Parlamentskorrespondenz Nr. 310 vom 22.03.2018

Nationalrat: ÖVP und FPÖ besiegeln Beibehaltung der Raucherregelung in der Gastronomie

SPÖ-Gegenantrag sowie SPÖ-NEOS-Forderung nach Volksabstimmung abgelehnt, Einstimmigkeit bei Jugendschutz

Wien (PK) – Das generelle Rauchverbot in der Gastronomie mit Mai 2018 wird es nicht geben. Der ÖVP-FPÖ-Initiativantrag, mit dem das nahende Verbot gekippt wird, wurde heute im Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien unter heftigen Protesten der Opposition besiegelt. Die derzeit noch geltende Gastronomieregelung wird demnach beibehalten. Bis zum Ende des Jahres wird aber ein Zigaretten-Verkaufsverbot an Jugendliche unter 18 Jahren eingeführt und der Jugendschutz in Fahrzeugen erhöht. Der Versuch der SPÖ, mit einem Antrag eine Aufweichung des Nichtraucherschutzes zu verhindern und das generelle Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. Mai in Kraft treten zu lassen, scheiterte ebenso wie die SPÖ-NEOS-Forderung, eine Volksabstimmung durchzuführen. Einstimmig beschlossen wurden hingegen die in der Novelle enthaltenen verschärften Jugendschutzbestimmungen.

Keine Mehrheit fand ein Abänderungsantrag der NEOS, mit dem zwei Ausnahmen in der Raucherregelung gefordert werden. Betroffen hätten die Ausnahmen Vereinsräumlichkeiten, solange nur Erwachsene anwesend sind und private, entgeltliche Mitfahrgelegenheiten.

SPÖ scheitert mit Antrag gegen Aufweichung des Rauchverbots

Neuerlich schärfste Kritik an der Beibehaltung der geltenden Raucherregelung in der Gastronomie kam von der SPÖ. Die SozialdemokratInnen scheiterten aber endgültig mit ihrem Antrag gegen eine Aufweichung des Rauchverbots.

Kein einziges Land weltweit habe im Nichtraucherschutz bisher einen Schritt zurück gemacht, kritisierte Abgeordnete Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) vehement die ÖVP-FPÖ-Initiative. Diese Verantwortungslosigkeit und Ignoranz gegenüber allen ExpertInnen, wissenschaftlichen Fakten und einer halben Million UnterstützerInnen des "Don't Smoke "-Begehrens suche seinesgleichen. Die Vorbildwirkung für die Gesundheit der Kinder sei fatal, so Rendi-Wagner, die Wortbrüche und gegenseitige Schuldzuweisungen als den neue Stil von schwarz-blau titulierte. Dietmar Keck (SPÖ) unterstrich dies und ärgerte sich über eine "Wendehalspolitik" der ÖVP. Argumentiert werde mit Einbußen in der Gastronomie, die laut einer Studie des IHS nicht zu befürchten seien. Keck brachte auch den gemeinsamen Antrag von SPÖ und NEOS auf Volksabstimmung ein, der schließlich abgelehnt wurde.

Markus Vogl (SPÖ) kündigte an, die Bestimmungen zur Verschärfung des Jugendschutzes mitzutragen. Aber auch er sieht keine Gefahr des Wirtesterbens, und eine Volksabstimmung in drei Jahren in den Raum zu stellen, sei sicher keine Lösung, warf er den Regierungsparteien vor. Was die Vereinbarungen zwischen ÖVP und FPÖ betrifft, ist Philip Kucher (SPÖ) fassungslos, dass hier deutlich ein Pakt zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Karl-Heinz Strache im Vordergrund stehe und nicht die Gesundheit der Menschen.

Als Nagelprobe für jene ÖVP-Abgeordnete, die dem Nichtraucherschutz 2015 zugestimmt hatten, bezeichnete Peter Kolba von der Liste Pilz die heutige Abstimmung. Die Regierung wolle offenbar mehr Willensfreiheit für Lungenkrebs im Land und würde Nichtraucherschutz mit Füßen treten, erzürnte sich Kolba.

NEOS: Schärfste Kritik, aber auch Antrag auf Ausnahmen, um Gesetz zu bereinigen

Die Wogen im Plenum gingen hoch, als Matthias Strolz (NEOS) aus Briefen von Betroffenen von Raucherkrankungen zitierte. Die Regierung entscheide sich hier bewusst für das Sterben von BürgerInnen hinsichtlich Passivrauchen, wandte er sich mit Begriffen wie "Wendehälse" erbost an den ÖVP-Parlamentsklub. Letztlich würden hier auch hunderttausende Unterschriften gegen die Novelle ignoriert. Es sei eine Schande und er schäme sich für diesen Berufsstand, wenn solche Entscheidungen getroffen werden. Gerald Loacker (NEOS) brachte abseits davon einen Antrag ein, mit dem die NEOS zwei Ausnahmen in der Raucherregelung fordern. Erlaubt werden sollte demnach Rauchen in Vereinsräumlichkeiten, solange nur Erwachsene anwesend sind, sowie für private, entgeltliche Mitfahrgelegenheiten. Hier seien Fehler im Gesetz, die nicht behoben wurden, so Loacker, dem es darum geht, dort zu bereinigen, wo die Verbote überschießend seien. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

ÖVP und FPÖ verteidigen Maßnahme mit Jugendschutz und wollen auf mehr Prävention setzen

Trotz des heftigen Gegenwinds seitens der Opposition beschlossen ÖVP und FPÖ ihren Initiativantrag zur Änderung des Tabak- und Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucherschutzgesetzes (TNRSG) mehrheitlich. Einstimmig angenommen wurden schließlich die Verschärfungen im Bereich Jugendschutz.

Außer Streit steht für Karl Nehammer (ÖVP), dass Rauchen schädlich ist und für den Nichtraucherschutz alles getan werden muss. Er fühle auch mit den Betroffenen, wirft Matthias Strolz aber vor, zu emotionalisieren. Aus NEOS-Richtung sei sehr wohl früher die Forderung nach mehr Freiheit für die Gastronomie gekommen, so Nehammer. Das zeige sich auch daran, dass diese jetzt in Vereinslokalen das Rauchverbot aufheben wollen. Die Novelle bringe den strengsten Nichtraucherschutz in der zweiten Republik, unterstrich der ÖVP-Abgeordnete. Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) verwies auf das Regierungsübereinkommen, Loyalität sei die Basis für eine solche solide Partnerschaft. Kinder müssten schon vor der Schule vor dem Rauchen geschützt werden, aber dem Freiheitsgedanken für Erwachsene kann sie etwas abgewinnen. Freude habe sie mit der Raucherregelung zwar keine, aber manchmal sei es mutiger, gegen die eigene Überzeugung zu handeln, Kompromisse einzugehen und Stabilität zu gewährleisten. Ihre Fraktionskollegin Gabriela Schwarz verwies auf das Thema Vorsorge vor Nikotinsucht. Es müsse der Ersteinstieg verhindert, verstärkt auf Jugendschutz und Prävention gesetzt und die Nikotinentwöhnung unterstützt werden.

Peter Wurm (FPÖ) warnte vor einer Verbotskultur und betonte, dass es seit 10 Jahren ein generelles Rauchverbot in Österreich gebe. Dieses werde mit den Raucherräumen auch weiterhin bestehen. 2015 sei allerdings ein Gesetz beschlossen worden, in dem vieles nicht sinnvoll sei. Er verwies zudem auf den faktischen Kinder- und Jugendschutz, der jetzt neu eingeführt werde. Außerdem sichere die Ausnahmeregelung für die Gastronomie dem Beisl am Eck die Existenzberechtigung. Einen Krieg gegen eine ganz kleine Gruppe von Gastronomen, auf deren Rücken die Diskussion ausgetragen würde, ortet Josef Riemer (FPÖ). Für ihn geht es bei Suchtkrankheit um Prävention und Entwöhnungshilfe, aber nicht um Verbote. Die BürgerInnen seien mündig genug, zu entscheiden. Maximilian Linder (FPÖ) plädierte für die Entscheidungsfreiheit für abgetrennte Raucherbereiche, sowohl im Sinn der Gastronomie, als auch für Gäste. Das helfe gerade Landgasthäusern, weiterzubestehen. Gegen die Vorwürfe zu den Folgen des Rauchens wehrte er sich deutlich, jeder Mensch sei für sich selbst verantwortlich. Das betreffe auch MitarbeiterInnen, zumal jeder, der gehen wolle, am nächsten Tag zehn andere Jobs haben könne.

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein unterstrich den Ansatz zur Prävention. Dass Rauchen ungesund und eine Sucht ist, sei bekannt. Dieses Suchtverhalten sei auch schwer abzulegen. Der richtige Ansatz sei daher, dabei zu unterstützen, gar nicht mit dem Rauchen zu beginnen. Hartinger-Klein appellierte an die KritikerInnen für mehr Wertschätzung und Respekt. Suchtverhalten sei nicht auszugrenzen.

Mit dem heutigen Beschluss der ÖVP-FPÖ-Initiative wird es auch nach dem 30. April 2018 Raucherräume in der Gastronomie geben. Die entsprechenden Ausnahmebestimmungen vom Rauchverbot bleiben über den 1. Mai hinaus bestehen. Im Sinne des Gesundheitsschutzes wird jedoch in nächster Zeit ein Verkaufsverbot von Tabakwaren an unter 18-Jährige eingeführt. Ebenso wird das Rauchen in Fahrzeugen verboten, wenn sich darin Minderjährige befinden. Betreffend die gesetzliche Regelung zur Ausbildung oder Beschäftigung von Jugendlichen in Betrieben überwiegend in Nichtraucherräumen kann die zuständige Bundesministerin künftig erforderlichenfalls auch darüber hinausgehende Auflagen erlassen. Dabei muss auf die jeweils anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen und auf bereits beschäftigte oder in Ausbildung stehende Personen Bedacht genommen werden. (Fortsetzung Nationalrat) mbu