Parlamentskorrespondenz Nr. 1292 vom 16.11.2022

Kocher: Arbeitsmarkt geht stabil in unsichere Zeiten

Nationalrat debattiert Budgetkapitel Arbeit

Wien (PK) – Am zweiten Tag der Budgetdebatte im Nationalrat stand heute das Kapitel Arbeit zur Diskussion. Für die Budgetuntergliederung Arbeit veranschlagt der Haushaltsentwurf 2023 Ausgaben in der Höhe von 9,27 Mrd. €. Das ist ein Minus von 628,3 Mio. € bzw. 6,3% gegenüber dem Voranschlag 2022. Grund dafür sind vorrangig zu erwartende geringere Auszahlungen für Kurzarbeit.

Außerdem schlagen das Auslaufen der Corona-Joboffensive, Minderausgaben für die Aktion "Sprungbrett" sowie der Entfall der heuer gewährten Einmalzahlung für Arbeitslose zu Buche. Auf der anderen Seite machen sich zusätzliche Mittel für die in Aussicht genommene Fachkräfteoffensive und das neue Pflegestipendium bemerkbar. Außerdem wird der prognostizierte Anstieg der Arbeitslosenquote von 6,4% auf 6,7% zu Mehrausgaben für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in der Höhe von rund 340 Mio. € führen.

Die Einnahmen werden im kommenden Jahr laut Budgetentwurf um 442,6 Mio. € bzw. 5,4% auf 8,59 Mrd. € steigen. Hier schlagen sich insbesondere Mehreinnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch höhere Löhne und leicht steigende Beschäftigungszahlungen (+642,2 Mio. €) sowie Einnahmenausfälle aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds aufgrund der Umstellung der Lehrstellenförderung (-229,4 Mio. €) nieder. Insgesamt ergibt sich damit ein Negativsaldo von 680,5 Mio. € bei der Budgetuntergliederung Arbeit. 2021 hatte das Defizit noch 5,61 Mrd. € betragen, für heuer ist ein Minus von 1,75 Mrd. € veranschlagt.

Über die von SPÖ und  FPÖ im Zuge der Debatte eingebrachten Entschließungsanträge wird am Donnerstag im Rahmen der Schlussabstimmungen über das Bundesfinanzgesetz 2023 und den Bundesfinanzrahmen 2023-2026 abgestimmt. So fordern die Sozialdemokrat:innen ein Maßnahmenpaket gegen die Armutsgefährdung von arbeitslosen Menschen und deren Familien, die Freiheitlichen sprechen sich für den Stopp der unqualifizierten Zuwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und Sozialstaat aus.

Kocher rechnet mit moderatem Anstieg der Arbeitslosigkeit

"Der Arbeitsmarkt geht stabil in unsichere Zeiten", betonte Arbeitsminister Martin Kocher in seiner Wortmeldung. Trotz schwieriger Rahmenbedingungen gebe es neben einer niedrigen Arbeitslosigkeit einen Beschäftigungshöchststand. Kocher rechnet aber aufgrund der einsetzenden konjunkturellen Abkühlung mit einer sich verschärfenden Lage. Die Wirtschaftsforscher würden jedoch voraussagen, dass trotz eines starken Rückgangs des Wirtschaftswachstums, der Anstieg der Arbeitslosenzahlen moderat ausfallen werde. Sollte es notwendig sein, könne man jedoch rasch reagieren und habe vorgesorgt. So seien etwa für 2023 220 Mio. € für die Kurzarbeitsförderung vorgesehen. Man hoffe natürlich, dieses "Sicherheitspaket" nicht zu brauchen.

Der Arbeitsminister zeigte sich über das AMS-Budget für 2023 in der Höhe von 1,5 Mrd. € erfreut. Damit würden pro arbeitsloser Person die höchsten Fördergelder der letzten Jahre zur Verfügung gestellt. Auch im kommenden Jahr werde man somit weiter auf das Programm "Sprungbrett" zur Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit sowie auf die Fachkräftequalifizierung setzen. Im Pflegebereich stünden 30 Mio. € für die Finanzierung des Pflegestipendiums zur Verfügung. Für junge Menschen wird laut Kocher weiterhin die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre gelten. Zudem sei vorgesehen, die Lehrstellenförderung auf 270 Mio. € aufzustocken. Auch die Weiterführung der Frauenförderung sowie der Arbeitnehmer:innenschutz sei ihm ein wichtiges Anliegen, unterstrich der Ressortchef.

Debatte über Prioritäten in der Arbeitsmarktpolitik

Die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre sei nicht im Budget verankert, bemängelte Alois Stöger. Der SPÖ-Mandatar sprach sich für eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich aus. Zudem vermisste Stöger im Arbeitsmarktbudget für 2023 eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes sowie der Familienzuschläge. Zudem würden Investitionen zur Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit fehlen.

Auch Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kritisierte, dass eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes nicht im Budget abgebildet sei. Hier gebe es Handlungsbedarf, da etwa Frauen durchschnittlich rund 210 € weniger an Unterstützungsleistung zur Verfügung stehen würde. Ebenso kritisch sah die SPÖ-Abgeordnete die Pläne zur Streichung von 250 Stellen beim AMS. Schon jetzt würden über 100 Arbeitslose auf eine Beratungsperson kommen. Anstatt dessen bedürfe es mehr Beratungszeit pro arbeitsloser Person. Für Verena Nussbaum (SPÖ) fehlt es im Budget an den finanziellen Mitteln zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Diese müssten bei jeder Maßnahme mitbedacht werden.

"Das Arbeitsmarktbudget ist eine Fortschreibung des heurigen Budgets. Sie schließen damit die Augen vor der Realität", warnte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Obwohl die Wirtschaftsprognosen für 2023 schlecht seien und die Arbeitslosigkeit weiter steigen werde, habe man nicht dafür vorgesorgt. Die FPÖ-Mandatarin forderte eine vorrausschauende und aktive Arbeitsmarktpolitik, die Bundesregierung wolle jedoch nur mit Budgetüberschreitungen reagieren.

In dieselbe Kerbe schlug Peter Wurm (FPÖ). Auch er sah die Prognosen, dass es 2023 nur zu einer geringen Zunahme der Arbeitslosigkeit komme, skeptisch. Zudem seien über 50% der AMS-Kund:innen keine österreichischen Staatsbürger:innen. So kann laut Wurm der Arbeitsmarkt nicht stabilisiert werden. Er forderte deshalb das Ende der "unkontrollierten Zuwanderung" von unqualifizierten Arbeitnehmer:innen

"Ja wir investieren in Menschen, die wir in Beschäftigung bringen wollen und unterscheiden nicht nach dem Herkunftsland", erwiderte Tanja Graf (ÖVP) die FPÖ-Kritik. Ernst Gödl (ÖVP) sprach von einem "zukunftstauglichen Budget". Man wolle den Menschen "das Fischen lernen, anstatt ihnen den Fisch auf den Teller zu legen", so der ÖVP-Abgeordnete in Richtung SPÖ. Die ÖVP stehe für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 14 Jahren würden das bestätigen. Mit ein Grund dafür sei etwa die Aktion "Sprungbrett", womit man bis vergangenen September 44.200 Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt wiedereingegliedert habe.

Dem schloss sich Laurenz Pöttinger (ÖVP) an, der von einem "großartigen Budget" sprach. Es wird ihnen nicht gelingen, gute Maßnahmen der Regierung schlecht zu reden, hielt Pöttinger gegenüber den Abgeordneten der FPÖ und der NEOS fest.

Die Erholung am Arbeitsmarkt schlage sich auch auf das Arbeitsmarktbudget nieder, so Grünen-Abgeordneter Markus Koza. Für 2023 sei mit weniger Ausgaben für die Kurzarbeit, für Arbeitslose sowie für die Notstandshilfe zu rechnen. Dies bedeute jedoch keine Einsparungen im Budget, es komme sogar zu einem deutlichen Anstieg bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. So seien etwa die Pro-Kopf-Ausgaben deutlich höher als im Jahr 2019. Auch Koza versicherte, dass man im Falle eines massiven Einbruchs am Arbeitsmarkt, wie in der Corona-Krise, rechtzeitig reagieren werde.

Süleyman Zorba (Grüne) meldete sich zur Lehrlingsausbildung zu Wort. Diese sei ein "Erfolgsmodell" und trage zur geringen Jugendarbeitslosigkeit in Österreich bei. Zorba begrüßte die Erhöhung der Lehrlingsfinanzierung auf 270 Mio. €. Dies sei ein wichtiger Beitrag für den Wirtschaftsstandort sowie für die Perspektiven junger Menschen.

Gerald Loacker (NEOS) sprach sich für einen effizienteren Personaleinsatz aus. Trotz der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren sei der Personalstand beim AMS nicht gesunken. Der NEOS-Mandatar vermisste in diesem Zusammenhang etwa Effizienzgewinne durch die Digitalisierung und forderte die Einführung eines degressiven Arbeitslosengeldes. Loacker kritisierte außerdem die schlechte Wirkungsorientierung im Budget. So gebe es etwa keine Wirkungsüberprüfung bei der Bildungskarenz oder der Corona-Joboffensive. (Fortsetzung Nationalrat) med

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