Parlamentskorrespondenz Nr. 422 vom 05.05.2020

Gewessler: Ausweg aus Corona-Krise als Chance für klimafreundliche Wirtschaft nutzen

Umweltausschuss debattiert über EU-Vorhaben bei Klimaschutz und Mobilität

Wien (PK) – Der Umweltausschuss befasste sich heute mit der EU-Jahresvorschau für 2020 des Umweltministeriums, die neben dem Klimaschutz unter anderem den Bereich Mobilität umfasst. Im Zentrum der Debatte standen der Green Deal der Europäischen Kommission sowie vor dem Hintergrund der Corona-Krise der Umgang mit den Austrian Airlines und die Rolle des Klimaschutzes. Angesichts der hohen Kosten für die wirtschaftlichen Folgen der Eindämmung von COVID-19, hinterfragten die Abgeordneten unter anderem, ob der politische Fokus auf den Klimawandel noch gegeben sei und sein werde. Umweltministerin Leonore Gewessler unterstrich, dass die gegenwärtige Krise zwar die Bemühungen im Klimaschutz erschwere, sie zeigte sich aber auch zuversichtlich, dass der Weg aus der Corona-Krise auch wirtschaftliche Chancen in sich berge. Der Bericht wurde schließlich enderledigt.

Weiters behandelte der Umweltausschuss zwei Gesetzesinitiativen der Regierung. Die vorgeschlagenen Änderungen im Biozidproduktegesetz enthalten vor allem Maßnahmen zur Risikominimierung bei der gegenseitigen Anerkennung von Biozidprodukten. Ein Strahlenschutzgesetz 2020 wiederum setzt eine entsprechende EU-Richtlinie um und bringt unter anderem Verpflichtungen zum Strahlenschutz bei Arbeitsplätzen in Erd- oder Kellergeschoßen. Beide Regierungsvorlagen fanden im Umweltausschuss die notwendigen Mehrheiten.

Green Deal: Gewessler will ambitionierte Klimapolitik trotz Corona-Krise

Einen Fokus der EU-Jahresvorschau 2020 des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie bildet der Green Deal der Europäischen Kommission. Dieser hat es zum Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, unterstrich Umweltministerin Leonore Gewessler vor dem Umweltausschuss. Sie zeigte zwar Verständnis, dass es aufgrund der Corona-Krise zu Verzögerungen bei der Umsetzung komme, es aber dennoch gelten müsse, langfristige und ambitionierte Umweltpolitik zu betreiben. Die derzeitige Krise könne auch als Chance gesehen werden, um die Wirtschaft klimafreundlich wieder aufzubauen, indem unter anderem Wertschöpfungsketten wieder nach Europa gebracht werden, sagte sie in Richtung Walter Rauchs (FPÖ), der eine Überarbeitung des Green Deals angesichts der Corona-Krise für notwendig hält. Vor diesem Hintergrund von Julia Herr (SPÖ) und Michael Bernhard (NEOS) auf die finanziellen Mittel für den Klimaschutz angesprochen, bekräftigte die Ministerin das Vorhaben, die Mittel Österreichs Green Climate Fund in der derzeitigen Legislaturperiode substanziell erhöhen zu wollen. Dies werde auch schon im Budget 2020 Berücksichtigung finden. Außerdem müsse es gelten, den Recovery-Fund der EU entsprechend auszugestalten, damit die Mittel für den Green Deal nicht nur umgeschichtet werden, sondern auch zusätzliches Geld für den Klimaschutz zur Verfügung gestellt werden kann.

Bezüglich weiterer Schritte bei der Umsetzung des Green Deals verwies sie auf den kroatischen EU-Ratsvorsitz. Die EU werde im September eine Folgenabschätzung durchführen, die Grundlage für das Festlegen der Klimaziele sein soll. Letztere sollen bis zum Ende des Jahres an die Vereinten Nationen übermittelt werden. Von der EU erwartet die Umweltministerin im Laufe des Jahres zudem weitere Vorschläge, wie zum Beispiel im Bereich der Kreislaufwirtschaft, der Biodiversität und der EU-Chemikalienverodnung. Auch werde man sich dem Thema Emissionsgrenzwerte bei der Luftqualität widmen, sagte die Ministerin auf Anfrage von Astrid Rössler (Grüne). Vor allem die bestehenden Feinstaubgrenzwerte seien herabzusetzen, da diese noch über den Empfehlungen der WHO liegen. Die Niederlande seien hier ein verlässlicher Partner. Dem Anliegen Yannick Shettys (NEOS), wonach in der europäischen Klimapolitik die Verantwortung gegenüber der jungen und der künftigen Generationen mehr Raum gegeben werden soll, konnte Gewessler einiges abgewinnen. Es müsse gelten, dass die gefundenen Lösungen generationengerecht verteilt werden.

Man könne auf EU-Ebene den Mitgliedstaaten nicht vorschreiben, welche Energieträger sie nutzen, Atomkraft sei aber entschieden abzulehnen, unterstrich Gewessler auf Fragen von Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) und Martin Litschauer (Grüne). Sie trete aber mit den zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Bau neuer Reaktoren in Mochovce sowie Atommüllendlager in Grenznähe ein. Der Ausbau des AKWs Krško sei in Slowenien selbst sehr umstritten.

Von Andreas Kollross (SPÖ) auf die Vorhaben im Bereich der Plastikabfälle angesprochen, sagte die Ministerin, dass es auf EU-Ebene entsprechende Initiativen im Rahmen des Kreislaufwirtschaftspaketes, aber auch bei der Wiederverwertbarkeit und dem Produktdesign gebe. Ein Beitritt zum Europäischen Plastikpakt verschiedener EU-Mitgliedstaaten werde überlegt.

Staatssekretär Magnus Brunner will sich bei den Austrian Airlines alle Optionen offen halten

Große Herausforderungen sieht Umweltministerin Leonore Gewessler auch beim Verkehr, bei dem sie auf europäischer Ebene derzeit den Fokus auf der Bewältigung der Folgen der Corona-Krise beim Güter- und Personenverkehr ortet. Anstrengungen zur Bewältigung einer Krise dürften aber nicht gegen die Bemühungen zur Bekämpfung einer anderen Krise ausgespielt werden. Verbesserungsbedarf sieht Gewessler vor allem bei der Kabotage (Beförderung durch ausländische Transportunternehmen), der Wegekostenrichtlinie sowie bei Arbeits- und Sozialbedingungen von KraftfahrerInnen, sagte sie in Richtung Alois Stöger (SPÖ) und Hermann Weratschnig (Grüne).

Als wichtigen Anteil der Reduktion von CO2-Emissionen im Flugverkehr sieht Staatssekretär Magnus Brunner das Finden nachhaltiger Kraftstoffe. Eine diesbezügliche Initiative der EU wurde erst vor Kurzem vom vierten Quartal 2020 auf das erste Quartal 2021 verschoben. Einer verpflichtenden Beimischung von Kraftstoffen aus nachhaltigen Rohstoffen fehle es derzeit an den notwendigen Voraussetzungen hinsichtlich regulatorischer Maßnahmen und Produktionskapazitäten, unterstrich er auf entsprechende Fragen von Joachim Schnabel (ÖVP) und Cornelia Ecker (SPÖ). Diese müssten parallel entwickelt werden, könnten seiner Ansicht nach aber Mitte des Jahrzehnts einsetzbar sein.

Zum Umgang mit den Austrian Airlines (AUA) angesichts der Corona-Krise, unterstrich Brunner, dass man sich alle Optionen offenhalten müsse. Selbst eine Insolvenz könne nicht ausgeschlossen werden und das Credo "Koste es was es wolle" dürfe hier nicht gelten, er betonte aber auch die wichtige Rolle der Fluglinie für den Wirtschaftsstandort. Der Staatssekretär wurde zu diesem Thema von den Abgeordneten Alois Stöger (SPÖ), Gerhard Deimek (FPÖ), Hermann Weratschnig (Grüne) und Michael Bernhard (NEOS) angesprochen. Eine Rettung der AUA müsse aber jedenfalls an ökologische sowie sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen gebunden werden. Weiters müsse es in diesem Zusammenhang gelten, die Flotte hinsichtlich Klimafreundlichkeit zu erneuern, den Standort zu garantieren und den Single European Sky auf EU-Ebene voranzutreiben. Für Umweltministerin Gewessler könne hier das Air-France-Paket Frankreichs als Vorbild dienen.

Neufassung des Strahlenschutzgesetzes soll vor Radonkonzentration schützen

Die Übernahme einer EU-Richtlinie betreffend Anpassungen im Strahlenschutz wird von der Regierung zum Anlass für eine Neufassung des Strahlenschutzgesetzes genommen. Wesentlichste inhaltliche Neuerung ist die Verpflichtung, in Gebieten mit erhöhter Radonkonzentration an allen im Erd- oder Kellergeschoß gelegenen Arbeitsplätzen Ermittlungen der Radonkonzentration und erforderlichenfalls Maßnahmen zu deren Verringerung durchzuführen. Damit werde ein langfristiger Strahlenschutz für die Gesundheit der Bevölkerung geschaffen, unterstrich Umweltministerin Leonore Gewessler gegenüber dem Umweltausschuss. Sie hob außerdem positiv hervor, dass damit ein erster Schritt zur Bündelung der Zuständigkeiten für kerntechnische Anlagen unternommen wird. Von Julia Herr (SPÖ), Martin Litschauer, Lukas Hammer (beide Grüne) und Yannick Shetty (NEOS) auf die Endlagerung von radioaktivem Material angesprochen, betonte die Ministerin, dass hierzu im Herbst eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden soll, die auch Empfehlungen an die Regierung abgeben können soll. Zudem sei das Zwischenlager in Seibersdorf für den großteils schwach radioaktiven Abfall derzeit noch ausreichend. Shetty vermisst an der Gesetzesänderung eine Berücksichtigung der Empfehlung der Ärztekammer, wonach medizinisches Personal besonders geschützt werden soll, das mit radioaktiven Geräten arbeitet. Herr hinterfragte hingegen die erhöhten Schutzstandards für Schwangere, Stillende und Jugendliche. Ihrer Ansicht nach sollten hohe Standards für alle gelten.

Gegenseitige Anerkennung von Biozidprodukten soll verbessert werden

Durch eine Änderung des Biozidproduktegesetzes sollen für den Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Biozidprodukten transparente Optionen der Risikominimierung eröffnet werden. Ziel ist es sicherzustellen, dass Anträge auf Wirkstoffbewertung und Zulassungen von Biozidprodukten effizient und fachlich kompetent bearbeitet werden können. Die Novelle sieht zudem eine jährliche Valorisierung der Gebühren sowie eine Aktualisierung der Datenschutzbestimmungen vor. Umweltministerin Leonore Gewessler strich an der Anpassung des Gesetzes positiv hervor, dass dadurch eine Rechtsbereinigung sowie Anpassungen an bestehende Bestimmungen und an EU-Vorgaben vorgenommen werden. Von Robert Laimer (SPÖ) auf den aktuellen Stand des Glyphosatverbots angesprochen, verwies die Ministerin auf eine ausständige Notifizierung durch das Parlament. (Fortsetzung Umweltausschuss) see