Fachinfos - Judikaturauswertungen 11.08.2023

Üble Nachrede oder Satire?

OLG Wien 7.3.2023, 18 Bs 308/22h

Der Angeklagte, ein bekannter Kabarettist, hatte einen Artikel in einer Tageszeitung veröffentlicht, in dem er einem leitenden Ermittlungsbeamten vorgeworfen hatte, in einem aufsehenerregenden potentiellen Kriminalfall nicht ausreichend ermittelt zu haben. Das Erstgericht sprach den Angeklagten frei, da es die Äußerungen als satirisch und nicht strafbar einstufte. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) hingegen sah die Äußerungen als eindeutig negativ und subjektiv und wertete sie als Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens. Das Urteil des Erstgerichts wurde aufgehoben; gleichzeitig wurde festgelegt, dass der Wahrheitsbeweis im fortgesetzten Verfahren aufgenommen werden müsse.

Sachverhalt

Der Angeklagte veröffentlichte am 23. September 2021 eine Kolumne in einer Tageszeitung, in welcher er dem Beamten Untätigkeit, Arbeitsverweigerung und einen unvollständigen Aktenvermerk im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Ibiza-Video vorwarf. In dem Artikel führte er weiter aus, dass die rätselhafte Untätigkeit des hohen Polizeibeamten die Entstehung des Ibiza-Videos ermöglicht haben solle. Daraufhin begehrte der Beamte die Verurteilung und Bestrafung des Angeklagten wegen übler Nachrede gemäß § 111 Abs. 1 und 2 StGB sowie die Zahlung einer Entschädigung gemäß § 6 Mediengesetz.

Das Erstgericht erläuterte hierzu, dass der bzw. die durchschnittliche Leser:in den Text der Kolumne derart auffasse, dass Polizeibeamte in einem aufsehenerregenden potentiellen Kriminalfall nicht ausreichend ermittelt und dadurch eine Dienstverfehlung begangen habe, nicht jedoch derart, dass er dadurch eine strafbare Handlung, insbesondere das Verbrechen des Amtsmissbrauchs gemäß § 302 Abs. 1 StGB begangen habe. Es könne, so das Erstgericht, nicht festgestellt werden, dass es der Angeklagte beim Verfassen der Kolumne ernstlich für möglich gehalten hätte, dass er den Beamten dadurch einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung oder eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens, das geeignet ist, den Beamten in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, beschuldigt. Dies sei vor allem darauf zu stützen, dass der Angeklagte einer der bekanntesten österreichischen Kabarettisten sei und dem angesprochenen Leser:innenkreis bewusst sei, dass dessen Kolumne satirisch gestaltet war. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, dass der Vorwurf, jemand ermittle nicht ausreichend in einem aufsehenerregenden potentiellen Kriminalfall oder jemand erstelle lediglich einen unvollständigen Aktenvermerk und begehe dadurch eine Dienstverfehlung, den Tatbestand des § 111 Abs. 1 StGB nicht erfülle. Der Angeklagte sei daher mangels feststellbaren strafbaren Verhaltens freizusprechen gewesen.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien

Das OLG stellte fest, dass, anders als vom Erstgericht angenommen, sich die Ergebnisse der wörtlichen und grammatikalischen Interpretation des Artikels aus der Sicht des angesprochenen Leser:innenkreises nicht deckten. Aus dem Gesamtzusammenhang des Textes könne der angesprochene Leser:innenkreis die Äußerungen des Angeklagten nur so verstehen, dass der Polizeibeamte es unterlassen hätte, in Reaktion auf die Vorlage des Ibiza-Videos die notwendigen und gebotenen Ermittlungsschritte zur Klärung eines möglichen Verdachts der Untreue oder Geldwäsche zu setzen. Das Erstgericht hatte diese Äußerung als nicht ausreichend kritisch bewertet. Das OLG widersprach dieser Einschätzung und nahm an, dass die Äußerung des Angeklagten eindeutig negativ und subjektiv war. Dem Beamten werde damit unmissverständlich vorgeworfen, er hätte die nötigen Ermittlungsschritte trotz der Vorlage hinreichender Beweismittel gezielt nicht gesetzt.

Dass der Angeklagte Kabarettist ist, ändere an alledem ebenso wenig wie der ironische Unterton, der dem Artikel zu entnehmen sei. Dem Leser:innenkreis erschließe sich nicht, dass es sich bei den Vorwürfen um Satire handle. Die Äußerungen des Angeklagten seien daher als Vorwurf eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens zu werten, die geeignet seien, den Beamten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen. Das OLG merkte dann an, dass bedingter Vorsatz für das Erfüllen des Tatbestands der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs. 1 StGB ausreicht. Dieser sei erfüllt, da der Angeklagte gewusst habe, an wen seine Kolumne gerichtet gewesen sei und er Erfahrung im Umgang mit Worten besitze. Als Kabarettist könne von dem Angeklagten verlangt werden, sorgfältig auf seine Formulierungen zu achten. Auch, dass der Angeklagte selbst angegeben habe, er habe sich auf entdeckte Ungereimtheiten und Diskrepanzen zwischen der Aussage des Beamten im Untersuchungsausschuss und den Angaben im Aktenvermerk berufen, spreche eindeutig dafür, dass der Angeklagte es, auch wenn er Kabarettist sei, zumindest ernstlich für möglich gehalten habe, dass der bzw. die durchschnittliche Leser:in den Text nicht als Satire auffassen würde. Laut dem OLG schien der Angeklagte daher nicht primär einen humoristischen Unterhaltungseffekt verfolgt zu haben.

Aus diesen Gründen hob das OLG das Urteil des Erstgerichts auf. Es seien keine ausreichenden Feststellungen zum Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Angeklagten vorhanden gewesen. Der Angeklagte habe den Beamten tatsachenbehauptend beschuldigt, in Bezug auf das Ibiza-Video nicht ausreichend ermittelt zu haben. Das Erstgericht hat nun im fortgesetzten Verfahren den Wahrheitsbeweis aufzunehmen und den Angeklagten erneut zu befragen.

Hinweis: Diese Entscheidung ist (noch) nicht im Volltext veröffentlicht.