss kritischer Stimmen führen kann.
Fehlendes ExpertInnenwissen.
- Eine hohe Anzahl an gleichberechtigten EntscheidungsträgerInnen bedeutet gleichzeitig eine hohe Anzahl an VetospielerInnen. Das kann die Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass Entscheidungen zielgerichtet bzw. effektiv sind.
- Wirkung abseits des Kreises der TeilnehmerInnen: Wie kann sich die Wirkung über den Kreis der teilnehmenden Akteure hinaus entfalten? Wie können die erarbeiteten Argumente in öffentliche Debatten eingebracht werden und dadurch vereinfachende, polarisierende Framings ersetzen?
- Fehlende Umsetzung: Entscheidungen von partizipativen Prozessen sind nicht bindend für die politischen EntscheidungsträgerInnen. Werden erarbeitete Empfehlungen nicht umgesetzt, besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in Entscheidungsfindungsprozesse erst recht sinkt.
Wenn diese Fragen nicht beantwortet werden können und die Kritik nicht ernst genommen wird, besteht die Gefahr, dass partizipative Prozesse zu Frustration anstatt zu gesteigertem Interesse führen, dass die Legitimität von partizipativen Prozessen generell infrage gestellt wird und dass letztendlich das Vertrauen in politische Entscheidungsfindungsprozesse sinkt anstatt zu steigen.
Insgesamt gibt es in Europa noch relativ wenige Erfahrungen, die eindeutige Antworten darauf geben, wie partizipative Verfahren, wie z. B. BürgerInnenräte, im politischen Entscheidungsfindungsprozess definiert und rechtlich verankert werden können ohne, erstens, in Konkurrenz zur repräsentativen Demokratie zu treten und, zweitens, eine zu starke Kontrolle der Politik zu riskieren. Letzteres würde die Legitimität partizipativer Verfahren unterlaufen, indem die Entscheidungsfindung von politischen RepräsentantInnen dominiert würde.