Das VG Berlin wies den Eilantrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurück.
Das Gericht hielt zunächst fest, dass der Tweet der Bundesministerin in Ausübung ihres Ministeramtes erfolgte. Der Tweet bilde angesichts der wortgleichen Wiederholung einer Äußerung der Ministerin auf einer Pressekonferenz ihres Ministeriums mit dieser einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Die Äußerung auf Twitter habe somit unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität ihres Regierungsamtes und der damit verbundenen Ressourcen stattgefunden. Daher handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weshalb der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht grundsätzlich eröffnet sei.
Doch habe der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt, inwieweit ihn die Äußerung in seinen Rechten beeinträchtige:
Auf das geltend gemachte Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit könne sich der Antragsteller, der weder Repräsentant einer Partei noch Wahlwerber sei, nicht berufen. Dieses Recht komme gegenüber politischen Gruppierungen, die nicht als politische Partei organisiert sind, nicht zum Tragen.
Auch eine Verletzung des Antragsstellers in seinen Grundrechten auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit erachtete das VG Berlin nicht für möglich. Die Äußerung der Ministerin sei ausdrücklich auf die Abhaltung von „Corona-Spaziergängen“, sohin die gezielte und unangemeldete Versammlung Protestierender an mehreren Orten gleichzeitig, bezogen. Der Antragsteller übe diese Protestform jedoch selbst gar nicht aus, sondern veranstalte vielmehr „normal angemeldete Versammlungen […] im herkömmlichen Sinn“. Da der Appell der Ministerin lediglich ein kleinteiliges Protestgeschehen kritisieren wolle, sei die Äußerung nicht geeignet, interessierte Bürger:innen von einer Teilnahme an den vom Antragsteller veranstalteten Versammlungen abzuhalten und damit deren Wirkung nachhaltig zu beeinflussen. Zudem handle es sich bloß um einen unverbindlichen Aufruf, der weder mit einer Androhung von Sanktionen noch einer generellen Abwertung oder Missbilligung der Demonstrationen verbunden gewesen sei. Etwaige Auswirkungen des Tweets auf die Meinungs- und Willensbildung der Bevölkerung müsse der Antragssteller hinnehmen. Eine Verletzung der Meinungsfreiheit sei dadurch nicht möglich.
Zudem sei die Äußerung durch die Befugnis der Regierung zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit gerechtfertigt. Diese sei „nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten“. Beschränkungen der Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit ergäben sich nur aus der Kompetenzordnung und dem Sachlichkeitsgebot, welche im vorliegenden Fall beide gewahrt seien. Der Tweet verlasse insbesondere nicht die Ebene eines sachlichen, rationalen Diskurses (auch in der Wortwahl). Der Appell ziele nämlich nicht auf eine Missbilligung regierungskritischer Positionen ab. Vielmehr sei es der Ministerin darum gegangen, auf die Erschwernisse hinzuweisen, die den Sicherheitsbehörden durch die Abhaltung kleinteiliger Protest-Spaziergänge hinsichtlich der Gewährleistung des Versammlungsrechts entstünden. Dabei handle es sich um einen nachvollziehbaren, sachlichen Grund für die Äußerung.
Vgl. zu diesem Verfahren die Pressemitteilung und den Volltext der Entscheidung.