Parlamentskorrespondenz Nr. 969 vom 15.09.2022

Pandemiemanagement: Gesundheitsminister Rauch kündigt neues Epidemiegesetz und neuen Epidemieplan an

Rechnungshofausschuss thematisiert Rechnungshofberichte über Krisenmanagement der Gesundheitsbehörden in der Pandemie

Wien (PK) – Das Krisenmanagement der Gesundheitsbehörden in der COVID-19-Pandemie 2020 stand heute auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Rechnungshofausschusses in der neuen Tagungsperiode. Zwei Rechnungshofberichte legen Empfehlungen für eine Verbesserung des Pandemiemanagements und der Zusammenarbeit dar. So sei die Datenerhebung und -kommunikation ebenso zu verbessern wie die Zusammenarbeit der Behörden und aller Akteur:innen. Gesundheitsminister Johannes Rauch kündigte eine Berücksichtigung der Rechnungshofempfehlungen an. Dazu sollen unter anderem das Epidemiegesetz und der Epidemieplan überarbeitet, die technische Infrastruktur der Datenerhebung verbessert und das Berufsbild des Gesundheitsdienstes optimiert werden.

Pandemie-Gesundheitsdaten: Lehren für die Zukunft

In seinem Bericht "Gesundheitsdaten zur Pandemiebewältigung im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie" (III-508 d.B.) sieht der Rechnungshof eine Grundlage für eine künftig bessere Krisenbewältigung. Gegenstand der Prüfung war die Beurteilung der Verfügbarkeit, Qualität und Aufbereitung von gesundheitsbezogenen Daten zum Infektionsgeschehen und zur epidemiologischen Steuerung.

Die Gesundheitsbehörden verfügten im internationalen Vergleich mit dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS) und dem Staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM) über eine gute Ausgangslage, um das Infektionsgeschehen zu erfassen. Dadurch seien zu den Neuinfektionen ausreichend Zahlen vorgelegen, um Lockdowns sowie Öffnungsmaßnahmen zu steuern. Optimierungsbedarf sieht der Rechnungshof bei der Erfassung der Krankheitsverläufe, der Absonderungsmaßnahmen sowie bei der Auslastung von Krankenanstalten. Da Stellen des Bundes und der Länder Daten in verschiedenen Formaten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten veröffentlichten, empfiehlt der Rechnungshof, diese künftig abgestimmt zu veröffentlichen. Die Rechnungshof-Prüfer:innen stellten erhebliche Unterschiede in der Umsetzung des Epidemiegesetzes auf lokaler Ebene fest. Daher sollte der Prozessablauf optimiert und eindeutige Meldepflichten sowie klare Vorgaben für eine einheitliche Bescheidpraxis festgelegt werden. Die Prüfer:innen orteten personelle Engpässe beim Contact-Tracing, bei der telefonischen Gesundheitsberatung 1450 sowie beim amtsärztlichen Personal.

Der Rechnungshofbericht bietet auch Zahlen über den Rückgang der regulären medizinischen Versorgung in der ersten Pandemiewelle. So fanden 2020 etwa 6,55 Mio. weniger ärztliche Konsultationen und rund 135.000 weniger Vorsorgeuntersuchungen als 2019 statt. In fondsfinanzierten Krankenanstalten sank die Anzahl der Belagstage um 1,8 Mio. und die Zahl der Ambulanzkontakte nahm um 3,8 Mio. ab. Der Bericht wurde im Rechnungshofausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

Der Rechnungshof-Bericht weise auf Defizite hin, die es zu beseitigen gelte, betonte Gesundheitsminister Johannes Rauch eingangs. Diesbezüglich sei auch bereits viel geschehen und vieles sei in Vorbereitung. Ein wesentliches Learning sei, dass gesundheitspolitische Entscheidungen rasch und datenbasiert erfolgen müssen. Deswegen sei es notwendig Daten schnell und in hoher Qualität zu erhalten. Dies müsse aber im Einklang mit dem Datenschutz geschehen. Der geplante Europäische Raum für Gesundheitsdaten könnte hier eine Chance sein, sagte Rauch zu Michael Seemayer (SPÖ). Das Corona-Krisenmanagement müsse ein "window of opportunity" für eine Verbesserung der Nutzung von Gesundheitsdaten sein, forderte Philip Kucher (SPÖ). Zur Verbesserung der technischen Infrastruktur sei auch das Projekt "EMS 2.0" gestartet worden, erklärte Rauch gegenüber Lukas Brandweiner (ÖVP). Die Datenlage habe sich im Laufe der Pandemie verbessert, meinte der Gesundheitsminister zu Gerald Loacker (NEOS). Die Differenz zwischen den von unterschiedlichen Stellen veröffentlichten Zahlen sei im Bereich von 1% gewesen, beantwortete Rauch die Frage von Ralph Schallmeiner (Grüne). Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Bundesländern und anderen Akteur:innen sprach sich Rauch für eine Straffung aus, um schneller agieren zu können. Aufgrund der personellen Ausdünnung im Gesundheitsministerium in den vergangenen Jahren, sei die Einbindung und Unterstützung durch die Bundesländer insgesamt aber durchaus notwendig gewesen. Hinsichtlich der Auswirkungen des Rückgangs ärztlicher Konsultationen auf die Gesundheit oder Sterberate, gebe es noch keine wissenschaftlichen Ergebnisse, berichtete der Gesundheitsminister an Christian Lausch (FPÖ). Die Übersterblichkeitszahl müsse hier in den nächsten Jahren im Auge behalten werden, meinte auch ein Experte der Gesundheit Österreich GmbH.

Der Rechnungshofbericht konzentriere sich auf die Lessons Learned aus der Krise, gebe Empfehlungen und zeige Handlungsfelder auf, erklärte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Die Kommunikation von einheitlichen Daten sei wichtig, um das Vertrauen und die Akzeptanz in der Bevölkerung sicher zu stellen. Verbesserungsbedarf sah Kraker in der Zusammenarbeit zwischen den Akteur:innen der Krise und deren personeller Ausstattung.

Pandemiemanagement der Gesundheitsbehörden mit Luft nach oben

Der Bund habe die im Pandemiefall notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen nicht sichergestellt. Das ist das Fazit des Rechnungshof-Berichts "Pandemiemanagement der Gesundheitsbehörden im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie" (III-658 d.B.). Zwar sei der jeweilige Gesundheitsminister für das Pandemiemanagement zuständig gewesen, im ersten Pandemiejahr sei aber zwischen Bund und Ländern oft unklar geblieben, wer welche Verantwortung zu tragen habe. Der Bericht möchte aufzeigen, welche Lehren für ein effizienteres und wirksameres Pandemiemanagement zu ziehen sind. Insbesondere sieht der Rechnungshof Bedarf für ein modernisiertes Epidemiegesetz, ausreichend Personalressourcen und einen neuen nationalen Pandemieplan. Die Zusammenarbeit aller wesentlichen Akteur:innen müsse künftig gewährleistet werden. Die seit dem Ausbruch der Pandemie gemachten Erfahrungen seien bisher zu wenig genutzt worden, um das Krisenmanagement weiterzuentwickeln.

Im ersten Pandemiejahr seien Entscheidungen häufig verzögert getroffen worden und so härtere oder längere Maßnahmen notwendig geworden, führen die Prüfer:innen an. Dabei sei es aber nicht nur zwischen Bund und Ländern sondern auch zwischen dem Gesundheits- und dem Innenministerium zu unkoordiniertem Handeln gekommen. Der Schutz der öffentlichen Gesundheit sollte bundesweit einheitlich gewährleistet werden, empfiehlt der Rechnungshof. Das Gesundheitsressort müsse hierzu eine aktive Rolle wahrnehmen und die notwendigen Pandemie-Maßnahmen der Gesundheitsbehörden in den Ländern stärker leiten, steuern und koordinieren. Dazu sei ein aktueller nationaler Pandemieplan nötig, der die bisherigen Erfahrungen integriert und bei einer neuerlichen Pandemie die wechselseitige Information und Zusammenarbeit aller Akteur:innen gewährleistet.

Zudem bemängelt der Bericht, dass für die öffentliche Gesundheit wesentliche Schlüsselfunktionen länger nicht nachbesetzt wurden und Planstellen in den Fachabteilungen des Bereichs Öffentliche Gesundheit nicht aufgestockt wurden. Dies habe die Handlungsfähigkeit des Ministeriums eingeschränkt.

Das aus dem Jahr 1913 stammende Epidemiegesetz sei nicht mehr zeitgemäß, wird im Bericht weiter angeführt. Daher hätte der Gesundheitsminister klare – das Epidemiegesetz präzisierende – Vorgaben für ein österreichweit abgestimmtes und wirksames Vorgehen der Gesundheitsbehörden setzen müssen. Eine notwendige Novelle sollte die Zusammenarbeit der Behörden detaillierter regeln und für klare Abläufe sowie Verantwortlichkeiten sorgen. Der Bericht wurde im Rechnungshofausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen.

Eine Reform des Epidemiegesetzes und –plans mit klaren Verantwortlichkeiten müsse rasch umgesetzt werden, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch gegenüber Hans Stefan Hintner (ÖVP), Philip Kucher (SPÖ) und Ralph Schallmeiner (Grüne). Der Rechnungshofbericht habe klare Kritikpunkte dargelegt, die zusammen mit den Learnings der involvierten Akteur:innen in einen neuen Pandemieplan eingearbeitet würden. Dazu sei auch ein Krisenkommunikationsplan zentral, meinte Rauch zu Alois Kainz (FPÖ). Für ein attraktiveres Berufsbild des Gesundheitsdienstes sprach er sich gegenüber Gerald Loacker (NEOS) aus. Hinsichtlich der Kontaktpersonenverfolgung verwies er auf die Entwicklung eines Contact Tracing Pools.

Für die Pandemievorsorge sei das Gesundheitsministerium verantwortlich. Dies sei die ideale Voraussetzung, um strategische Vorgaben und Standards zu machen, die regional umgesetzt werden, meinte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker. Zwar könne es durchaus Spielraum auf regionaler Ebene geben, die Kriterien müssten aber einheitlich sein. Für die Krise seien die Gesundheitsbehörden nicht ausreichend vorbereitet gewesen, empfahl Kraker die Erstellung eines Krisenmechanismus mit klaren Verantwortlichkeit und Abläufen. (Schluss Rechnungshofausschuss) pst