Parlamentskorrespondenz Nr. 889 vom 17.11.2010

Rechnungshof kann Gemeinden ab 10.000 EinwohnerInnen prüfen

Fonds zur Sanierung jüdischer Friedhöfe beschlossen

Wien (PK) – In Zukunft wird der Rechnungshof mehr Gemeinden prüfen können, indem nunmehr auch Gemeinden mit weniger als 20.000 EinwohnerInnen in dessen Prüfkompetenz fallen. Die Grenze für die Prüfbefugnis liegt nunmehr bei 10.000 GemeindebürgerInnen. Eine entsprechender Gesetzesantrag passierte heute den Nationalrat in dritter Lesung einstimmig. Miterledigt wurde der Antrag der Grünen, die dafür eintreten, dem Rechnungshof noch mehr Zuständigkeiten zu übertragen. Keine Mehrheit fanden Anträge von FPÖ, BZÖ und ein weiterer der Grünen, die ebenfalls über den heutigen Gesetzesbeschluss hinausgehen.

Auf der Tagesordnung stand auch die Errichtung des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe, eine Initiative, die einstimmig angenommen wurde.

Die von der FPÖ beantragten Ministeranklagen gegen Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Pröll blieben in der Minderheit.

Vor Beginn der Diskussion darüber gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt, dass die FPÖ beantragt hat, dem Verkehrsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 334/A(E) betreffend "Umsetzung der vierten Donaubrücke samt Westring im Sinne einer seit 30 Jahren längst überfälligen Strukturverbesserung zum Wohle der BürgerInnen" eine Frist bis zum 29. November zu setzen. Die Debatte über den Antrag beginnt um 15 Uhr.

Abgeordnete begrüßen Ausweitung der RH-Prüfkompetenz

Abgeordneter Harald STEFAN (F) begrüßte grundsätzlich die Ausweitung der Prüfkompetenz des Rechnungshofs auf Gemeinden ab 10.000 EinwohnerInnen sowie die Schaffung einer Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen auch kleinere Gemeinden durch den Rechnungshof zu prüfen, meinte aber, der Antrag der Regierungsparteien gehe nicht weit genug. Seiner Meinung nach sollten auch kleinere Gemeinden unter 10.000 EinwohnerInnen geprüft werden können.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) äußerte sich skeptisch zum Vorschlag seines Vorredners, die Prüfkompetenz auf kleinere Gemeinden auszuweiten, und warnte davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Kleinere und Kleinstgemeinden würden derzeit bereits durch die Gemeindeaufsicht und durch die Landesrechnungshöfe geprüft werden, eine Prüfung durch den Rechnungshof wäre mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Wittmann sprach sich aber dafür aus, die Prüfkompetenzen immer wieder an die geänderten wirtschaftlichen Realitäten anzupassen und das heute beschlossene Gesetz nach zwei Jahren auf seine Auswirkungen hin zu evaluieren.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) erwartete sich von der Prüfmöglichkeit durch den Rechnungshof prophylaktische Wirkung und meinte unter Hinweis auf jüngste Vorgänge in der Steiermark, die Praxis habe gezeigt, dass die Gemeindeaufsicht schlecht wirtschaftenden Gemeinden immer wieder die Mauer macht. Den heutigen Beschluss führte Kogler jedenfalls auf die Forderungen der Opposition zurück.

Abgeordneter Wilhelm MOLTERER (V) bezeichnete das Zustandekommen dieser Novelle als Teil eines lebendigen Parlamentarismus und brach dann eine Lanze für die BürgermeisterInnen dieses Landes, denn diese leisteten eine tolle Arbeit, für die man ihnen nur danken könne. Weiter hielt er fest, dass alle Gemeinden geprüft würden, es solle jedoch nicht so sein, dass nur der Bund prüfe, denn in dieser Hinsicht trügen alle, auch die Länder, Verantwortung, die sie auch wahrnehmen sollten. Sodann wies der Redner auch auf die positiven Nebeneffekte der Prüfungen hin und zeigte sich zufrieden darüber, dass man den geplanten Schritt tun werde.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) schloss sich dem Lob seines Vorredners hinsichtlich der BürgermeisterInnen an und meinte, er wolle darüber hinaus auch eine Lanze für den Rechnungshof brechen. Dies sei ein Organ dieses Hauses, dessen Wirkung man gar nicht hoch genug einschätzen könne. Es gehe ja nicht nur um Prüfung und Kontrolle, es gehe auch um die Beratungstätigkeit, die der Rechnungshof biete und von dessen Wissen man mannigfach profitieren könne. So sei überlegenswert, ob man nicht den Rechnungshof als einzige Ebene der Prüfung bestehen lasse, denn dies wäre eine konkrete Hilfe für die Gemeinden und eine budgetäre Entlastung für die Länder.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) betonte gleichfalls den Aspekt der Hilfestellung, die der Rechnungshof bieten könne. Bei der Vorlage gehe es letztlich darum, dass dem Rechnungshof auch eine Zuständigkeit bei der Prüfung von kleineren Gemeinden zukomme, doch es sei nicht zu erwarten, dass der Rechnungshof sodann in alle 71 betreffenden Gemeinden einrücke.

Abgeordneter Wolfgang ZANGER (F) griff die Argumentation seiner Vorredner auf und meinte, man sollte diese Hilfestellung allen Gemeinden Österreichs zugänglich machen. Seine Fraktion trete daher für eine generelle Prüfvollmacht des Rechnungshofs ein. Die Vorlage sei immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, man werde ihr daher in 3. Lesung zustimmen, wenngleich man davon ausgehe, dass man in dieser Richtung weiterarbeiten müsse.

Abgeordneter Hermann GAHR (V) zeigte sich zufrieden mit dem tragfähigen Modell, das man gemeinsam erarbeitet habe. Es gehe darum, Prüfung, Kontrolle und Beratung neu auszurichten, und der vorliegende Entwurf weise in dieser Hinsicht in die richtige Richtung.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) sprach gleichfalls von einem ersten Schritt, schränkte jedoch ein, aus Sicht der Grünen gehe der Entwurf zu wenig weit. Dies auch deshalb, weil er keine adäquaten Minderheitenrechte vorsehe. An dieser Stelle sollte die Textierung der Vorlage geändert werden. In diesem Zusammenhang brachte die Rednerin einen Abänderungsantrag ein und meinte, dieses Ziel auch weiterhin verfolgen zu wollen.

Abgeordnete Christine LAPP (S) sprach von der "Kunst des Machbaren" in Bezug auf die in Rede stehende Vorlage. Man habe sich einer Vielzahl an Forderungen und Wünschen gegenüber gesehen und dabei einen Entwurf erarbeitet, der weitgehend allen entgegenkomme und ein brauchbares Instrumentarium schaffe, um dem Anliegen, welches der Vorlage zugrunde liege, gerecht zu werden.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) vermochte nicht in die allgemeine Euphorie der Regierungsabgeordneten einzufallen. Man habe eineinhalb Jahre gebraucht, um diesen lauen Kompromiss vorzulegen, bemerkte er. Es sei mehr als bedauerlich, dass genau jene Gemeinden, deren Agieren Anlass zu dieser Novelle war, auch künftig nicht vom Rechnungshof geprüft werden können. So könne diese Vorlage nur ein allererster Schritt sein, weitere müssten unabdingbar folgen. Man werde weiter darauf dringen, dass die Prüfkompetenz ausgeweitet wird.

Abgeordneter Erwin HORNEK (V) meinten, die Gemeinden seien die am besten geprüften Gebietskörperschaften, schon bisher sei auf diesem Gebiet viel geschehen. In Zukunft würde eine zusätzliche Kontrollebene eingezogen, womit man das Prüfwesen neuerlich optimiere.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) meinte, ihre Fraktion habe sich mehr Prüfkompetenz erwartet, so aber sei nur ein lauer Kompromiss zustande gekommen. Besonders problematisch sei die Prüfkompetenz bei ausgegliederten Unternehmen. Gerade das AUA-Debakel habe gezeigt, wie problematisch die Lage hier gewesen sei, wodurch massiv Steuergeld verschwendet werden konnte. Hier brauche es eine ernste Korrektur und nicht nur jene leichte, die in der Vorlage vorgesehen sei.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) schätzte den Inhalt des Entwurfs als "kleines Schrittchen" ein. Die RegierungsvertreterInnen müssten mehr Mut entwickeln, um einen wirklichen Schritt zu machen. Wenigstens stimme die Richtung, und das wolle seine Fraktion auch unterstützen. Sodann setzte sich der Redner mit der Arbeit der BürgermeisterInnen auseinander und erklärte abschließend, für die BürgerInnen sei es wichtig zu wissen, dass der Rechnungshof prüfen könne, denn der Rechnungshof sei immer auf Seiten der SteuerzahlerInnen.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) schloss an seinen Vorredner an und erinnerte an den Fristsetzungsantrag seiner Fraktion in diesem Zusammenhang. Die bisherigen Verhältnisse gehörten optimiert, denn es sei aus generalpräventiven Gründen notwendig, die Prüfkompetenz des Rechnungshofs weiterhin auszubauen, denn damit würde auch das Legalitätsprinzip gestärkt werden, so Stadler.

Abgeordneter Maximilian LINDER (oF) zeigte sich froh darüber, dass man heute wenigstens einen ersten Schritt mache. Das könne aber nur einen Zwischenschritt darstellen, merkte er an,, denn Ziel müsse es sein, alle Gemeinden durch den Rechnungshof prüfen lassen zu können.

Die gegenständliche Vorlage wurde in zweiter Lesung mehrheitlich, in dritter Lesung einstimmig angenommen. Die Anträge der Opposition sowie der in der Debatte eingebrachte Abänderungsantrag der Grünen fanden jedoch keine Mehrheit.

Alle Parteien für Erhaltung jüdischer Friedhöfe

Auf Grund eines gemeinsamen Antrags von NR-Präsidentin Barbara Prammer (S), dem zweiten Präsidenten des Nationalrats, Fritz Neugebauer (V) und den Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Peter Westenthaler (B) soll ein Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich eingerichtet werden. Die Initiative fand die Zustimmung aller Parteien.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) führte aus, dass nun – 65 Jahre nach dem Holocaust und 9 Jahre nach Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens – ein Bundesgesetz zur Beschlussfassung stehe, das die Renovierung und Instandhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich sichere. Sie freue sich, dass nach 10 Jahren Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine diesbezügliche Lösung gefunden werden konnte, sodass Österreich die Vorgaben des völkerrechtlichen Vertrags, den es 2001 eingegangen ist, nachkommen kann. Der für die Finanzierung des Projekts einzurichtende Fonds werde, so Lueger, beim Nationalrat angesiedelt sein, der Bund in den nächsten 20 Jahren eine Million jährlich dafür aufbringen. Voraussetzung für finanzielle Leistungen aus dem Fonds ist die Verpflichtung der jeweiligen Standortgemeinde, den Friedhof nach Abschluss der Sanierungsarbeiten für mindestens 20 Jahre instand zu halten, erklärte sie.

Der Zweite Präsident des Nationalrats und V-Mandatar, Fritz NEUGEBAUER, hielt fest, dass das Jahr 2010 "reich an Gedenktagen" ist. Dabei habe man Anfang diesen Monats auch der Pogrome gedacht, denen viele jüdische MitbürgerInnen zum Opfer gefallen sind. Dass sich die Republik nun zur Erhaltung des jüdischen Erbes bekenne, sei vor dem Hintergrund ihres schweren geschichtlichen Erbes ein wichtiger Schritt: Die "steinernen Zeugen" dieser vergangenen "Unkultur" zu erhalten, trage schließlich zur Aufarbeitung der "unrühmlichen Vergangenheit" Österreichs bei, stand für Neugebauer fest.

Auch F-Abgeordneter Harald STEFAN hielt es für einen wichtigen Schritt, der Verpflichtung, die man vor 10 Jahren mit Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens eingegangen ist, nachzukommen. Dabei sei es höchst an der Zeit, mit der Renovierung zu beginnen, sagte er. Der Währinger Friedhof verfalle zunehmend, ein Teil wurde bereits im Zweiten Weltkrieg geschliffen. Heute stehe an dieser Stelle mit dem Arthur-Schnitzler-Hof ein roter Gemeindebau. In Hinblick auf den einzurichtenden Fonds hege seine Fraktion zwar einige Bedenken, man werde dem Entwurf aber dennoch zustimmen, kündigte Stefan an.

Freude über das Vorliegen eines diesbezüglichen Gesetzes zeigte auch G-Mandatar Albert STEINHAUSER. Seine Fraktion habe ob der langen Zeit, in der man keine Fortschritte erzielen konnte, schon am Zustandekommen einer solchen Regelung gezweifelt. Der vorliegende Entwurf biete aber eine Lösung an, die befürchten lasse, dass sich Bund, Länder und Gemeinden wieder wechselseitig die Verantwortung "zuschieben" werden. Bereits jetzt hätten sich einige Gemeinden gemeldet, die vor dem Hintergrund ihrer angespannten finanziellen Situation in Zweifel ziehen, ob sie der vorgeschriebenen Instandhaltungspflicht dauerhaft nachkommen können. Es wäre daher besser gewesen, dem Bund die Zuständigkeit für die Instandhaltung zu übertragen, meinte Steinhauser. Für die Pflege der Kriegsgräber zeichne schließlich auch die Republik verantwortlich.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) erinnerte an die Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens unter Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. Seitdem sei sehr viel Zeit vergangen, weshalb es Grund zur Freude gebe, dass der völkerrechtlichen Verpflichtung nun nachgekommen werde. Die Installation des Fonds vor Jahresende 2010 sei ein richtiger Schritt, zeigte er sich überzeugt. Nachbesserungsbedarf ortete Westenthaler aber bei der finanziellen Beteiligung der Stadt Wien: Diese sei, so der Redner, bei Weitem zu niedrig ausgefallen.

Staatssekretär Josef OSTERMAYER zeigte sich über die hohe Zustimmung zum vorliegenden Entwurf erfreut. Die Pflicht zur Instandhaltung werde in Zukunft bei den Gemeinden liegen. Versuche, eine solche Verpflichtung abzuwälzen, seien nichts Ungewöhnliches, hielt der Staatssekretär in Richtung des Abgeordneten Steinhauser fest. Die gefundene Lösung bezeichnete Ostermayer als geglückt, denn sie zolle den Opfern und Überlebenden des Holocausts sowie ihren Nachkommen Respekt. Umso erfreulicher sei es, dass sie die Zustimmung aller Fraktionen finden werde, schloss er.

Auch S-Mandatar Otto PENDL zeigte sich über die Einigkeit der Fraktionen, was Erhaltung und Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe betrifft, erfreut. Österreich habe schließlich eine Verantwortung gegenüber den Opfern des Holocaust.

V-Abgeordnete Gabriele TAMANDL kam auf den Zustand der 63 jüdischen Friedhöfe in Österreich zu sprechen, der in 30 Fällen nur genügend oder nicht genügend ausfalle. Diese Ruhestätten müsse man – nicht zuletzt ob der historisch-moralischen Verantwortung Österreichs – erhalten und renovieren, statt zu schleifen. Den Einwänden von Abgeordnetem Steinhauser konnte Tamandl nichts abgewinnen: Die Gemeinden hätten schließlich eine moralische Verpflichtung und müssen die Kosten für die Instandhaltung tragen können, stand für die Rednerin fest.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) nannte die heutige Beschlussfassung ein "gelungenes Beispiel der Geschichtsaufarbeitung". Er mahnte in diesem Zusammenhang aber auch ein, die Augen vor anderem Unrecht nicht zu verschließen. So sei es etwa an der Zeit, über die Beneš-Dekrete zu sprechen und Restitutionsfragen zu klären, forderte er. Man trage zwar keine "kollektive Staatsschuld" für das Vergangene, doch habe man eine "kollektive Verantwortung zur Aufklärung von Unrecht", hielt Widmann fest.

S-Mandatar Stefan PRÄHAUSER zeigte sich erfreut über die zustande gekommene Lösung. Es gelte, einer moralischen Verpflichtung nachzukommen, indem man einen Beschluss fasse, auf den auch nachfolgende Generationen stolz sein können, betonte der Abgeordnete. Die Zukunft werde zeigen, ob das Gesetz auch halte, was es verspricht, hielt Prähauser in Richtung Abgeordnetem Steinhauser fest.

Abgeordneter Franz-Joseph HUAINIGG (V) hielt die Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens durch die Republik Österreich für einen wesentlichen Schritt. Der bedauernswerte Zustand vieler jüdischer Friedhöfe gebiete es zu handeln, meinte er. Schließlich gingen ohne Renovierung der Steine wichtige Daten und Fakten für immer verloren. Bund und Länder sah der Abgeordnete daher gefragt, die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Dabei gelte es aber, so Huainigg, geeint aufzutreten. Eine solche Einigkeit wäre auch bei der Lösung anderer Zukunftsfragen, wie im Bereich der Pflege, wünschenswert.

Der Entwurf wurde in Zweiter und Dritter Lesung einstimmig angenommen.

Keine Ministeranklagen gegen Faymann und Pröll

In der Minderheit blieben die Anträge der FPÖ, Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll wegen der verspäteten Vorlage des Budgets vor dem Verfassungsgerichtshof anzuklagen.

Harald STEFAN (F) begründete die Anträge seiner Fraktion damit, dass die Bundesregierung das Budget nicht innerhalb der vom B-VG vorgesehenen Frist vorgelegt hat. Sie habe es sich im Gegenteil unter Heranziehung "fadenscheiniger Argumente" wie der Notwendigkeit, weitere Prognosedaten heranzuziehen, herausgenommen, die Verfassung zu brechen. Das Budget sei aber nur deshalb verspätet vorgelegt worden, weil man sich vor den Landtagswahlen in Wien und in der Steiermark Diskussionen darüber ersparen wollte. Das dürfe sich das Parlament nicht gefallen lassen, stand für Stefan fest, es bestehe schließlich die Möglichkeit einer Ministeranklage. Anträge darauf habe die FPÖ gegen Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Pröll eingebracht, die das Gesetz "an vorderster Front" gebrochen haben, meinte Stefan. Er hoffe, dass auf Seiten der Abgeordneten der Regierungsparteien nun kein "parteipolitischer Reflex" zum Tragen komme.

S-Mandatar Josef CAP entgegnete Stefan, dass die Verletzung dieser Frist mit keiner Sanktion verbunden sei. Der Gesetzgeber habe sich außerdem "schon etwas dabei gedacht", als er eine verspätete Vorlage vorsah. Regierung und Opposition vertreten nur zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen, es sei aber politisches Recht der Opposition, den Antrag auf Ministeranklage zu stellen. "Wenn Sie eine Mehrheit haben, haben Sie eine, wenn Sie keine haben, haben Sie keine", stellte Cap in Richtung FPÖ fest. Er erinnerte die Freiheitliche Fraktion außerdem daran, dass auch sie das Budget nicht "zu früh" gewollt habe. Das Abwarten der Prognosen sei gut und richtig gewesen, hielt Cap fest. Die Regierung habe dem demokratischen Prozess durchaus Rechnung getragen: "Wir bleiben dabei, dass es im Interesse Österreichs so am besten war", schloss Cap.

Werner KOGLER (G) bezeichnete die Argumentation seines Vorredners als "perfide". Politisch fühle sich die Opposition "auf der sicheren Seite", weil beispielsweise auch der Bundespräsident und die Nationalratspräsidentin bestätigt hätten, dass in dieser Frage kein Ermessensspielraum besteht. Die F-Anträge seien "gut und richtig" eingebracht und begründet. Was das Budget selbst betrifft, sprach Kogler von einem "handwerklichen Murks". Eine solche Regierung wäre in vielen anderen europäischen Staaten rücktrittsreif, konstatierte er.

Karlheinz KOPF (V) erläuterte den Sinn der zur Diskussion stehenden Verfassungsbestimmung: Ziel dieser Norm sei es, ausreichend Möglichkeit zur Diskussion zu haben, sodass das Budget mit 1. Jänner des darauffolgenden Jahres in Kraft treten könne. "All das ist sichergestellt", versicherte Kopf. Die Verspätung sei "sachlich gerechtfertigt" gewesen, weil das Abwarten der Prognosedaten weniger Steuern und weniger einschneidende Kürzungsmaßnahmen mit sich gebracht habe.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) kündigte die Zustimmung des BZÖ zu den vorliegenden Anträgen der FPÖ an und bekräftigte, eine "Ministeranklage" gegen die Regierungsspitze sei mehr als gerechtfertigt. SPÖ und ÖVP gehen seiner Auffassung nach "zynisch" mit der Bundesverfassung um, die vorgesehene Frist für die Vorlage des Budgets ist für ihn "nicht disponibel". Der Legalitätsgrundsatz werde mit Füßen getreten. Wenn man von den BürgerInnen verlange, dass sie ihre Steuern fristgerecht zahlen, könnten die BürgerInnen außerdem verlangen, dass die Regierung das Budget zeitgerecht vorlege, erklärte Stadler.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) stellte sich namens ihrer Fraktion hingegen hinter die Regierung und meinte, es sei richtig gewesen, dass bei der Budgeterstellung die aktuellen Wirtschaftsprognosen abgewartet worden seien. Durch dieses Zuwarten und durch künftig mehr Gerechtigkeit im Steuersystem hätten die Sparmaßnahmen in Grenzen gehalten werden können, argumentierte sie. Entgegen den Prophezeiungen der Opposition komme es zu keinem "Kahlschlag" beim 13. und 14. Monatsgehalt, werde die Mehrwertsteuer nicht in die Höhe "geschnalzt" und der Mittelstand nicht durch die Einführung von Vermögenssteuern erheblich belastet.

Abgeordneter Bernhard THEMESSL (F) zeigte kein Verständnis für die verspätete Budgetvorlage und sprach von einem "Verfassungsbruch". Die Regierung habe aber nicht nur die Verfassung verletzt, sondern auch alle Versprechen "über Bord geworfen", kritisierte er. So würden zusätzliche Steuereinnahmen nicht dafür verwendet, um Schulden zu tilgen, sondern dazu genutzt, um die ausgabenseitigen Einsparungen zu reduzieren. Statt der angekündigten 60 % ausgabenseitigen und 40 % einnahmenseitigen Budgetsanierung lautet das Verhältnis ihm zufolge nunmehr 34:66.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) wies den Vorwurf der schuldhaften Verfassungsverletzung durch die Bundesregierung zurück und meinte, die Opposition sei sowohl politisch als auch rechtlich "am falschen Dampfer". Schließlich sehe die Verfassung verschiedene Alternativen bei einer verspäteten Budgetvorlage durch die Regierung vor. So ist ihm zufolge sowohl eine Budgeterstellung durch den Nationalrat als auch ein Nachreichen des Budgets durch die Regierung möglich. Auch in der Vergangenheit sei das Budget des Öfteren verspätet beschlossen worden.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) wies die Argumentation Donnerbauers in Form einer "Tatsächlichen Berichtigung" als falsch zurück und betonte, für eine "Ministeranklage" reiche eine Gesetzesverletzung aus, eine Schuldhaftigkeit müsse nicht nachgewiesen werden. Diese Auffassung wurde wiederum von Abgeordnetem Heribert DONNERBAUER (V) bestritten.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) qualifizierte die verspätete Budgetvorlage als nicht verfassungskonform. Sanktionsmöglichkeiten gebe es genug, konstatierte er, allerdings mache die Koalition der Regierung "die Räuberleiter". Für Steinhauser ist die Forderung der Opposition nach einer "Ministeranklage" die logische Konsequenz aus dem Umstand, dass SPÖ und ÖVP Misstrauensanträge abgelehnt hätten.

Auch Abgeernteter Stefan PETZNER (B) vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Vorgangsweise der Regierung um einen Verfassungsbruch handelt. Er kritisierte, dass die Regierung die Zeit nicht genutzt habe, um eine Verwaltungsreform auf Schiene zu bringen. Die Regierung habe damit zusätzlich zum Verfassungsbruch auch Wortbruch begangen, sagte er, bis heute seien keine entscheidenden Weichenstellungen für die Republik vorgenommen worden. Stattdessen würde zwischen Ländervertretern und Regierungsmitgliedern gestritten, "dass sich die Balken biegen".

Der Antrag der FPÖ betreffend "Ministeranklage" gegen Bundeskanzler Faymann blieb bei der Abstimmung ebenso in der Minderheit wie der FPÖ-Antrag betreffend "Ministeranklage" gegen Vizekanzler und Finanzminister Pröll. (Fortsetzung Nationalrat)