Parlamentskorrespondenz Nr. 234 vom 10.03.2016

Sozialausschuss: Vom Arbeitsmarkt bis zum Vergaberecht

Minister Stöger für bundeseinheitliche Vorgangsweise bei der Mindestsicherung

Wien (PK) – Im weiteren Verlauf der Sitzung des Sozialausschusses hatte Bundesminister Alois Stöger erstmals in seiner neuen Funktion die Gelegenheit, im Rahmen einer aktuellen Aussprache seine Positionen zu den verschiedensten Themen zu präsentieren. Die Fragenpalette der Abgeordneten war wie üblich breit gefächert und reichte von der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping, der EU-Entsenderichtlinie, der Weiterentwicklung der Mindestsicherung bis hin zu Maßnahmen für Menschen mit Behinderung. Grundlage für die Diskussion war u.a. auch ein Bericht des Ressorts über aktuelle EU-Vorhaben (III-230 d.B.), der mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde.

Stöger: Gewisse Verbesserungen durch neue Entsenderichtlinie, aber noch lange nicht am Ziel

Der Sozialminister hob einleitend hervor, dass sich die neue Kommission verstärkt dem Thema Sozialdumping widmen möchte. Teil dieses Plans ist die Überarbeitung der sogenannten Entsenderichtlinie, erläuterte Stöger, wobei der Grundsatz gelten soll - gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Beschäftigungsort. Der bereits vorgelegte Entwurf dazu enthalte zwar einige Verbesserungen für all jene ArbeitnehmerInnen, die v on einem in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber zur Erbringung von Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, aber sei aus seiner Sicht nicht weitreichend genug. Viel zu lang angesetzt habe man etwa die vorgesehene maximale Entsendedauer von 24 Monaten, urteilte der Minister. Ausreichend Diskussionsbedarf gebe es auch noch hinsichtlich der Frage der Sozialversicherungsbeiträge oder der betroffenen Branchen.

Die Europäische Union reagiere um Jahre zu spät in Sachen Bekämpfung von Sozialdumping, konstatierte FPÖ-Vertreter Peter Wurm (F), der abermals eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes, und zwar bezogen auf einzelne Branchen sowie auf einzelne EU-Länder, forderte. Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen – u.a. eine exorbitante Zunahme bei den AkademikerInnen – seien Maßnahmen dringend erforderlich.

Österreich habe zwar strenge Regelungen in Bezug auf Sozialdumping eingeführt, räumte Abgeordnete Angelika Winzig (V) ein, entsprechende Strafbescheide könnten aber dann im Ausland nicht durchgesetzt werden.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) trat insbesondere für eine Ausweitung des Bestbieterprinzips auf zusätzliche Branchen (z.B. Verkehr) im Vergaberecht ein.

Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch informierte darüber, dass 3% der ArbeitnehmerInnen in der Baubranche aus anderen EU-Staaten entsandt werden; der durchschnittliche Anteil (über alle Branchen hinweg) betrage 1%. Positiv zu erwähnen sei, dass die Arbeitslosigkeit in der Baubrache um 10,5% gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr gesunken ist und dass die Unternehmen wieder mehr Eigenpersonal anstellen, weil sie sich dadurch bessere Chancen bei den Auftragsvergaben erwarten. Was die geplante Novelle zum Bundesvergabegesetz betrifft, so sollte es bis Ende April eine Gesetzesvorlage geben. Ebenso wie Schatz war Muchitsch der Meinung, dass auch noch andere Branchen und Kriterien (Verkehr, soziale Dienstleistungen, regionale Produkte) einbezogen werden sollten. Weiterentwickelt werden soll auch das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, denn alle AuftraggeberInnen sollte dafür haften, dass ihre Beschäftigten korrekt entlohnt werden und dass alle Sozialabgaben abgeführt werden.  

Daran anschließend hob Bundesminister Alois Stöger hervor, dass die Kommission in Sachen Entsenderichtlinie mehr vorgeschlagen hat, als er persönlich erwartet hätte. Dies sei positiv, aber man sei noch lange nicht am Ziel angelangt. Eine sektorale Schließung des Arbeitsmarktes sei aus EU-rechtlicher Sicht nicht möglich, Österreich werde jedoch alle möglichen Übergangsfristen (z.B. im Hinblick auf Kroatien) ausschöpfen. Die mit Großbritannien ausgehandelten Sonderrechte in Bezug auf Einschränkungen von Sozialleistungen sind noch nicht konkretisiert worden; er gehe aber davon aus, dass derartige Bestimmungen dann auch für alle anderen EU-Länder zu gelten haben. Generell vertrete er die Ansicht, dass Europa gemeinsame Lösungen braucht. Die Umsetzung einer neoliberalen Politik würde die Grundprinzipien der Union, die u.a. auf sozialer Sicherheit basiert, untergraben.

Auf nationaler Ebene werde es ein Bündel an Maßnahmen brauchen, um der Entwicklung am Arbeitsmarkt entgegenzusteuern. Grundsätzlich habe sich die Regierung darauf verständigt, dass Rehabilitation vor Pension gelten müsse. Dies sei ein Kulturwandel in der österreichischen Politik, den er ausdrücklich begrüße. Da sich gerade ältere ArbeitnehmerInnen in einer schwierigen Situation befinden, haben man einen Schwerpunkt in diesem Bereich gesetzt. Es gebe die von Gerald Loacker (N) angesprochenen strukturellen Benachteiligungen wie etwa das Senioritätsprinzip, sie wurden aber schon deutlich reduziert, urteilte Stöger. Es sei richtig, dass die Arbeitslosenzahlen auch bei den AkademikerInnen derzeit stark ansteigen; allerdings ausgehend von einem ursprünglich sehr niedrigen Niveau. Für die jungen Menschen soll eine Ausbildungspflicht kommen und zügig umgesetzt werden, kündigte Stöger an.

Gespräche zu Mindestsicherung mit Ländern geplant

In Beantwortung zahlreicher Fragen bezüglich der Weiterentwicklung der bedarfsorientierten Mindestsicherung stellte Bundesminister Stöger eingangs fest, dass dazu nächste Woche Gespräche mit den Soziallandesräten stattfinden werden. Er persönlich würde eine "Verbundlichung" sowie eine einheitliche Vorgangsweise präferieren; manche Länder sehen dies aber anders. Nun gehe es darum, die 15a-Vereinbarung zu verlängern, teilte der Minister mit. Er stehe jedenfalls voll und ganz hinter der Mindestsicherung, weil damit u.a. Obdachlosigkeit und die Bildung von Slums verhindert werden .

Angesprochen wurden auch die in Diskussion stehenden Zuverdienstregeln für berufstätige PensionistInnen. Er halte sich in dieser Frage an die Ergebnisse des Pensionsgipfels, nun müssen rechtliche Grundlagen ausgearbeitet werden. Ein positives Resultat war für ihn die Anhebung der Mindestpension auf 1.000 €, wovon vor allem die Frauen profitieren werden. Als weitere Ziele werden die Harmonisierung der einzelnen Systeme sowie die Erweiterung des Pensionssplittings, das bisher nicht stark in Anspruch genommen wurde, angestrebt.

Weitere Themen: Barrierefreiheit und persönliche Assistenz von Menschen mit Behinderung

Im EU-Vorhabensbericht für 2016 wird u.a. der Richtlinien-Vorschlag zur Barrierefreiheit, dem so genannten European Accesibility Act angeführt, der von österreichischer Seite unterstützt wird, erklärte Minister Stöger. Damit will die EU-Kommission Hürden für behinderte Menschen beseitigen, etwa bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, der Bedienung von Geld- und Ticketautomaten und bei der Nutzung von Kommunikationstechnologien. Durch die derzeit bestehenden unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen EU-Ländern gebe es nicht nur Rechtsunsicherheit, auch Investitionen in neue und innovative Produkte und Dienstleistungen würden gebremst, wird die Initiative begründet.

Dem Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg pflichtete der Minister bei, dass die persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen, sowohl im Alltag als auch im Berufsleben, von besonderer Bedeutung sei, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Die Frage der Finanzierung werde ein wichtiges Thema bei den Finanzausgleichverhandlungen sein. Was die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderung angeht, so konnten bereits 50% der Maßnahmen umgesetzt werden, 35% zumindest teilweise, informierte Stöger die Abgeordnete Helene Jarmer (G). (Fortsetzung Sozialausschuss) sue