Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 11

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ist, durch Energieeinsparung, durch einen Umstieg auf andere nachhaltige Energieträger möglichst von der Atomkraft Abstand zu nehmen – unser Ziel ist ein atomkraftfreies Mitteleuropa. Wir wissen allerdings, daß dies in manchen Fällen zumindest kurzfristig nur sehr schwer zu erreichen sein dürfte, und sagen daher dazu, daß für alle nuklearen Installationen, für alle Kernkraftwerke in Beitrittswerberländern jedenfalls zumindest dieselben Sicherheitsprinzipien anzuwenden sein sollen, die in den Mitgliedsländern der Europäischen Union angewendet werden. Das ist gewissermaßen die Mindesterfordernis.

Unser Wunsch Nummer 1 bleibt aber ein kernkraftfreies Mitteleuropa, und das bedeutet letztlich die Stillegung der Atomkraftwerke in den Beitrittskandidatenländern, wobei ich nicht verhehle, daß uns das kurzfristig vermutlich nicht in allen Fällen gelingen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Dr. Böhm, bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wird die österreichische Regierung die terminisierte Abschaltung gefährlicher, weil völlig veralteter Atomkraftwerke zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Beitritt jener ost- und südosteuropäischen Reformstaaten erheben, die solche Atomkraftwerke betreiben, oder wird zumindest – wie angedeutet – die Umrüstung auf den westlichen Sicherheitsstandard, sofern dies überhaupt möglich ist, zur Voraussetzung gemacht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie haben eine wichtige Anmerkung gemacht, nämlich: sofern das überhaupt möglich ist. Österreich hat Zweifel, ob sogenannte Hybridreaktoren, bestehend aus alter russischer und neuer westlicher Technologie – wild zusammengemischt, weil die russische Technologie zum Teil vor Jahrzehnten installiert wurde und Planungsunterlagen in vielen Fällen gar nicht mehr vorliegen, und darauf sollen Siemens, Westinghouse oder wer auch immer draufbauen –, überhaupt möglich sind.

Ganz abgesehen davon wiederhole ich folgendes: Es wird darum gehen, jedenfalls als absolutes Mindestmaß westliche Sicherheitsprinzipien einzufordern. Ich darf Ihnen sagen, daß ich mir gerade aus solchen Ländern, die als klassische Atomkraftbefürworter gelten, wie zum Beispiel Frankreich, aber auch Deutschland, etwas Unterstützung erwarte, da auch diese Länder durch einen Unfall in einem dieser veralteten Kernkraftwerke nicht nur unter Umständen betroffen wären und die niedrigen Standards auch aus deren Sicht, obwohl Kernkraftbefürworter, negativ wäre.

Bei der Durchsetzung westlicher Sicherheitsprinzipien in östlichen Kernkraftwerken sind wir keinesfalls allein. Ich gehe davon aus, daß es uns gelingen wird, diese Bedingung bis zum Beitritt dieser Länder erfüllt zu sehen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erscheint es Ihnen möglich, durch diese von Ihnen schon angesprochene österreichische Positionierung eine generelle Verringerung der Umweltbelastung aus dem Osten, zum Beispiel aus Bratislava, zu erreichen?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrter Herr Bundesrat! Zweifellos. Um ein Beispiel zu bringen, das besonders typisch ist: Schwefeldioxid, die wesentlichste Vorläufersubstanz des sauren Regens. Nur noch 5 Prozent dessen, was an Schwefeldioxid in Österreich immitiert wird, also aus dem sauren Regen kommt, stammt aus österreichischen Emissionen, der Rest, also 95 Prozent, kommen aus dem Ausland.


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