Parlamentskorrespondenz Nr. 780 vom 30.06.2016

Hearing: Homo-Ehe, Schwangerschaftsabbruch und Sterbehilfe

Ausführliche Debatte über sechs ausgewählte Themen im Petitionsausschuss

Wien (PK) – Zu einer Premiere kam es im heutigen Petitionsausschuss , da zu sechs - von den Fraktionen ausgewählten - Anliegen ein Hearing veranstaltet wurde, wobei die jeweiligen ErstunterzeichnerInnen bzw. Auskunftspersonen ihre Positionen ausführlich darstellen konnten. Im ersten Teil standen zunächst die Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare, die Einführung einer österreichweiten anonymen Statistik für Schwangerschaftsabbrüche sowie die "Entkriminalisierung von assistiertem Suizid" im Mittelpunkt der Beratungen.

Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare soll aufgehoben werden

Anders als im Großteil der westlichen Welt dürfen in Österreich zwei Männer oder zwei Frauen immer noch nicht eine zivilrechtliche Ehe eingehen, stellte Helmut Graupner - Erstunterzeichner von "Ehe gleich" – kritisch fest (85/BI ). Es gebe inzwischen zwar die Möglichkeit, einen Partnerschaftsvertrag abzuschließen, die grundsätzliche Diskriminierung bleibe aber bestehen. Gleichgeschlechtliche Paare werden dadurch noch immer als Menschen zweiter Klasse behandelt, unterstrich Graupner. Die derzeitige Rechtslage führe auch dazu, dass die Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren als unehelich gelten.

Eine solche Unterscheidung sei im 21. Jahrhundert völlig inakzeptabel, weshalb die sofortige Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare auch in Österreich gefordert werde. Dies werde laut Umfragen auch von 75% der BürgerInnen, egal ob jung oder alt, unterstützt. Der Konsens gehe dabei sogar über Parteigrenzen hinweg; nur innerhalb der ÖVP-Wählerschaft haben sich etwas weniger als die Hälfte (46%) für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen. Was das Argument der Kinderlosigkeit betrifft, so erinnerte Graupner daran, dass auch in der katholischen Kirche Eheschließungen am Sterbebett oder von älteren Frauen, die sich nicht mehr fortpflanzen können, erlaubt sind. Er appellierte daher an die Abgeordneten, den mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung zu entsprechen und im Sinne der Menschlichkeit und der Gleichberechtigung einer Gesetzesänderung zuzustimmen.

Während die VertreterInnen der SPÖ, der NEOS und der Grünen das Anliegen voll unterstützten, gab ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl zu bedenken, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keinen Änderungsbedarf sieht, zumal es das Rechtsinstitut der Verpartnerung gibt. - Einstimmig wurde sodann beschlossen, Stellungnahmen von Seiten des Sozial-, des Bildungs- und des Innenministeriums sowie des Bundeskanzleramts einzuholen.

Bundesweite anonyme Statistik über Schwangerschaftsabbrüche – "Fakten helfen"

Während nahezu alle europäischen Länder anonym Zahlen und Motive zu Schwangerschaftsabbrüchen erheben, sei dies in Österreich nicht der Fall, erklärte die Erstunterzeichnern der zweiten Bürgerinitiative Gertraude Steindl (69/BI ). Ebenso fehlten gesicherte Erkenntnisse, warum es dazu kommt. Einleitend wies die Vorsitzende der "Aktion Leben Österreich" mit Nachdruck darauf hin, dass die Fristenregelung nicht angetastet werden soll. Dennoch müsse man sich der Realität stellen und die Problemlagen der einzelnen Frauen wahrnehmen, die sich bei diesen Entscheidungen in schweren Krisen befinden. Da es wohl das Ziel aller sei, die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche so gering wie möglich zu halten, müsse einerseits auf eine maßgeschneiderte Prävention und andererseits auf zielgerichtete Hilfen gesetzt werden. Und genau dafür brauche man aber Basisdaten, die in Österreich nicht vorliegen. Es sei ihrer Ansicht nach zu wenig, sich auf Schätzungen zu verlassen (20.000 bis 60.000), da man die Zahlen anderer Länder, wo es unterschiedliche gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen gibt, nicht einfach auf Österreich übertragen könne.

Die Forderungen beziehen sich daher auf die Einführung einer bundesweiten anonymisierten Statistik über Schwangerschaftsabbrüche sowie die regelmäßige wissenschaftliche und anonyme Erforschung der Gründe als Basis für Prävention und bedarfsgerechte Unterstützung. Neben den individuellen Gründen der Frauen gebe es nämlich auch generelle strukturelle Problemlagen, die man dadurch herausfinden könnte, hob Steindl hervor. In Deutschland etwa, wo es eine solche Statistik gibt, konnte man – in Verbindung mit einem Bündel an Präventionsmaßnahmen – die Schwangerschaftsabbrüche im Zeitraum 2004 bis 2015 um 20% reduzieren.

Bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs standen für Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) die Bedürfnisse der betroffenen Frauen im Vordergrund. Da es sehr individuelle Gründe für diese schwierige Entscheidung gebe, bezweifle sie den Nutzen einer solchen Statistik. Ihre Fraktionskollegin Katharina Kucharowits gab zu bedenken, dass Studien zu dieser Thematik vorhanden sind und das Augenmerk viel mehr auf die Prävention (z.B. kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln etc.) gerichtet werden sollte.

Eine Statistik mache nur dann Sinn, wenn die Kosten für alle Schwangerschaftsabbrüche von den Kassen getragen werden, meinte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G). Seiner Auffassung nach wäre es besser, verstärkt auf Prävention zu setzen. Eine kritische Position nahm auch Michael Pock (N) ein, da es derzeit von staatlicher Seite keine Unterstützung für die Frauen gebe. Sollten aber die Krankenkassen die Kosten übernehmen, dann hätte er nichts gegen eine anonyme Erfassung der Daten.

Abgeordneter Wolfang Gerstl (V) stand der Bürgerinitiative positiv gegenüber, zumal es in allen Lebensbereichen Statistiken gibt. Auch FPÖ-Vertreterin Edith Mühlberghuber sprach sich dafür aus, eine anonyme Statistik einzuführen, da man Entscheidungen nur auf Basis von Fakten treffen könne. In ihrem persönlichen Umfeld kenne sie keine einzige Frau, die im Nachhinein glücklich darüber sei, eine Abtreibung vorgenommen zu haben. Zustimmung kam auch von Seiten des Team Stronach. - Der Ausschuss beschloss einstimmig, Stellungnahmen von Seiten der Ärztekammer und des Instituts für Familienforschung (OIF) einzuholen.

Entkriminalisierung von assistiertem Suizid soll diskutiert und geprüft werden

Mit der eindrücklichen Schilderung der Leidensgeschichte von Agnes U., die im Mai an den Folgen einer nicht heilbaren degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems (amyotropher Lateralsklerose, ALS) gestorben ist, wandte sich Wolfgang Obermüller an die Mitglieder des Petitionsausschusses. Während die 72-jährige Frau am Beginn ihrer Krankheit Sterbehilfe kategorisch abgelehnt hat, stand sie diesem Thema acht Monate später, als sie unbeweglich im Rollstuhl saß und sich das Morphium nicht mehr selbst verabreichen konnte, völlig konträr gegenüber. Sie sei schlimmer dran als ein Hund, meinte sie, denn der werde eingeschläfert, wenn er sterbenskrank ist; sie erlöse aber niemand. "So will ich nicht krepieren", führte Obermüller in drastischen Worten aus. Aus diesem Grund habe er auf der Online-Plattform "change.org" eine Initiative gestartet, in der es um einen Rechtsanspruch auf professionelle Sterbehilfe geht. Darauf basierend wurde dem Nationalrat vom Abgeordneten Michael Pock (N) eine Petition (73/PET ) zugeleitet, in der die Bundesregierung ersucht wird, die moralisch-ethischen und medizinischen Implikationen einer Entkriminalisierung von assistiertem Suizid zu diskutieren und juristisch prüfen zu lassen. Obermüller wies darauf hin, dass Australien vor zwei Wochen genau diesen Weg beschritten hat. Nun sollte auch im österreichischen Parlament ernsthaft über das Thema Sterbehilfe diskutiert werden, appellierte er abschließend.

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) pflichtete Obermüller bei, dass es höchst an der Zeit sei, über ein so wichtiges Thema ideologiefrei zu diskutieren.

FPÖ-Mandatar Christian Höbart räumte ein, dass seine Fraktion noch keine einheitliche Linie in dieser Frage habe. Es gebe viele Pros und auch Contras; der Diskussionsprozess müsse daher weitergeführt werden.

Über die Sterbehilfe wurde bereits vor eineinhalb Jahren im Rahmen der Enquete "Würde am Ende des Lebens" sehr ausführlich debattiert, erinnerte Abgeordneter Wolfang Gerstl (V). Für ihn stelle sich vor allem die Frage, wie es jenen Personen gehe, die gezwungen werden, jemand anderen zu töten. 

Die Bioethikkommission habe sich dafür ausgesprochen, dass in ganz bestimmten Ausnahmefällen ein assistierter Suizid entkriminalisiert werden sollte, erklärte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G); diese Linie tragen die Grünen mit. Auch Abgeordneter Leopold Steinbichler (T) war diesem Ansinnen nicht abgeneigt; allerdings müsste ein Ärztegremium gemeinsam mit der Familie des Betroffenen über so eine schwerwiegende Frage entscheiden.

Wolfgang Obermüller schloss an seine Vorredner an und meinte, es wäre ein erster ganz wichtiger Schritt, wenn diese Position der Bioethikkommission umgesetzt werden könnte. Es sei für ihn auch selbstverständlich, dass kein Arzt dazu gezwungen werden darf, Sterbehilfe zu leisten. - Der Ausschuss beschloss einstimmig, Stellungnahmen des Justiz- und des Gesundheitsministeriums einzuholen. (Fortsetzung Petitionsausschuss) sue