Bundesrat Stenographisches Protokoll 639. Sitzung / Seite 23

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Da Ihnen in den Medien die problematische Aussage zugeschrieben wurde, daß der Verfassungsgerichtshof mit seinen aufhebenden Erkenntnissen politische Entscheidungen gefällt habe – es ist auch heute etwas in diese Richtung angeklungen –, insbesondere bei der jüngsten Aufhebung bei den Bestimmungen über die Familienbesteuerung, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, folgendes fragen:

Werfen Sie mit der Bewertung der betreffenden Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse als politisch motiviert – falls Sie eine solche Bewertung tatsächlich getroffen haben sollten – dem Höchstgericht eine ideologisch voreingenommene, also unsachliche Entscheidungspraxis und damit letztlich die Überschreitung seiner Aufgaben vor, oder räumen Sie doch ein, daß es Ihren Legisten offenbar nicht primär darum zu tun war oder nicht immer gelungen ist, mit den von Ihnen entworfenen Steuergesetzen den normativen Vorgaben der Bundesverfassung, ihren tragenden Grundsätzen und der bekannten verfassungsgerichtlichen Judikatur gebührend Rechnung zu tragen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Welch Politiker wäre ich, wenn ich Ihrer These, daß politische Entscheidungen unsachlich sind, Folge leisten würde? – Jede Entscheidung ist eine politische Entscheidung. So ist auch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes politisch, wobei ich den Begriff "Politik" dabei überhaupt nicht bewerte, sondern als einen Begriff an sich feststelle.

Ich habe in der Öffentlichkeit gesagt, daß nach meiner subjektiven Einstellung Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in zunehmendem Maße politisch sind und daß es daher legitim ist, durchaus auch Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes – ich habe schon gesagt, daß ich den Erkenntnissen selbstverständlich nachkommen muß – öffentlich politisch zu diskutieren. Ich halte das für einen positiven und für keinen negativen Ansatz, weil Politik an und für sich nach meiner Auffassung etwas Positives ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 872/M, des Herrn Bundesrates Johann Kraml an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

872/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Umsatzsteuerschwund in den Griff zu bekommen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe bereits bei einer anderen Anfrage darauf hingewiesen, daß es Steuern gibt, die so strukturiert sind, daß sie in manchen Bereichen einer größeren Vergeßlichkeit anheimfallen können. Die Umsatzsteuer gehört dazu. Ich wiederhole, was ich zuerst gesagt habe: Auch der Europäische Rechnungshof hat befunden, daß etwa 1 Prozent des Bruttosozialproduktes der Europäischen Union zu wenig an Umsatzsteuer abgeführt wird. Wir haben daher Maßnahmen einer verstärkten Kontrolle, einer Risikoanalyse konzipiert und umgesetzt.

Ich gehe davon aus, daß wir bereits im Vollzug des Budgets 1998 erfolgreich sein werden. Die ersten drei Monate – diese verstärkte Kontrolltätigkeit ist mit September eingesetzt worden – im Umsatzsteueraufkommen in diesem Jahr zeigen in diese Richtung und haben auch zu etwas verzerrten Darstellungen in der Öffentlichkeit geführt. Manche Medien haben es so dargestellt, als ob das überraschend wäre. Ich bin im Parlament in der ersten Lesung von einem sehr


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite