Parlamentskorrespondenz Nr. 598 vom 30.06.2009

EU-Abgeordnete werden künftig vom Europäischen Parlament bezahlt

Erneut Diskussion über Abwahlmöglichkeit von NR-PräsidentInnen

Wien (PK) – Für österreichische Abgeordnete zum Europäischen Parlament gilt künftig eine neue Bezügeregelung. Sie werden grundsätzlich nicht mehr den Bestimmungen des Bezügebegrenzungsgesetzes und damit der österreichischen Gehaltspyramide für PolitikerInnen, sondern dem neuen Abgeordnetenstatut des Europäischen Parlaments (EP) unterliegen. Das sieht ein gemeinsamer Antrag der Koalitionsparteien und der Grünen vor, der heute den Verfassungsausschuss des Nationalrats einstimmig passierte. In Zusammenhang damit wurde ein Antrag zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (B-KUVG) mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen mehrheitlich angenommen.

Gemäß dem EU-Abgeordnetenstatut gelten nunmehr für sämtliche Abgeordnete zum Europäischen Parlament die gleichen bezüge- und pensionsrechtlichen Bestimmungen. Damit erfolgt eine Abkehr vom bisher geltenden Prinzip, wonach sich die Bezüge der EP-Abgeordneten an die jeweiligen Bezüge der nationalen Abgeordneten anlehnen und damit unterschiedlich hoch sind. Für Abgeordnete, die dem Europäischen Parlament bereits in der laufenden Wahlperiode angehört haben, gibt es allerdings eine Übergangsregelung – sie können in das alte, nationale, System optieren.

Da die Mitglieder des Europäischen Parlaments der EU-Steuer unterliegen, stellen die im Ausschuss vorgenommenen Änderungen die Steuerfreiheit der Abgeordnetenbezüge in Österreich sicher. Andere, in Österreich steuerpflichtige Einkünfte sollen jedoch mit einem entsprechend höheren Satz besteuert werden (Progressionsvorbehalt). Die Pflichtversicherung nach dem B-KUVG soll beibehalten werden, um eine Schlechterstellung gegenüber der derzeitigen Lage zu verhindern.

Positive Auswirkungen hat das EU-Abgeordnetenstatut auf den österreichischen Staatshaushalt, die Bezüge der EP-Abgeordneten werden künftig vom Europäischen Parlament getragen. Lediglich der Dienstgeberbeitrag für die österreichische Krankenversicherung wird vom Bund getragen.

Diskussion um Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs

Vom Verfassungsausschuss vertagt wurde eine Reihe von Anträgen der Opposition, die eine Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs zum Ziel haben. Unter anderem geht es um die Prüfung der staatlichen Bankenhilfe, die Prüfung von Unternehmen mit staatlichem Einfluss, die Prüfung von Gemeinden, die Prüfung von Direktförderungen der EU und die Prüfung von gemeinnützigen Bauvereinigungen, wobei FPÖ, BZÖ und Grüne zum Teil unterschiedliche Vorstellungen haben.

So schlägt etwa die FPÖ in ihrem Antrag – neben der Übertragung zusätzlicher Rechte an den Bundesrechnungshof – zur Prüfung von Gemeinden unter 20.000 EinwohnerInnen die verpflichtende Einrichtung von Landesrechnungshöfen vor, während die Grünen damit den Rechnungshof selbst betrauen wollen (599/A[E], 677/A). Die von den Gemeinden zu erledigenden Aufgaben werden immer bedeutsamer, komplexer und kostenintensiver, damit sei die derzeit bei 20.000 EinwohnerInnen liegende Schwelle für Gemeindeprüfungen nicht mehr zeitgemäß, argumentieren die Grünen. Das BZÖ spricht sich dafür aus, Gemeinden mit einem Gebarungsvolumen von mehr als 10 Mio. € der Rechnungshofkontrolle zu unterwerfen (461/A), Klubobmann Josef Bucher erwartet sich davon eine wertvolle Unterstützung für die betroffenen Kommunen.

Weiters zur Diskussion stand ein vom BZÖ vorgelegter Antrag zum Thema Unternehmensprüfungen durch den Rechnungshof und ein Antrag der FPÖ, der auf die Wahl des österreichischen Mitglieds im Europäischen Rechnungshof durch den Hauptausschuss des Nationalrats abzielt.

Die Anträge, die eine Ausweitung der Kompetenzen des Rechnungshofs zum Ziel haben, wurden vertagt, der FPÖ-Antrag betreffend die Wahl des österreichischen Mitglieds im Europäischen Rechnungshof abgelehnt, und zwar jeweils mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit.

Die Abgeordneten Angela Lueger (S) und Karl Donabauer (V) sahen keinen Anlass, den Bestellungsmodus für das österreichische Mitglied im Europäischen Rechnungshof zu ändern, weshalb sie für eine Ablehnung des Antrags plädierten.

Die Vertagung der anderen zur Diskussion stehenden Anträge begründeten Lueger und Donabauer mit der Feststellung, dass die darin enthaltenen Vorschläge sehr uneinheitlich sind. Man müsse diese Fragen daher sehr genau überlegen, weshalb es wenig Sinn mache, in aller Eile eine Entscheidung zu treffen. Beide wiesen darauf hin, dass Gemeinden unter 20.000 EinwohnerInnen ohnehin mehrmals geprüft werden. Donabauer hielt die derzeitigen Aufgaben des Rechnungshofs für ausreichend.

Dieser Argumentation konnte sich die Opposition nicht anschließen. Abgeordneter Werner Kogler (G) erinnerte daran, dass der Rechnungshof selbst für eine Ausweitung seiner Kompetenzen eintritt. Die Notwendigkeit, öffentliche Unternehmen bereits ab einer 25 %igen Beteiligung der öffentlichen Hand durch den Rechnungshof prüfen zu lassen, zeige sich auch aus einem aktuellen Anlass, nämlich im Zusammenhang mit den Ungereimtheiten beim Ausbau des Flughafens Wien, sagte er. Kogler sprach sich auch vehement für eine Prüfungskompetenz des Rechnungshofs zur Kontrolle im Rahmen des Bankenpakets aus, und zwar auch im Lichte der für ihn völlig unzureichenden Berichterstattung durch den Finanzminister. Die letzte Sitzung des Hauptausschusses, in dem die ersten Berichte des Finanzministers über Haftungsmaßnahmen und andere Maßnahmen nach dem Interbankmarktstärkungsgesetz und dem Finanzmarktstabilitätsgesetz zur Diskussion standen, hätten dies deutlich gemacht, bemerkte er. Was die Prüfung kleinerer Gemeinden betrifft, so halte er dies deshalb für notwendig, weil die Kontrolle durch die Bezirksverwaltungsbehörden schlecht funktioniere und die Kontrollausschüsse überfordert seien. Man brauche ein effizientes Kontrollsystem, forderte Kogler.

Dem schloss sich auch Abgeordneter Bernhard Vock (F) an. Den Mitgliedern der Kontrollausschüsse mangle es oft an fachlicher Kompetenz, und außerdem spiele dabei oft die Parteipolitik eine große Rolle, stellte er fest.

Fraktionen einigen sich auf Unterausschuss zur Verwaltungsreform

Im Zuge der Debatte über die Anträge und deren Vertagung kam es auch zu Meinungsverschiedenheiten über den beim so genannten Österreich-Gespräch vereinbarten Unterausschuss zur Verwaltungsreform. Abgeordneter Herbert Scheibner (B) bestand darauf, diesen Unterausschuss bereits heute einzurichten und die genannten Anträge diesem zuzuweisen, da dies auch so zugesagt gewesen sei. Dem entgegnete Abgeordneter Wilhelm Molterer (V), es sei mit allen Fraktionen vereinbart worden, diesen Unterausschuss noch vor dem Sommer einzusetzen und vor dem nächsten Nationalratsplenum über einen Entschließungsantrag zu verhandeln, der dann dem Unterausschuss zugewiesen wird. Abgeordneter Josef Cap (S) versicherte, alle Parteien in den Prozess der Verwaltungsreform einzubinden, und versuchte damit das Misstrauen Scheibners zu zerstreuen. Der Argumentation Scheibners schloss sich auch Abgeordneter Harald Stefan (F) an, der meinte, Vereinbarungen sollten auch umgesetzt werden. Abgeordneter Werner Kogler (G) wiederum zeigte sich in der Frage des Termins für die Einsetzung des Unterausschusses gesprächsbereit und betonte, es sei wichtig, dass ein solcher auch tatsächlich und noch vor dem Sommer eingesetzt werde, und man dafür sorgen solle, einen guten Start für die Gespräche sicher zu stellen.

Der Antrag des Abgeordneten Scheibner, bereits heute einen Unterausschuss einzusetzen, wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich abgelehnt. Die Parteien vereinbarten jedoch schriftlich, bis zum nächsten Plenum einen Entschließungsantrag auszuarbeiten und noch vor Tagungsende einen Verfassungsausschuss einzuberufen, um einen Unterausschuss zum Thema Verwaltungsreform einzusetzen. Diesem Unterausschuss sollen neben dem angekündigten Entschließungsantrag auch die heute vertagten Anträge zugewiesen werden.     

Für und Wider zur Abwahlmöglichkeit von NR-PräsidentInnen

Schließlich war der Antrag der Grünen, mit dem die rechtlichen Voraussetzungen für eine Abwahl des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf geschaffen werden sollen, Anlass einer verfassungsrechtlichen und politischen Diskussion. Dem Antrag zufolge soll es den Abgeordneten möglich sein, die von ihnen gewählten drei NationalratspräsidentInnen mit Zweidrittelmehrheit wieder abzuwählen. Auch dieser Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ vertagt.

Die Abgeordneten Josef Cap (S) und Wilhelm Molterer (V) orteten noch einen großen Diskussionsbedarf, wenn auch mit inhaltlich unterschiedlichen Begründungen. So stellte Abgeordneter Molterer klar, dass die Aussagen des Dritten Präsidenten des Nationalrats, Martin Graf, unhaltbar seien und dieser daher die Konsequenzen ziehen sollte. Die ÖVP könne jedoch dem Antrag der Grünen nicht nähertreten, da dieser eine Fülle rechtlicher Fragen aufwerfe. Molterer sah vor allem das Risiko, das Präsidium des Nationalrats zum Spielball parteipolitischer Strategien zu machen. Er wies in diesem Zusammenhang auf die wichtige staatspolitische Funktion des Nationalratspräsidiums im Falle der Verhinderung des Bundespräsidenten hin. Die ÖVP habe daher vorgeschlagen, PräsidentInnen des Nationalrats beim Verfassungsgerichtshof anklagen zu können, wie dies auch beim Bundespräsidenten der Fall sei.

Diesem Vorschlag konnte SPÖ-Klubobmann Josef Cap nichts abgewinnen, da die Funktion des Bundespräsidenten als Verwaltungsorgan mit der Funktion des Nationalratspräsidiums nicht vergleichbar sei. Deshalb sei Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gleich zu Beginn dafür eingetreten, NationalratspräsidentInnen mit Zweidrittelmehrheit abwählen zu können. Cap teilte die diesbezüglichen Bedenken der ÖVP nicht. Die Vertagung des Antrags soll seiner Meinung nach die Chance eröffnen, in dieser Frage einen Nachdenkprozess einzuleiten.

Gegen die Vertagung sprachen sich die Grünen und das BZÖ aus. Die entscheidende Frage sei, so Abgeordneter Wolfgang Zinggl (G), ob man gewählte FunktionsträgerInnen auch wieder abwählen kann, und zwar mit einem erhöhten Quorum. Es müsse möglich sein, Grenzen zu ziehen, sagte er. Sein Klubkollege Albert Steinhauser ergänzte, jeder, der einen Funken politischer Verantwortung habe, müsse jetzt dafür sorgen, die Wahl Grafs zu korrigieren. Die Wahl sei ein politischer Fehler gewesen, meinte er, denn SPÖ und ÖVP hätten offensichtlich nicht erkannt, was sie wählen. Steinhauser räumte jedoch ein, dass man die Geschäftsordnung so gestalten müsse, dass eine Abwahl aller drei PräsidentInnen unmöglich wird.

Die Befürchtungen der ÖVP konnte Abgeordneter Ewald Stadler (B) mit Blick auf das Jahr 1933 nachvollziehen. Er hielt es für einen denkbar schlechten Anlass, die Verfassung wegen Präsident Graf zu ändern. Derartige Verfassungsänderungen dürften nicht unter dem Aspekt der Tagespolitik beschlossen werden, merkte er an, weshalb er für eine Nachdenkpause plädiere.

Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) unterstrich, dass derartige Funktionen, wie das Nationalratspräsidium, dem Alltagsstreit der Parteien entzogen werden müssen. (Schluss)