Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 12

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881/M-BR/98

Warum halten Sie die geplante Umkehr der Beweislast bei Verdacht einer Steuer- oder Abgabenhinterziehung nicht für einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Unschuldsvermutung?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich frage mich, warum Sie mir diese Frage so suggestiv stellen, denn von mir ist die Einführung einer Umkehr der Beweislast nicht beabsichtigt. Ich habe solche Interpretationen in den Medien gelesen, bin persönlich allerdings der Auffassung, daß man diese Frage an jene Adresse richten müßte, wo diese These vertreten worden ist – jedenfalls nicht an mich.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Haben Sie den Eindruck, daß rechtsstaatliche Mittel nicht mehr ausreichen, um den Bürger zu besteuern, und wenn diese nicht ausreichen sollten, wer sollte dann solche Verdachtsmomente ausdrücken und umsetzen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß die gesetzgebenden Körperschaften durchaus ausreichen, Steuergesetze zu beschließen, und die zuständigen Institutionen in der Lage sind, für deren Vollzug zu sorgen. Richtig ist allerdings, daß es Steuergegenstände, Steuersituationen gibt, bei welchen zumindest der Verdacht aufkommen könnte, daß der Steuerpflichtige unter bestimmten Umständen manchmal der Vergeßlichkeit anheimfällt. Daher stehe ich persönlich auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe der Finanz ist, im Bereich der Kontrolle, und zwar besonders dort, wo es um Steuern geht, die dem Aspekt der Vergeßlichkeit besonders stark unterliegen, entsprechend nachzuhelfen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Polleruhs.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Sind Ihnen EU-Mitgliedsstaaten bekannt, in denen die Umkehr der Beweislast durchgeführt wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich habe das von dieser Seite her noch nicht geprüft. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Josef Rauchenberger.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wenn es nicht um Vergeßlichkeit geht, sondern um andere Dinge, dann möchte ich wissen: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich will das nicht in Form von Verallgemeinerungen beantworten, die unter Umständen Interpretationen zulassen. Richtig ist, daß es sich, und zwar europaweit, gerade bei der Umsatzsteuer – ich zitiere in diesem Zusammenhang aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes, allerdings in freier Übersetzung – um eine äußerst betrugsanfällige Steuer handelt. Der Europäische Rechnungshof schätzt den Umsatzsteuerausfall in der gesamten Europäischen Union auf ungefähr 1 Prozent des Bruttosozialproduktes, was einen beachtlichen Betrag darstellt.

Wir in Österreich haben die Situation, daß im Vollzug des Budgets 1997 ein Betrag in der Höhe von 5 bis 6 Milliarden fehlt, was entsprechende Maßnahmen erforderlich macht. Diese sind


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