Fachinfos - Judikaturauswertungen 27.01.2021

Ungenügende Entschuldigung für Nichterscheinen vor dem U-Ausschuss

Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss wegen Covid-19-Infektionsrisikos. BVwG 15.12.2020, W110 2237415-1/13E (27. Jänner 2021)

Sachverhalt

Der Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss, im Folgenden: UsA) beantragte beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Verhängung einer Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer nachweislich zugestellten Ladung einer Auskunftsperson. Begründend wurde ausgeführt, die Auskunftsperson habe angegeben, dass eine Befragung vor Ort aufgrund der hohen Zahl an COVID-19-Infektionen ein Risiko für ihre sowie die Gesundheit ihres Mannes darstelle, sie allerdings für eine Befragung via Videozuschaltung vom Wohnort aus zu Verfügung stehe. Die Parlamentsdirektion habe mitgeteilt, dass eine Befragung innerhalb der Räumlichkeiten des Parlaments stattfinden müsse, dass sie sich bei ihrer Befragung aber in einem separaten Raum aufhalten könne. Die Auskunftsperson habe dennoch darauf beharrt, keinesfalls zur Befragung zu kommen. Sie habe jedoch keine konkrete Erkrankung oder besondere Gefährdung geltend gemacht, sondern lediglich pauschal auf das Infektionsrisiko hingewiesen und Angebote zusätzlicher Maßnahmen abgelehnt, die ein Infektionsrisiko ausschließen würden.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das BVwG hielt fest, dass aufgrund des vorliegenden Sachverhalts die Voraussetzungen für die Beantragung einer Beugestrafe gegeben sind. Zu prüfen sei, ob die Auskunftsperson der ordnungsgemäßen Ladung „ohne genügende Entschuldigung“ nicht Folge geleistet habe.

Gemäß der – hier maßgeblichen – (ersten) COVID-19-Notmaßnahmenverordnung sei das Verlassen und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs nur für bestimmte Zwecke erlaubt gewesen. Tätigkeiten im Wirkungsbereich der Organe der Gesetzgebung seien aber aus dem Anwendungsbereich ausgenommen gewesen. Darunter falle jedenfalls auch die Tätigkeit des UsA als zentrales parlamentarisches Instrument politischer Kontrolle. Die Bestimmungen dieser Verordnung könnten daher das Nichterscheinen der Auskunftsperson nicht rechtfertigen.

Das BVwG räumte ein, dass die durch die COVID-19-Pandemie hervorgerufene Situation eine komplexe (und sich zeitlich verändernde) Gefährdungslage geschaffen hat, die sich – je nach den persönlichen Umständen – unterschiedlich gestalten kann. Dass sich die Auskunftsperson aufgrund ihrer familiären Situation zu besonderer Vorsicht veranlasst gesehen habe, sei lebensnah und nachvollziehbar. Die Sorge der Antragsgegnerin hinsichtlich einer Infektion (und vor allem der Möglichkeit einer weiteren Übertragung des Virus auf ihren Ehemann) werde ebenso wenig in Zweifel gezogen, wie ihre fortlaufenden Bemühungen im Alltag, das Infektionsrisiko durch umfangreiche Vorsichts- und Schutzmaßnahmen zu minimieren.

Jedoch sei zu bedenken, dass die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) den UsA zu einer den gesundheitlichen Notwendigkeiten einer Auskunftsperson angepassten Gestaltung der Befragung nicht nur berechtige, sondern sogar verpflichte. Es bestünden aufgrund der COVID-19-Pandemie Hygieneschutzmaßnahmen und Vorschriften für den Bereich der Parlamentsräumlichkeiten, die eine Infektion mit COVID-19 – soweit dies nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand gesagt werden könne – weitgehend hintanhalten, jedenfalls aber das Risiko erheblich minimieren. Das BVwG habe keinen Anlass zur Annahme, dass diese Maßnahmen in der Praxis nicht eingehalten würden.

Die Parlamentsdirektion habe überdies eine Befragung in einem separaten Raum innerhalb des Parlamentsgebäudes in Aussicht gestellt: Dadurch wäre es wohl zu einer weiteren Reduzierung der erforderlichen persönlichen Kontakte oder zumindest der Zahl der Personen gekommen, mit denen sich die Auskunftsperson über einen längeren Zeitraum hindurch in einem Raum befunden hätte. Diese Vorgangsweise hätte – zusätzlich zu den übrigen Maßnahmen – eine weitere Minderung des Infektionsrisikos bedeutet. Unter diesen Voraussetzungen erscheine das Infektionsrisiko nicht derart, dass ein Erscheinen der Auskunftsperson unzumutbar gewesen wäre – zumal sie selbst keiner Risikogruppe angehöre.

Die von der Auskunftsperson vorgebrachte monatelange Quarantäne und Selbstisolation habe nach Angaben der Auskunftsperson einen persönlichen Kontakt ihres Ehemannes mit anderen Personen nicht vollkommen und zur Gänze ausgeschlossen, sondern – soweit dies unbedingt erforderlich war – auch geschäftliche Zusammentreffen des Ehemannes mit einzelnen Personen erlaubt. Wenngleich diese Kontakte unter strengen Sicherheits- bzw. Schutzvorkehrungen stattgefunden hätten, so lege dies dennoch den Schluss nahe, dass – falls erforderlich – ein zeitlich begrenzter Kontakt der Auskunftsperson mit einer beschränkten Zahl an Personen unter Anwendung entsprechender Schutzmaßnahmen möglich sei. Die Ausführungen, dass die mögliche Infektionsgefahr vor dem Hintergrund der Zugehörigkeit ihres Ehemannes zur COVID-19-Risikogruppe zu hoch sei, könnten daher nicht als genügende Entschuldigung im Sinne der VO-UA qualifiziert werden.

Zur Bemessung der Beugestrafe führte das BVwG aus, dass – auch wenn das Fernbleiben der Auskunftsperson angesichts diverser Schutzmaßnahmen vor einer Infektion nicht gerechtfertigt war – der Unrechtsgehalt der Tat aufgrund der pandemiebedingten Ausnahmesituation in der vorliegenden Konstellation niedriger erscheint als im Vergleich zu anderen Fällen, in denen geladene Auskunftspersonen (gleichfalls) ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben sind. Es sei daher eine Geldstrafe in der unteren Hälfte des Strafrahmens (€ 500 bis € 5.000), sohin in der Höhe von € 2.000, zu verhängen gewesen.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.

Hinweis: Zu diesem Verfahren ist derzeit eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.