Parlamentskorrespondenz Nr. 480 vom 22.04.2021

Nationalrat beschließt umfassende Reform des Exekutionsrechts

Rechtshilfe in Strafsachen mit Ausdehnung auf Gibraltar

Wien (PK) – Ein umfassendes Reformpaket des Exekutionsrechts, das heute im Nationalrat beschlossen wurde, beinhaltet unter anderem eine Zusammenfassung von Exekutionsmitteln als "Exekutionspaket", aber auch eine Bündelung aller Verfahren zur Hereinbringung von Geldforderungen beim allgemeinen Gerichtsstand des Verpflichteten.

Darüber hinaus werden im Sinne einer rascheren Entschuldung Schnittstellen zum Insolvenzrecht geschaffen. Außerdem soll die Möglichkeit einer eingeschränkten Vertretungsbefugnis von Opferschutzeinrichtungen - wie etwa Gewaltschutzzentren – gesetzlich verankert werden. Kritik gab es seitens der SPÖ und der NEOS an einer Änderung zu den entsprechenden Gerichtsgebühren. Letztlich sprachen sich die Abgeordneten in Dritter Lesung aber einstimmig für die Novelle aus.

Einhellig stimmten die Abgeordneten darüber hinaus einer Ausdehnung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar zu.

Reform des Exekutionsrechts

Konkret soll mit dem Reformpaket, das Änderungen von zahlreichen Gesetzesmaterien mit sich bringt, etwa bereits im Exekutionsverfahren die Feststellung erleichtert werden, ob der Verpflichtete offenkundig insolvent ist, um so rascher zu einem Insolvenzverfahren und zu einem Kostenstopp zu kommen. Es gehe darum, für SchuldnerInnen nachhaltige Entschuldung zu erleichtern und zu verhindern, dass ein noch höherer Schuldenberg angehäuft werden kann, wie Justizministerin Alma Zadić erläuterte. Umgekehrt soll aber auch GläubigerInnen ermöglicht werden, Schulden leichter einzutreiben. Hier werde die Rechtsdurchsetzung erleichtert, einerseits durch Vermögensverwalter, andererseits durch Verminderung mehrfacher Anträge und Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren. Der Reformbedarf habe sich aus einer Evaluierung ergeben, weil das Exekutionsrecht als veraltet und bürokratisch gegolten habe, so Justizministerin Zadić.

Was die Gebührenfrage betreffe, würden diese hier um etwa 5% erhöht, so Zadić. Dadurch, dass die Masse an Anträgen wegfalle, werde insgesamt diese Gerichtsgebühr wesentlich geringer bleiben als die geringfügige Erhöhung.

Zum Thema Gewaltschutz und häusliche Gewalt sollen Bestimmungen zur einstweiligen Verfügung, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie von der Justizministerin erlassen wurden und sich den Erläuterungen zufolge in der Praxis bewährt haben, in den "Regelbetrieb" übergeführt werden, was Zadić als wichtigen Punkt hervorstrich. So soll die Möglichkeit einer eingeschränkten Vertretungsbefugnis von Opferschutzeinrichtungen wie Gewaltschutzzentren vorgesehen werden, damit diese den Antrag auf einstweilige Verfügung sowie weitere Schriftsätze im Verfahren erster Instanz für die Betroffenen einbringen können.

Was die genannten Gerichtsgebühren betrifft, bezeichnete es Ruth Becher (SPÖ) als "skandalös", dass diese erhöht werden und sprach sich seitens der SPÖ dagegen aus. Die Gebühren seien insgesamt zu hoch, was auch eine Erschwernis beim Rechtszugang darstelle. Außerdem kritisierte sie, die Regierung mache es GläubigerInnen leicht, Geld einzutreiben, tue aber nichts, um Menschen vor Verschuldung zu bewahren.

Christian Ragger (FPÖ) kann die Argumentation von Becher gegen die Gebührenerhöhung nicht nachvollziehen, merkte aber an, dass immer mehr eine schleichende Übertragung der Kosten auf AnwältInnen stattfinde, er sich hier aber eine Entlastung erhoffe. Insgesamt sei das Reformpaket ein gut gelungenes.

Christian Stocker (ÖVP) betonte gegenüber Becher, das Paket stelle kein Schuldnerschutzprogramm dar, wobei natürlich auch solche Elemente enthalten seien. Grundsätzlich gehe es aber darum, dass GläubigerInnen Forderungen auch tatsächlich erhalten. Wie das Spannungsverhältnis zum Insolvenzrecht aufgelöst wird, werde die Praxis zeigen.

Dass die Reform als gelungen bezeichnet werden könne, hat aus Sicht von Johannes Margreiter (NEOS) auch damit zu tun, dass Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren eingeflossen seien. Das Paket könne sich sehen lassen, da die Materie auch im Interesse der GläubigerInnen praxisgerechter werde. Dass die Änderungen zum Anlass genommen werden, die entsprechenden Gebühren zu erhöhen, sieht er ähnlich kritisch wie die SPÖ. Gebühren unterliegen dem Kostendeckungsprinzip, so Margreiter. Er spreche sich dagegen aus, nur weil sich der Anfall verringere, die Gebühren zu erhöhen.

Den Opferschutz als speziellen Punkt griff Ulrike Fischer (Grüne) auf. Hier würden unbürokratische Möglichkeiten für Opferschutzeinrichtungen geschaffen, dass sie einstweilige Verfügungen für die Betroffenen erwirken können.

Ausdehnung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar

Eine von der Regierung vorgelegte Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland betreffend die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar wurde einstimmig genehmigt. Gibraltar stelle ein anderes als die im Übereinkommen erwähnten Gebiete dar, weshalb die Vereinbarung der Genehmigung des Nationalrats bedarf, ist den Erläuterungen zu entnehmen. Da die Durchführung eines parlamentarischen Genehmigungsverfahrens bis zum vorgesehenen Datum im Oktober 2019 nicht möglich gewesen sei, habe Österreich zunächst einen rechtswahrenden Einspruch erhoben. Mit der Übermittlung der österreichischen Note zur Vereinbarung werde der rechtswahrende Einspruch gegen die Ausdehnung des Übereinkommens zurückgezogen. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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