Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 157

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hilfe erst nach 48 Stunden gewähren, so kann sich Kollege Liechtenstein für die ersten 48 Stunden möglicherweise den Anwalt leisten, aber ein finanziell schlechter Gestellter nicht. Letzterer bekommt die Verfahrenshilfe erst, wenn die zweiten 48 Stunden be­ginnen.

Damit komme ich jetzt zu einem Punkt, der mich, der in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit sehr viel damit zu tun hat, zu der Überzeugung gebracht hat: dass man diesen Punkt in so einem Jahrhundertwerk nicht geändert hat, ist einfach eine Schande! Wir beschlie­ßen heute ein Gesetz, mit dem Menschen 96 Stunden angehalten werden können – 48 Stunden bei der Polizei, 48 Stunden bei Gericht. Erst nach 96 Stunden – und 96 Stunden sind eine lange Zeit! – muss letztlich über die U-Haft entschieden werden.

Das ist zu lange und das ist nicht europäischer Standard. Auch wenn ich konzediere, Herr Minister, dass die Trennung von 48 zu 48 in wenigen europäischen Ländern so ist, so sind 96 Stunden dennoch zu lange. Es wäre schön und ein fortschrittliches Gesetz gewesen, wenn dies nicht so wäre. Herr Miklau hat im Ausschuss gesagt, dass Frankreich eine ähnliche 48/48-Regelung einzuführen gedenkt, aber momentan – und das muss man schon sagen – sind wir, was diese 48/48-Regelung betrifft, europäi­sches Schlusslicht.

Die Europäische Menschenrechtskonvention sieht vor, dass, wenn jemand in Haft genommen wird, diese Entscheidung unmittelbar zu erfolgen hat. Zwei Mal 48 Stunden sind dagegen ein eklatanter Rückschritt hinter die Menschenrechtskonvention.

Herr Minister! In diesem Sinne werden wir heute diesem Gesetz – und das ist ja nicht überraschend – unsere Zustimmung nicht geben, hoffen aber, dass wir in Parteienver­handlungen bis zum In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bei dem einen oder anderen – ich habe jetzt gar nicht von der Blutabnahme gesprochen, ich habe gar nicht vom Lock­spitzel gesprochen, das sind die kleineren „Fische“ – dieser vier großen Punkte, die ich aufgezeigt habe, insbesondere auch in der 96-Stunden-Frage noch zu Gesprächen und Lösungen kommen und dieses Gesetz mit einer Novellierung noch vor seinem In-Kraft-Treten so verbessern, dass alle vier Parteien in diesem Land sagen: Ja, wir stehen alle zusammen zu diesem Jahrhundertgesetz! – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.09

 


Präsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Böhm das Wort. – Bitte.

 


19.09

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Die heute zu beschließende Strafprozessreform setzt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg der Justizpolitik. Jahrelang ist diese zeitgemäße Reform an widrigen tagespoli­tischen Umständen gescheitert. Umso mehr freut es mich, dass der Bundesminister der gegenwärtigen Bundesregierung den Durchbruch für sie erzielt hat, dient doch dieses größte Justizvorhaben der letzten Jahrzehnte der Erneuerung eines für einen modernen Rechtsstaat so zentralen wie auch sensiblen Rechtsgebietes, die damit end­lich geglückt ist.

Es ist den Referenten und hohen leitenden Beamten des Justizministeriums für ihre hervorragende legistische Arbeit Dank zu sagen.

Ich teile übrigens die von meiner sehr geschätzten Frau Kollegin Dr. Hlavac und vom gleichfalls geschätzten Herrn Kollegen Schennach angesprochenen verfassungsrecht­lichen Bedenken nicht, räume allerdings ein, dass die Sache tatsächlich auch unter den Experten umstritten war, wobei mir freilich die Stellungnahme Mayers eher thesen-


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