Parlamentskorrespondenz Nr. 1425 vom 07.12.2021

Justizausschuss schickt Urheberrechts-Novelle 2021 ins Plenum

Hearing mit Themen Online-Nutzungen, Plattformen und Urhebervertragsrecht

Wien (PK) – Eine Anpassung an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld sowie eine Verbesserung der Lizenzierungspraxis und Gewährleistung eines breiteren Zugangs zu Inhalten hat unter anderem eine aktuelle Urheberrechts-Novelle aus dem Justizressort zum Ziel. Die Abgeordneten schickten nach einem intensiven Hearing mit ExpertInnen im Justizausschuss die Novelle mit den Stimmen von ÖVP und Grünen ins Plenum. Mitbeschlossen haben die Koalitionsparteien einen von ihnen eingebrachten Abänderungsantrag mit redaktionellen Berichtigungen und - in einzelnen Punkten - zu Inkrafttretensbestimmungen für angemessene Vorbereitungszeiten zur Umsetzung. Einem Vertagungsantrag der SPÖ, wonach es für die Materie mehr Zeit brauche, schlossen sich auch die NEOS an. Er blieb damit aber in der Minderheit.

Die vorliegende Reform sei die größte seit Einführung des Urheberrechts 1936 und stelle eine komplexe Herausforderung im Hinblick auf das digitale Zeitalter dar, hob Justizministerin Alma Zadić eingangs hervor. Sie wies unter anderem auf den Ausbau von Ausnahmen und Beschränkungen vom Urheberrechtsschutz, aber auch auf das neue Urhebervertragsrecht und die Plattformhaftung hin.

Urheberrechtliche Verantwortlichkeit großer Plattformen

Zur Klärung der urheberrechtlichen Verantwortung großer Plattformen für den Upload geschützter Werke durch ihre NutzerInnen legt die Novelle fest, dass große Plattformen mit dem Upload ihrer NutzerInnen urheberrechtlich relevante Verwertungshandlungen vornehmen und daher eine Lizenz der UrheberInnen einholen müssen. Für NutzerInnen, wenn sie im Geltungsbereich dieser Erlaubnis liegen, reicht es der Vorlage zufolge diesfalls aus, dass sie eine der beiden negativen Voraussetzungen (keine gewerbliche Tätigkeit, keine erheblichen Einnahmen) erfüllen, um von der Erlaubnis für den Diensteanbieter mitumfasst zu sein.

Maßnahmen der Plattformen sollen jedenfalls nicht dazu führen, dass erlaubte Nutzungen unterbunden werden, auch im Sinne der Meinungsäußerungsfreiheit. Daher sind den Erläuterungen zufolge etwa Inhalte zugänglich zu machen, bei denen die NutzerInnen bereits beim Hochladen erklärt haben, dass diese erlaubt sind ("Pre-flagging"). Kleine Teile von Werken – die Rede ist beispielsweise von 15-Sekunden-Ausschnitten von Filmen oder Musik - sollen nicht automatisch blockiert werden. Wenn Plattformen systematisch überbordende Schutzmaßnahmen setzen, die dazu führen, dass erlaubte Nutzungen auf der Plattform unterbunden werden, habe die KommAustria als im Entwurf vorgeschlagene Aufsichtsbehörde ein Aufsichtsverfahren einzuleiten.

Mit der Novelle (1178 d.B.) soll die freie Werknutzung für das Zitat auf Online-Plattformen um Nutzungen zum Zweck von Karikaturen, Parodien oder Pastiches erweitert werden. Außerdem werden freie Werknutzungen zugunsten des Text- und Data-Mining eingeführt sowie für digitale Nutzungen in Unterricht und Lehre ausgebaut. Darüber hinaus sollen Kulturerbeeinrichtungen Werke, die sich dauerhaft in ihrer Sammlung befinden, zu Sicherungs- oder Archivierungszwecken vervielfältigen dürfen. Eingeschränkt wird das verwandte Schutzrecht des Lichtbildherstellers, damit nicht-kreative Abbildungen gemeinfreier Werke der bildenden Kunst frei genutzt werden können. Insgesamt sind die Neuerungen im Urheberrecht auch auf eine Umsetzung entsprechender EU-Richtlinien zurückzuführen.

Die Umsetzung des EU-weit harmonisierten Urhebervertragsrechts erfolgt laut Vorlage durch Einführung eines Grundsatzes der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung, eines Vertragsanpassungsmechanismus bei unerwartetem Erfolg und mit Auskunftsansprüchen. Außerdem werde die Verhandlungsposition von UrheberInnen bzw. ausübenden KünstlerInnen gestärkt, etwa durch Einführung des Zweckübertragungsgrundsatzes und mit Regelungen über Rechte an unbekannten Verwertungsarten. Auch eine Stärkung der Rechtsgrundlagen für die Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen soll damit erfolgen.

Expertenrunde mit kontroversen Standpunkten, aber auch Kompromissthemen

Zu den Regelungen gab es im ExpertInnen-Hearing unterschiedliche Standpunkte, aber auch Kompromissthemen. Justizministerin Zadić zufolge verlieren KünstlerInnen und Labels mit der "Bagatellgrenze" von 15 Sekunden ihre Rechte nicht, zumal diese Grenze die Plattformen nicht von Lizenzvereinbarungen entbinde. Aus Sicht von Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft IFPI Austria und als Experte seitens der "Allianz Zukunft Kreativwirtschaft" ist die Plattformhaftung ein wichtiger Punkt der Novelle. Die Angst vor Overblocking ist für ihn nicht nachvollziehbar, Ziel sei ohnedies die Lizenzierung, insofern seien auch die "15 Sekunden" kein Problem. Für das "Pre-flagging" werde die Praxis zeigen, wie es funktionieren wird. Das Urhebervertragsrecht bringe eine faire Situation bzw. die Novelle insgesamt eine Vielzahl an Verbesserungen für Kreativschaffende, so Medwenitsch. Einem Direktvergütungsanspruch kann er insofern nichts abgewinnen, als das zu einem fragmentierten Lizenzmarkt führen würde, meinte er etwa auf eine Frage von Johanna Jachs (ÖVP). Die Vorlage stelle einen ausgewogenen und fairen Kompromiss dar, den er mittragen könne.

Demgegenüber forderte Filmemacherin Eva Spreitzhofer zu den Lizenzvereinbarungen eine unverzichtbare Direktvergütung für KünstlerInnen, dessen Fehlen auch Katharina Kucharowits (SPÖ) kritisierte. Spreitzhofer verwies dazu auch auf Unterschiede etwa zur Situation in Deutschland und sprach von einer "Katastrophe" im Hinblick auf die Existenz von KünstlerInnen. Schließlich gehe es in der EU-Richtlinie um Harmonisierung, das Ungleichverhältnis könne sie nicht nachvollziehen. Zum Thema Kollektivvertrag für Filmschaffende sei es wichtig, hier nicht Arbeitsrecht und Urheberrecht zu vermengen.

Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands Film und Musikwirtschaft in der WKÖ, meinte demgegenüber, ein solcher neu zu etablierender Vergütungsanspruch wäre kontraproduktiv und würde die Verhandlungsposition etwa der unabhängigen MusikerInnen schwächen. In Deutschland gebe es keinen Kollektivvertrag für Filmschaffende, mit dem Fachverband und Gewerkschaft Lösungen finden können, warnte er vor Vergleichen. Ähnlich wie Medwenitsch stellt er in der Vorlage eine Reihe von Verbesserungen fest. Sowohl die Stellung von UrheberInnen werde verbessert, als auch der Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit werde Rechnung getragen. Die Novelle schaffe keine perfekte Welt, aber die beste der im Urheberrecht möglichen, so Dumreicher-Ivanceanu.

Thomas Lohninger, Geschäftsführer des Vereins epicenter.works, sieht in der Novelle den Versuch, Unausgewogenheiten auszugleichen. Es bestünden aus Nutzersicht allerdings noch einige Probleme, etwa für private Blogs. Insgesamt dürfen kleine österreichische Plattformen nicht vergessen werden, vermisst er eine Regelung für KMU in diesem Bereich. Die Bagatellgrenze von 15 Sekunden sei aus seiner Sicht ein guter Kompromiss, diese Ausschnitte seien immer noch lizenzpflichtig, antwortete er auf Fragen im Lauf der Debatte etwa von Eva Blimlinger (Grüne), Johannes Margreiter (NEOS) und Harald Stefan (FPÖ). Eine zusätzliche Einschränkung bestehe bei dieser Regelung, dass dabei maximal die Hälfte des Werks genutzt werden könne.

Weitere Umsetzungen mit der Novelle

Darüber hinaus werden eine Reihe weiterer Regelungen mit der Novelle umgesetzt. So kommt es den Erläuterungen zufolge zur Einführung eines Leistungsschutzrechts der HerstellerInnen von Presseveröffentlichungen, zu einer leichteren Nutzung "vergriffener" bzw. "nicht verfügbarer" Werke durch Kulturerbeeinrichtungen mit Hilfe der "erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung". Außerdem wird die Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften auch für AußenseiterInnen über den Einsatz für vergriffene/nicht verfügbare Werke hinaus eingeführt.

Durch eine Vertragshilfe des Schlichtungsausschusses soll die Verfügbarkeit audiovisueller Werke auf Video-on-Demand-Plattformen gefördert werden. Zudem soll der grenzüberschreitende Zugang zu europäischen Rundfunksendungen erleichtert werden. Dabei geht es unter anderem um eine Ausdehnung des Ursprungslandprinzips auf bestimmte sendungsbegleitende Online-Dienste. (Fortsetzung Justizausschuss) mbu