Parlamentskorrespondenz Nr. 210 vom 05.03.2020

Sozialausschuss: SPÖ und FPÖ für Ausweitung der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren

Oppositionsanträge zu den Themen Selbstbehalte, Sozialversicherungen und Umsetzung der Mindestsicherung Neu

Wien (PK) – Die Debatte über eine faire Ausgestaltung des österreichischen Pensionssystems dominierte auch den zweiten Teil des heutigen Sozialausschusses, zumal eine Reihe von Oppositionsanträgen zu diesem Thema vorlagen. Die Abgeordneten der SPÖ und der FPO setzten sich etwa im Rahmen einer gemeinsamen Initiative für die Ausweitung der abschlagsfreien Pension nach 45 Arbeitsjahren auf die Gruppe der BeamtInnen sowie für eine Berücksichtigung der Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes ein. Die NEOS wiederum forderten eine Rücknahme der noch kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode beschlossenen pensionsrechtlichen Änderungen, die ihrer Ansicht nach langfristig zu Zusatzkosten in Milliardenhöhe führen würden. Von Seiten der ÖVP und der Grünen wurden die Initiativen mit dem Hinweis auf laufende Gespräche und Beratungen, die eine Gesamtbetrachtung des Pensionsthemas zum Ziel haben, vertagt.

Auf der Tagesordnung standen noch eine Reihe von weiteren Anträgen der Opposition, in denen es unter anderem um die mögliche Einführung von Selbstbehalten, die Direktwahl von VersichertenvertreterInnen in den Krankenkassengremien, die Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in den Ländern sowie um Finanzierungslücken bei der Schlechtwetterentschädigung für BauarbeiterInnen ging.

Faire Pensionen für Frauen und abschlagsfreie Frühpension für BeamtInnen

Unter dem Titel "faire Pensionen für Frauen" lag ein Vorschlag der SPÖ vor, im dem unter anderem eine verbesserte Anrechnung von Kinderziehungszeiten gefordert wurde. Angesichts der enormen Kluft zwischen der Durchschnittspension von Frauen und jener von Männern hielt es Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) für geboten, die Beitragsgrundlage im vierjährigen Anrechnungszeitraum für die Kindererziehung in einem Ausmaß zu erhöhen, die es gewährleiste, dass die Betroffenen im Alter eine um 160 € höhere Pension (statt wie derzeit 110 €) erhalten (201/A(E)). Wer schon jetzt in Pension sei und Kindererziehungszeiten aufweise, dem soll pauschal eine Extra-Pension von 50 € im Monat gewährt werden. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut, meinte Heinisch-Hosek, weitere Schritte müssten aber folgen.

In einem gemeinsamen Entschließungsantrag von SPÖ und FPÖ geht es darum, dass nicht nur Versicherte nach dem ASVG, BSVG und GSVG im Falle von 45 Arbeitsjahren ohne Abschläge in Pension gehen können, sondern auch BeamtInnen (194/A(E)). Außerdem wollen sie – neben der bereits geltenden Anrechnung von bis zu 60 Versicherungsmonaten der Kindererziehung – eine Berücksichtigung von Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes erwirken. Für Beschäftigte, die zwischen 2014 und 2020 trotz vorliegender 540 Beitragsmonate mit Abschlägen von bis zu 12,6% in den Ruhestand getreten sind, soll die Pension neu berechnet werden.

Begründet wird der Antrag von SPÖ und FPÖ damit, dass die BeamtInnen und definitiv gestellten Bediensteten der Post und Bahn nur deshalb nicht in die im September kurzfristig vom Nationalrat beschlossene Neuregelung einbezogen wurden, weil dies gesetzestechnisch nicht möglich war, erläuterte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Zudem sollten Langzeitversicherte mit 45 Arbeitsjahren, die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung Anfang 2020 in Pension gegangen sind, ihrer Meinung nach nicht benachteiligt werden und ab 2020 ebenfalls eine abschlagsfreie Pension bekommen. Dies sei eine grundsätzliche Frage der Gerechtigkeit, unterstrich Belakowitsch, die sich gegen den Vorwurf "Husch-Pfusch-Gesetz" wehrte. Wenn die ÖVP wirklich der Meinung ist, dass 45 Arbeitsjahre nicht genug sind, dann wäre es fairer, wenn sie den vorliegenden Antrag ablehnt, stellte FPÖ-Vertreter Christian Lausch in Richtung der Volkspartei kritisch fest.

SPÖ-Mandatar Dietmar Keck wies darauf hin, dass man zur Erreichung von 540 Beitragsmonaten ohnehin bis zum Alter von 62 Jahren arbeiten müsse. Während genug Geld für Steuergeschenke für andere Zielgruppen – beispielweise Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels oder die Reduktion der Körperschaftssteuer in der Höhe von 1,5 Mrd. € - vorhanden sei, werde auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen gespart, beklagte Abgeordneter Alois Stöger (SPÖ). Diese hätten ohnehin schon seit der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung drastische Einschnitte bei den Pensionen hinnehmen müssen. Bei den Frauen sei es seiner Meinung nach aufgrund der Einführung der Ausdehnung des Durchrechnungszeitraums sogar zu einem "Pensionsraub" gekommen.

Je mehr Jahre man arbeite, desto höher falle die Pension aus, gab Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) grundsätzlich zu bedenken. Allerdings müsse man sich auch anschauen, wie lange eine Leistung bezogen werde. Für ihn hatte das bestehende System eine "gute Logik", die aber bedauerlicherweise durch die "Husch-Pfusch-Anträge" in der letzten Sitzung vor den Wahlen außer Kraft gesetzt wurde. Die Rücknahme dieser Beschlüsse stellte daher die zentrale Forderung des von seiner Fraktion eingebrachten Entschließungsantrags dar (180/A(E)). Dies betreffe nicht nur die abschlagsfreie Pension bei 45 Arbeitsjahren, sondern auch den Entfall der einjährigen Wartefrist auf die erste Pensionserhöhung sowie die abschlagsfreie Auszahlung des Sonderruhegelds für NachtschwerarbeiterInnen. Was die Frauenpensionen betrifft, so hoffe er, dass nun so bald wie möglich das Pensionssplitting eingeführt werde.

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) plädierte dafür, sich das ganze Pensionsthema umfassend anzuschauen, zumal - nicht nur aufgrund der Hacklerregelung - teils massive Ungerechtigkeiten im System bestünden. ÖVP-Klubchef August Wöginger ging noch einmal auf die Historie der Langzeitversichertenregelung und das damit zusammenhängende Bonus-Malus-System ein, das mit dem früheren Sozialminister Hundstorfer ausgearbeitet wurde. Jahrelang habe es gut funktioniert, bis dann aus heiterem Himmel die Abschläge wieder abgeschafft wurden. Man solle zudem nicht vergessen, dass es sich bei der Hacklerregelung Neu um ein reines "Männerprogramm" handle und sie zudem in einem Bereich schlagend werde, wo es ohnehin schon die höchsten Durchschnittspensionen gibt. Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.

SPÖ warnt vor Einführung von Selbstbehalte bei Arztbesuchen

Mehrheitlich vertagt wurde auch ein SPÖ-Antrag auf Änderung des ASVG (329/A), in dem eine Streichung der Kompetenz des Dachverbandes zur Festlegung von Selbstbehalten für Arztbesuche, Zahnbehandlungen und die Inanspruchnahme von Spitalsambulanzen verlangt wurde.

Die SPÖ hegt nämlich die Befürchtung, dass angesichts des drohenden Defizits bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), das sich bis 2024 auf 1,7 Mrd. € kumulieren könnte, wieder über neue Einnahmenquellen nachgedacht werde. Nachdem es nach der sogenannten Kassenreform für die Einführung von Selbstbehalten im Dachverband der Sozialversicherungsträger keiner Einstimmigkeit mehr bedarf, könnten diese auch gegen den Willen der Gebietskrankenkassen beschlossen werden. 

Direktwahl der VersichertenvertreterInnen und zu wenig Transparenz bei Ergebnisprognosen der Sozialversicherungen

Für die Direktwahl der VertreterInnen in den Gremien der Sozialversicherungsträger durch die Versicherten und Unternehmen anstelle der Beschickung der Gremien durch die Kammern trat NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einem – mehrheitlich vertagten - Entschließungsantrag ein (316/A(E)). Er erwartet sich davon eine bessere Wahrnehmung der Versicherteninteressen, etwa was das Aus für unterschiedliche Leistungsniveaus betrifft. Zudem sei es notwendig, den in den letzten Jahren zu verzeichnenden Rückgang von VertragsärztInnen – bei gleichzeitig starkem Anstieg von WahlärztInnen – zu stoppen. Die Krankenkassen hätten Interesse an einer restriktiven Stellenplanung, um Kosteneinsparungen zu erwirken, vermutet Loacker. Außerdem ortet er bei den Sozialversicherungsträgern eine Informationslücke, die regelmäßige und standardisierte Veröffentlichung von Ergebnisprognosen wäre dringend notwendig (317/A(E)).

Von einer spannenden Thematik sprach Abgeordneter Markus Koza (Grüne). Wahlen alleine könnten aber keine Lösung sein, da sich etwa im Hinblick auf die jeweilige Wahlbeteiligung die Frage der Repräsentativität stelle.

Abgeordneter Alois Stöger machte darauf aufmerksam, dass die Jahresberichte im Internet veröffentlicht werden und auch die Aufsichtsratsbeschlüsse der ÖGK auf der Homepage nachzulesen seien. Die von den Koalitionsparteien eingebrachte Ausschussfeststellung bezeichnete er als "No-Na-Ned"-Antrag, zumal die Berichtspflichten ohnehin schon gesetzlich festgelegt seien. Bei Verstößen dagegen sei die Aufsichtsbehörde gefordert. Mehr Transparenz wünschte er sich aber auch bezüglich der Krankenfürsorgeanstalten, die zu einem beträchtlichen Teil aus öffentlichen Geldern finanziert werden.

In der Ausschussfeststellung wird davon ausgegangen, dass die aufgrund der Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger erforderlichen Anpassungen der Rechnungsvorschriften auch für die notwendige Transparenz sowie Veröffentlichung von Jahresberichten sorgen, erläuterte Abgeordneter August Wöginger (ÖVP). Zusätzlich trete man für die Publikation von aussagekräftigen Gebarungsprognosen ein; dies war bisher im Gesetz nicht vorgesehen.

Während der NEOS-Entschließungsantrag betreffend Sozialversicherung abgelehnt wurde, fand die von ÖVP und Grünen eingebrachte Ausschussfeststellung die Stimmenmehrheit.

Sozialhilfe: FPÖ drängt erneut auf Ausführungsgesetze der Länder

Bereits im Jänner hat die FPÖ einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem Klubobmann Herbert Kickl und seine FraktionskollegInnen unbeschadet der Aufhebung einzelner Teile des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch den Verfassungsgerichtshof die ausständigen Ausführungsgesetze der Länder einmahnen. Nachdem dieser abgelehnt wurde, liegt nun ein weiterer Entschließungsantrag (294/A(E)) mit fast identem Wortlaut vor. Sozialminister Rudolf Anschober soll demnach unverzüglich Kontakt mit den Landesregierungen aufnehmen und dabei auf eine Umsetzung der vom VfGH nicht beanstandeten Bestimmungen pochen. Gleichzeitig will ihn die FPÖ dazu anhalten, verfassungskonforme Vorschläge für die vom VfGH aufgehobenen Gesetzesteile – betreffend degressive Staffelung der Kinderzuschläge, Arbeitsqualifizierungsbonus und Sozialhilfe-Statistik – vorzulegen.

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sagte, die FPÖ werde diesen Punkt weiter thematisieren, so lange gewisse Bundesländer säumig seien. Schließlich hätten etliche Punkte des Grundsatzgesetzes die VfGH-Prüfung bestanden bzw. seien gar nicht angefochten worden und könnten rasch umgesetzt werden. Durch die fehlende Ausführungsgesetzgebung würden Anspruchsberechtigten auch Leistungen entgehen, was etwa AlleinerzieherInnen treffe.

Sozialminister Anschober betonte, dass sich die Situation für die Länder nach dem VfGH-Urteil geändert habe, es gebe für sie nun auch neue Spielräume. In einigen Wochen wolle er die Umsetzung auch zum Thema einer informellen Konferenz der SozialreferentInnen machen. Wichtig sei es jedenfalls, Regelungen zu finden, die auch halten. Der Antrag wurde von ÖVP und Grünen vertagt.

FPÖ drängt weiter auf Erhaltung des Reha-Zentrums Weißer Hof

Erneut im Ausschuss behandelt wurde ein Entschließungsantrag, mit dem sich die FPÖ Plänen entgegenstellt, das von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) betriebene Reha-Zentrum "Weißer Hof" nur noch bis 2026 in Klosterneuburg zu betreiben und den Standort dann ins Unfallkrankenhaus Wien-Meidling zu übersiedeln (268/A(E)). FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch vermutete hinter den Plänen eine geplante Erschließung des Areals für den Wohnbau. Der "Weiße Hof" sei eine bewährte Rehabilitationseinrichtung und müsse erhalten bleiben, forderte er mit Nachdruck.

Abgeordneter Markus Koza (Grüne) wies darauf hin, dass es zur Frage der Nutzung des Areals bereits eine Petition gebe, zudem solle eine Stellungnahme der AUVA eingeholt werden. Er sehe die Dringlichkeit der FPÖ-Forderung nicht und beantragte die Vertagung. Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ) meinte, die Verlagerung der Rehabilitation in die Nähe des Unfallkrankenhauses sei sinnvoll, seitens der AUVA gebe es zudem einen Beschluss, dass auch nach 2026 auf dem Gelände in Klosterneuburg eine Gesundheitseinrichtung angesiedelt sein soll. Die Umsetzung dieser Zusage müsse man selbstverständlich im Auge behalten. Der Antrag wurde erneut vertagt, wobei neben ÖVP und Grünen auch die SPÖ der Vertagung zustimmte.

Schlechtwetterentschädigung für BauarbeiterInnen: SPÖ will Finanzierungslücke schließen

Eine von der SPÖ beantragte Novelle zum Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz zielt darauf ab, eine drohende Finanzierungslücke bei der Schlechtwetterentschädigung zu schließen (137/A). Demnach sollen auch im kommenden Jahr – wie bereits in den Jahren 2017, 2018 und 2019 – 5 Mio. € aus Mitteln der Arbeitsmarktpolitik zur Abdeckung eines allfälligen Negativsaldos bereitgestellt werden. Für heuer hätten sich die Sozialpartner auf eine Fortschreibung des Bundeszuschusses geeinigt. In der vorhergehenden Sitzung sei seitens der ÖVP mitgeteilt worden, dass die Frage des Bundeszuschusses nach 2020 im Budgetbegleitgesetz gelöst werden solle, erinnerte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. Er habe daher erwartet, dass weiterhin zumindest 5 Mio. € zur Verfügung gestellt werden. Nun gebe es Hinweise darauf, dass an eine wesentliche Kürzung gedacht werde, weshalb die SPÖ erneut auf eine entsprechende Abdeckung des zu erwartenden Fehlbetrags dränge.

Markus Koza (Grüne) erklärte, dass die Koalition sich um eine Lösung bemühe, diese werde in das Budgetbegleitgesetz einfließen, wie bereits zugesagt wurde. Daher halte er eine erneute Vertagung des Antrags für gerechtfertigt. Sein Vertagungsantrag wurde mit den Stimmen von ÖVP und Grünen beschlossen. (Schluss) sue/sox