Fachinfos - Judikaturauswertungen 12.04.2021

U-Ausschuss: Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung #1

Sachverhalt

Die Revisionswerberin wurde als Auskunftsperson eines Untersuchungsausschusses (UsA) geladen. Daraufhin teilte sie mit, dass sie für eine Befragung vor Ort nicht zur Verfügung steht, da dies aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Infektionen ein Risiko für ihre und vor allem für die Gesundheit ihres Ehemannes darstellt. Für eine Befragung per Video vom Wohnort stehe sie aber zur Verfügung. Eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb der Parlamentsgebäude lehnte sie ebenfalls ab. Der UsA sah keine ausreichende Entschuldigung vorliegen und beantragte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Verhängung einer Beugestrafe. Das BVwG sprach aus, dass die Zugehörigkeit des Ehemannes der Revisionswerberin zur COVID-19-Risikogruppe keine genügende Entschuldigung für ihr Fernbleiben darstellt, zumal Maßnahmen zur Minderung des Infektionsrisikos angeboten worden waren. Die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) sehe eine Befragung der Revisionswerberin per Video vom Wohnort nicht vor. Es wurde somit eine Beugestrafe verhängt. Dagegen erhob die Revisionswerberin außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes

Der VwGH ließ die außerordentliche Revision wegen des Fehlens von Rechtsprechung zu einem Revisionspunkt zu. Er hielt fest, dass das BVwG lediglich zu prüfen hatte, ob die betroffene Person der Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge geleistet hat. Die Prüfung, ob die Ladung überhaupt, zu dem konkreten Zeitpunkt oder zu einem bestimmten Beweisthema erforderlich bzw. ob die physische Anwesenheit der Auskunftsperson erforderlich war, komme weder dem BVwG noch dem VwGH zu. Die Festlegung des Arbeitsplans und die Beweiserhebung aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses seien Akte des UsA, die nicht der Kontrolle des BVwG unterlägen.

Zum Vorbringen der Gefährdung der Gesundheit führte der VwGH aus, dass die Befragung von Auskunftspersonen ein wesentliches Mittel der Beweisaufnahme durch den UsA ist. Sie diene dem Ziel der „Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken“. Der Pflicht von Auskunftspersonen, der Ladung Folge zu leisten, komme wesentliche Bedeutung für die Erlangung von Informationen zu, die zur Wahrnehmung der demokratiepolitisch wesentlichen Kontrollfunktion des UsA notwendig seien. Auch im Hinblick auf die gesetzlich beschränkte Dauer eines UsA seien strenge Anforderungen erforderlich. Eine genügende Entschuldigung setze voraus, dass die geladene Auskunftsperson durch den geltend gemachten Hinderungsgrund tatsächlich abgehalten wurde, der Ladung nachzukommen und dass sie durch ihr zumutbare Vorkehrungen diesen Hinderungsgrund auch nicht (rechtzeitig) beseitigen konnte. Eine allgemeine Sorge um ihre Gesundheit und jene ihres Ehemanns sei nachvollziehbar, hebe sie aber nicht von anderen Personen ab. Durch Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten sei das Infektionsrisiko erheblich minimiert worden, sodass das Erscheinen nicht unzumutbar gewesen sei. Der Umstand, dass immer ein Restrisiko bleibe, sei dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen.

Auch sei das Verlassen des privaten Wohnbereichs „zur Wahrnehmung von unaufschiebbaren behördlichen oder gerichtlichen Wegen“ gemäß der COVID-19-Notmaßnahmenverordnung zulässig gewesen. Aufgrund der Ladung, zu einem bestimmten Termin vor dem UsA zu erscheinen, sei jedenfalls ein „unaufschiebbarer Weg“ vorgelegen. Auch wenn der UsA keine Verwaltungsbehörde und kein Gericht sei, werde er bei der Ladung von Auskunftspersonen hoheitlich – und in diesem Sinne „behördlich“ – tätig.

Die Revision wurde daher als unbegründet abgewiesen.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.

VfGH 24.2.2021, E 27/2021

Die Behandlung einer Beschwerde zu demselben Thema wurde vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) abgelehnt. Das Vorbringen lasse vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.