Parlamentskorrespondenz Nr. 831 vom 05.07.2018

Heimopferrenten: Kreis der Berechtigten wird ausgeweitet

Einstimmiger Beschluss im Nationalrat

Wien (PK) - Der Kreis jener Personen, die Anspruch auf eine Zusatzrente nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) haben, wird ausgeweitet. Damit sind künftig auch Personen, die als Kinder oder Jugendliche in Krankenanstalten, Psychiatrieeinrichtungen, in städtischen Kinderheimen oder Einrichtungen privater Träger schwer misshandelt bzw. missbraucht wurden, vom Gesetz erfasst. Gleichzeitig werden einige weitere Verbesserungen vorgenommen. Die entsprechende 5-Parteieninitiative, die nach einer Ausschussbegutachtung und einem Hearing im Sozialausschuss noch abgeändert wurde, passierte heute einstimmig und damit auch mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit den Nationalrat .

Mit der Schließung der Gesetzeslücken tragen die Abgeordneten nicht zuletzt Anregungen der Volksanwaltschaft Rechnung. Derzeit haben etwa Personen, die als Kinder mit der so genannten "Malariatherapie" behandelt wurden oder andere schwerwiegende medizinische Fehlbehandlungen erleiden mussten, keinen Anspruch auf die im vergangenen Jahr beschlossene monatliche Zusatzrente von 300 €. Gleiches gilt für Gewaltopfer in städtischen Kinderheimen oder SOS-Kinderdörfern. Außerdem soll die Zusatzrente auch Heimopfern zustehen, die eine der Invaliditätspension vergleichbare Leistung wie Rehabilitationsgeld erhalten bzw. die aufgrund einer Behinderung arbeitsunfähig sind. In diesem Zusammenhang wurde durch eine  - ebenfalls einstimmig angenommen Abänderung - klargestellt, dass bei Bezug eines Rehabilitationsgeldes im HOG der entsprechende Pensionsversicherungsträger zuständig ist, der die Feststellung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld vornimmt.

Unter anderem wird durch die Neuerungen auch sichergestellt, dass sich Betroffene künftig in jedem Fall direkt an die Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden können, auch wenn sie zuvor um keine Entschädigung beim zuständigen Heim- oder Jugendwohlfahrtsträger angesucht haben. Bislang war das nur "aus besonderen Gründen" möglich. Überdies wurden eine Reihe von Präzisierungen vorgenommen.

Wer das Pensionsalter noch nicht erreicht hat bzw. noch keine Pensionsleistung bezieht, kann von der zuständigen Pensionsversicherung bzw. der Rentenkommission der Volksanwaltschaft in Hinkunft vorab feststellen lassen, ob er anspruchsberechtigt ist. In der Vergangenheit abgelehnte Anträge, die nach der neuen Rechtslage erfolgversprechend erscheinen, sollen amtswegig neu entschieden werden. Die Ausweitung des anspruchsberechtigten Personenkreises gilt rückwirkend ab Juli 2017.

Auch die vom Sozialausschuss vorgelegte Entschließung wurde einhellig unterstützt. Demnach soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die Länder spätestens mit dem nächsten Finanzausgleich einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Heimopferrenten für Vorfälle in ihrem Verantwortungsbereich leisten.

Abgelehnt wurde hingegen der im Plenum von Daniela Holzinger-Vogtenhuber (PILZ) vorgelegte Abänderungsantrag, wonach Betroffenen das Recht zugestanden werden soll, den Ersatz des Verdienstentgangs nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) auch nach dem 30. Juni 2017 geltend machen zu können. Laut § 15 VOG können nämlich jene, welche einen Verdienstentgang aufgrund von Gewalt während einer Unterbringung in Kinder- und Jugendheimen oder in Pflegefamilien erlitten haben, diesen nur bis zu diesem Zeitpunkt geltend machen, ihre Anträge gelten danach nur mehr nach dem Heimopferrentengesetz.

Auch ihr Vorstoß, bei der Rentenkommission der Volksanwaltschaft eine vierte Vollzeitstelle einzurichten, um den Mehraufwand zu bewältigen, fand nicht die erforderliche Mehrheit.

Zusatzrente kann nur eine Geste für das erlittene Leid sein

In der Debatte waren sich alle RednerInnen – Dagmar Belakowitsch (FPÖ), Muna Duzdar (SPÖ), Michael Hammer (ÖVP), Kira Grünberg (ÖVP), Gerald Loacker (NEOS) und Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Pilz) -  einig, dass es für das erlittene Leid, für den Sadismus und die Brutalität, die die Betroffenen als Kinder erlebt haben, und für die verlorene Kindheit keine Wiedergutmachung geben könne. Die mit dem Heimopferrentengesetz ausbezahlte Zusatzrente von € 300 monatlich könne daher nur als symbolische Geste zu verstehen sein. Das Leid könne man nicht in Worte fassen, sagte Duzdar. Martin Engelberg (ÖVP) betonte, dass neben dem Finanziellen vor allem das Emotionale im Vordergrund stehen müsse. Das Wichtigste sei, dass die Gesellschaft das Leid der Betroffenen anerkennt. Alle trügen die gemeinsame Verantwortung, für diese Menschen etwas zu tun, und die Gesellschaft müsse alles unternehmen, dass so etwas nicht mehr vorkommt, betonten Belakowitsch und Hammer. Sollten Fälle bekannt werden, habe man rasch zu reagieren. Laut Grünberg stellt die Rente das Mindeste dar, was man tun könne.

Alle zeigten sich erfreut darüber, dass es gelungen ist, die Empfehlungen der Volksanwaltschaft aufgrund der Evaluierung des Gesetzes in einen einstimmigen Beschluss zu fassen. Als überaus notwendig erachtete es Daniela Holzinger-Vogtenhuber, dass nun auch jene bezugsberechtigt sind, die unter der sogenannten Malariatherapie gelitten haben. Diese sei mit der Erfindung des Penicillin obsolet geworden, dennoch habe man sie bis in die 70er Jahre auch an Kindern angewendet, um sie zu züchtigen. Es sei daher gut, in gewisser Hinsicht einen Schlussstrich ziehen zu können, wobei noch die letzten Meter fehlen würden, begründete sie ihre beiden Anträge. Es müsse Menschen frei gestellt werden, den Verdienstentgang auch einklagen zu können, sagte sie.  

Für Gerald Loacker bestand der Wermutstropfen darin, dass aus seiner Sicht nicht klar gestellt ist, wie die zusätzlichen Leistungen finanziert werden können. Daraufhin versicherte ihm Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, dass das Geld auf alle Fälle zur Verfügung steht. (Fortsetzung Nationalrat) jan


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