Parlamentskorrespondenz Nr. 535 vom 15.05.2019

ÖVP und FPÖ sehen Kopftuchverbot an Volksschulen als wichtige Maßnahme zum Schutz von Kinderrechten

Oppositionsparteien kritisieren Maßnahme als wirkungslose Symbolpolitik

Wien (PK) – Das Kopftuchverbot an Volksschulen wurde heute im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ, aber auch zweier Abgeordneter der Fraktion JETZT (Peter Pilz, Daniela Holzinger-Vogtenhuber), als einfachgesetzliche Regelung beschlossen. Für die angepeilte Verfassungsbestimmung fand sich jedoch nicht die nötige Mehrheit. Die Abgeordneten der Koalitionsparteien unterstrichen, es gehe darum, ein klares Symbol gegen den politischen Islam und die Unterdrückung von Frauen und Mädchen zu setzen. Die Novelle zum Schulunterrichtsgesetz, die auf einen Antrag von Abgeordneten der Koalitionsparteien zurückgeht, richtet sich daher vor allem an muslimische Mädchen bis zu ihrem 11. Geburtstag. Diese sollen vor Instrumentalisierung durch Islamismus bewahrt werden. In einer Ausschussfeststellung wird dabei unterstrichen, dass die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs von diesem Verbot explizit nicht umfasst sind.

SPÖ, NEOS und teilweise auch JETZT blieben jedoch bei ihrer Ansicht, der Vorschlag stelle unzureichende Symbolpolitik dar. Für eine erfolgreiche Integrationspolitik brauche es weitergehende Maßnahmen, forderte vor allem die SPÖ. Aus Sicht der NEOS müsse man auf die Bildungschancen von Kindern an sich achten und die Frage der Integration nicht an einzelnen Symbolen festmachen. Aus der Fraktion JETZT kam Kritik an der Linie der Regierung, aber auch Zustimmung für das Kopftuchverbot mit dem Argument, es handle sich immerhin um einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Letztlich gelte es, alle religiösen Symbole aus der Schule zu verbannen, dabei aber den interreligiösen Dialog zu fördern.

SPÖ fordert Gesamtpaket für Integration statt Einzelmaßnahmen

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid betonte, Integration lasse sich nicht auf Einzelmaßnahmen wie "Kopftuch Ja oder Nein" reduzieren. Integration sei ein komplexer Prozess und eigne sich nicht für populistische Maßnahmen. Hammerschmid forderte einmal mehr ein Bündel an Maßnahmen. Die Bundesregierung habe aber genau im Bereich der notwendigen Integrationsmaßnahmen 80 Mio. € einfach gestrichen. Das zeige, dass es der Bundesregierung nur um die Schlagzeile gehe, hinter ihrer Politik stecke "Verlogenheit" – ein Ausdruck, für den Hammerschmid auch einen Ordnungsruf hinnahm. Gerade die FPÖ solle sich nicht als Beschützerin von Frauen- und Kinderrechten darstellen, sagte die Abgeordnete. In Wirklichkeit betreibe sie bei allen konkreten Maßnahmen für mehr Frauenrechte Dialogverweigerung, lautete der Vorwurf von Hammerschmid. Sie forderte in einem Entschließungsantrag ein Gesamtpaket für mehr Integration und die Gleichstellung von Frauen und Mädchen. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.

Sie könne nicht glauben, dass die ÖVP tatsächlich überzeugt sei, mit dem heute beschlossenen Gesetz einen Beitrag zu Befreiung muslimischer Frauen zu setzen, sagte Nurten Yılmaz (SPÖ). Hier handle es sich um populistische Maßnahmen auf dem Rücken muslimischer Frauen. Sie sei selbstverständlich grundsätzlich dagegen, dass Männer Frauen und Mädchen Bekleidungsvorschriften machen, und auch dagegen, dass kleine Mädchen in der Volksschule ein Kopftuch tragen. Anstelle eines Verbotes trete sie aber dafür ein, mit den Eltern zu reden und den Dialog zu führen. Sie befürchte jedoch, dass die Maßnahme nur ein erster Schritt gegen das muslimische Kopftuch überhaupt sein solle. Sie warne davor, in dieser Richtung weiterzugehen und Frauen, die freiwillig Kopftuch tragen und längst in Österreich integriert sind, auszugrenzen.

ÖVP: Kopftuchverbot in der Volksschule fördert Integration

Zweifellos sei das Kopftuch ein Symbol, jedoch eine sehr wichtiges, sagte Rudolf Taschner (ÖVP). Das Kinderkopftuch sei nämlich ein politisches Symbol der Unterdrückung und der Unterwerfung von Frauen und Mädchen. Die Geisteshaltung dahinter bedeute nichts weniger als die Drohung eines Endes der Aufklärung. Er werde sich mit aller Kraft für die Aufklärung einsetzen, weil das bedeute, auch Mädchen im Volksschulalter die Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu garantieren. Zweifellos stelle das Kopftuchverbot selbst zwar keine hinreichende Bedingung für Integration dar, es sei aber eine notwendige.

Politik müsse auf Fehlentwicklungen reagieren, sagte Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP). Das Kopftuch als politisches Symbol bereits im Kindergarten und der Volksschule sei eine solche Fehlentwicklung. Hier gehe es um die freie Entwicklung der Kinder. Sie verstehe nicht, warum die Opposition dem Schritt nicht zustimme, die Argumente für die Ablehnung der Bestimmung seien nicht nachvollziehbar. Hier gehe es nicht um den Islam als Religion, sondern um Maßnahmen gegen den politischen Islam, der Grundwerte der österreichischen Gesellschaft untergraben wolle.

Seine Wahrnehmung im Alltag bestätige, dass Mädchen vor überzogenen Auslegungen des Islam geschützt werden müssen, sagte Nico Marchetti (ÖVP). In einer normalen Auslegung des Islam tragen Mädchen vor der Geschlechtsreife kein Kopftuch, daher sei es im Volksschulalter auch gar nicht erforderlich. Aus diesem Grund könne auch keine Rede von einer Einschränkung der Religionsfreiheit sein. Im Gesetz sei auch ein verpflichtendes Gespräch mit den Eltern vorgesehen. Religionsunterricht in den Schulen anzubieten, sei im Übrigen ein bewährtes Modell, das man nicht in Frage stellen sollte, sagte er in Richtung NEOS.

NEOS: Debatte über Bildungschancen führen statt Symbolpolitik betreiben

Leider gelinge es Fundamentalismus, Extremismus und Radikalismus immer wieder, Menschen auseinanderzudividieren und Hass zu verbreiten, beklagte Irmgard Griss (NEOS). Die Frage sei aus ihrer Sicht, ob Mädchen mit Kopftuch in der Schule ausgegrenzt werden. Wenn das der Fall sei, dann müsse man eher bei denen ansetzen, die ausgrenzen, als bei den Ausgegrenzten. Hier gehe es offenbar aber um Symbolpolitik auf Kosten von Sachpolitik, die bedeuten würde, dass man alles dafür tut, damit alle Kinder die gleichen Bildungschancen erhalten.

FPÖ: Opposition betreibt Realitätsverweigerung gegenüber dem politischen Islam

Die Opposition verweigere sich offenbar der Realität, sagte Wendelin Mölzer (FPÖ). Hier gehe es tatsächlich um ein Symbol, nämlich des politischen Islam, gegen den man sich wende und den man in Österreich nicht wolle. Die einzige Antwort der SPÖ auf alles sei stets, mehr Geld zu fordern. Die Koalition jedoch handle und setze wirksame Integrationsmaßnahmen, sagte Mölzer. Die Fraktionen der Opposition sollten dem Kopftuchverbot zustimmen und sich nicht zu Handlangern des politischen Islam machen.

Durch den politischen Islam habe in vielen Ländern in den letzten Jahrzehnten ein klarer Rückschritt in Fragen der Frauenrechte stattgefunden, erinnerte Peter Wurm (FPÖ). Das Kinderkopftuch sei auch aus Sicht von IslamexpertInnen ein Verstoß gegen die Kinderrechte, ein Verbot sei daher unumgänglich, und schon durch einen Einzelfall gerechtfertigt.

Das islamische Kopftuch für Frauen sei ein klares Symbol der Sexualisierung von Mädchen und habe daher in der Schule aus ihrer Sicht nichts verloren, sagte Carmen Schimanek (FPÖ). Die Schule müsse Mädchen ein sicheres Umfeld bieten und Schutz vor Diskriminierung. Das Problem sei nicht das Kopftuch an sich, sondern die Tatsache, dass es ein Symbol für eine systematische Unterdrückung von Frauen geworden sei, meinte auch Robert Lugar (FPÖ). Gegen diese müsse der Staat auftreten, wenn er die Möglichkeit habe.

JETZT: Alle religiösen Symbole aus öffentlichen Schulen verbannen

Die Debatte um die Rolle im öffentlichen Raum und insbesondere in öffentlichen Schulen sei überfällig, sagte Stephanie Cox (JETZT). Grundsätzlich sollten öffentliche Schulen ein religionsfreier Raum sein, die keine sichtbaren religiösen Symbole enthalten. Sie wolle aber nicht nur Verbote, sondern Dialog und Austausch. Das sollte durch einen verpflichtenden Ethikunterricht erfolgen. Eine populistische Maßnahme gegen ein religiöses Symbol einer Minderheit lehne sie aber ab. Die Regierungsparteien würden sich zudem der Diskussion mit den Betroffenen verweigern. Auch die breite Debatte über Religion in der Schule, die der Bildungsminister angekündigt habe, sei immer noch ausständig. Sie forderte in einem Entschließungsantrag Maßnahmen, die einerseits Schulen zu religionsfreien Räumen machen, gleichzeitig aber den interreligiösen Dialog fördern. Der Antrag blieb aber in der Minderheit.

Die Diskussion werde leider nicht über die Frage geführt, was Kinder in der Schule brauchen, sagte Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT). Stattdessen werde die Diskussion darüber geführt, welche religiösen Symbole in der Schule zulässig seien und konzentriere sich ausschließlich auf ein Symbol des Islam. Es sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, den sie daher auch unterstützen werde, bei dem man aber nicht stehenbleiben werde. Sie unterstütze daher den Antrag ihrer Fraktionskollegin, der das gesamte öffentliche Schulsystem umfasse.

Die fraktionslose Abgeordnete Martha Bißmann sah eine Kampagne der FPÖ gegen Musliminnen und Muslime. Das führe bereits dazu, dass Frauen mit Kopftuch beschimpft werden. Sie befürchte, dass der heutige Beschluss nur der erste Schritt gegen das Kopftuch an sich sein werde. Wenn man gegen Zwänge auftreten wolle, müsse man einen breiten Dialog führen. Vor allem gelte es, nicht nur über muslimische Frauen reden, sondern mit ihnen. Bißmann setzte während der Debatte ein Kopftuch auf, um zu zeigen, dass es grundsätzlich nichts an der Person, die es trägt, verändere. (Fortsetzung Nationalrat) sox


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