Parlamentskorrespondenz Nr. 607 vom 25.06.2014

Lampel regt Gesetzesentwurf zur Bundesratsreform an

Stellungnahmen der PolitikerInnen zur Zukunft der Länderkammer

Wien (PK) – Im zweiten Teil der heutigen Parlamentarischen Enquete zum Thema "Der Bundesrat – Status und Entwicklungspotenziale" meldeten sich die politischen VertreterInnen zu Wort, wobei einleitend die vier Vorsitzenden der einzelnen Bundesratsfraktionen ihre Positionen klar zum Ausdruck brachten. Auch wenn in Details unterschiedliche Meinungen vertreten wurden, so brachten doch alle BundesrätInnen den Wunsch zum Ausdruck, in eine offene Reformdiskussion einzutreten und entsprechende Schritte zu unternehmen. Bundesratspräsident Lampel appellierte, möglichst bald einen Reformvorschlag zu erarbeiten.

Kneifel: Reformpapier der Länder soll rasch umgesetzt werden

Der Fraktionsobmann der ÖVP-Bundesräte, Gottfried Kneifel, erinnerte zunächst daran, dass es die Bundesländer waren, die nach dem Zusammenbruch der Habsburger Donaumonarchie und dann noch einmal nach dem Zweiten Weltkrieg die Republik gegründet haben. Er gehe mit dem Blick in die Zukunft daher davon aus, dass sich alle staatstragenden Kräfte in Österreich zum Ordnungsprinzip Bundesstaat bekennen, dass niemand den Ländern die Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung absprechen will und dass niemand die neue und immer wichtigere Rolle des Bundesrates bei der Mitwirkung von EU-Rechtsakten bis zur Einbringung einer Subsidiaritätsklage beim EuGH bezweifelt. Wenn man von diesen unverrückbaren Säulen ausgeht, dann müsse nur noch die Frage beantwortet werden, wie die Länder am besten mitwirken können. Es sei sehr erfreulich, dass mittlerweile ein gemeinsames Papier aller Landtagspräsidenten zur Reform des Bundesrates vorliegt, das möglichst rasch umgesetzt werden sollte. Diskutiert und debattiert werde über den Bundesrat schon lange genug, jetzt sollten Entscheidungen fallen, wünschte sich Kneifel abschließend.

Todt: Bundesrat muss sich neu positionieren und seine Stärken hervorstreichen

Auch Reinhard Todt, der Vorsitzende der SPÖ-Bundesratsfraktion, begann seine Rede mit einem historischen Rückblick und wies auf die nun seit fast 100 Jahren andauernde Debatte über die Stellung und Gewichtung der Länderkammer hin. Damit diese Diskussion endlich einmal ein Ende finde, müsse sich der Bundesrat neu und besser positionieren, um von der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Es mache daher keinen Sinn, den Nationalrat noch mehr zu kopieren und sich an dessen Abläufen zu orientieren, warnte Todt. Weiters sollte die Länderkammer Themenführerschaft in föderalistischen und für die Zukunft relevanten Fragen einnehmen sowie seine Stärken, die z.B. in einer größeren Flexibilität liegen, hervorstreichen. Für essentiell hielt Todt die Frage, wie es dem Bundesrat gelingen kann, ein noch besseres Naheverhältnis zu den BürgerInnen zu schaffen. Aus seiner Sicht sollte daher u.a. überlegt werden, die Periode der Präsidentschaft des Bundesrats auf ein Jahr zu verlängern. Außerdem könnte in der Hauptstadt des jeweiligen vorsitzführenden Bundeslandes jeweils eine Sitzung des Bundesrats stattfinden. Weitere Vorschläge bezogen sich auf die Einräumung eines Stellungnahmerechts der Länderkammer schon in der Kreativphase der Gesetzwerdung, die Möglichkeit von Teileinsprüchen oder die Direktbestellung von Bundesräten im Rahmen der Landtagswahlen.

Mühlwerth verteidigt Länderkammer und fordert Reformen

Einleitend stellte Bundesrätin Monika Mühlwerth (Vorsitzende der FPÖ-Fraktion) fest, dass die Zweite Kammer viel besser sei als ihr Ruf. Eine ersatzlose Streichung sei aus Sicht der Freiheitlichen jedenfalls undenkbar. Betrachtet man die Entwicklungsgeschichte der Länderkammer, so müsse man feststellen, dass der Bundesrat schon bei seiner Gründung im Jahr 1920 ein Kompromiss zwischen zwei konträren Modellen – dem zentralistischen und dem föderalen - war. Dies sei auch der Hauptgrund dafür, warum es seit Beginn dieser Institution ständig Diskussionen über mögliche Reformen gibt, urteilte Mühlwerth. Am Ende aller Initiativen und Vorschläge sei jedoch immer alles beim Alten geblieben. Ein Problem bestehe ihrer Meinung nach auch darin, dass nicht einmal die in der Verfassung festgelegten Mitwirkungsmöglichkeiten des Bunderats in der Praxis ausgeschöpft werden und zudem aufgrund des Klubzwangs erwartet wird, dass gegen die Regierungsvorlagen kein Einspruch erhoben wird. Es sei daher nicht verwunderlich, wenn dadurch nach außen das Bild vermittelt werde, dass die Gesetze im Bundesrat nur durchgenickt werden. Sodann erinnerte Mühlwerth an die Vorschläge ihrer Fraktion zur Reform des Bundesrats, die von symbolischen Maßnahmen (Abkehr von den Fraktionsblöcken, hin zu Länderblöcken) bis hin zur Einräumung des Stimmrechts für alle Landeshauptleute reichen. Sie war jedenfalls überzeugt davon, dass sich die Bundesräte selbstbewusst jederzeit jeder Diskussion stellen können.

Schreuder für umfassende Einbindung der Bevölkerung in den Reformprozess

Der Vorsitzende der Bundesratsfraktion der Grünen, Marco Schreuder, wehrte sich vor allem dagegen, dass ausschließlich die Rolle des Bundesrates im Kontext eines föderalen Systems diskutiert wird. Da er generell den Eindruck habe, dass sowohl auf EU-Ebene als auch auf nationaler Ebene die Macht von den legislativen Organen immer stärker hin zu den exekutiven wandert, müsse man in der Debatte ganz woanders ansetzen. In diesem Zusammenhang trat der Redner mit Nachdruck dafür ein, dass auch in der Europäischen Union eine Zweite Kammer eingerichtet wird. Gleichzeitig sei seiner Meinung nach aber auch Selbstkritik gefordert. Der Bundesrat müsse sich ehrlich fragen, ob er seine Aufgaben, die in der Verfassung festgeschrieben sind, auch erfülle oder ob er sich primär an der Parteidisziplin orientiere, gab Schreuder zu bedenken. Er hoffe jedenfalls, dass die heutige Enquete einen Reformprozess ohne Denkverbote anstoße, an dem sich vom Dorfpfarrer bis zur Feministin aus der Stadt und vom Maurer bis zur Unternehmerin alle einbringen können, um sich gemeinsam zu überlegen, wie sich der Staat in Zukunft organisieren soll.

Diskussion: "Quo vadis Bundesrat?"

Das Ja oder Nein zum Bundesrat, mögliche Reformansätze und wie die zweite Kammer in Zukunft aussehen könnte dominierten auch die abschließende Diskussion. Einig war man sich darin, den Bundesrat in der Diskussion über die Zukunft der zweiten Kammer nicht isoliert und abgekoppelt von anderen Aspekten zu betrachten. Laut wurde auch der Ruf nach einer Stärkung der Länderinteressen und der Einbeziehung von BürgerInnen. Ferner wurden Bedenken geäußert, wonach die Abschaffung der zweiten Kammer eine Schwächung der Demokratie bedeuten könnte. Bundesratspräsident Michael Lampel sprach sich dafür aus, möglichst bald einen Gesetzesentwurf zur Stärkung des Bundesrats im zuständigen Ausschuss zu erarbeiten.

Die Grünen plädierten dafür, den Bundesrat innerhalb der Reformdiskussion nicht isoliert zu betrachten und setzen in ihren Reformvorstellungen auf die Miteinbeziehung der BürgerInnen. "Diese Diskussion über den Bundesrat ist eine zyklische Diskussion", replizierte NR-Abgeordnete Daniela Musiol und sah die Ursache in fehlenden Entscheidungen. Dieses Schicksal würden sich aber überdies auch Diskussionen über Demokratie, Bildung und soziale Fragen teilen. Nur allein beim Bundesrat anzusetzen, sei falsch. Es gehe um die Frage der Kompetenzverteilung, deren Zusammensetzung sowie deren Aufgaben, meinte sie. So wie Musiol sprach sich auch ihre Fraktionskollegin Bundesrätin Heidelinde Reiter für die Miteinbeziehung der BürgerInnen aus. Eine "Politik nicht für, sondern mit den Menschen", mahnte Reiter dabei ein und sah eine Chance für den Bundesrat in einer umfassenden Verfassungsdiskussion. Die jetzigen Vorschläge seien Kosmetik, meinte sie und forderte eine offene Debatte in den Ländern, um die Interessen und Bedürfnisse der BürgerInnen miteinzubeziehen. Der Bundesrat habe Potential, meinte Reiter.

Für die Stärkung der Länderinteressen und die Wahrnehmung von BürgerInneninteressen traten die Redner der FPÖ ein. FPÖ-Bundesrat Hans-Jörg Jenewein konstatierte dabei, dass die Debatte über die Reform des Bundesrates so alt wie die Kammer selbst sei. Es genüge dabei nicht, die Wichtigkeit des Bundesrats zu beteuern, man müsse auch das realpolitische Fundament schaffen, sagte er. Denn das bloße "Durchnicken" von Gesetzesvorhaben in der zweiten Kammer sei in der Öffentlichkeit nicht erklärbar. Es brauche ein klares Bekenntnis für oder gegen den Bundesrat, bevor man über neue Kompetenzen debattiert, sagte er. "Ich bin ein leidenschaftlicher Föderalist. Denn der Mensch braucht Heimat.", meinte Bundesrat Gerhard Dörfler und merkte wie die Grünen an, dass man in der gegenständlichen Reformdebatte den Bundesrat nicht isoliert betrachten dürfe. Es brauche einen ganzen "Reformzug", um etwa Bürokratisierung abzubauen und Interessen von BürgerInnen miteinzubinden. NR-Abgeordneter Gernot Darmann gab ein umfassendes Bekenntnis zum Fortbestand des Bundesrats ab, stellte aber nicht die Notwendigkeit einer Reform in Abrede. Leitendes Motiv sei dabei auch, die Effektivität des Gremiums für BürgerInneninteressen herauszuarbeiten, gab er zu bedenken. Darmann stand überdies für einen selbstbewussten Föderalismus ein. Realisiert werden könnte dieser durch eine Stärkung der Länderinteressen in der zweiten Kammer, zeigte er sich überzeugt.

Abgeordneter Christoph Hagen vom Team Stronach forderte eine intensivere BürgerInnenbeteilgung. Seine Fraktion denkt dabei an sogenannte BürgerrätInnen, die für eine Periode im Amt sind und die Möglichkeit der freien politischen Entscheidung nutzen. Großes Problem sei aber, dass die Länder viele Verwaltungsmaßnahmen blockieren würden, so Hagen.

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP) sah den in Diskussion stehenden Vorschlag zur Stärkung des Bundesrats als gute Grundlage und trat dafür ein, einen entsprechenden Antrag auch tatsächlich einzubringen. Denn damit würde man neben dem Föderalismus auch die Länder und den Bundesrat selbst stärken.

Über die Konkurrenzverhältnisse zwischen Bundesrat und Nationalrat, aber auch zwischen Nationalrat und der Regierung sprach SPÖ-Bundesrat Christian Füller. Er machte überdies darauf aufmerksam, dass bereits einige Reformvorschläge von Seiten des Bundesrats zwar eingebracht, aber dann im Nationalrat versandet seien. Füller wünschte sich eine offene Diskussion, denn der Bundesrat habe Stärken, die es zu nutzen gelte, meinte er. Abgeordneter und Obmann des Verfassungsausschusses des Nationalrats Peter Wittmann stellte entgegen den Befürchtungen seines Fraktionskollegen eine ernsthafte Behandlung von Reformvorschlägen der Länderkammer in Aussicht. Die Diskussion über den Bundesrat sei eine Diskussion über die Verteilung von Macht, stellte er klar und gab zu bedenken, dass man diese nicht allein durch die Reformdebatte des Bundesrats lösen könne. Die Legislative dürfe nicht populistischen Forderungen nach einer Abschaffung des Bundesrats erliegen, denn damit würde sie sich selbst schwächen, zeigte er auf. Die Bundesländer nicht an der Bundesgesetzgebung teilhaben zu lassen, wäre ein erster Schritt zur Destabilisierung des bundesstaatlichen Prinzips, sagte Wittmann. 

Eine Demokratie brauche DemokratInnen, aber auch MandatarInnen, die diese auch kommunizieren, konstatierte Bundesrat Josef Taucher und unterstrich die Wichtigkeit der zweiten Kammer. Überdies mahnte Taucher Respekt voreinander im politischen Alltag ein. Der Vizepräsident des Bundesrats Harald Himmer schloss sich diesem Gedanken an. Der Respekt sei eine große Mangelerscheinung, besonders auch bei der Debatte über den Bundesrat, meinte er. Jede Diskussion über die Länderkammer, ohne überhaupt über Parlamentarismus zu sprechen, greife zu kurz. "Wenn man den Bundesrat abschaffen würde, wäre das ein Weniger an Demokratie", gab der Bundesratsvizepräsident zu bedenken. (Schluss) sue/keg

HINWEIS: Fotos von der Enquete finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at .


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