Fachinfos - Judikaturauswertungen 12.04.2021

Zugang zu bereits durch Dritte verbreitetem Dokument

Durch Dritte verbreitetes Dokument befreit EU-Organe nicht von deren Verpflichtung, Zugang zu gewähren. EuGH 21.1.2021, C-761/18 P, Leino-Sandberg gg. Parlament (12. April 2021)

Sachverhalt

Päivi Leino-Sandberg, eine finnische Professorin für Völker- und Europarecht, beantragte für ein Forschungsprojekt beim Europäischen Parlament (EP) Zugang zu einem ablehnenden Beschluss des EP, mit welchem Herrn De Capitani der Zugang zu Triolog-Informationen verweigert wurde („streitiger Beschluss“). Während De Capitani selbst gerichtlich dagegen vorging (und der Beschluss im Frühjahr 2018 für nichtig erklärt wurde), veröffentlichte er denselben bereits 2015 in einem Blog online. Leino-Sandberg wurde der Zugang zum geforderten Beschluss vom EP unter Verweis auf das anhängige Gerichtsverfahren nicht gewährt. Dagegen erhob sie Nichtigkeitsklage, in deren Verlauf das EP eine Feststellung auf Erledigung der Hauptsache beantragte, da ihr der streitige Beschluss bereits – vollständig – im Internet zugänglich sei. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) gab diesem Antrag statt. Dagegen erhob Leino-Sandberg Rechtsmittel vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) und betonte unter anderem, dass sie als Forscherin zur Einhaltung akademischer Qualitäts, Objektivitäts- und Ethikstandards und somit dazu verpflichtet sei, ausschließlich Informationen aus authentischen Quellen zu verwenden.

Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Der EuGH gab dem Rechtsmittel statt, hob den Beschluss des EuG auf, mit dem die Erledigung der Hauptsache festgestellt wurde, und wies die Sache zur Entscheidung an das EuG zurück, denn es hätte sich mit dem Rechtschutzinteresse der Klägerin befassen müssen.

Dem EuG sei ein Rechtsfehler unterlaufen, indem es die Verbreitung eines Dokuments durch einen Dritten mit jener durch das jeweilige Organ im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des EP, des Rates und der Kommission gleichsetzte. Die Verordnung verpflichte die Organe der Europäischen Union, Zugang zu ihren Dokumenten zu gewähren. Ein Organ könne dieser Verpflichtung zwar auch durch die Information nachkommen, wie man an das Dokument gelangen kann. Das setze aber voraus, dass das betreffende Dokument bereits vom jeweiligen Organ freigegeben worden und problemlos zugänglich sei. Ein von Dritten verbreitetes Dokument müsse also vom jeweiligen Organ als offizielles Dokument oder Ausdruck der offiziellen Position eindeutig bestätigt werden, damit die Verpflichtung, Zugang zu gewähren, erfüllt werde.

Vgl. zu diesem Verfahren den Volltext der Entscheidung.