Parlamentskorrespondenz Nr. 323 vom 17.03.2021

Breite Mehrheit im Sozialausschuss für neues Landarbeitsgesetz

Bestimmungen werden bundesweit harmonisiert, 12. Arbeitsstunde kann künftig abgelehnt werden

Wien (PK) – Im Jahr 2019 hat das Parlament eine Verfassungsnovelle zur Bereinigung von Kompetenzen beschlossen. Damit ist seit Anfang 2020 nur noch der Bund für die Festlegung arbeitsrechtlicher Bestimmungen in der Land- und Forstwirtschaft zuständig und muss sich die entsprechende Gesetzgebungskompetenz nicht mehr mit den Ländern teilen. Nun hat die Regierung einen 189 Seiten starken Entwurf für ein neues Landarbeitsgesetz 2021 vorgelegt, der heute unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags vom Sozialausschuss des Nationalrats mit breiter Mehrheit gebilligt wurde. Das Gesetz soll ab 1. Juli die derzeit noch geltenden Landarbeitsordnungen der Länder ersetzen und eine bundesweite Harmonisierung der einschlägigen Bestimmungen bewirken. Der Beschluss fiel mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS, die SPÖ sieht einige Mängel im Gesetz.

Ebenfalls den Sozialausschuss passiert, und zwar gegen die Stimmen der NEOS, hat eine auf eine Sozialpartnervereinbarung beruhende Novelle zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), die unter anderem eine Neuberechnung des Überbrückungsgeldes für BauarbeiterInnen und verschiedene Maßnahmen zur Verhinderung von Lohndumping und Sozialbetrug am Bau bringt. Diverse Anträge der Opposition wurden hingegen vertagt bzw. abgelehnt. Zur Diskussion standen dabei unter anderem die von der SPÖ vorgeschlagene "Aktion 40.000" für langzeitarbeitslose Menschen, weitere Zugangsbeschränkungen zum österreichischen Arbeitsmarkt, der schrittweise Ausstieg aus der Kurzarbeit, die Forderung nach mehr Einkommenstransparenz zur Forcierung der Gleichstellung von Frauen und Männern, der umstrittene AMS-Algorithmus und eine künftige Befristung der Notstandshilfe.

Neues Landarbeitsgesetz ermöglicht Arbeitgeberzusammenschlüsse zur gemeinsamen Beschäftigung von MitarbeiterInnen

Das Landarbeitsgesetz (687 d.B.) enthält unter anderem Bestimmungen über den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverträgen, zulässige Arbeitszeiten, Urlaubs- und Entgeltansprüche, die Einrichtung von Betriebsräten, Maßnahmen zum Arbeitnehmerschutz, Leiharbeit, die Gleichbehandlung von Frauen, den Datenschutz und den Strafrahmen bei Gesetzesverstößen, wobei die schon bisher bundesweit geltenden Regelungen im Wesentlichen unverändert bleiben.

So hat man etwa die erst 2018 eingeführten neuen Arbeitszeitregeln – einschließlich der Karfreitagsregelung aus 2019 – weitgehend übernommen, wobei die Wochenendruhe analog zum Arbeitsruhegesetz auf 36 Stunden verlängert wird und spätestens am Samstag um 18.00 Uhr beginnen soll. Überstunden in Zeiten von Arbeitsspitzen können vom Arbeitnehmer bzw. von der Arbeitnehmerin dann sanktionslos abgelehnt werden, wenn sie am Tag 11 Stunden bzw. in der Woche 52 Stunden überschreiten. Die zusätzlichen ein oder zwei Feiertage, die es in manchen Bundesländern gibt, bleiben dort jeweils erhalten.

Dort, wo sich die Landarbeitsordnungen voneinander unterschieden haben, habe man eine sinnvolle und für alle Länder unproblematische Lösung gesucht, heißt es in den Erläuterungen. Das betrifft etwa diverse Arbeitnehmerschutzbestimmungen und die Auflistung der verbotenen Arbeiten während einer Schwangerschaft. Manche Details werden auch per Ausführungsverordnung geregelt.

Gänzlich neu geschaffen mit dem Gesetz wird das Instrument des "Arbeitgeberzusammenschlusses". Damit will die Regierung insbesonders kleinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit eröffnen, ArbeitnehmerInnen gemeinsam zu beschäftigen, wobei der Einsatz der Arbeitskräfte auf einen Bezirk bzw. die angrenzenden Nachbarbezirke beschränkt ist. Auch ein umfassendes Gleichbehandlungsgebot mit den Stammarbeitskräften und die Bezahlung nach dem jeweils günstigsten Kollektivvertrag gehören zu den Auflagen (siehe dazu auch Parlamentskorrespondenz Nr. 258/2021).

Mittels eines Abänderungsantrags wurden überdies Homeoffice-Regelungen in das Gesetz eingebaut, die sich an den allgemeinen Homeoffice-Regelungen orientieren. Dabei geht es etwa um die Definition von Homeoffice, die Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber und die Möglichkeit freiwilliger Betriebsvereinbarungen. Zudem wird die jüngste Novelle zum Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz nachvollzogen.

Die Vollziehung des Landarbeitsgesetzes wird weiterhin den schon jetzt zuständigen Landesbehörden obliegen. Einzelne Aufgaben wandern aber von den Einigungskommissionen zu den Arbeits- und Sozialgerichten.

SPÖ sieht einige Mängel im Gesetz

Die bundesweite Harmonisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wurde grundsätzlich auch von der SPÖ begrüßt. Nach Meinung von Abgeordnetem Alois Stöger hat das Gesetz aber einige Mängel, zumal es vom ursprünglichen Ministerialentwurf abweiche. So hält er es etwa in Zusammenhang mit den neuen Arbeitgeberzusammenschlüssen für verfassungsrechtlich bedenklich, in einem bestimmten Bereich ein gesetzliches Verbot für den Abschluss von Kollektivverträgen festzulegen, auch wenn die Intention der Bestimmung eine andere sei. Er befürchtet ein Präjudiz für andere Fälle.

Die SPÖ werde zudem einem 12-Stunden-Tag nie zustimmen, sagte Stöger. Auch dass ErntehelferInnen de facto kein Weihnachts- und Urlaubsgeld mehr ausbezahlt wird und dass LandwirtInnen nicht verpflichtet sind, den ArbeiterInnen am Feld Wasser zur Verfügung zu stellen, ist für ihn ein Manko. Ebenso ist für ihn nicht einsichtig, dass etliche Rechtsmaterien, angefangen von der Elternkarenz über die Arbeitskräfteüberlassung bis hin zu Gleichbehandlungsregeln, "gedoppelt" sind. Einfacher wäre es gewesen, das allgemeine Arbeitsvertragsrecht auch für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft anwendbar zu machen, mit vielleicht ein paar Sonderregelungen in Bezug auf die Arbeitszeit und den Mutterschutz.

Auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker wertete den Umstand, dass gesetzliche Bestimmungen dupliziert werden, als Schönheitsfehler des Gesetzes und drängte auf ein einheitliches Arbeitnehmerrecht für alle. Insgesamt hält er die bundesweite Harmonisierung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen für Land- und ForstarbeiterInnen aber für einen Fortschritt. Auch sei es eine Wohltat, dass man ein Gesetz endlich einmal tatsächlich lesen könne, meinte er. Zustimmung erhielt das Gesetz auch von der FPÖ, wiewohl Dagmar Belakowitsch einige antiquiert anmutende Formulierungen im Zusammenhang mit den allgemeinen Pflichten von ArbeitnehmerInnen hinterfragte.

Grüne orten "Meilenstein"

Namens der Koalitionsparteien nannte Olga Voglauer (Grüne) die bundesweite Regelung einen "Meilenstein". Sie erwartet sich davon eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nicht nur für ErntehelferInnen, sondern auch für Stammbeschäftigte, wiewohl das vor allem von den Kontrollen abhängen werde. Diese würden zu selten stattfinden, meinte sie. Als besondere Errungenschaft sieht es Voglauer, dass es künftig möglich sein wird, die 12. Arbeitsstunde abzulehnen, zudem bringe der Entwurf eine klare Definition des Begriffs der Arbeitsspitze.

Voglauers Fraktionskollege Markus Koza räumte ein, dass die Kollektivvertrags-Bestimmungen für Arbeitgeberzusammenschlüsse so interpretiert werden könnten, dass Kollektivvertragsabschlüsse für diesen Bereich verboten seien. Er hofft in diesem Sinn, dass es hierzu noch Sozialpartner-Gespräche geben wird, um eine Umformulierung zu erwirken. Das sei jedenfalls nicht die Intention der Bestimmung, vielmehr gehe es darum, den für die Beschäftigten günstigsten Kollektivvertrag anzuwenden.

Kocher: Legistisch großer Schritt

Von einem "legistisch großen Schritt" sprach Arbeitsminister Martin Kocher. Die Zusammenführung der Landesgesetze und -verordnungen bringe für gut 30.000 LandarbeiterInnen einen Fortschritt. Ein gemeinsames Arbeitsrecht für alle Beschäftigten wertete Kocher grundsätzlich als sinnvoll, diese Diskussion müsse aber unabhängig vom heutigen Beschluss gesehen werden. Laut ÖVP-Klubobmann August Wöginger werden mit dem vorliegenden Gesetz nicht nur die gesetzlichen Bestimmungen harmonisiert, sondern auch 100 Verordnungen durch 20 ersetzt.

Arbeitsbedingungen von ErntehelferInnen: SPÖ-Initiative wird in Begutachtung geschickt

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurde ein Entschließungsantrag der SPÖ (773/A(E)), der auf Initiative der Koalitionsparteien einer Begutachtung unterzogen wird. Die SPÖ hat bekannt gewordene Arbeits- und Wohnbedingungen von ErntehelferInnen zum Anlass genommen, um die Ratifizierung eines internationalen Abkommens betreffend den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft (ILO-Übereinkommen 184) und einer zugehörigen Empfehlung durch Österreich einzumahnen. Dabei geht es etwa um geeignete Schutzbestimmungen für Beschäftigte in der Landwirtschaft, angemessene Budgetmittel für Kontrollen und die Gleichbehandlung von Zeit- und Saisonarbeitskräften.

Nun wird auf Basis eines einstimmigen Beschlusses des Ausschusses eine Reihe von Stellen eingeladen, bis Ende Mai Stellungnahmen zum Entschließungsantrag abzugeben. Dazu gehören etwa die Landarbeiter- und Landwirtschaftskammern, weitere Sozialpartnervertreter, wissenschaftliche Institute mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht oder öffentliches Recht, die involvierten Ministerien und die Länder. Auch die ILO selbst soll angeschrieben werden.

Nach Meinung von Alois Stöger (SPÖ) ist mit der Kompetenzverschiebung im Bereich Landarbeiterrecht jedenfalls ein wesentliches Hindernis für die Ratifizierung des Übereinkommens weggefallen. Zudem hält er es für geboten, auch auf die Arbeitsbedingungen von selbständigen LandwirtInnen ein Auge zu werfen. Die Beratungen über den Antrag wurden zur Durchführung der Begutachtung vertagt. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs