Das OLG stellte fest, dass, anders als vom Erstgericht angenommen, sich die Ergebnisse der wörtlichen und grammatikalischen Interpretation des Artikels aus der Sicht des angesprochenen Leser:innenkreises nicht deckten. Aus dem Gesamtzusammenhang des Textes könne der angesprochene Leser:innenkreis die Äußerungen des Angeklagten nur so verstehen, dass der Polizeibeamte es unterlassen hätte, in Reaktion auf die Vorlage des Ibiza-Videos die notwendigen und gebotenen Ermittlungsschritte zur Klärung eines möglichen Verdachts der Untreue oder Geldwäsche zu setzen. Das Erstgericht hatte diese Äußerung als nicht ausreichend kritisch bewertet. Das OLG widersprach dieser Einschätzung und nahm an, dass die Äußerung des Angeklagten eindeutig negativ und subjektiv war. Dem Beamten werde damit unmissverständlich vorgeworfen, er hätte die nötigen Ermittlungsschritte trotz der Vorlage hinreichender Beweismittel gezielt nicht gesetzt.
Dass der Angeklagte Kabarettist ist, ändere an alledem ebenso wenig wie der ironische Unterton, der dem Artikel zu entnehmen sei. Dem Leser:innenkreis erschließe sich nicht, dass es sich bei den Vorwürfen um Satire handle. Die Äußerungen des Angeklagten seien daher als Vorwurf eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens zu werten, die geeignet seien, den Beamten in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen. Das OLG merkte dann an, dass bedingter Vorsatz für das Erfüllen des Tatbestands der üblen Nachrede gemäß § 111 Abs. 1 StGB ausreicht. Dieser sei erfüllt, da der Angeklagte gewusst habe, an wen seine Kolumne gerichtet gewesen sei und er Erfahrung im Umgang mit Worten besitze. Als Kabarettist könne von dem Angeklagten verlangt werden, sorgfältig auf seine Formulierungen zu achten. Auch, dass der Angeklagte selbst angegeben habe, er habe sich auf entdeckte Ungereimtheiten und Diskrepanzen zwischen der Aussage des Beamten im Untersuchungsausschuss und den Angaben im Aktenvermerk berufen, spreche eindeutig dafür, dass der Angeklagte es, auch wenn er Kabarettist sei, zumindest ernstlich für möglich gehalten habe, dass der bzw. die durchschnittliche Leser:in den Text nicht als Satire auffassen würde. Laut dem OLG schien der Angeklagte daher nicht primär einen humoristischen Unterhaltungseffekt verfolgt zu haben.
Aus diesen Gründen hob das OLG das Urteil des Erstgerichts auf. Es seien keine ausreichenden Feststellungen zum Wahrheitsgehalt der Äußerungen des Angeklagten vorhanden gewesen. Der Angeklagte habe den Beamten tatsachenbehauptend beschuldigt, in Bezug auf das Ibiza-Video nicht ausreichend ermittelt zu haben. Das Erstgericht hat nun im fortgesetzten Verfahren den Wahrheitsbeweis aufzunehmen und den Angeklagten erneut zu befragen.
Hinweis: Diese Entscheidung ist (noch) nicht im Volltext veröffentlicht.