Parlamentskorrespondenz Nr. 1474 vom 15.12.2022

Nationalrat beschließt Erhöhung der Grundvergütung für Zivil- und Grundwehrdiener

Einstimmigkeit für Wehrrechtsänderungsgesetz und Novelle von Zivildienstgesetz

Wien (PK) – Einstimmig sprach sich der Nationalrat heute sowohl für das Wehrrechtsänderungsgesetz als auch für eine Novelle des Zivildienstgesetzes aus. Zentrale Punkte beider Regierungsvorlagen stellen eine Erhöhung der Grundvergütung für Grundwehr- bzw. Zivildiener dar.

Zudem bringt das Wehrrechtsänderungsgesetz weitere finanzielle Anreize sowie einen niederschwelligen Zugang zu Eignungstest um das Bundesheer attraktiver zu machen. Mit der Zivildienstgesetz-Novelle müssen Wehrpflichtige künftig mindestens 21 Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls über diesen vorinformiert werden, um ihnen noch die Abgabe einer Zivildiensterklärung zu ermöglichen

Wehrrechtsänderungsgesetz: höhere Besoldung für Grundwehrdiener und einfachere Personalsuche

Mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz (WRÄG 2023) sind Novellen im Wehrgesetz, Heeresdisziplinargesetz und im Heeresgebührengesetz vorgesehen, mit dem Ziel, den Wehrdienst attraktiver zu machen. Neben Vereinfachungen in der Personalgewinnung soll das auch durch finanzielle Anreize gelingen. Eine zentrale Änderung des Heeresgebührengesetzes betrifft die Bezüge von Grundwehrdienern. Diese sollen künftig auf das Niveau der Mindestsicherung angehoben werden. Laut Regierungsvorlage bedeutet das konkret eine Anhebung der Grundvergütung von 124,22 € auf 261,97 € und der erhöhten Grundvergütung während der Heranziehung zu einem Einsatz von 434,36 € auf 572,11 €.

Mit einer Verlängerung der Bezugszeiträume für die Freiwilligenprämie und die Kaderausbildungsprämie sowie einer Erweiterung der Anwendungsfälle für die Zuerkennung einer Anerkennungsprämie sollen Anreize für einen darüber hinausgehenden Einsatz im Bundesheer geschaffen werden. Zudem soll künftig für jegliche entgeltliche Mitbenutzung einer Wohnung ein Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe bestehen.

Weiters soll ein niederschwelliges Angebot an freiwilligen Eignungstests, die auch außerhalb des Wehrdienstes und ohne unmittelbare Rechtswirkung stattfinden können, die Personalsuche für das Bundesheer erleichtert werden. Die meisten Eignungsprüfungen können bisher nur im Zuge eines Präsenz- oder Ausbildungsdienstes durchgeführt werden. Eine weitere wehrgesetzliche Anpassung betrifft die Angleichung der Dauer des Ausbildungsdienstes von Frauen an jene der Wehrpflicht für Männer. Im Heeresdisziplinargesetzes sind Änderungen bei der Regelung der Zusammensetzung des Disziplinarsenats vorgesehen.

Koalition ortet "Quantensprung" bei der Besoldung, aber auch weiteren Handlungsbedarf

Ausgehend vom "richtungsweisenden Budgetbeschluss" für 2023, der eine "klare Trendwende" für das Bundesheer mit sich bringe, sprach ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer von den dadurch nun ermöglichten Investitionen in Ausrüstung, Geräten und Kasernen. Doch das Material alleine, sei ohne die Menschen, die dieses nutzten, nichts wert. Genau bei diesen setze das vorliegende WRÄG 2023 nun an. Die Grundwehdiener stellten laut Ofenauer das zukünftige Personal für Kader und Miliz dar, das es für den Soldatenberuf zu begeistern gelte. Die vorliegende Erhöhung der Grundvergütung stelle dafür eine wichtige Maßnahme dar, doch auch bei den Unteroffizieren gebe es für das kommende Jahr noch Regelungsbedarf .

Die Grundwehrdiener seien eine "Stütze der Gesellschaft" und kämen immer dann zum Einsatz, wenn "Not am Mann" sei, dankte David Stögmüller von den Grünen den Rekruten. Die Bundesregierung habe dies erkannt und einen "Quantensprung" bei der Besoldung eingeleitet, um ihnen die Wertschätzung zukommen zu lassen, die sie verdienten. Dies werde auch weiter Verbesserungen nach sich ziehen, denn der Grundwehrdienst sei die "Visitenkarte" des Bundesheers. Daher seien auch "sinnlose" Einsätze, wie jene an der Grenze zu überdenken.

Opposition sieht Zielniveau noch nicht erreicht

Die Besoldungserhöhung sei auch ein wichtiger Schritt, um die Auswirkungen der "Kostenexplosion" zu mildern, wie Robert Laimer (SPÖ) erklärte. Doch von der angekündigten Höhe der Mindestsicherung sei man noch entfernt, wie auch Laimers Fraktionskollegen Reinhold Einwallner und Rudolf Silvan betonten. Es könne nicht sein, dass sogar Versicherungen und Verpflegung miteinberechnet werden müssten, um das Zielniveau zu erreichen, zeigten sie sich einig.

Scharfe Kritik übte Laimer an der ÖVP, die die Bevölkerung beim Schutz vor der irregulären Migration "bewusst hinters Licht geführt habe". Er verwies auf zivil-militärische Grenzschutz-Projekte des ehemaligen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil, die von der  Bundesregierung unter Sebastian Kurz abgestellt worden seien. Nun herrsche wieder eine Situation wie 2015 und Bulgarien und Rumänien müssten als "Sündenböcke" herhalten, wie Laimer mit Hinblick auf das Veto Österreichs gegen einen Schengen-Beitritt der beiden Länder argumentierte.

Der freiheitliche Wehrsprecher Volker Reifenberger erinnerte daran, dass die Anhebung der Grundvergütung auf die Höhe der Mindestsicherung auf einen FPÖ-Antrag zurückgehe. Diese Höhe werde nun zwar nicht erreicht, doch es handle sich um einen Schritt in die richtige Richtung. Zudem hätten sich die Berufssoldat:innen eine "ordentliche" Besoldungserhöhung verdient, nicht zuletzt da das Bundesheer bezüglich der Gehälter nicht mit dem Markt konkurrieren könne. Absolvent:innen akademischer Ausbildungen auf der Militärakademie sollten auch wie Akademiker:innen bezahlt werden, plädierte Reifenberger, sonst werde das Bundesheer das benötigte Personal nicht finden. "Frustrierende Assistenzeinsätze" wie bei der Botschaftsbewachung oder im Contact Tracing seien nicht hilfreich, wie auch Gerhard Kaniak (FPÖ) bestätigte. Den Grundwehdienern müsse eine abwechslungsreiche und umfassende Ausbildung zuteilwerde, um das Bundesheer attraktiver zu machen und dem Kompetenzverlust auch im technischen Bereich entgegenzuwirken.

Geopolitisch legte es NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter an. Die mit dem Mauerfall eingesetzte Zeit zum "Genuss der Friedensdividende" sei nun vorbei. Er signalisierte seine Zustimmung für das vorliegende WRÄG 2023, sah jedoch Handlungsbedarf bezüglich der Auslandseinsätze. Österreich müsse hier angesichts einer veränderten sicherheitspolitischen Lage aktiver werden und auch genügend Soldat:innen dafür gewinnen. Brandstätter appellierte außerdem an Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die Ukraine stärker zu unterstützen. So sei unter anderem die Behandlung verletzter ukrainischer Soldaten durchaus mit der Neutralität vereinbar.

Tanner: Militärische Sicherheit darf kein "parteipolitisches Mascherl" haben

Die parteiübergreifende Einigkeit bei der Unterstützung des WRÄG 2023 habe "ohne Zweifel" mit dem 24. Februar 2022 und dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun, erklärte Verteidigungsministerin Tanner. Doch auch schon die Pandemie, in der Soldat:innen und Zivilbedienstete ihres Ressorts die Bevölkerung rund um die Uhr unterstützt hätten, habe die Relevanz des Bundesheeres verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Die signifikante Mittelaufstockung für die Landesverteidigung und das beschlossene Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) hätten laut Tanner erstmals Planbarkeit ermöglicht, um das Bundesheer bis 2032 zu einer "modernen Armee" weiterzuentwickeln. Es handle sich um "Meilensteine", doch vieles werde noch notwendig sein, um für kommende Krisen einsatzfähig zu sein. Tanner plädierte an die Abgeordneten, die Soldat:innen weiterhin zu unterstützen, damit diese die Bevölkerung in schwierigen Zeiten schützen und verteidigen könnten. Militärische Sicherheit dürfe kein "parteipolitisches Mascherl" haben, so Tanner.

Grundvergütung für Zivildiener soll auf 500 € im Monat angehoben werden

Eine Erhöhung der Grundvergütung soll es auch für Zivildiener geben. Laut Novelle des Zivildienstgesetzes soll diese ab 2023 von monatlich 362,60 € auf 500 € angehoben werden. Das Zivildienstgeld, das bestimmte Rechtsträger vom Bund erhalten, soll annähernd um denselben Betrag (140 €) steigen. Das betrifft etwa Rettungsorganisationen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Alten- und Pflegeheime sowie die Flüchtlings- und die Katastrophenhilfe, die künftig eine monatliche Ausgleichszahlung in der Höhe von 740 € bzw. 550 € je Zivildiener bekommen. Außerdem verzichtet der Bund auf jene 130 €, die derzeit von nicht begünstigten Zivildienstorganisationen bzw. für über das Kontingent hinausgehende Zivildiener zu leisten sind. Die Kosten für das Maßnahmenpaket werden mit 16 Mio. € pro Jahr veranschlagt, wobei 12 Mio. € davon aus höheren Ausgaben und 4 Mio. € aus Einnahmenausfällen resultieren.

Zudem ist vorgesehen, dass Wehrpflichtige mindestens 21 Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls über diesen vorinformiert werden. Damit soll ihnen noch die Möglichkeit zur Abgabe einer Zivildiensterklärung gegeben werden. Diese kann wie bisher bis zu zwei Tage vor Erhalt des Einberufungsbefehls erfolgen. Darüber hinaus sieht die Regierungsvorlage ergänzende Adaptierungen vor, damit die Administration bestimmter finanzieller Ansprüche von Zivildienern wie der Wohnkostenbeihilfe weiterhin beim Heerespersonalamt bleibt.

Parteiübergreifende Anerkennung für Zivildiener

ÖVP-Mandatar Andreas Hangar ging im Plenum auf die "Erfolgsgeschichte Zivildienst" ein und berichtete von rund 14.000 Zivildienern in diesem Jahr, was einem Anteil von 45 % aller Wehrpflichtigen entspreche. 40 % davon seien im Rettungsdienst, 26 % in der Sozial- und Behindertenbetreuung sowie 12 % in der Altenbetreuung. Laut Hangar wäre ohne diese Personen das Sozialsystem nicht aufrecht zu erhalten. Zudem würde etwa die Hälfte von ihnen ehrenamtlich in den Organisationen bleiben, in denen sie ihren Zivildienst versahen und etwa 6 % würden durch ihren Einsatz in einen Sozialberuf wechseln.

Seit 1975 sei es möglich Zivildienst zu leisten, der sich seither zu einer "unverzichtbaren Einrichtung" entwickelt habe, betonte Michael Seemayer (SPÖ). Gerade in der ersten Phase der Pandemiebekämpfung hätten sich die Zivildiener als "tragende Säule" erwiesen und erstmals in seiner Geschichte sei eine außerordentliche Verlängerung verordnet worden. Seemayer bezeichnete die Anhebung der Grundvergütung als "überfällig". Problematisch sah er, dass immer mehr junge Männer als untauglich befunden würden. Hier müsse langfristig an einer Verbesserung der Gesundheit der Jugend gearbeitet werden.

David Stögmüller (Grüne) nannte die Erhöhung der Grundvergütung "historisch" und betonte, dass der Zivildienst sowohl den jungen Menschen selbst, als auch der Gesellschaft einen Mehrwert bringe. Er strich auch heraus, dass durch die Adaptierungen bezüglich der Administration, die die Novelle vorsieht, fast 900.000 € eingespart würden.

NEOS-Abgeordneter Yannick Shetty äußerte ebenfalls seine Zustimmung zur Novelle, kritisierte aber, dass die Erhöhung "bei weitem noch nicht angemessen" sei. Wenn es schon diesen "Zwangsdienst" gebe, müsse er auch menschenwürdig gestaltet und zumindest in der Höhe der Mindestsicherung entlohnt werden. Zudem kritisierte er die "Diskriminierung" gegenüber den Grundwehrdienern, was etwa die Dauer des Dienstes aber auch die Überstundenregelungen betreffe.

Staatssekretärin Claudia Plakolm drückte ihre Freude aus, über die einhellige Zustimmung zu dieser "handfesten Unterstützung" für die Zivildiener in Zeiten der Teuerung. Diese leisteten einen wertvollen Beitrag insbesondere für jene, die auf Hilfe und Betreuung angewiesen seien. Insgesamt brächten sie der Gesellschaft mit 13 Mio. Arbeitsstunden einen Mehrwert von 1 Mrd. € pro Jahr. Der Zivildienst fungiere laut Plakolm auch als "Türöffner" für mehr Männer in eher weiblich konnotierten Berufen. (Fortsetzung Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.