Parlamentskorrespondenz Nr. 551 vom 29.05.2020

Gewessler: Biodiversitätsschutz zweitgrößte Herausforderung in Umweltpolitik

Nationalrat spricht sich für Schutz der Artenvielfalt aus und beschließt Biozidprodukte- sowie Strahlenschutzgesetz

Wien (PK) – Die Biodiversitätskrise ist nach der Klimakrise die zweitgrößte Herausforderung in der Umweltpolitik, unterstich Umweltministerin Leonore Gewessler in der heutigen Nationalratssitzung. Mit verschiedenen Entschließungsanträgen an die Bundesregierung setzen sich die Abgeordneten für den Erhalt der Artenvielfalt in Österreich ein. Konkret fordert der Nationalrat, die Finanzierung eines Biodiversitätsfonds zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie sicherzustellen. Mit einer weiteren Entschließung wird ein Notfallplan gegen das Artensterben in österreichischen Gewässern gefordert. Beide Anträge wurden ebenso einstimmig angenommen wie eine in der heutigen Sitzung eingebrachte gemeinsame Forderung aller Fraktionen nach einem Maßnahmenplan gegen das Bienen- und Insektensterben.

Im Reigen der im Nationalrat behandelten Umweltthemen fand auch eine Änderung des Biozidproduktegesetzes einhellige Zustimmung, die auf effiziente Bearbeitung von Anträgen auf Wirkstoffbewertung und Biozidzulassung abzielt. Mehrheitlich angenommen wurde eine Neufassung des Strahlenschutzgesetzes. Demnach sollen unter anderem Arbeitsplätze im Erd- oder Kellergeschoß in Gebieten mit erhöhter Radonkonzentration Ermittlungen der Radonkonzentration unterzogen werden.

Einstimmigkeit für Finanzierung eines Biodiversitätsfonds und für Maßnahmen gegen Artensterben in Gewässern sowie bei Insekten

Drei Entschließungsanträge debattierte der Nationalrat in seiner heutigen Sitzung. Ein von den Regierungsfraktionen eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf die Finanzierung eines Biodiversitätsfonds zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie ab, mit dem Schutzmaßnahmen abseits der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) finanziert werden sollen. In eine ähnliche Richtung stieß auch ein Entschließungsantrag der NEOS, der auf eine Berücksichtigung der Mittel für den Biodiversitätsfonds im diesjährigen Budget abzielt, schließlich aber in der Minderheit blieb. Ein weiterer Entschließungsantrag der NEOS, in dem sie einen Notfallplan gegen das Artensterben in österreichischen Gewässern fordern, wurde im Umweltausschuss zuvor auf Antrag von ÖVP und Grünen unter anderem im Hinblick auf einen breiteren Insektenschutz und den Schutz von Blühflächen abgeändert.

Es sei wichtig, dem Thema Biodiversität angesichts der gefährdeten Artenvielfalt besonderes Augenmerk zu schenken, betonte Astrid Rössler (Grüne). Schließlich leiste sie einen wichtigen Beitrag für die Trinkwasserqualität, zur Qualität der Böden sowie zum Erhalt von Erholungsräumen und damit sei sie auch wichtig für den Tourismus. Gefährdet sieht sie wie auch Michael Bernhard (NEOS) die Artenvielfalt vor allem durch die steigende Flächenversiegelung. Für Bernhard braucht es vor allem im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit konkrete Maßnahmen, wie ein Überdenken der Notwendigkeit des Neubaus von Einkaufscentren oder Straßen. Angesichts des Klimawandels gilt es für Johannes Schmuckenschlager (ÖVP), den Schutz kleinerer und regionaler Ökosysteme in den Fokus zu nehmen. Gerade im Kampf gegen invasive Pflanzenarten bildet für ihn der Einsatz von Pflanzenschutzmittel keinen Widerspruch zum Erhalt der Pflanzenvielfalt. Der Biodiversitätsfonds leistet für Schmuckenschlager einen wichtigen Beitrag, um Ökosysteme zu schützen. Dem schlossen sich Andreas Kollross (SPÖ) und Bernhard an, für die die Mittel für den Fonds allerdings schon 2020 hätten budgetiert werden sollen.

Angesichts der Bedrohung vieler Bienen- und Insektenarten brachte Walter Rauch (FPÖ) im Zuge der Debatte rund um die Finanzierung des Diversitätsfonds einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller Fraktionen ein. Darin wird Umweltministerin Leonore Gewessler aufgefordert, einen Maßnahmenplan gegen das Bienen- und Insektensterben umzusetzen. Konkret soll die neue Biodiversitätsstrategie den Bestäuberschutz berücksichtigen, eine Biodiversitätsstudie durchgeführt sowie die Bedeutung von Nisthilfen und Freiflächen für Wildbienen hervorgehoben werden. Diese Maßnahmen sind für Kollross nötig, um das vor allem menschengemachte Artensterben einzudämmen.

Die Bedeutung der Landwirtschaft am Erhalt der Biodiversität strichen Martina Diesner-Wais, Nikolaus Prinz, Nikolaus Berlakovich (alle ÖVP) und Peter Schmiedlechner (FPÖ) hervor. So gebe es bereits gut funktionierende Vorschriften, wie LandwirtInnen agrarische Kulturlandschaften nützen und schützen können, unterstrich Diesner-Wais. Es gelte, für die richtige Pflege am richtigen Standort zu sensibilisieren und Artenvielfalt mit wirtschaftlichen Augenmaß zu schützen. Ähnlich sieht dies auch ihr ÖVP-Fraktionskollege Nikolaus Prinz, für den LandwirtInnen die Biodiversität mit einem praktischen Wissen über regionale Anforderungen gut schützen können. Gerade mit Maßnahmen im Agrar-Umweltprogramm ÖPUL werde dem Biodiversitätsschutz in der Landwirtschaft Rechnung getragen, sagte Berlakovich. Es sei aber auch wichtig, dass sich die Landwirtschaft im Hinblick auf den Schutz der Artenvielfalt weiterentwickle, unterstrich FPÖ-Abgeordneter Schmiedlechner. Neue Auflagen und Reglementierungen dürfen dabei allerdings nicht zu einer zusätzlichen Belastung für LandwirtInnen werden.

Als zweitgrößte Herausforderung der Umweltpolitik – hinter der Klimakrise – bezeichnete Umweltministerin Leonore Gewessler die Biodiversitätskrise. Sie sei vor dem Hintergrund der Corona-Krise auch ein wichtiger Gesundheitsfaktor, da fast zwei Drittel aller Infektionskrankheiten von Tieren stammen würden. Daher habe der Schutz der Biodiversität nicht nur im Regierungsprogramm einen großen Raum erhalten, sondern stellt mit der EU-Biodiversitätsstrategie einen wichtigen Beitrag am Green Deal der Europäischen Kommission dar. Auch die Entwicklung der Biodiversitätsstrategie in Österreich habe bereits begonnen, unterstrich Gewessler. Es sei zudem wichtig, für die Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt ausreichend Mitteln bereitzustellen, was in den kommenden Budgetverhandlungen auch berücksichtigt werde. Für die Biodiversität spielen laut der Bundesministerin das Programm ÖPUL, aber auch die Naturschutzbudgets der Bundesländer eine wichtige Rolle.

Strahlenschutzgesetz 2020: SPÖ ortet schlechteren Schutz für schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen

Neben der Übernahme einer EU-Richtlinie wird mit der Neufassung des Strahlenschutzgesetzes die Verpflichtung vorgesehen, in Gebieten mit erhöhter Radonkonzentration an allen im Erd- oder Kellergeschoss gelegenen Arbeitsplätzen Ermittlungen der Radonkonzentration und erforderlichenfalls Maßnahmen zur Verringerung dieser Konzentration durchzuführen. Die Fraktionen sahen die Neufassung grundsätzlich positiv. So unterstrich etwa Gerhard Deimek (FPÖ), dass dadurch Verbesserungen zum Gesundheitsschutz betroffener Personen und insbesondere ArbeitnehmerInnen umgesetzt werden. Für Martin Litschauer (Grüne) bildet das Strahlenschutzgesetz eine wichtige Grundlage zur Reduktion der Radonbelastung, die nach dem Rauchen der häufigste Grund für Lungenkrebs sei. Yannick Shetty (NEOS) sprach von einer sinnvollen Novelle, die angesichts eines drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens auch notwendig sei. Dem schloss sich auch Franz Hörl (ÖVP) an, der die Anpassung der Belastungsgrenzwerte an EU-Standards hervorhob. Er wies aber auch daraufhin, dass mit dem Gesetz mitunter hohe Kosten unter anderem für Betriebe oder Schulen für bauliche Maßnahmen entstehen könnten.

Kritik übten Deimek, Shetty und Robert Laimer (SPÖ) unter anderem an der fehlenden Berücksichtigung einer Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Laimer kritisierte zudem, dass dem Schutzbedürfnis von Schwangeren und Stillenden nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Vielmehr ortet er eine Senkung der Schutzstandards. Mit einem Abänderungsantrag urgierte er, dass für schwangere Arbeitskräfte die Tätigkeit in Überwachungs- und Kontrollbereichen nur erlaubt wird, wenn diese es ausdrücklich wünschen und dieser Wunsch von den ArbeitgeberInnen dokumentiert wird. Der Antrag blieb schließlich in der Minderheit. Grün-Mandatar Litschauer merkte zu dem Antrag an, dass der Schutz von Schwangeren und Stillenden einer genaueren Überprüfung bedarf, stand in diesem Zusammenhang aber einer Weiterentwicklung des Gesetzes offen gegenüber.

Zu einer Senkung des Schutzniveaus für schwangere und stillende Arbeitnehmerinnen im neuen Strahlenschutzgesetz komme es nicht, unterstrich Umweltministerin Leonore Gewessler. Bei der Erstellung des Gesetzes habe man ArbeitnehmerInnen mehr Flexibilität eingeräumt, aber das Schutzziel gleich belassen und sei dabei von konservativen Annahmen ausgegangen. Gewessler betonte, dass mit der Neufassung des Strahlenschutzgesetzes ein langfristiger Schutz vor ionisierender Strahlung geschaffen werde. Weiters hob sie die in das Umweltministerium übertragenen Zuständigkeiten für das Forschungszentrum Seibersdorf und bei radiologischen Notfällen positiv hervor, wodurch ein erster Schritt gemacht werde, die versprenkelten Zuständigkeiten zu bündeln. Zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen werde derzeit eine Arbeitsgruppe vorbereitet.

Biozidproduktegesetz soll Schutz von AnwenderInnen und Umwelt verbessern

Durch eine einstimmig angenommene Änderung des Biozidproduktegesetzes sollen für den Bereich der gegenseitigen Anerkennung von Biozidprodukten transparente Optionen der Risikominderung eröffnet werden. Ziel ist es, dass Anträge auf Wirkstoffbewertung und Zulassungen von Biozidprodukten effizient und fachlich kompetent bearbeitet werden können. Martin Litschauer (Grüne) strich positiv hervor, dass das Gesetz Maßnahmen zum Schutz von AnwenderInnen und Umwelt vorsieht und ein Fachkundeausweis umgesetzt wird. Dem schloss sich Walter Rauch (FPÖ) an. Die Ausbildung fachkundiger Personen sei wichtig, um Umwelt und Menschen zu schützen. Angesichts eines oftmals notwendigen Einsatzes von Bioziden ist es für Friedrich Ofenauer (ÖVP) von Bedeutung, Menschen über den maßvollen Einsatz der Mittel zu informieren und vor allem im Privatbereich chemiefreie Möglichkeiten der Schädlingsbekämpfung aufzuzeigen. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Chemikalien, erinnerte Julia Herr (SPÖ) an ein Verbot des Pflanzenschutzmittels Glyphosat, das ihrer Ansicht nach dringend umgesetzt werden müsse.

Mit dem Biozidproduktegesetz werde österreichisches Recht an EU-Recht angepasst, unterstrich Umweltministerin Leonore Gewessler. Mit dem Gesetz gehe aber auch eine Rechtsbereinigung und eine Anpassung an den Datenschutz einher. Die Ministerin hob besonders hervor, dass nun spezifische Zulassungsverfahren für Biozidprodukte festgelegt werden, wodurch die Qualität und das Tempo der Verfahren gesichert werden können. Schließlich gehe es darum, in Zulassungsverfahren Vorsorge und Sorgfalt walten zu lassen. (Fortsetzung Nationalrat) see

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.