Parlamentskorrespondenz Nr. 227 vom 10.03.2016

Haslauer: Föderalismus steht für Nähe; das Gegenteil von Nähe ist Entfernung und Entfremdung

Erklärung des Salzburger Landeshauptmanns im Bundesrat

Wien (PK) – Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer appellierte heute an alle Verantwortlichen, mehr über das Gemeinsame zu sprechen als über das Trennende. Seine Erklärung im Plenum des Bundesrats war ein eindringliches Plädoyer für den Föderalismus, denn dieser garantiere die Nähe. Föderalismus stehe für das Erkennen von Stärken und Schwächen, Erreichbarkeit, Ansprechbarkeit und rasche Entscheidungen. Das Gegenteil von Nähe heißt Entfernung, so Haslauer, und politisch übersetzt bedeutet dies Entfremdung. Der Landeshauptmann stellte in diesem Zusammenhang die warnende Frage in den Raum, wie weit sich die Bundesregierung und der Nationalrat von den Menschen entfernt hat und wie weit diese Entfremdung bereits fortgeschritten ist. Diese Sorge richte sich in gleicher Weise an Brüssel.

Er sei ein überzeugter Föderalist, bekräftigte Haslauer, denn auch europäische Erfahrungen zeigten, dass föderal organisierte Staaten - wie die Schweiz, Deutschland, Belgien und Österreich - zu den erfolgreichsten zählen. In der Verfasstheit eines Staates gehe es nämlich nicht nur um das organisatorische, infrastrukturelle und rechtliche Funktionieren sondern im hohen Maße um Emotionalität und Identität der Bevölkerung. Würde man diese Form von Bindung den Menschen nehmen – etwa indem man die Bundesländer ihrer Funktion beraubt – würde das die Menschen im Land ärmer machen, sagte Haslauer. Würde man in Bezirken und Gemeinden den Rechenstift zum dominierenden Element machen, dann würde man den Menschen die notwendige Infrastruktur für Gesundheit, Bildung und Justiz nehmen und damit zur Landflucht beitragen, warnte Haslauer und fügte gleichzeitig mit Nachdruck hinzu, dass auch die Menschen in den kleinen Regionen Chancen auf Perspektive, Infrastruktur vor Ort, Entwicklung, Kranken- und Altersbetreuung, Rechtsprechung und auf eigene Identität haben. Die Subsidiarität sei nicht nur auf nationaler Ebene sondern auch auf der Ebene der Union ein strukturelles Erfolgsgeheimnis, ist er überzeugt.

Haslauer fordert mehr Sachpolitik anstelle der Sprachpolitik ein

Von dieser Warnung vor Entfremdung schlug Haslauer eine Brücke zur Sorge um die, wie er sagte, gegenwärtige Krise der repräsentativen Demokratie. Dass diese Entfremdung weit fortgeschritten ist, habe auch damit zu tun, dass viele Menschen sich nicht mehr ausreichend vertreten und wahrgenommen fühlen. Es herrsche auch das Gefühl der Ohnmacht und der latenten Unzufriedenheit hinsichtlich mangelnder Reformkraft und Entscheidungsstärke vor, und das sei insofern bemerkenswert, weil die Österreicherinnen und Österreicher doch in Wohlstand leben, merkte er an.

Haslauer versuchte kurz, die Gründe für diese Unzufriedenheit aufzuspüren und ortete einen davon im Missverständnis, dass Glück mit Wohlstand zu tun habe. Die Versuchung der Politik sei groß, den Menschen vorzuschreiben wie sie glücklich zu sein haben, was eine Voraussetzung des Scheiterns sei. Außerdem, stellte der Landeshauptmann mit Sorge fest, befänden sich die politischen Lager in Auflösung. Der politische Alltag bestehe noch immer in der Bekämpfung unterschiedlicher Lager. Aus dieser Realitätsverweigerung entwickle sich ein lähmender politischer Streit, in dem es kaum um Sachlösungen gehe. Jede Sachdiskussion werde wiederum medial zum Streit hochstilisiert.

Haslauer geißelte in diesem Zusammenhang die kurzlebige Schlagzeilenkultur, in der es oft mehr um Sprachpolitik als um Sachpolitik gehe. Zurück bleibe der Eindruck, dass taktische Manöver den Weitblick auf langfristige Entwicklungen ersetzen. Haslauer rief daher dazu auf, sich wieder mehr um Zusammenarbeit, Gestaltung und Lösung der Probleme zu bemühen, auch wenn diese Lösungen manchmal schmerzlich sein können. Der Bevormundungs- und Behütungsstaat habe dem Einzelnen die Verantwortung für sich selbst abgenommen und jetzt stießen viele aus diesem Verantwortungstransfer auf ein Vakuum, nämlich eine Politik, die vielfach verantwortungsfrei empfunden werde, so Haslauer.

Haslauer: Finanzausgleich ist kein Geschenk des Bundes an die Länder und Gemeinden

Der gegenwärtigen Krise der repräsentativen Politik sind Haslauer zufolge als klare Antworten Vertrauen und Sicherheit, Verlässlichkeit und Planbarkeit gegenüberzustellen. Dies sei "die Währung unserer Zeit". Permanente Gesetzesänderungen und anlassbezogene Regelungen untergraben das Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit und in Investitionssicherheit und greifen in die Lebensplanungen ein. Haslauer kritisierte zudem scharf die Gesetzesflut und unverständliche Gesetzessprache als intransparent und undemokratisch.

In diesem Zusammenhang sprach Haslauer den Finanzausgleich an, wobei er unmissverständlich klarstellte, dass dieser kein Geschenk des Bundes an die Länder und Gemeinden sei. Die Aufgaben der Bundesländer und Gemeinden stellen klassische Bereiche der Daseinsvorsorge dar, weshalb es um eine gerechte, aufgabenbezogene Verteilung der Ressourcen gehe. Haslauer mahnte daher Verhandlungen in Augenhöhe ein. Hier könne es keine an der Verfassung vorbeilaufende Zentralisierung geben, unterstrich er.

Für Gemeinsamkeit und gegen Zentralismus

Kurz ging der Landeshauptmann auch auf die Flüchtlingsproblematik ein und wies darauf hin, dass von rund 88.000 Grundversorgungsquartieren 81.000 von Ländern und Gemeinden geschaffen wurden und diese auch 44% der anfallenden Kosten übernehmen, obwohl dies eindeutig eine Bundesangelegenheit wäre. Er beschwor damit auch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und betonte, es gehe ihm darum, dass sich die Länder in Fragen gesamtstaatlicher Bedeutung, wie etwa in der Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik oder Sicherheitspolitik, konstruktiv einbringen. Sicherheit und Integration kosten Geld, sagte Haslauer, dies sei aber eine Investition in die Zukunft.

Abschließend appellierte der Landeshauptmann auch vor dem Hintergrund des Jubiläums der 200jährigen Zugehörigkeit Salzburgs zu Österreich an die Gemeinsamkeit und sprach sich dezidiert gegen Zentralisierungstendenzen aus. Man müsse sich immer wieder die Frage stellen, was die Gemeinsamkeiten sind und wie die Länder die gemeinsame Politik dabei besser unterstützen können, die Aufgaben effizienter, bürgernäher, zeitgemäßer und kostengünstiger zu gestalten. Dies treffe auch umgekehrt zu, in dem die Bundesebene alles tun müsse, um die Bundesländer zu unterstützen, damit sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben bestmöglich erfüllen können.

Unsere Errungenschaften seien nicht gottgegeben sondern volatil, es liege an uns, diese zu erhalten. "Vielleicht sollten wir vieles neu definieren, um uns mehr dort zu sehen, wo wir uns haben wollen, als in Selbstzweifel und Verdachtslagen zu erstarren und zu ersticken", schloss der Salzburger Landeshauptmann.

BundesrätInnen einig über Wert des Föderalismus

Die Erklärung Haslauers im Bundesrat folgte einer Tradition in der halbjährlichen Abfolge des Vorsitzes in der Länderkammer und in der Landeshauptleutekonferenz. Nachdem in diesem Halbjahr mit Josef Saller als Bundesratspräsident ein Salzburger an der Spitze des Bundesrats steht und Salzburg in der Landeshauptleutekonferenz den Vorsitz führt, diskutierte heute Wilfried Haslauer mit den Bundesrätinnen und Bundesräten.

In der Debatte begrüßten Edgar Mayer (V/V), Susanne Kurz (S/S) und Gerhard Dörfler (F/K) das Bekenntnis Haslauers zum Föderalismus und zu einer Politik der Nähe. Lediglich Heidelinde Reiter (G/S) sah im Föderalismus nicht nur positive Seiten, sondern auch negative, die zum Bau von Zäunen führen können.

Mayer: Bundesländer sind Partner und keine Bittsteller

Gerade die Einigung beim Asylgipfel habe gezeigt, dass es ohne verbindende Kräfte von Bund, Ländern und Gemeinden zu keiner Lösung gekommen wäre, strich Edgar Mayer (V/V) hervor. Er betonte die gegenwärtige Rolle Österreichs bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems auf europäischer Ebene, gab jedoch zu bedenken, dass sich die Bewältigung dieser Frage nicht darin erschöpfen könne, die Flüchtlingsströme zu kanalisieren. Vielmehr stelle die Integration eine große Herausforderung dar. Mayer hob insbesondere die Wege, die mit sogenannten Integrationsverträgen in Vorarlberg und Salzburg beschritten werden, hervor. Auch würden die Leistungen Salzburgs, den humanitären Charakter der Bundesländer deutlich machen, sagte er.

Auf den Finanzausgleich eingehend, bekräftigte Mayer die Worte des Landeshauptmanns und meinte, der Finanzausgleich müsse den Ländern ermöglichen, sich weiterzuentwickeln. Die Länder seien keine Bittsteller, sondern Partner. Eine starke regionale Identität böte große Chancen.

Der Vorarlberger Bundesrat widmete sich auch dem Bundesheer und zeigte sich zufrieden über die neue Linie von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Es sei gelungen, 90 Mio. € im heurigen Jahr für das Heer bereitzustellen, die Heeresreform zu evaluieren und Kasernenschließungen zurückzunehmen. Diesen Trend gelte es beizubehalten, so Mayer, der sich auch hinsichtlich der Erhaltung der Militärmusik zuversichtlich zeigte. Wehrpflicht und Freiwilligenwesen seien Eckpfeiler der Sicherheitspolitik, sagte Mayer, und dies müsse auch finanziell abgegolten werden.

Kurz sieht viel Nachholbedarf in Salzburg

Kritische Töne im Hinblick auf die Salzburger Landespolitik fand Bundesrätin Susanne Kurz (S/S). Sicherheit, Planbarkeit und Verlässlichkeit seien zwar ein gutes Motto, denn das würden sich die Menschen wünschen, sagte Kurz Es gehe aber auch um Fairness und Gerechtigkeit. So konnte sie es nicht verstehen, dass Haslauer das Grundrecht auf Asyl infrage gestellt habe, denn auch Menschen aus Kriegsgebieten hätten ein Recht auf Sicherheit. Kurz drängte auch darauf, dass die Salzburger Gemeinden Flüchtlinge aufnehmen, denn viele Gemeinden hätten noch keine Quartiere zur Verfügung gestellt. Zudem fehlt ihr ein ausreichendes Angebot an Deutschkursen. Salzburg habe genug Mittel und Kapazitäten, dies zu bewältigen, Flüchtlinge stellten eine menschliche und volkswirtschaftliche Chance dar.

Auch die Lebensbedingungen in Salzburg geben der Bundesrätin Anlass zur Sorge. 16.000 Personen seien arbeitslos, Salzburg sei ein Hochpreisland, aber auch ein Niedriglohnland, stellte sie fest. Es gebe viele Arbeitsplätze ohne ganzjährige Beschäftigung, in Salzburg verdienen die Menschen weniger als in den meisten anderen Bundesländern. Kurz forderte daher Konjunkturbelebungsprogramme und Investitionen, etwa im Wohnbau, ferner die Schaffung von Arbeitsplätzen, von denen Männer und Frauen auch leben können. Handlungsbedarf sieht sie zudem in einem flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und in der Ausbildung von Jugendlichen. Zudem müsse man faire Regelungen für den Zugang auf den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge schaffen.

Dörfler: Sicherheit, Verlässlichkeit und Planbarkeit sind gefährdet

Der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler (F/K) sah sich nach seiner Vorrednerin veranlasst, Landeshauptmann Haslauer in Schutz zu nehmen. Haslauer habe genauso wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl rechtzeitig auf die Flüchtlingsproblematik hingewiesen, und zwar bereits im Juli des Vorjahres. Die politische Wende des Bundeskanzlers in dieser Frage wäre ohne die beiden Landeshauptleute nicht möglich gewesen, zeigte sich Dörfler überzeugt.

Dörfler ging dann auf das Motto Sicherheit, Verlässlichkeit und Planbarkeit ein und nahm kritisch die Schließung von Polizeiinspektionen unter die Lupe. Jetzt sei man sich dessen bewusst, wie wichtig die Polizei ist, sagte er und unterstrich die Notwendigkeit motivierter, gut ausgebildeter und gut bezahlter PolizistInnen. Auch Verlässlichkeit sei in der derzeitigen Politik nicht gegeben, bedauerte Dörfler und wies konkret etwa auf die TTIP-Verhandlungen und auf die EU-Agrarpolitik hin, die zu einem "Milchsee" durch Aufhebung der Milchquoten und zu einem weiteren Bauernsterben führe. Infolge der Rationalisierungsmaßnahmen vor allem in Banken würden viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, womit die Planbarkeit auch nicht gegeben sei. Der Bundesrat geißelte zudem die Steuerpolitik, die es großen Konzernen ermögliche, Milliarden an Gewinnen aus Europa wegzuschaffen, während in Österreich selbst Betriebe unter den Auflagen stöhnen und viele auch aufgeben.

Reiter: Wer Mauern baut, wird im Gefängnis enden

Einen anderen Blick auf den Föderalismus warf Heidelinde Reiter (G/S). Anhand eines historischen Abrisses über die Geschichte Salzburgs versuchte sie darzulegen, dass das Landesbewusstsein zwei Seiten hat. Landesbewusstsein könne sich zu einem Nationalbewusstsein entwickeln, das zu den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts geführt hat. Es habe aber auch dazu beigetragen, dass die Bundesländer die Republik gegründet haben, räumte sie ein. Man dürfe aber nicht vergessen, so Reiter, wie leicht es ist, aufgrund eines solchen Bewusstseins Zäune zu bauen.

Sie plädierte daher dafür, den Föderalismus zu reformieren, weil er viel Geld kostet. Am übersteigerten Landesbewusstsein drohe nun auch die EU zu scheitern, warnte sie und sagte: "Wer Mauern baut, wird im Gefängnis enden". (Fortsetzung Bundesrat) jan

HINWEIS: Fotos von dieser Erklärung finden Sie im Fotoalbum auf www.parlament.gv.at.


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