Der EGMR stellte nicht infrage, dass ein Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung des Beschwerdeführers stattgefunden hat. Der Eingriff sei nicht gerechtfertigt: Er habe zwar sowohl auf einer gesetzlichen Grundlage beruht als auch einem der in Art. 10 Abs. 2 EMRK aufgezählten Ziele gedient – nämlich dem Schutz des guten Rufes anderer. Allerdings sei der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig gewesen. Werde wie im vorliegenden Fall die Gemeindeverwaltung kritisiert, stelle dies zweifellos eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse dar. Für Einschränkungen politischer Äußerungen oder von Diskussionen in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse eröffne Art. 10 Abs. 2 EMRK aber nur einen sehr engen Beurteilungsspielraum. Die Grenzen zulässiger Kritik seien in Bezug auf Politiker/innen weiter als in Bezug auf Privatpersonen, denn: Politiker/innen würden sich unweigerlich und wissentlich der eingehenden Beurteilung ihrer Worte und Taten durch die Presse und die allgemeine Öffentlichkeit aussetzen.
Der EGMR räumte ein, dass es zwar notwendig ist, die Verbreitung von Fehlinformation über Wahlkandidat/inn/en zu bekämpfen, um die Qualität der öffentlichen Debatte vor der Wahl zu gewährleisten. Allerdings seien im gegebenen Fall die nationalen Gerichte in ihren Urteilsbegründungen weder auf die Frage eingegangen, ob die Behauptungen des Beschwerdeführers eine ausreichend glaubwürdige Tatsachengrundlage hätten, noch darauf, ob der Beschwerdeführer mit angemessener Sorgfalt gehandelt habe. Stattdessen seien seine Äußerungen umgehend als Lügen und als Angriff auf den guten Ruf und das Ansehen des Bürgermeisters und des Gemeinderatsmitglieds qualifiziert worden. Keinesfalls dürfe aber vom Beschwerdeführer verlangt werden, die Richtigkeit seiner Behauptungen nachzuweisen.
Der EGMR merkte außerdem an, dass die Wortwahl in der Wahlbroschüre – mit Blick auf den Ton und die Art der politischen Debatte, die auf Ortsebene üblich sind – innerhalb der Grenzen zulässiger Übertreibung bzw. Provokation geblieben ist.
Vor diesem Hintergrund kam der EGMR zum Ergebnis, dass es den nationalen Gerichten nicht gelungen ist, einen fairen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit des Schutzes der Meinungsäußerungsfreiheit des Beschwerdeführers einerseits und der Rechte und des Rufes des Bürgermeisters bzw. des Gemeinderatsmitglieds andererseits zu schaffen. Die Urteilsbegründungen der nationalen Gerichte seien mit Blick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers weder stichhaltig noch ausreichend und würden keinem dringenden sozialen Bedürfnis entsprechen.
Darüber hinaus erinnerte der EGMR daran, dass Art und Schwere der verhängten Strafen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Meinungsäußerungsfreiheit zu berücksichtigen sind. Im gegebenen Fall seien die verhängten Strafen jedenfalls dazu geeignet gewesen, für den Beschwerdeführer abschreckende Wirkung zu entfalten.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich aufgrund der kurzfristigen Ladung nicht vor Gericht verteidigen können, hielt der EGMR hingegen Folgendes fest: Der Beschwerdeführer sei zur erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung ordnungsgemäß geladen worden, habe den nationalen Gerichten allerdings nicht die Gründe seiner Abwesenheit mitgeteilt, obwohl er im Rahmen seiner Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung dazu Gelegenheit gehabt hätte. Folglich sei seine Abwesenheit vor dem erstinstanzlichen Gericht und die daraus folgende Unmöglichkeit, seine Argumente vor Gericht vorzubringen, nicht allein dem Staat zurechenbar.
Abschließend fasste der EGMR zusammen, dass der Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung des Beschwerdeführers unverhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig gewesen ist.