Parlamentskorrespondenz Nr. 498 vom 08.05.2019

Unterrichtsausschuss: ÖVP und FPÖ beschließen Kopftuchverbot an Volksschulen als einfaches Gesetz

Opposition kritisiert Maßnahme als wirkungslose Symbolpolitik - Geschlechterrollen auch Thema im Bildungsbericht

Wien (PK) – Das Kopftuchverbot an Volksschulen beschlossen heute im Unterrichtsausschuss des Nationalrats ÖVP und FPÖ als einfachgesetzliche Regelung. Für die angepeilte Verfassungsbestimmung hatte sich nicht die nötige Mehrheit gefunden, denn keine der Oppositionsparteien stimmte dafür. Namens der FPÖ bedauerte dies Ausschussobmann Wendelin Mölzer, habe man doch "ein gemeinsames Signal des Parlaments gegen den politischen Islam" setzen wollen. SPÖ, NEOS und JETZT kritisierten einhellig, der Vorschlag sei reine Symbolpolitik. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik brauche es weitergehende Maßnahmen, denn "Integration heißt mehr als 'Kopftuch ja oder nein'", so die sozialdemokratische Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid. Ihr bereits im Jänner vorgelegter Antrag für ein Gesamtpaket zur Integrationsförderung, der ebenfalls heute abgestimmt wurde, fand allerdings nicht die erforderliche Mehrheit. Nur SPÖ und JETZT stimmten dafür.

Betroffen sind von der geplanten Novelle im Schulrecht vor allem muslimische Mädchen bis zu ihrem 11. Geburtstag. In einer von den Regierungsparteien angenommenen Ausschussfeststellung wird unterstrichen, die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs umfasse das Verbot nicht.

Zu Beginn der Ausschusssitzung erörterten die Abgeordneten den einstimmig angenommenen Nationalen Bildungsbericht, der auf Verlangen der SPÖ auch im Plenum diskutiert wird. Bildungsminister Heinz Faßmann würdigte den Bericht aus der Feder zahlreicher WissenschafterInnen als "wertvolle Quelle für evidenzbasierte Bildungspolitik". Bei der Debatte darüber ging es unter anderem um Maßnahmen zur Gewaltprävention an Schulen, wobei Faßmann hier vor allem Schulaufsicht und Bildungsdirektionen gefordert sieht.

ÖVP und FPÖ wollen Zeichen gegen Unterdrückung von Mädchen setzen

Die Orientierung an religiösen Werten dürfe nicht den Zielen des österreichischen Bildungssystems widersprechen, zu denen gemäß Bundesverfassung auch die Achtung der Gleichstellung von Frauen und Männern gehört. Damit erklären die Regierungsfraktionen in ihrem Initiativantrag (495/A ), warum sie gegen das religiös motivierte Verhüllen des Haupts eines Volksschulkindes bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres eintreten. Den Rang einer Verfassungsbestimmung benötige diese Regelung nicht unbedingt, heißt es in einem heute vorgelegten ÖVP-FPÖ-Abänderungsantrag zu dem Vorhaben. Begründet wird dies damit, dass mit den Bundesländern bereits eine "beinah wortgleiche" verfassungsrechtliche Vereinbarung zum Kopftuchverbot in Kindergärten besteht.

In beiden Bereichen gehe es um eine erfolgreiche Integration der Kinder in Gesellschaft und Bildungswesen "gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten". Die Gleichstellung der Geschlechter erhalte in diesem Zusammenhang Vorrang vor dem Grundrecht auf Religionsfreiheit. Die Oppositionsparteien erhielten heute die Gelegenheit, durch Annahme des Initiativantrags ein Bekenntnis zur einer aufgeklärten Gesellschaft abzulegen, in der die Sexualisierung von Kindern abgelehnt wird, warb ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner einmal mehr für das Vorhaben. Immerhin sei im Islam ein Kopftuch für Mädchen vor der Geschlechtsreife nicht vorgeschrieben, schloss Nico Marchetti religiöse Argumente gegen das Verbot aus. Wie Mölzer, Taschner und Robert Lugar (FPÖ) wertete Marchetti das Wort "Symbol" in Verbindung mit dem Gesetzesvorhaben nicht negativ. Vielmehr bestätige sich damit, dass ein Zeichen gegen die Unterdrückung von Mädchen gesetzt wird. Lugar, der einen Abänderungsantrag zur Streichung des Begriffs "Verfassungsbestimmung" aus dem vorgeschlagenen Initiativantrag einbrachte, hielt dabei der SPÖ vor, sich mit ihrer Ablehnung des Antrags von Frauenrechten zu verabschieden.

SPÖ, NEOS und JETZT fordern Gesamtpaket zur Integrationsförderung

Den Vorwurf, die SPÖ lasse die Unterdrückung von Frauen und Mädchen zu, wies nicht nur Christian Kovacevic (SPÖ) entschieden zurück. Seine Parteikollegin Nurten Yilmaz erklärte, im Sinne der Gleichstellung trete sie natürlich gegen das Kopftuch ein, es an den Schulen für Kinder zu verbieten, stelle die Gleichberechtigung von Mädchen und Buben aber in keiner Weise sicher. Nötig sei eine echte Frauenpolitik, die Yilmaz speziell bei der FPÖ vermisst: "Sie halten nicht einmal das Wort 'Töchter' in der Bundeshymne aus". Katharina Kucharowits (SPÖ) bemängelte zudem den Umgang der Regierungsfraktionen mit den Forderungen des Frauenvolksbegehrens, die nicht aufgegriffen worden seien.

Hinsichtlich bildungspolitischer Integrationsmaßnahmen erwarten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) und Stephanie Cox (JETZT) im Einklang mit der SPÖ mehr Unterstützung vom Kindergarten an. Der Ausbau von Ganztagsschulen und die Einführung eines Ethikunterrichts würden mehr zur erfolgreichen Integration von Kindern und Jugendlichen beitragen, als die von ÖVP und FPÖ vorangetriebene "Symbolpolitik". Hammerschmid (SPÖ) bemängelte am Gesetzesvorhaben grundsätzlich, ein "ernsthafter Diskurs" mit Opposition, SozialarbeiterInnen sowie mit muslimischen Eltern fehle. Seitens der Regierungsfraktionen wird diese Sichtweise nicht geteilt. Der Dialog mit den Erziehungsberechtigten finde sich sogar im vorgeschlagenen Gesetzestext verankert, so Marchetti (ÖVP). Er verwies dabei auf die Vorgaben, wenn das Kopftuchverbot missachtet wird. Laut Entwurf muss die Schulleitung in einem derartigen Fall unverzüglich die zuständige Bildungsdirektion informieren, von der die Eltern zu einem verpflichtenden klärenden Gespräch geladen werden. Bei weiteren Verstößen trotz Aufklärung oder falls die Eltern nicht zum Gespräch erscheinen, würde eine Geldstrafe von bis zu 440 € drohen.

Bildungsbericht zeigt aktuelle Herausforderungen auf

Den Umgang mit hierzulande tradierten Geschlechterrollen bei Schul- und Berufswahl thematisierten die Abgeordneten neben zahlreichen anderen Themen in der Debatte über den jüngsten Nationalen Bildungsberichts (III-268 d.B. ), den das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens (BIFIE) im Auftrag des Bildungsministeriums erstellt hat. Dem Vorwurf Eva Maria Holzleitners (SPÖ), die Regierung tue zu wenig, um Rollenbilder aufzubrechen, widersprach Minister Faßmann vehement. Sein Haus arbeite besonders mit technischen Universitäten intensiv an einer Bewusstseinsbildung über Chancen für Mädchen und Frauen, wobei beispielsweise namhafte TechnikerInnen als "Role Models" einbezogen würden. Gleichermaßen will er der Bildungsvererbung entgegentreten. Auch hier sei zu vermitteln, dass Österreich über ein "offenes, kostenfreies Schulwesen" verfüge und Entscheidungen über die Schullaufbahn nicht automatisch vom Elternhaus abhängen.

Dem hielt wiederum die SPÖ entgegen, von der ÖVP-FPÖ-Regierung würden Möglichkeiten, soziale Nachteile im Bildungswesen auszugleichen, nicht genutzt. "Der Ausbau der Ganztagsschulen wird verschleppt", warf die sozialdemokratische Bildungssprecherin Hammerschmid Minister Faßmann vor. Dessen Verweis auf den Bildungsbericht, wonach kaum gesicherte Daten zur sozioökonomisch kompensatorischen Wirkung von Ganztagsschulen vorliegen und vor allem städtische Mittelstandsfamilien davon Gebrauch machen, ließ Hammerschmid nicht gelten. Die mangelnde Nutzung schulischer Nachmittagsbetreuung in ländlichen Regionen liege nicht zuletzt am fehlenden Angebot. Faßmann erklärte wiederum, es gebe Zusagen aus dem Finanzministerium, dass nicht abgeholte Restmittel von den Bundesländern weiter für den Ganztagsschulausbau genutzt werden können.

Die Vermittlung digitaler Grundkompetenzen war ein weiteres Berichtsthema, das die Ausschussmitglieder besonders interessierte. So erkundigte sich unter anderem NEOS-Bildungssprecher Hoyos-Trauttmansdorff nach dem Umsetzungsstand des Masterplans Digitalisierung für Schulen und erfuhr von Faßmann, inhaltlich sei der Plan so gut wie fertig. Nur die Finanzierungsfrage sei noch nicht völlig geklärt. Die Fortbildung der Lehrkräfte werde sich auch vermehrt mit digitalen Inhalten befassen, versicherte der Minister, der sich auf Nachfrage von Christian Schandor (ÖVP) für eine verstärkt programmhafte Weiterbildung der LehrerInnen aussprach. Essentiell für die Digitalisierung im Unterricht sei jedenfalls die Motivation der Lehrenden.

Zu Maßnahmen für Gewaltprävention an Schulen hielt Faßmann fest, Gewalt an Schulen sei ein komplexes Problem. Von den Schulbehörden müsse bei Mobbing und gewalttätiger Auseinandersetzung, gerade zwischen LehrerInnen und SchülerInnen, rasch entschieden werden, ob SchulpsychologInnen einzusetzen sind. Das von Hammerschmid angeregten Mentoring durch eigens ausgebildete SchülerInnen sei besonders bei tätlichen Konflikten mit LehrerInnen wenig hilfreich, so Faßmann. Generell unterstütze er aber Peer-Groups zur Deeskalation im Klassenverband. Die sogenannten Time-Out-Klassen habe sein Ministerium nur als ultimative Lösung bei einer Gewalteskalation angedacht. Das von JETZT-Bildungssprecherin Cox eingemahnte Unterstützungspersonal werde dafür sichergestellt. (Fortsetzung Unterrichtsausschuss ) rei


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