Parlamentskorrespondenz Nr. 1036 vom 16.12.2010

EU lenkt bei Anbauverboten gentechnisch veränderter Pflanzen ein

EU-Ausschuss des Bundesrats befasst sich mit UVP und Gentechnik

Wien (PK) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats befasste sich heute auch mit dem Bericht der Kommission über die Anwendung und Wirksamkeit der EU-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie mit dem Verordnungsentwurf der Kommission, wonach es den Mitgliedstaaten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip frei zu stellen ist, ob sie den Anbau von GVO in ihrem Hoheitsgebiet zulassen, einschränken oder verbieten. Zu beiden Themen beschlossen die Ausschussmitglieder einstimmig eine Ausschussfeststellung bzw. eine Mitteilung an die Kommission. Sie begrüßten grundsätzlich die Initiativen der Kommission, wandten sich aber im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten bezüglich des Anbaus von GVO gegen inhaltliche Einschränkungen, was die Begründungen für ein Anbauverbot betrifft.

EU strebt Vereinheitlichung der Umweltverträglichkeitsprüfungen an

Laut Bericht der Kommission, der den Zeitraum 2003-2008 abdeckt, wurden die Ziele der UVP-Richtlinie im Allgemeinen erreicht. Dennoch ortet die Kommission einen Verbesserungsbedarf, weshalb sie eine Weiterentwicklung der Richtlinie in Aussicht stellt.

Konkret zeigt der Bericht auf, dass der bestehende Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Feststellung der UVP-Pflicht eines Vorhabens (Einzelfallprüfung) insofern zu Problemen führt, als EU weit Schwellen und Kriterien verschiedenster Art und Größe festgelegt wurden. Außerdem konstatiert die Kommission große Qualitätsunterschiede - sowohl zwischen Mitgliedstaaten als auch innerhalb der Mitgliedstaaten selbst - bei den UVP-Unterlagen. Auch hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit besteht kein einheitliches Verfahren. So sind beispielsweise der Zeitpunkt der Einbeziehung der Öffentlichkeit, der Zeitrahmen für die öffentlichen Konsultationen, die Zugänglichkeit öffentlicher Informationen sowie der Zugang der Öffentlichkeit zu Überprüfungsverfahren unterschiedlich geregelt. Verbesserungspotential ortet die Kommission ferner bei den Regelungen für Konsultationen mit Nachbarländern betreffend grenzüberschreitende Auswirkungen eines Projektes bzw. betreffend Auswirkungen eines Projektes, das sich über mehrere Staaten erstreckt. Mangelnde Koordination zwischen UVP-Richtlinie und anderen Richtlinien, die damit in Zusammenhang stehen, führt zu einem weiteren Kritikpunkt.

Die Kommission beabsichtigt, nicht nur die drei bisherigen Novellen zur UVP formal zusammenzuführen, was bereits 2011 erfolgen soll. Die UVP-Richtlinie soll auch weiterentwickelt werden. Ein Vorschlag dazu wird frühestens 2012 vorliegen, heißt es in der Information des Umweltministeriums. Hinsichtlich der Berücksichtigung des Klimawandels und der Biodiversität in der UVP-Richtlinie die Kommission die Erstellung eines EK-Leitfadens bis 2011 in Aussicht

(siehe auch PK-Meldung Nr. 1018  über die Beratungen im EU-Unterausschuss des Nationalrats).

Die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrates hatten Gelegenheit, Fragen an eine Expertin des Umweltministeriums zu richten. Von den Bundesrätinnen Elisabeth Kerschbaum (G/N), Monika Mühlwert (F/W) und Cornelia Michalke (F/V) sowie den Bundesräten Edgar Mayer (V/V) und Stefan Schennach (S/W) wurden dabei insbesondere Fragen der grenzüberschreitenden UVP und der Vereinheitlichung der Standards aufgeworfen.

In diesem Zusammenhang beschloss der Bundesrat einstimmig eine Ausschussfeststellung, in dem der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ersucht wird, den EU-Ausschuss des Bundesrats bis spätestens Herbst 2011 über den Stand der Vorbereitungen für eine Neufassung der UVP-Richtlinie zu unterrichten.  

EU lässt Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen zu

Mit der Verordnung und damit der Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips in der Frage des Anbaus von GVO löst die Kommission ein politisches Versprechen von Präsident Barroso ein, in dieser Frage das Selbstbstimmungsrecht in den Vordergrund zu stellen. Ausschlaggebend dafür war eine Initiative Österreichs und der Niederlande im Jahr 2009 beim Umweltministerrat, der sich dann auch andere Mitgliedstaaten angeschlossen haben

Die Bundesrätinnen und Bundesräte begrüßten den Vorschlag unisono, wie bereits zwei Tage vorher die Abgeordneten des Nationalrats (siehe PK-Meldung Nr. 1017).

In die geltende Richtlinie 2001/18/EG soll nun ein neuer Artikel 26b aufgenommen werden, der es den Mitgliedstaaten gestattet, Maßnahmen zu treffen, um den Anbau aller oder bestimmter GVO, die gemäß der Richtlinie oder der oben erwähnten Verordnung zugelassen wurden, auf ihrem Hoheitsgebiet oder in bestimmten Regionen zu beschränken oder zu verbieten. Dies gilt unter der Einschränkung, dass sich diese Maßnahmen auf andere Gründe stützen als diejenigen, die sich auf die Risikobewertung in Bezug auf die Gesundheit und die Umwelt beziehen und dass sie im Einklang mit den EU-Verträgen stehen.

Die Verbote und Beschränkungen müssen von der Kommission nicht mehr genehmigt werden. Die Mitgliedstaaten, die solche Maßnahmen zu erlassen beabsichtigen, müssen lediglich die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission einen Monat vor Erlass dieser Maßnahmen zu Informationszwecken in Kenntnis setzen.

Das auf der wissenschaftlichen Bewertung von Gesundheits- und Umweltrisiken basierende Zulassungssystem der EU soll nach den Plänen der Kommission beibehalten und weiter verbessert werden. Dies stellte auch einen Kritikpunkt für die Mitglieder des EU-Ausschusses dar, da sie die Auffassung vertraten, die Entscheidungen der Mitgliedstaaten über Anbauverbote dürfe nicht eingeschränkt werden und sollten sich auch auf Aspekte des gesundheits- und Umweltschutzes beziehen können.

Für Auskünfte über die Implikationen des EU-Vorstoßes standen den Bundesrätinnen und Bundesräten Experten zur Verfügung, die von der oberösterreichischen Landesregierung, dem Umwelt- und dem Gesundheitsministerium gestellt wurden. An der Diskussion beteiligten sich die Bundesrätinnen Elisabeth Kerschbaum (G/N), Cornelia Michalke (F/W) und die Bundesräte Friedrich Hensler (V/N), Ewald Lindinger (S/O) und Stefan Schennach (S/W). Sie erfuhren von den Experten, dass es sich um eine legistisch komplexe Materie handle, da erstmals ein bereits vollständig harmonisierter Bereich, nämlich die Zulassung gentechnischer veränderter Organismen, nun wieder in nationale Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zurückgegeben wird. Einschränkungen des Handels mit gentechnisch veränderten Futtermitteln sind derzeit nicht möglich, weil dies gegen internationale Verträge, wie GATT, verstoßen würde. Zudem seien Eiweiß-Futtermittel, die gentechnisch unbedenklich seien, derzeit nicht in ausreichender Menge auf dem Markt.

Der EU-Ausschuss des Bundesrates beschloss dazu einstimmig eine Mitteilung, in der der Vorschlag der EU-Kommission, die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Anbau von GVO an die Mitgliedsstaaten zu übertragen, unterstützt wird. Es wird aber festgehalten, dass rechtlich verbindliche Regelungen und nicht nur Empfehlungen nötig seien. Sie beharrten auch darauf, die Kriterien für die Entscheidung der Mitgliedstaaten im Sinne des Vorsorgeprinzips nicht einzuschränken und auch Argumente des Gesundheits- und Umweltschutzes aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse anzuerkennen. Außerdem brauche es Maßnahmen, um ein ausreichendes Angebot an "gentechnikfreien" Futtermitteln zu gewährleisten.

(Fortsetzung EU-Ausschuss Bundesrat)


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