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Wie erfolgt die Rundfunkfinanzierung in Europa?

Im Zusammenhang mit dem Volksbegehren "ORF ohne Zwangsgebühren" befasst sich das Fachdossier unter anderem mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich und anderen europäischen Staaten. (10.04.2019)

Wie erfolgt die Rundfunkfinanzierung in Europa?

Derzeit behandelt der Verfassungsausschuss das Volksbegehren "ORF ohne Zwangsgebühren". Die mit 320.264 Unterschriften unterstützte Initiative fordert die Abschaffung der zwingenden ORF-Gebühren und Abgaben sowie die Beseitigung der parteipolitischen Einflussnahme auf die Organe des ORF.

Auch im Regierungsprogramm 2017-2022 (S. 84) wird angekündigt, das ORF-Gesetz zu reformieren – im Juni 2018 veranstaltete die Bundesregierung dazu eine Medienenquete, in deren Mittelpunkt die Frage stand, wie es mit dem österreichischen Medienstandort weitergehen solle. Im Nationalrat ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk regelmäßig Thema: 2009 widmete sich eine parlamentarische Enquete "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ‑ Medienvielfalt in Österreich" der Zukunft des ORF und den Rahmenbedingungen für Medienvielfalt. Der für Medien zuständige Bundesminister hat dem Nationalrat jährlich den Jahresbericht des ORF und andere Berichte wie den Public Value Bericht ("Der Auftrag 2019") vorzulegen, die im Verfassungsausschuss beraten werden.

Rundfunkfreiheit

Die Rahmenbedingungen für Rundfunk und Medien stellen ein wesentliches Element moderner Verfassungen dar. Zur Förderung der Meinungsvielfalt in einer demokratischen Gesellschaft ist der Rundfunk durch die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 10 EMRK) geschützt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich in zahlreichen Entscheidungen mit dem öffentlichen Rundfunk beschäftigt und ist dabei vor allem auf das Recht auf Meinungsäußerung eingegangen. Einen Überblick über die Judikatur bietet das EGMR-Factsheet "Freedom of Expression and the Broadcasting Media" (2018).

Aus der Meinungsäußerungsfreiheit wird abgeleitet, dass der Staat für geeignete Rahmenbedingungen für den Rundfunk zu sorgen hat. Je nach nationalem Kontext unterscheiden sich die Organisationsmodelle. In Österreich bilden das Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (BVG-Rundfunk) und das ORF-Gesetz die Basis. Der Bundesgesetzgeber wird ermächtigt, Regelungen für die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe zu bestimmen – dies ist mit dem ORF-Gesetz geschehen. Die Gebührenpflicht für Rundfunkempfangs­einrichtungen ist im Rundfunkgebührengesetz festgelegt – die Einhebung erfolgt durch die GIS Gebühren Info Service GmbH.

Finanzierungsmodelle in der EU

Die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks ist auch in anderen EU-Mitgliedstaaten ein aktuelles und vieldiskutiertes Thema. In den meisten der 28 EU-Mitgliedstaaten speist sich der öffentliche Rundfunk aus einem Finanzierungsmix. Laut Bericht der European Broadcasting Union (EBU, 2018) stammen durchschnittlich 77,6 % aus öffentlichen Quellen (öffentliche Mittel oder Gebühren) – den Rest bilden überwiegend Einnahmen aus Werbung. Derzeit haben 13 der 28 EU-Mitgliedstaaten ein vorrangig durch Gebühren finanziertes Rundfunkmodell, während in 14 Staaten die Finanzierung überwiegend aus öffentlichen Mitteln erfolgt (insbesondere Staatsbudget, Subventionen, Steuern). In Malta speist sich der öffentliche Rundfunk vorwiegend aus Werbeeinnahmen.

Finanzierungsmodelle

Die Grafik "Finanzierungsmodelle des öffentlichen Rundfunks in Europa" zeigt, dass sich der öffentliche Rundfunk in Europa überwiegend durch Gebühren oder öffentliche Mittel finanziert. Nur in Malta speist sich der Großteil aus Werbung. Die Angaben basieren auf dem Bericht "Funding of Public Service Media 2018" der EBU mit Aktualisierungen zur Rechtslage in Dänemark und Schweden, die seit 2019 auf Steuerfinanzierung umgestiegen sind.

Quelle: Europäische Rundfunkunion (EBU), Stand 10.4.2019, eigene Darstellung.

Wer hebt die Gebühren ein?

Die European Broadcasting Union unterscheidet vier Haupttypen, wie Staaten Gebühren für den öffentlichen Rundfunk einheben: durch öffentliche Rundfunkeinrichtungen selbst (inklusive Outsourcing), Stromlieferanten, die Post oder Steuerbehörden.

Insgesamt zeigt sich ein Trend weg von den klassischen Merkmalen des Rundfunks (TV & Radio) - Digitalisierung, Streaming und mobile Nutzung verändern die Art und Weise, wie Medien genutzt werden. Auf diese Veränderungen reagieren Modelle, die nicht mehr ein empfangsfähiges Gerät voraussetzen, sondern eine nutzungsunabhängige Gebühr (z.B. pro Haushalt) vorsehen.

Einhebung der Rundfunkgebühren

Die Grafik "Art der Einhebung von Rundfunkgebühren" zeigt, dass in Europa die Gebühren vor allem durch öffentliche Rundfunkanstalten selbst, durch Stromlieferanten, Steuerbehörden, private Unternehmen oder die Post eingehoben werden. Die Angaben basieren auf dem Bericht "Licence Fee 2018" der EBU mit Aktualisierungen zur Rechtslage in Dänemark und Schweden, die seit 2019 auf Steuerfinanzierung umgestiegen sind.

Quelle: Europäische Rundfunkunion (EBU), Stand 10.4.2019, eigene Darstellung.

Finanzierungsmodelle im Detail: Dänemark, Deutschland, Italien und Schweiz

In Dänemark lief mit Jänner 2019 das Gebührenmodell (in englischer Sprache) aus und wurde von einer einkommensabhängigen Steuerfinanzierung abgelöst. Im Zuge der Umstellung kürzte die dänische Regierung das Budget der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Danmarks Radio (DR), um 20 %. Der öffentliche Rundfunk und die Stellung des DR ist im dänischen Rundfunkgesetz geregelt. Die genauen Ziele und Rahmenbedingungen für 2019-2023 regelt ein Vertrag (in dänischer Sprache) zwischen DR und dem Dänischen Kulturministerium.

In Deutschland finanziert sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk entsprechend dem Gebot der Staatsferne und Unabhängigkeit durch Gebühren, die jeder Privathaushalt monatlich entrichtet (Rechtsrahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, 2018). Im Juli 2018 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass die Anknüpfung des Rundfunkbeitrags an das Innehaben einer Wohnung mit der Verfassung vereinbar ist. Dabei komme es nicht darauf an, ob Empfangsgeräte oder ein Nutzungswille vorliegen – der Vorteil liege bereits in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.

In Italien ist der öffentliche Rundfunk, die RAI (Radiotelevisione Italiana), im Fokus politischer Machtkämpfe. Reformvorschläge sehen vor, die RAI als "italienisches Netflix" auszugestalten. Dabei bestehen Befürchtungen, dass die RAI zu einer Streaming-Plattform umgebaut und in ihrer Funktion als öffentlich-rechtlicher Rundfunk ausgehöhlt werde. Der italienische öffentliche Rundfunk finanziert sich überwiegend aus Gebühren (die Einhebung erfolgt mit der Stromrechnung pro Haushalt).

In der Schweiz war die Finanzierung des Rundfunks im März 2018 Gegenstand einer Volksabstimmung. Die Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No-Billag) wurde mit 71,6% der Stimmen abgelehnt. Seit 1. Jänner 2019 gilt in der Schweiz eine neue geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe (1 Franken pro Tag per Haushalt).