Bundesrat Stenographisches Protokoll 635. Sitzung / Seite 106

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wegs so, daß alle Familien mit drei oder mehr Kindern automatisch armutgefährdet sind. Ich könnte eine Reihe von Beispielen nennen.

Zur Frage 9: Der Verfassungsgerichtshof weist zu Recht auf die Bedeutung der nachfolgenden Generation für Volkswirtschaft und Altersversorgung hin. Das österreichische Pensionssystem wird durch Beiträge der Erwerbsbevölkerung finanziert. Die für die Pensionsversicherung wesentlichen Rahmenbedingungen sind daher die Demographie, insbesondere natürlich die Zahl der Geburten, die Beschäftigungssituation, aber auch die Wanderungsbewegungen. Dies zeigt, daß die Kinderanzahl einer von mehreren Einflußfaktoren ist.

Eine wesentlich größere Bedeutung bei der Finanzierung des Pensionssystems kommt meiner Meinung nach daher der Beschäftigungssituation zu. Ein Problem stellt im wesentlichen die gleichbleibende Zahl der Beschäftigung und neue Formen der Arbeit, wie etwa Telearbeit oder neue selbständige und geringfügig Beschäftigte, dar. Diese waren bis vor kurzem nicht sozialversichert. Dadurch entgehen dem Pensionssystem erhebliche Beträge. Ich bin daher davon überzeugt, daß nicht nur die Familien, sondern vor allem eine beschäftigungsintensive Wachstumspolitik eine entscheidende flankierende Maßnahme zur Sicherung des hervorragenden umlagefinanzierten Pensionssystems beitragen.

Zur Frage 10: Das Versprechen einer laufenden automatischen Erhöhung der Familienbeihilfe kann, wenn man auf der seriösen Seite bleiben will, nicht abgegeben werden. Die Finanzierung der Familienbeihilfe sowie der anderen Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds erfolgt im Rahmen einer zweckgebundenen Gebarung. Das heißt im Prinzip, daß Ausgaben im Umfang entsprechender zweckgebundener Einnahmen getätigt werden. Da das Aufkommen an Dienstgeberbeiträgen die Haupteinnahmequelle des Familienlastenausgleichsfonds bilden und daher maßgeblich von der Konjunktur abhängen, könnte eine ausgabenseitige, daher auch systemwidrige Automatik der Familienbeihilfenerhöhung zu nicht finanzierbaren Engpässen führen.

Zur Frage 11: Eine Nichteinigung würde erhebliche Nachteile für Einkommensschwächere bedeuten und Bezieher von höheren Einkommen stark begünstigen. Ich gehe daher davon aus, daß sich die Koalitionsparteien in absehbarer Zeit einigen werden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

16.19

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Da ich mich nicht primär als Experte für Steuerrecht im allgemeinen und für Fragen der Familienbesteuerung im besonderen betrachte, geht es mir in meinem Redebeitrag allein um die Darstellung der verfassungsrechtlichen Vorgaben im Lichte des dafür maßgeblichen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 17. Oktober 1997.

Mit anderen Worten gilt es, bei der gesetzlichen Neugestaltung dem Gleichheitssatz und damit einem so zentralen wie grundlegenden rechtsstaatlichen Gerechtigkeitsgebot zu entsprechen. Das muß uns allen Richtschnur sein, auch denjenigen unter uns, die aufgrund ihrer abweichenden sozialpolitischen Anschauungen das Erkenntnis im Ergebnis und in seinen Auswirkungen ablehnen. So sehr ich auch bereit bin, diese andere politische Sichtweise, insbesondere in den Reihen der Kolleginnen und Kollegen der SPÖ, voll zu respektieren – ohne sie zu teilen –, sosehr fehlt mir jedes Verständnis dafür, dem Verfassungsgerichtshof vorzuwerfen, daß er sich bei seiner Interpretation der Bundesverfassung – hier: des Gleichheitssatzes – nicht von diesem politischen Verständnis leiten hat lassen.


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