Parlamentskorrespondenz Nr. 826 vom 07.10.2009

Menschenrechtsausschuss fasst zahlreiche Entschließungen

Abgeordnete wollen VerteidigerInnen von Menschenrechten unterstützen

Wien (PK) – Eine Reihe von Entschließungen zu unterschiedlichen Menschenrechtsfragen – das ist das Ergebnis der heutigen Beratungen des Menschenrechtsausschusses des Nationalrats. Die Abgeordneten appellieren unter anderem an die Regierung, sich eingedenk des Falls des Eisernen Vorhangs vor genau 20 Jahren weltweit für Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzusetzen und all jene zu unterstützen, die wegen der Verteidigung von Menschen- und Minderheitenrechten verfolgt werden. Gleichzeitig machen sie sich für eine Aufklärung der im Iran stattfindenden Scheinprozesse und Folterungen von Oppositionsanhängern stark, treten für die Unterstützung der Rechte der christlichen Assyrer in der Türkei sowie den Erhalt des christlichen Klosters Mor Gabriel ein und sprechen sich für einen verbesserten Schutz der Zivilbevölkerung in Konfliktsituationen im Rahmen der UN-Sicherheitspolitik aus. Auch bezüglich der "Umerziehungslager" in China fasste der Ausschuss eine Entschließung. Vertagt wurden hingegen drei Initiativen der FPÖ betreffend die so genannten "Heimatvertriebenen".

Basis für die vom Ausschuss großteils einstimmig gefassten Entschließungen bildeten drei Anträge der Koalitionsparteien sowie je ein Antrag des BZÖ und der Grünen. Zunächst ging es dabei um die "Laogai" genannten chinesischen Umerziehungs- bzw. Arbeitslager, zu denen ein vom BZÖ vorgelegter Entschließungsantrag in Form eines B-S-V-Abänderungsantrags angenommen wurde. Die Abgeordneten fordern die Regierung auf, sich auf diplomatischem Weg dafür einzusetzen, dass die Informationslage über die Lager verbessert wird. Zudem mahnen sie die Einhaltung menschenwürdiger Haftbedingungen ein.

Trotz anfänglicher Skepsis stimmten auch die Grünen dem abgeänderten Entschließungsantrag zu. Zuvor hatte Abgeordneter Albert Steinhauser scharfe Kritik an der Einrichtung der Lager geübt und gemeint, die Forderung nach menschenwürdigen Haftbedingungen greife zu kurz, da es prinzipiell keine menschenwürdigen Umerziehungslager gebe. Der im Rahmen der Beratungen vorgelegte B-S-V-Abänderungsantrag betrifft lediglich die Begründung, die in manchen Punkten adaptiert wurde.

Auf Initiative der Grünen fasste der Ausschuss eine Entschließung betreffend das harte Vorgehen der iranischen Regierung gegen die Opposition. Die Abgeordneten ersuchen die Regierung, sich auf internationaler und bilateraler Ebene für eine Einreiseerlaubnis der zuständigen UN-Sonderberichterstatter in den Iran einzusetzen, um Scheinprozesse gegen Protestanhänger und Folterungen in iranischen Gefängnissen aufzuklären. Auch diese Entschließung wurde in Form eines Abänderungsantrags gefasst, den SPÖ und ÖVP gemeinsam vorgelegt hatten. Abgeordneter Rudolf Plessl (S) wies darauf hin, dass im Iran mehr als 4.000 Oppositionsführer und –anhänger verhaftet worden seien. Die Zustimmung erfolgte mit S-V-B-G-Mehrheit.

Vom Ausschuss einstimmig angenommen wurde ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien, in dem die Abgeordneten für die Unterstützung der Rechte der christlichen Assyrer in der Türkei und für die Erhaltung des Klosters Mor Gabriel eintreten. Das syrisch-orthodoxe Kloster sei eines der wenigen verbliebenen christlichen Zentren in der Türkei und trage dazu bei, dass die aramäische Sprache nicht aussterbe, heißt es in den Erläuterungen. Gleichzeitig fordern die Abgeordneten die Regierung auf, sich weiterhin und konsequent für die Einhaltung und Durchsetzung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit, insbesondere für christliche, jüdische und andere religiöse Minderheiten in der Türkei einzusetzen.

Abgeordneter Bernhard Vock (F) zeigte im Zusammenhang mit dem Antrag wenig Verständnis dafür, dass die Türkei von der EU regelmäßig Heranführungsbeihilfen erhalte, obwohl Menschenrechtsverletzungen evident seien. Dazu hielt Außenminister Michael Spindelegger fest, es gebe regelmäßige Fortschrittsberichte über die Entwicklung der Türkei. Würden wesentliche Vorgaben nicht erfüllt, gebe es seitens der EU auch kein Geld.

Gleichfalls einstimmig nahm der Ausschuss einen weiteren V-S-Entschließungsantrag an, der darauf abzielt, die österreichische Regierung in ihrem Bemühen zu unterstützen, weltweit für Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzutreten und sich für jene einzusetzen, die Menschenrechte verteidigen. Europa sei seit dem Fall des Eisernen Vorhangs zu einer Wertegemeinschaft zusammengewachsen, die auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte basiere, heißt es im Antrag, in weiten Teilen der Welt würden aber nach wie vor Menschen verfolgt, die friedlich für freie Wahlen und die Einhaltung von Menschenrechten eintreten bzw. Minderheitenrechte einfordern.

Ein von Ausschussvorsitzender Alev Korun (G) zu diesem Antrag eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit. Korun wollte dezidiert auch Österreich im Antrag erwähnt wissen und meinte, auch Personen und NGOs, die sich in Österreich für Menschenrechte einsetzen, müssten unterstützt werden. Dazu hielt Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S) fest, dass der Ausdruck "in allen Teilen der Welt" auch Österreich mit umfasse. Abgeordneter Franz Glaser (V) unterstrich, die Einhaltung der Menschenrechte sei in vielen Ländern nicht gewährleistet, wobei vor allem jene leiden, die sich für Menschenrechte einsetzten.

Schließlich stimmte der Ausschuss einhellig einem V-S-Entschließungsantrag zu, in der die Koalitionsfraktionen für eine Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung in Konfliktsituationen im Rahmen der UN-Sicherheitspolitik eintreten. Österreich solle während seiner zweijährigen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat diesbezüglich eine aktive Rolle einnehmen, die aktive Einbindung von Frauen in Friedensprozesse unterstützen sowie seine Rolle als Vermittler und Ort des Dialogs stärken, verlangen die Abgeordneten.

Auch hier konnten sich die Grünen mit einem Abänderungsantrag nicht durchsetzen. Abgeordnete Korun wollte die Entschließung um die Forderung ergänzen, in Österreich einen zivilen Friedensdienst aufzubauen und diesen finanziell ausreichend zu dotieren. Im Rahmen dieser Einrichtung sollten ihr zufolge zivile Friedensfachkräfte in Konfliktherde entsendet werden.

Vorerst kein Gedenktag für "Heimatvertriebene"

Zum Thema vertriebene Altösterreicher lagen dem Ausschuss drei Entschließungsanträge der FPÖ vor. Die Abgeordneten fordern darin Initiativen der Regierung zur Abschaffung der so genannten Benes-Dekrete in Tschechien (235/A[E]), die Einführung eines Gedenktags zur Erinnerung an das Schicksal und die Anliegen der österreichischen Heimatvertriebenen (236/A[E]) und die Unterstützung und Umsetzung der "Triester Erklärung" vom 31. März 2007 (237/A[E]). In dieser Erklärung fordern die vertriebenen, geflüchteten und deportierten Völker und Volksgruppen Europas u.a. die Wiedergutmachung von im Zusammenhang mit Vertreibung und Deportation begangenen Verbrechen.

Abgeordneter Gerhard Kurzmann (F) begründete die Entschließungsanträge seiner Fraktion damit, dass sich die Rechtslage in Tschechien und Slowenien in Bezug auf die heimatvertriebenen AltösterreicherInnen auch nach dem EU-Beitritt nicht geändert habe, obwohl der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Gegenteiliges in Aussicht gestellt hatte. Seitens der politischen Elite gebe es nach wie vor keinerlei Signale, das begangene Unrecht zu verurteilen, kritisierte er.

Abgeordneter Norbert Kapeller (V) sprach sich für eine Vertagung der Anträge aus und verwies auf die Absicht, sich im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit dem Thema zu beschäftigen. Ebenso sollen ihm zufolge die Ergebnisse der neuen Historikerkommission abgewartet werden, deren Einrichtung Tschechien und Österreich vereinbart haben. Die Forderung nach Abschaffung aller Benes-Dekrete gehe jedenfalls zu weit und würde nur die Hardliner in Tschechien stärken, zeigte sich Kapeller überzeugt. Damit würde man in Tschechien vermutlich ähnliche Reaktionen provozieren wie in Österreich nach der Verhängung der Sanktionen durch die EU.

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) wies darauf hin, dass es um eine emotionale und sensible Angelegenheit gehe. Man dürfe auch die Vorgeschichte der Vertreibungen nicht außer Acht lassen, meinte sie und plädierte für einen umfassenden Dialog. Die Frage sei, wie gehe das neue Europa mit der Vergangenheit um.

Auch Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) drängte auf einen breiten Dialog im Sinne einer besseren Völkerverständigung. Einseitige Polemik habe noch nie irgendjemandem geholfen, meinte er und stellte in diesem Sinn die Ablehnung der FPÖ-Anträge durch die Grünen in Aussicht. Auch Österreich habe, so Pirklhuber, lange gebraucht, um seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Für Tschechien seien die Benes-Dekrete so etwas wie Staatsgründungsdokumente, gab er zu bedenken, die Forderung nach Aufhebung aller Dekrete würde sicher als inadäquate Einmischung empfunden. Zur Frage des Vertriebenen-Gedenktags merkte Pirklhuber an, es lebten viele Vertriebene in Österreich, nicht nur vertriebene Altösterreicher.

Abgeordneter Christian Lausch (F) kritisierte, dass die Anträge der FPÖ mit der Vertagung auf "die lange Bank" geschoben würden. Der Bundesregierung sei das Thema offenbar nicht wichtig, klagte er. Sie wolle wohl niemanden vergrämen und verärgern.

Abgeordneter Gerald Grosz stellte namens des BZÖ die Zustimmung zu allen drei FPÖ-Anträgen in Aussicht, auch wenn er die Forderung nach Aufhebung der Benes-Dekrete als zu unpräzise wertete. Es gehe um die Unrechtsparagraphen der Dekrete, betonte er, man könne von einem Land nicht verlangen, seine Verfassung abzuschaffen. Jedenfalls würden durch die Dekrete Menschenrechte verletzt, bekräftigte Grosz.

Empört äußerte sich Grosz über die Vertagung des Antrags betreffend die Einrichtung eines Vertriebenen-Gedenktags. Es gebe Hunderte Gedenktage in Österreich, meinte er, nur für die Vertriebenen solle es offenbar keinen geben. Auch Abgeordneter Leopold Mayerhofer (F) drängte auf die Schaffung des Gedenktags.

Außenminister Michael Spindelegger erinnerte an die Zielsetzung der österreichischen Politik, nämlich die Anerkennung des Unrechts der Vertreibungen durch die tschechische Seite und das Setzen einer symbolischen finanziellen Geste zur Wiedergutmachung und Versöhnung. Seiner Darstellung nach gibt es derzeit allerdings keine entsprechende Bereitschaft von Seiten der tschechischen Politik. Was Österreich tun könne, sei, so Spindelegger, das Thema am Tisch zu lassen. Er hofft in diesem Zusammenhang, dass die mit Tschechien vereinbarte Einsetzung einer neuen Historikerkommission wieder Bewegung in die Sache bringt.

Alle drei Anträge der FPÖ wurden mit S-V-Mehrheit vertagt. (Schluss)