Parlamentskorrespondenz Nr. 847 vom 06.07.2021

EU-Unterausschuss thematisiert Zukunftskonferenz und Artikel 7-Verfahren gegen Polen und Ungarn

Abgeordneten beschließen Stellungnahme und Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament

Wien (PK) – Im zweiten Teil des heutigen EU-Unterausschusses stand die im Mai gestartete "Konferenz zur Zukunft Europas" im Mittelpunkt der Debatte. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS wurde eine Stellungnahme an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament beschlossen. Darin fordern die Abgeordneten eine möglichst breite Beteiligung der BürgerInnen. Weiteres Thema der Ausschusssitzung waren die Artikel 7-Verfahren gegen Polen und Ungarn. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS wurde eine Mitteilung an die Europäische Kommission, den Rat und das Europäische Parlament beschlossen. Darin fordern die Abgeordneten rasche Resultate bei den Verfahren, da antidemokratisches Vorgehen mit den Grundwerten der EU nicht vereinbar sei.

Konferenz zur Zukunft Europas

Am Europatag, dem 9. Mai, startete mit der "Konferenz zur Zukunft Europas" (64935/EU XXVII.GP) einer der größten Bürgerbeteiligungsprozesse der europäischen Geschichte. Für den Zeitraum eines Jahres soll die Konferenz dazu genutzt werden, um Lösungen für die internen und externen Herausforderungen zu liefern, mit denen die Europäische Union gegenwärtig konfrontiert ist. Im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern sollen Überlegungen hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der Europäischen Union erfolgen. Alle BürgerInnen sind dazu eingeladen, ihre Ideen und Anliegen – vor allem auf einer zentralen Plattform – einzubringen und selbst aktiv zu werden. Die Endergebnisse der Zukunftskonferenz sollen im Frühjahr 2022 vorliegen.

Bundesministerin Karoline Edtstadler merkte an, dass die Beteiligung am ersten Plenum der Zukunftskonferenz positiv verlaufen sei. Erste Analysen der Kommission hätten auch ergeben, dass die digitalen Plattformen gut angenommen werden. Österreich sei dabei an sechster Stelle, was die Nutzung der nationalen Webseiten betrifft. Sie habe schon vor der Pandemie gesagt, dass es eine Zukunftskonferenz mit größtmöglicher Beteiligung der BürgerInnen brauche. Es gebe ihrer Ansicht nach eine Reihe von Baustellen und ungelösten Problemen, die von der illegalen Migration, der Digitalsteuer, dem Kampf gegen Antisemitismus und Hass im Netz sowie der Modernisierung des Binnenmarktes reichen.

Die Abgeordneten Reinhold Lopatka (ÖVP) und Michel Reimon (Grüne) brachten einen Antrag auf Stellungnahme ein, der mehrheitlich mit den Stimmen der ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS beschlossen wurde. Darin betonen die Abgeordneten, dass die Zukunftskonferenz nur ein Erfolg werden könne, wenn sich möglichst viele BürgerInnen – vor allem die junge Generation - beteiligen würden. Außerdem sei es wichtig, die Länder des Westbalkans einzubinden. Das österreichische Parlament werde deswegen in Kooperation mit der französischen Nationalversammlung Veranstaltungen unter Einbindung der Westbalkan-Staaten abhalten.

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner (SPÖ), die auch eine der Delegierten Österreichs in der Zukunftskonferenz ist, begrüßte grundsätzlich den Schwerpunkt auf dem Westbalkan. Es sei aber auch wichtig, Kooperationen – über die bereits bestehende mit Frankreich – breiter zu sehen.

Skeptisch gegenüber der Zukunftskonferenz zeigte sich hingegen FPÖ-Abgeordnete Petra Steger. Die FPÖ sei nicht dafür, noch mehr nationale Kompetenzen an die EU abzugeben. Bezüglich der gemeinsamen Außenpolitik trat die Abgeordnete für eine Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips ein. Es sei wichtig, andere Meinungen zu hören und auch ein Veto abgeben zu können. Europa müsse als "Global Player" in der Welt wahr- und ernstgenommen werden, entgegnete Bundesministerin Edtstadler. Dazu sei es notwendig, dass Europa bei anstehenden Fragen schneller zu einer gemeinsamen Position findet.

Ein breitere Einbindung von Menschen in die Zukunftskonferenz forderte Michel Reimon (Grüne). Es gelte, in die Diskussion neue Zielgruppen einzubinden, die nicht ohnedies politisch aktiv sind, wie sozial Benachteiligte. Bundesministerin Edstadler sagte, dass TeilnehmerInnen der Zukunftskonferenz motiviert werden sollten, nicht Beteiligte aus ihrem Umfeld zur Teilnahme anzuspornen. Das laut den Umfragen des Eurobarometers derzeit schlechte Meinungsbild der Bevölkerung in Bezug auf die Europäischen Union thematisierte Nikolaus Scherak (NEOS). Seiner Meinung nach sei ausschlaggebend, dass die nationale Politik die EU allzu oft als Schuldige für Misserfolge und schlechte Entwicklungen heranziehen würde.

Rechtsstaat: Verfahren gegen Polen und Ungarn

Die Europäische Kommission sieht in Polen und Ungarn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit (64050/EU XXVII.GP). Derzeit laufen gegen die beiden Länder Verfahren nach Artikel 7 des Vertrages über die Europäische Union. Polen wird vorgeworfen, dass die dortigen Justizreformen die Rechtsstaatlichkeit gefährdet hätten. In Ungarn wird unter anderem die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen bemängelt. Ebenso seien die Meinungs-, Religions- und Vereinigungsfreiheit sowie Minderheiten- und Gleichbehandlungsrechte ungenügend verankert.

Rechtsstaatlichkeit sei unteilbar und nicht verhandelbar, stellte Edtstadler mit Nachdruck fest; dies habe sowohl sie als auch Kommissionspräsidentin von der Leyen klar zum Ausdruck gebracht. Die Artikel 7-Verfahren, die gegen Polen und Ungarn eingeleitet wurden, seien ihrer Meinung nach aber nicht besonders effizient, da die Anhörungen zum Teil sehr emotional verlaufen und eine Negativspirale auslösen könnten. Besser sei es, auf den Mechanismus der Konditionalität zu setzen, weil damit Tatsachen geschaffen werden.

Martin Engelberg (ÖVP) betonte, dass Rechtsstaatlichkeit und die damit verbundene Rechtssicherheit Voraussetzung für wirtschaftliches Agieren sei. Dem pflichtete Edtstadler bei, mangelnde Rechtsstaatlichkeit würde InvestorInnen abschrecken. Es gelte daher, Rechtsstaatlichkeit im Binnenmarkt Europas sicherzustellen.

In den laufenden Debatten um Polen und Ungarn hätte sich Abgeordnete Selma Yildirim (SPÖ) mehr Nachdruck vonseiten der Regierung gewünscht. Außerdem thematisierte die Abgeordnete den EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht. Dieser würde den Umgang Österreichs mit Regierungsinseraten, die Verteilung an Fördermitteln und das Weisungsrecht der Justizministerin gegenüber StaatsanwältInnen kritisieren. Dies seien ernstzunehmende Kritikpunkte. Bundesministerin Edtstadler entgegnete, dass der Bericht insgesamt positiv für Österreich sei. Hinsichtlich des Weisungsrechts laufen derzeit die Diskussionen. Die Einrichtung eines Bundesstaatsanwalts könnte eine Lösung sein. Bezüglich der Inserate betonte Edtstadler, dass die Verteilung nach objektiven Kriterien wie Auflage und Reichweite erfolgen müsse. Gerade in Pandemiezeiten müssten aber Informationen zur Bevölkerung fließen und diese geschehe am besten in reichweitenstarken Medien.

Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) betonte, dass Europa eine Solidargemeinschaft sei. Wer sich nicht an Regeln halte, müsse mit Sanktionen rechnen. Die Abgeordnete brachte aus diesem Grund gemeinsam mit der ÖVP einen Antrag auf Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat und an die Europäische Kommission ein. Dieser wurde mit den Stimmen der ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS mehrheitlich beschlossen. Laut Antrag seien die Entwicklungen in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich der Schwächung der Unabhängigkeit der Justiz, Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit, Angriffen auf die Medienfreiheit sowie die Zivilgesellschaft und der Missachtung von Grundrechten äußerst besorgniserregend. Die Abgeordneten begrüßen die Einführung neuer Instrumente zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit. Hinsichtlich der laufenden Artikel-7-Verfahren sei es aber "allerhöchste" Zeit, dass der Rat bei der nächsten Anhörung klare Handlungsempfehlungen ausspreche, um die Lage der Rechtsstaatlichkeit zu verbessern. Die Verfahren müssten rasch zu konkreten Resultaten führen und effektiv vermitteln, dass antidemokratisches Vorgehen mit den Grundwerten der EU nicht vereinbar ist. (Schluss EU-Unterausschuss) sue/pst