Parlamentskorrespondenz Nr. 1215 vom 03.11.2021

Gewessler: Weltraumindustrie soll Klimaschutz und Nachhaltigkeit fördern und Services für den Alltag anbieten

Forschungsausschuss debattiert über neue Weltraumstrategie und spricht sich für Vorarbeiten zu EU-Patentgericht aus

Wien (PK) - Weltraumtechnologie gehört zu den Schlüsseltechnologien, die einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs leisten, hielt Bundesministerin Leonore Gewessler im Forschungsausschuss zur aktuellen Weltraumstrategie Österreichs fest. Beiträge zur Nachhaltigkeit sowie der intensive Austausch zwischen dem Weltraum- und dem Nicht-Weltraumsektor sollen zentrale Elemente der österreichischen Weltraumstrategie des nächsten Jahrzehnts sein. Der Bericht zur Weltraumstrategie 2030+ der Bundesregierung wurde vom Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

Einstimmig nahm der Forschungsausschuss auch den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) für 2020 an. Gewessler betonte, der Rat erbringe wichtige Beratungsleistungen für die Bundesregierung im Rahmen der FTI-Strategie.

Der Ausschuss stimmte auch zu, ein Protokoll zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht der Europäischen Union zu ratifizieren. Damit trägt Österreich seinen Teil dazu bei, dass die Vorarbeiten zur Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) beginnen können.

Der Forschungsausschuss befasste sich auch mit den Berichten des BMK zu den Auszahlungen für Forschung aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds von Mai bis August 2021. Die vier Berichte wurden mehrheitlich, ohne die Stimmen der FPÖ, zur Kenntnis genommen.

Weltraumstrategie: Vision für eine nachhaltige Weltraumpolitik

Ein Bericht der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zur österreichische Weltraumstrategie 2030+ (III-389 d.B.) gab dem Ausschuss Gelegenheit, die Chancen zu debattieren, die die Anwendung von Weltraumtechnologie und die Weltraumindustrie für Österreich bieten. Per Videokonferenz war ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher zugeschaltet, um Fragen der Abgeordneten des Ausschusses zu beantworten.

ÖVP-Abgeordneter Weidinger sprach die Strategien Chinas und der USA an. Beide Staaten seien dabei, umfangreich in die Weltraumforschung zu investieren, betonte Generaldirektor Aschbacher. China habe in den letzten Jahren in der Weltraumtechnik qualitativ enorme Fortschritte gemacht. Die USA würden über ihre Space-Force stark in die Verteidigungstechnik investieren. Hier müsse sich die EU im Klaren darüber werden, wie sie sich positionieren wolle.

Auf die von Hermann Weratschnig (Grüne) angesprochene Problematik von Weltraummüll verwies Josef Aschbacher auf die Zuständigkeit der UNO, die nur sehr langsam agiere. Die ESA beschäftige sich intensiv mit der Frage von Weltraummüll. Längerfristig strebe sie an, dass künftig für jeden neu in den Orbit gebrachten Satelliten ein alter Satellit entnommen werden müsse.

SPÖ-Abgeordnete Petra Oberrauner thematisierte die Datennutzung für Services, etwa für schnelles Internet. Bei der Entwicklung sei die EU leider in einem Rückstand von zehn Jahren, bedauerte Aschbacher. Das Beispiel des Navigationssystems GALILEO, das mittlerweile besser sei als GPS, zeige aber, dass Europa auch rasch aufholen könne.

Seitens der NEOS sprach Helmut Brandstätter den Beitrag Österreichs zur ESA an. Dieser sollte zumindest verdoppelt werden. Aschbacher empfahl diese Aufstockung und plädierte dafür, die Investitionen in Weltraumtechnik auszuweiten. Österreich bringe immer wieder innovative Unternehmerpersönlichkeiten im Bereich Weltraumtechnik hervor, die ins Ausland abwanderten, wo sie bessere Rahmenbedingungen vorfinden, merkte er an.

Christian Hafenecker (FPÖ) verwies auf die Mitgliedschaft des österreichischen Parlaments in der Interparlamentarischen Weltraumkonferenz und plädierte dafür, dass Österreich sich für den Vorsitz 2023 bewerben solle. ESA-Generaldirektor Aschbacher begrüßte den Schritt und sagte seine Unterstützung zu.

Die österreichische Weltraumpolitik müsse ein klares Profil in den Bereichen Nachhaltigkeit und Standortsicherung entwickeln, betonte Bundesministerin Gewessler. Die neue Strategie unterscheide sich von den früheren insofern, als sie auf einer umfassenden "Vision für den österreichischen Weltraumsektor 2030+" aufbaue. Demnach soll Österreich im kommenden Jahrzehnt zum Vorreiter in der Nutzung des Weltraums für umfassende Nachhaltigkeit, insbesondere im Klima- und Umweltschutz, im internationalen Maßstab werden. Teil dieser Profilbildung Österreichs im Weltraumsektor sollen etwa Satelliten mit Technologie "Made in Austria" sein. Daten aus dem All sollen die grüne und digitale Transformation der Gesellschaft unterstützen. AkteurInnen aus verschiedenen Disziplinen und Branchen von Wirtschaft, Wissenschaft und des öffentlichen Sektors in Österreich sollen im Rahmen einer umfassenden Weltraumstrategie intensiv zusammenarbeiten. Bis 2030 soll Österreich nach diesen Vorstellungen seinen Standortvorteil als neutraler Hub der internationalen Weltraumpolitik deutlich gestärkt haben und damit zum Treffpunkt des europäischen und internationalen Austausches werden. Österreich solle damit wesentlich zur Konsensbildung über Nachhaltigkeit im Weltraum und in der Weltraumwirtschaft beitragen.

Dazu wurden sechs Ziele formuliert: Nachhaltige Entwicklung auf der Erde und im Weltall, ein wettbewerbsfähiger Weltraumsektor mit hoher Wertschöpfung und nachhaltigen Arbeitsplätzen in Österreich, die Erreichung von wissenschaftlicher Exzellenz in der Erforschung des Weltalls und der Erde, die Nutzung von Weltraumdaten für hochwertige Dienstleistungen, der Ausbau des Angebots an weltraumrelevanter Aus- und Weiterbildung und schließlich ein Weltraumdialog mit der Bevölkerung. Dazu sollen bereits bestehende spezifische Informationsangebote erweitert und neue Formate ins Leben gerufen werden, erklärte Gewessler auf eine Frage der Abgeordneten Kucharowits (SPÖ).

Opposition fordert Teilnahme am "BOOST!"-Programm der ESA

Mit der Weltraumstrategie befasste sich auch ein Antrag der Oppositionsparteien. Die Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS drängen darauf, dass Österreich am Wahlprogramm "C-STS" (Commercial Space Transportation Services and Support Programme) oder auch "BOOST!" der europäischen Weltraumagentur (ESA) teilnimmt (1764/A(E)). Über das "BOOST!"-Programm könne eine Anfangsfinanzierung für Unternehmen im Weltraumbereich gesichert werden, argumentieren die Abgeordneten. Der Antrag wurde erneut vertagt. Bundesministerin Gewessler teilte den Abgeordneten mit, dass Überlegungen zur Ausweitung der Teilnahme an den Pflicht- und Wahlprogrammen der ESA bereits im Gange seien. Demnächst beginne ihr Ressort die Bedarfserhebung bei den österreichischen Unternehmen, die von den Programmen profitieren könnten.

Österreich ist Strong Innovator, das Innovationssystem hat aber weiterhin Schwächen

In seinem Tätigkeitsbericht 2020 (III-424 d.B.) stellt der Rat für Forschung- und Technologieentwicklung (RFTE) fest, dass das österreichische FTI-System im Vergleich mit den führenden Innovationsnationen sowohl über eindeutige Stärken als auch über zentrale Schwächen verfügt. Der (RFTE) begleitet die FTI-Strategie der Bundesregierung mit seinen Monitorings und Empfehlungen. Zum Auftakt seiner Tätigkeit habe der RFTE mit einer umfassenden Stärken-Schwächen-Analyse des österreichischen FTI-Systems eine neue Form des Innovationsmonitorings begonnen, führte der Geschäftsführer des RFTE Ludovit Garzik aus, der dem Ausschuss als Auskunftsperson zur Verfügung stand. Auf Basis einer umfassenden Indikatorenliste habe man analysiert, in welchen Bereichen die Performance des österreichischen FTI-Systems sich besser und in welchen sie sich schlechter darstelle als jene der führenden Innovationsnationen. Zu den bekannten Stärken des FTI-Systems zählten die profunde internationale Vernetzung, die hohe FTI-Unterstützung und die Leistungsfähigkeit der Unternehmen, das allgemein überdurchschnittliche Niveau der F&E-Finanzierung und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts.

Probleme sehe der RFTE weiterhin in Teilen des Bildungssystems, in den Rahmenbedingungen für die Hochschulen und die Forschungsförderung bis hin zum Gründungsgeschehen. Die größte Schwäche im FTI-Kernsystem liege dabei eindeutig im Bereich der innovativen Unternehmensgründungen. Hier müsse der Fokus umso mehr auf die Stärkung des Risikokapitals gelegt werden, etwa durch steuerliche Begünstigungen. Im Bereich der Querschnittsthemen sah Garzik vor allem die Digitalisierung als eines der größten Problemfelder. Digitale Infrastruktur sei oft entscheidend für Unternehmen, wenn sie überlegen, wo sie sich ansiedeln wollen, meinte der RFTE-Geschäftsführer. Hier liege Österreich nicht auf den vorderen Plätzen.

Auf kritische Bemerkungen der Abgeordneten Katharina Kucharowits (SPÖ) und Christian Hafenecker (FPÖ), wonach Österreich nach wie vor nicht zu den Innovation-Leaders aufschließe, merkte Bundesministerin Gewessler an, dass das Ziel, Österreich zu einer der führenden Innovationsnationen zu machen, nicht aus den Augen verloren werde. ÖVP-Abgeordneter Josef Smolle lobte das klare politische Bekenntnis zur Förderung der Grundlagenforschung, ohne die keine angewandte Forschung denkbar sei.

COVID-19-Krisenbewältigungsfonds stellte zusätzliche Mittel für Grundlagenforschung bereit

Das BMK fördert über das Budgetkapitel "Innovation und Technologie (Forschung)" die angewandte Forschung. Dieses wurde 2020 aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds aufgestockt, um Forschung im Kampf gegen das Corona-Virus zu fördern. Laut dem Folgebericht des BMK zur UG Innovation und Technologie (Forschung) gab es im Mai 2021 keine weiteren Zahlungen (III-368 d.B.). Dem Bericht für Juni 2021 (III-390 d.B.) ist zu entnehmen, dass bis 30. Juni 2021 im Rahmen des FFG-COVID-19-Emergency Calls weitere 7,45 Mio. € an die Fördernehmer ausbezahlt wurden. Für den AWS COVID-19 Startup-Hilfsfonds waren mit demselben Datum rund 12 Mio. € an die Fördernehmer geflossen, für Basisprogramme des FFG Klima-Konjunkturpakets 2020 28,65 Mio. €, und im Rahmen des FFG Klima-Konjunkturpakets 2020 "Produktion der Zukunft" 852.285 €.

Laut dem Bericht für Juli 2021 (III-416 d.B.) waren bis 31. Juli 2021 in der Laufzeit des FFG COVID-19 Emergency Calls insgesamt 7,66 Mio. € an die Fördernehmer ausbezahlt worden. In den AWS COVID-19 Startup-Hilfsfonds erfolgte im Juli eine Einzahlung von 23.000 € aus den Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds. Unter Berücksichtigung von Rückzahlungen von 483,88 € waren damit insgesamt 11.911.401,54 € mit den Fördernehmern abgewickelt. Die Förderungen für Basisprogramme des FFG Klima-Konjunkturpakets 2020 summierten sich auf 29,23 Mio. €. Die im Rahmen des FFG Klima-Konjunkturpakets 2020 "Produktion der Zukunft" bis 31. Juli abgewickelten Förderungen lagen unverändert bei 852.285 €. Der Monatsbericht August 2021 (III-446 d.B.) weist aus, dass für den AWS COVID-19 Startup Hilfsfonds Rückzahlungen von 459.478,74 € erfolgten. Mit 31. August 2021 waren insgesamt 11.414.923,00 € mit den Fördernehmern abgerechnet worden.

Ausschussobmann Hafenecker (FPÖ) sah eine Diskrepanz zwischen den Mitteln, die aus dem COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung standen, und den laut den Berichten tatsächlich zur Auszahlung gelangten Mitteln. Bundesministerin Gewessler sagte, dass von Seiten des BMK alle Mittel aus dem COVID-19-Hilfsfonds an die Fördereinrichtungen ausbezahlt worden seien. Da es sich aber teilweise um mehrjährige Projekte handle, seien noch nicht alle Zahlungen bereits mit den Fördernehmern abgerechnet. Wenn es zu Rückzahlungen komme, sei das aus ihrer Sicht Teil einer gewissenhaften Förderabwicklung.

Österreich beteiligt sich an Vorarbeiten zur Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts der EU

Österreich hat als erster EU-Mitgliedstaat dem multilateralen Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) der Europäischen Union zugestimmt. Dem Forschungsausschuss lag ein Protokoll zum EPGÜ zur Ratifizierung vor (1027 d.B.). Damit soll der Teil des Übereinkommens vorläufig in Kraft gesetzt werden, auf dessen Basis die umfangreichen Vorarbeiten zur Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) beginnen können, erläuterte Abgeordnete Corinna Scharzenberger (ÖVP). Die Zustimmung des Ausschusses erfolgte einstimmig.

Die Einführung eines einheitlichen Patentschutzes stellt ein zentrales Element einer umfangreichen Reform des europäischen Patentsystems dar. Mit der Errichtung des Einheitspatents (Patent mit einheitlicher Wirkung) und dem EPG will Brüssel einem langjährigen Wunsch der europäischen Wirtschaft Rechnung tragen und den Zugang zum europäischen Patentsystem einfacher, kostengünstiger und rechtssicherer gestalten, heißt es seitens des BMK. Davon, dass PatentinhaberInnen ihre Patente vor einem einzigen Gericht durchsetzen und verteidigen können, sollen auch Klein- und Mittelbetriebe (KMU) und der Wirtschafts- und Forschungsstandort insgesamt profitieren, sagte Bundesminister Gewessler. (Fortsetzung Forschungsausschuss) sox