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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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778. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

Montag, 23. November 2009

 

 


Stenographisches Protokoll

778. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Montag, 23. November 2009

Dauer der Sitzung

Montag, 23. November 2009: 14.04 – 19.33 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremden­polizei­ge­setz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeordnung 1994 geändert wird

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Postmarktgesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Angelobung des Bundesrates Mag. Michael Hammer ............................................... 5

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungs­gesetz betreffend Nominierung von Herrn Bundesminister Dr. Johannes Hahn für die Funktion eines Mitgliedes der Europäischen Kommission .............................................................................................. 6

Schreiben des Bundeskanzlers gemäß Artikel 23c Abs. 5 Bundes-Verfas­sungsgesetz betreffend Nominierung der österreichischen Mitglieder und stellver­tretenden Mitglieder in den Ausschuss der Regionen ................................................................................................................................. 6

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) der Geschäftsordnung des Bundesrates ............................................... 9

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 5


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 2

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ...........................................................  8, 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 8

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 5

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend die aktu­elle Situation an Österreichs Universitäten (2729/J-BR/2009) ........................................................................................................................ 37

Begründung: Monika Mühlwerth .................................................................................. 37

Bundesminister Dr. Johannes Hahn ......................................................................... 41

Debatte:

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 46

Dr. Andreas Schnider ............................................................................................. ..... 48

Reinhard Todt ......................................................................................................... ..... 52

Cornelia Michalke ................................................................................................... ..... 54

Elisabeth Grimling .................................................................................................. ..... 56

MMag. Barbara Eibinger ........................................................................................ ..... 58

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 60

Bundesminister Dr. Johannes Hahn .................................................................... ..... 61

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebührengesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungs­ge­setz 2009 – FrÄG 2009) (330 d.B. und 387 d.B. sowie 8200/BR d.B.) ..................... 10

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................... 10

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (388 d.B. sowie 8201/BR d.B.) ........... 10

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................... 10

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .............................................................................................................. ..... 11

Franz Perhab ........................................................................................................... ..... 12

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 14

Josef Kalina ............................................................................................................. ..... 17

Peter Zwanziger ...................................................................................................... ..... 21

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 22


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 3

Anneliese Junker .......................................................................................................... 24

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 25

Mag. Gerald Klug .................................................................................................... ..... 26

Christoph Kainz ...................................................................................................... ..... 28

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 31

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 1, gegen den vorlie­gen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 32

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 32

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewer­beordnung 1994 geändert wird (331 d.B. und 389 d.B. sowie 8202/BR d.B.) ................................................................................................................. 32

Berichterstatter: Kurt Strohmayer-Dangl .................................................................... 32

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ........................................................................................... ..... 33

Günther Köberl ....................................................................................................... ..... 35

Ewald Lindinger ...................................................................................................... ..... 36

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 37

4. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Postmarktgesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird (319 d.B. und 459 d.B. sowie 8203/BR d.B.) ................................................................................................................. 64

Berichterstatter: Josef Kalina ....................................................................................... 64

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth .................................................................................................. ..... 65

Albrecht Konecny ................................................................................................... ..... 67

Stefan Schennach ................................................................................................... ..... 69

Georg Keuschnigg ................................................................................................. ..... 71

Peter Mitterer .......................................................................................................... ..... 73

Bundesministerin Doris Bures ............................................................................. ..... 74

Wolfgang Sodl ......................................................................................................... ..... 79

Stefan Zangerl ......................................................................................................... ..... 82

Franz Wenger .......................................................................................................... ..... 84

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 85

Manfred Gruber ...................................................................................................... ..... 86

Friedrich Hensler .................................................................................................... ..... 88

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 89

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 4

Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Dienstpflichtverletzung eines Polizeibeamten vom Stadtpolizeikommando Schwechat (2727/J-BR/09)

Johann Ertl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Fremde ohne Aufenthaltsrecht (2728/J-BR/09)

Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bun­des­minister für Wissenschaft und Forschung betreffend die aktuelle Situation an Österreichs Universitäten (2729/J-BR/09)

Christoph Kainz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend „Alte Schlosserei“ auf dem Areal des österreichischen Bundesheeres in Blumau-Neurißhof (2730/J-BR/09)


14.04.37


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 14.04 Uhr

 


Präsident Erwin Preiner: Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich eröffne hiermit die 778. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 777. Sitzung des Bundesrates vom 5. November 2009 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet sind die Mitglieder des Bundesrates Ana Blatnik, Dr. Magnus Brunner, Efgani Dönmez, Elisabeth Greiderer, Mag. Susanne Neuwirth, Mag. Bettina Rausch und Werner Stadler.

14.05.35Angelobung

 


Präsident Erwin Preiner: Da das bei der letzten Bundesratssitzung verhinderte und wiedergewählte Mitglied des Bundesrates Mag. Hammer heute im Bundesrat anwe­send ist, werde ich nun seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch den Schriftführer wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun den Schriftführer um Verlesung der Gelöbnisformel.

14.05.45

 


Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

14.06.10

 


Bundesrat Mag. Michael Hammer (ÖVP, Oberösterreich): Ich gelobe. (Allgemeiner Beifall.)

 


Präsident Erwin Preiner: Ich begrüße Sie nun sehr herzlich zum wiederholten Male bei uns im Bundesrat.

14.06.50Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Erwin Preiner: Hinsichtlich jener Verhandlungsgegenstände, die gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundes­rates unterliegen, beziehungsweise der Schreiben des Bundeskanzleramtes gemäß Artikel 23c B-VG und der Mitteilung des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Berlakovich am 23. November 2009 und der Bun­desministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Heinisch-Hosek am 22. und 23. November 2009 innerhalb des EU-Raumes verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Beschlüsse des Nationalrates, die gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwir­kungsrecht des Bundesrates unterliegen:

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2009 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2008 (III-87 und 428/NR der Beilagen)

Beschluss des Nationalrates vom 19. November 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2009, das Bundesfinanzgesetz 2010 sowie das Bun-


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 6

desgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2009 bis 2012 und das Bundes­finanzrahmengesetz 2010 bis 2013 erlassen werden, geändert werden (394 und 429/NR der Beilagen)

*****

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierungen gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG:

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

WERNER FAYMANN

BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Erwin PREINER

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3                                                                       Wien, am 5. November 2009

1017 Wien                                                                                                GZ: 405.828/0019-IV/5/2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Unter Hinweis auf Art. 23c Abs. 5 B-VG darf ich Dir mitteilen, dass der Ministerrat entsprechend zuvor stattgefundener Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien, in seiner Sitzung vom 3. November 2009 gemäß Art. 23c Abs. 2 B-VG beschlossen hat, die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt, Herrn Bundesminister Dr. Johannes HAHN für die Funktion eines Mitgliedes der Europäischen Kommission für deren kom­mende Amtsperiode zu nominieren.

Mit freundlichen Grüßen

*****

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

WERNER FAYMANN

BUNDESKANZLER

An den

Präsidenten des Bundesrates

Herrn Erwin PREINER

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3                                                                         GZ: 405.013/0006-IV/5/2009

1017 Wien                                                                                               Wien, am 6. November 2009

Betrifft: Information über die Nominierung der österreichischen Mitglieder und stell­ver­tretenden Mitglieder zum Ausschuss der Regionen (AdR) gem. Art. 23c Abs. 5 B-VG

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident!

Unter Bezugnahme auf Art. 23c Abs. 5 B-VG informiere ich Dich, dass die Bun­desregierung im Rahmen der 37. Sitzung des Ministerrates am 27. Oktober 2009 die Nominierung der – im nachstehenden Annex aufgelisteten – ordentlichen österreichi­schen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des AdR vorgenommen hat.

Die formale Ernennung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des AdR wird gemäß Art. 263 EGV mit qualifizierter Mehrheit durch den Rat der EU erfolgen. Mit der Ernennung durch den Rat der EU ist bis Dezember 2009 zu rechnen.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 7

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

*****

ANNEX

Vorschlag der Bundesländer für neun Mitglieder und neun stellvertretende Mitglieder des Ausschusses der Regionen:

Nominierung zu Mitgliedern des Ausschusses der Regionen:

Landeshauptmann Hans NIESSL, Eisenstadt

Landeshauptmann Gerhard DÖRFLER, Klagenfurt

Landeshauptmann Dr. Erwin PRÖLL, St. Pölten

Landeshauptmann Dr. Josef PÜHRINGER, Linz

Landeshauptmann a. D. Dr. Franz SCHAUSBERGER, Salzburg

Landeshauptmann Mag. Franz VOVES, Graz

Landtagspräsident DDr. Herwig VAN STAA, Innsbruck

Landeshauptmann Dr. Herbert SAUSGRUBER, Bregenz

Landeshauptmann Dr. Michael HÄUPL, Wien

Gemeinderat Erwin MOHR, Wolfurt

Bundesrat Bürgermeister Johannes PEINSTEINER, Sankt Wolfgang

Bürgermeister Dr. Heinz SCHADEN, Salzburg

Nominierung zu stellv. Mitgliedern des Ausschusses der Regionen:

Landtagspräsident Walter PRIOR, Eisenstadt

Landesrat Dr. Josef MARTINZ, Klagenfurt

Landesrätin Mag. Johanna MIKL-LEITNER, St. Pölten

Landesrat Viktor SIGL, Linz

Landeshauptfrau Mag. Gabriele BURGSTALLER, Salzburg

Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann SCHÜTZENHÖFER, Graz

Landeshauptmann Günther PLATTER, Innsbruck

Landesstatthalter Mag. Markus WALLNER, Bregenz

Landeshauptmann Stellvertreterin Mag. Renate BRAUNER, Wien

Vize-Bürgermeisterin Marianne FÜGL, Traisen

Bürgermeister DI Markus LlNHART, Bregenz

Gemeinderätin Elisabeth VITOUCH, Wien

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 8

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST

An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament                                                                                   Geschäftszahl: 350.200/0179-I/4/09

1017 Wien                                                                                                  Datum: 17. November 2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-lng. Nikolaus BERLAKOVICH am 23. November 2009 in Brüssel aufhalten wird. Seine Angele­genheiten im Bundesrat gemäß Art. 73 Abs. 3 B-VG lässt er an diesem Tag durch Bundesministerin Dr. Maria FEKTER wahrnehmen.

Mit freundlichen Grüßen

*****

BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST

An den

Präsidenten des Bundesrates

Parlament                                                                                  Geschäftszahl: 350.200/0182-I/4/09

1017 Wien                                                                                                  Datum: 20. November 2009

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich die Bun­des­ministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele HEINISCH-HOSEK am 22. und 23. November 2009 in Madrid aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen

*****

 


Präsident Erwin Preiner: Eingelangt sind die Beschlüsse des Nationalrates vom 18. und 19. November 2009 betreffend

ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und weitere Gesetze geändert werden,

eine USG-Novelle 2009,

ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltinformationsgesetz geändert wird,

eine Gesundheits- und Krankenpflegegesetz-Novelle 2009,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstal­ten geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem ein Pyrotechnikgesetz 2010 erlassen und das Sicherheits­polizeigesetz geändert wird, sowie


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 9

ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die polizeiliche Kooperation mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Polizeiamt erlassen sowie das Polizeikooperationsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Konsulargebührengesetz 1992 geändert wird, bezie­hungsweise betreffend

Annex XVIII: Welt-Fremdenverkehrsorganisation zum Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten der Spezialorganisationen der Vereinten Nationen samt Mitteilung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, und

Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexpor­tierenden Länder zur Änderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organi­sation der erdölexportierenden Länder sowie

Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Beglau­bigung; Beitritt der Mongolei; Einspruch durch Österreich, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Registerzählungsgesetz und weitere Gesetze geändert werden,

die den jeweils zuständigen Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen wurden.

Ebenso eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Aus­schussberichte erstattet.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsident Erwin Preiner: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte daher jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Ab­standnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschuss­be­richte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Erwin Preiner: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsich­tige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 1 und 2 unter einem zu verhan­deln.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Präsident Erwin Preiner: Bevor wir nun in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mühl­werth, Schennach, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle Situation an Öster­reichs Universitäten an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Forschung vorliegt.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 10

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung auf 16 Uhr.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

14.10.571. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungs­ge­setz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 – FrÄG 2009) (330 d.B. und 387 d.B. sowie 8200/BR d.B.)

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird (388 d.B. sowie 8201/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Wir gehen daher in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durch­geführt wird.

Ich begrüße zu diesen beiden Tagesordnungspunkten sehr herzlich Frau Bundes­minis­terin für Inneres Dr. Fekter. (Allgemeiner Beifall.)

Berichterstatter zu den Punkten 1 und 2 ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich er­suche um die Berichte.

 


14.11.36

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Gebühren­gesetz 1957, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005, das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009).

Der Bericht liegt Ihnen, geschätzte Damen und Herren, in schriftlicher Form vor. Ich darf daher sogleich zum Antrag kommen.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 11

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am heu­tigen Tage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme weiters zum Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor, und ich komme auch hier gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am heu­tigen Tage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Danke für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. Ich erteile es ihm.

 


14.13.15

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Asylmissbrauch be­zeichnet den Versuch, das Asylrecht in Anspruch zu nehmen, ohne tatsächlich in einer Asyl rechtfertigenden Lage zu sein. Das primäre Ziel dabei ist der legale Aufenthalt im Asyl gewährenden Land. Der Begriff „Asylmissbrauch“ wird insbesondere im Zusam­menhang mit Wirtschaftsflüchtlingen verwendet, die das Aufenthaltsrecht aus wirt­schaftlichen Gründen, zwecks Aufnahme einer Beschäftigung oder auch zwecks Bezugs von Sozialleistungen erlangen wollen.

Asyl missbrauchende Einwanderer geben oft falsche Informationen über ihre Person und ihre Einreisegründe an, um den Status von Asylwerbern zu erlangen und der Ausweisung und der Abschiebung zu entgehen.

Der größte Teil der Asylanträge wird unter dem Gesichtspunkt abgelehnt, dass für das Asylrecht unerhebliche oder unzureichende Gründe für den Antrag angegeben werden, wie Arbeitslosigkeit oder fehlende Perspektiven im eigenen Land.

Eine Ablehnung erfolgt auch bei einer einer ganzen Bevölkerungsgruppe drohenden Gefahr, zum Beispiel Krieg, bei allgemeiner ethnischer Diskriminierung – zum Beispiel im Falle von Roma aus Serbien und dem Kosovo –, wenn nicht ausreichende Verfol­gungsintensität gegeben ist oder Verfolgungswahrscheinlichkeit einfach fehlt.

Aber nicht nur Asylwerber machen falsche Angaben zu ihrer Person, es sind auch Staaten, die durch absichtlich langsames Handeln die Möglichkeit für den Asylwerber herbeiführen, den Erstaufnahmestaat zu verlassen, um in einem anderen Staat mit besseren Asylbedingungen einen Antrag zu stellen. Aus Griechenland und Italien werden immer wieder Asylwerber aufgegriffen, obwohl diese Länder die Erst­aufnahme­länder sind. Sie haben keine EURODAC-Behandlung vorgenommen, und dadurch ist es möglich, in einem anderen als dem EU-Erstaufnahmeland um Asyl anzusuchen.

In diesem weiteren EU-Land, insbesondere Österreich, wird dann die EURODAC-Behandlung durchgeführt. Durch diese EURODAC-Behandlung wird der Asylwerber dann ein österreichischer Asylwerber. Das bedeutet, dass, falls dieser Asylwerber in irgendeinem anderen Land außerhalb von Österreich aufgegriffen wird, er gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens immer nach Österreich zurückgeschoben wird und Österreich sich um diesen Asylwerber kümmern muss.

Obwohl viele Asylwerber aus Griechenland und Italien kommen, muss Österreich durch die EURODAC-Aufnahme auch diese Aufgaben übernehmen. Die EURODAC-Behandlung in Griechenland und Italien dauert, falls diese überhaupt durchgeführt wird, sehr lange, und deshalb flüchten die Asylwerber unbehandelt nach Österreich. Täglich kommen mit Flugzeugen aus Griechenland zwischen fünf und zehn solcher Asylwerber in Schwechat an. Das Verhalten der angeführten Länder, die EURODAC-Behandlung nicht sofort durchzuführen, ist einfach nicht fair gegenüber den restlichen EU-Staaten.

Asyl ja für wirklich Verfolgte, aber nein für Kriminelle und für Asylmissbraucher!


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 12

Asylwerber, deren Asylgrund abgelehnt wird und die nicht abschiebbar sind, erhalten nach den Bestimmungen des niederösterreichischen Grundversorgungsgesetzes auf ewig eine Unterstützung von zirka 740 € monatlich. Das ist mehr, als unsere Min­destpensionisten bekommen!

Abschiebbar sind Asylwerber dann nicht, wenn sie ihre Herkunft verschweigen oder wenn sie in Österreich eine Straftat begehen, die in ihrem Heimatland mit der Todes­strafe bedroht ist (Bundesrat Perhab: Das ist Menschenrecht!), zum Beispiel der Drogenhandel. Eine Abschiebung ist nur mit einem Heimreisezertifikat der zuständigen Heimatbotschaft möglich. Wenn die Heimatbotschaft dieses verweigert, erfolgt keine Abschiebung, und die Asylwerber fallen unter das Grundversorgungsgesetz.

Unsere Gefängnisse sind leider voll mit ausländischen Straftätern. Scheinasylanten beherrschen die Drogenszene in Österreich, und manch karitative Organisation hat mit den vorgetäuschten Asylgründen ein lukratives Geschäft gemacht.

Österreichische Familien werden im Vergleich zu Asylwerberfamilien ungleich behan­delt. Die Schulbedarfshilfe wurde eingestellt mit der Begründung, dass stattdessen die Familien eine 13. Kinderbeihilfe erhalten. Aber Kinder von Fremden, Kinder von Asylwerbern bekommen eine Schulbedarfshilfe von 200 €, und das pro Schuljahr! – Ich möchte aber nicht, dass diese Schulbedarfshilfe für Kinder von Asylwerbern eingestellt wird. Ich möchte eine Gleichstellung mit österreichischen Familien, damit auch die österreichischen Familien diese 200 € an Schulbedarfshilfe erhalten.

Wer kriminell ist, darf für seinen Aufenthalt nicht das Asylrecht als Deckmantel erhal­ten. – Das sind Worte von unserer Frau Bundesminister Fekter. Leider fehlen die notwendigen Taten zu diesen Worten. (Ruf bei der ÖVP: Na bestimmt! Na bestimmt!) Sie, Frau Bundesminister, haben das gesagt, ja. (Bundesministerin Dr. Fekter: ... das Gesetz! Stimmen Sie ihm zu! – Rufe bei der ÖVP: Du brauchst nur zuzustimmen! – Da ist ein Widerspruch!)

Meine Damen und Herren, es sollte uns zu denken geben, dass mit einer solchen Reform, mit so einer Novellierung, die eigentlich nichts anderes als ein Reförmchen ist, eine Mini-Novellierung, kein Staat zu machen ist, um das Übel an der Wurzel bekämp­fen zu können.

Ich kann nur wiederholen: Asyl – ja für wirklich Verfolgte und nein bei Kriminellen und bei Missbrauch. Wir stimmen daher diesem Gesetz nicht zu. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Kainz: Das verstehe ich jetzt aber nicht!)

14.20


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm.

 


14.20.12

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja nicht das erste Mal, dass der Kollege Ertl hier ans Podium tritt und hier seine ganz eigenartigen per­sönlichen Ansichten vertritt. (Ruf bei der ÖVP: Das war nicht persönlich!)

Was mir auffällt heute hier im Bundesrat, ist, dass diese Allianz der vereinigten Oppo­sitionsparteien, die sich im Nationalrat gebildet hat, heute, glaube ich, im Bundesrat zu diesem Tagesordnungspunkt so nicht ganz halten wird. Ich hoffe schon, dass die Grünen, Herr Fraktionsvorsitzender Schennach, doch ein bisschen einen anderen Zugang zu dieser Gesetzesnovelle haben. Ich denke, dass wir als Österreichische Volkspartei hier wieder den richtigen Weg beschreiten, indem wir in der Mitte von Rechts und Links eine Gesetzesnovelle gemeinsam in der Regierung beschließen werden. Und es zeigen ja eigentlich schon die Wortmeldungen, dass wir hier wieder


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einmal am richtigen Weg sind, nämlich so viel Gesetz wie nötig und so viel Mensch­lichkeit wie nur möglich.

Ich glaube, das kann man nicht oft genug betonen. Und ich denke, die Volkspartei wie die Regierung insgesamt handelt hier international richtig, sodass wir heute guten Gewissens diesem Gesetzesbeschluss zustimmen können. Ich möchte aber vielleicht doch auf einige Punkte noch zurückkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ, ich als Steirer erlebe gerade mit, welche Agitation Sie in der Steiermark, in Leoben, in Bezug auf ein mögliches Schubhaftzentrum aufführen. Also ich frage Sie: Wo bleibt Ihre Konsequenz? Auf der einen Seite sind unsere Maßnahmen, die wir heute beschließen, alle zu seicht, zu wenig umfassend. Und dann plant die Ministerin ein Schubhaftzentrum im Süden Österreichs oder zumindest in der Mitte Österreichs, würde ich sagen, wofür sich sowieso keine freiwilligen Gemeinden finden, und dann gibt es einen mutigen Bürger­meister in der Steiermark, den Bürgermeister der Gemeinde Vordernberg, einer schwer von Abwanderung, von Dislokation, von Industrieabwanderung betroffenen Gemeinde, der sich nach einer Volksbefragung in seiner Gemeinde bereit erklärt, dieses Schub­haftzentrum erbauen zu lassen. Ich kann ihm nur gratulieren.

Ich gratuliere ihm zu seinem Mut, den der Leobener Bürgermeister, Frau Kollegin Hladny, leider nicht hat, obwohl er am Zenith seiner Macht steht, ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit, und in sonstigen wirtschaftlichen Fragen durchaus konstruktiv ist. Hier hat er Angst vor seiner eigenen Courage bekommen. Noch dazu, wo in Leoben ein nigelnagelneues Justizzentrum steht, das alle Stückeln spielt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Da wird ein neues Justizzentrum Leoben mit allen Gerichten gebaut, und dann ist es nicht möglich, ein Zusatzmodul hinzuzubauen, ein Schubhaftzentrum, weil ein paar populistische Vertreter im Gemeinderat wie FPÖ und Sonstige einen Wirbel entfachen in der Stadt Leoben und in der Region, der nicht nachvollziehbar ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nur eine dieser Widersprüch­lich­keiten, mit denen wir in dieser Frage, dieser sensiblen Frage immer wieder zu tun haben. Aber ich bin da auch gleich bei den Grünen. Es sind einige Maßnahmen drin­nen, Kollege Schennach, die Ihnen sicher nicht gefallen werden: Persönlichkeits­fest­stellung, Identitätsfeststellung, Altersfeststellung und so weiter. Ich möchte Sie nur erinnern an Ihre Rednerin im Nationalrat, an die Frau Abgeordnete Korun. Wenn man diese ihre Reden nachverfolgt, dann glaubt man, man befindet sich in einem anderen Land. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Du kannst nichts dafür, was deine Kollegin im Nationalrat sagt. Ich kann auch nichts dafür, was meine Kollegen im Nationalrat sagen, das gestehe ich durchaus zu. (Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) Wir werden uns dann verständigen. Du bist ja dann nach mir am Wort. Was die Frau Kollegin Korun im Nationalrat gesagt hat, ist natürlich genauso falsch wie das, was die FPÖ-Redner gesagt haben.

Ich erinnere nur an das Beispiel des indischen Bürgers, der in der Justizanstalt Josef­stadt, glaube ich, auf Grund seines Hungerstreiks gestorben ist. Der hat angegeben, er ist 17 Jahre. Die DNA-Analyse beziehungsweise die Obduktion hat ergeben, dass er 33 Jahre alt war. Er hat angegeben, dass er 17 ist, nur damit er unter die Schutz­bestimmungen von Minderjährigen fällt. Also hier haben wir ein klares Beispiel von Missbrauch dieses Asylrechts. (Bundesrätin Mühlwerth: Leider ist das nur eine Kann-Bestimmung und keine Muss-Bestimmung!) Daher ist die konsequente Haltung unserer Ministerin, glaube ich, mehr als angebracht und im Sinne der Mehrheit der öster­reichi­schen Bevölkerung.


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Ich darf jetzt noch einige Punkte erwähnen, hat doch schon im Ausschuss der Kollege Schennach die Gebietsbeschränkung angesprochen. Es ist, glaube ich, notwendig, dass man diese ausdehnt von 20 Tagen auf die Zeit, solange das Verfahren beim Bundesasylsenat läuft. Das ist doch eine ganz logische Sache, und niemand wird daran gehindert, dass er nach Wien fährt, sich einen Anwalt nimmt oder sonstige rechtliche Dinge, die ihm zustehen, in Anspruch nimmt. Ganz im Gegenteil.

Das fragen mich die Bürger und Bürgerinnen des Landes oft auch bei meinen Auftritten bei diversen Veranstaltungen: Wie gibt es das, dass sich die Familie Zogaj in Öster­reich 10 Jahre einen Rechtsanwalt leisten kann? Nicht einmal ein Normalsterblicher, gut verdienender Österreicher kann sich 10 Jahre eine Anwaltschaft leisten – der ist ja schon nach zwei Jahren pleite bei diesen Honoraren, die teilweise verlangt werden. Das verstehe ich nicht, wie das überhaupt möglich ist, sagen mir die Bürger.

Diese Fragen gehören natürlich beantwortet und sind bei allen humanitären Ansichten und Grundprinzipien, die wir natürlich haben, logisch. Recht muss Recht bleiben. Und auch für die Familie Zogaj, so hart das klingt, ist dieser Rechtsstaat schlagend. Noch dazu, wo es ja noch immer die Möglichkeit gibt für die Familie Zogaj, auf legalem Weg später nach Österreich zu kommen. Warum nicht? Im Zuge einer Arbeitsbewilligung, im Zuge einer Saisonierarbeit. Nach fünf Jahren kann man den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft stellen. Also das Verfahren ist ja nach wie vor offen. Wenn sie Österreich als ihre zweite oder neue Heimat betrachten, dann müssen sie den Weg gehen, den auch andere bosnische Staatsbürger oder andere Bürger aus Drittstaaten gehen. Das ist für mich ein ganz normaler Vorgang.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt natürlich dieser Ge­setzesnovelle zu, auch mit der Hoffnung, wieder einen weiteren Schritt getan zu haben, um mehr Gerechtigkeit in das Asylrecht zu bringen und um mehr Sicherheit für unsere österreichische Bevölkerung zu schaffen. Auf diesem Weg, glaube ich, kann ich der Frau Ministerin nur gratulieren und fordere sie auf, weiter so zu handeln. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.27


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


14.27.39

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Kollege Perhab! Die allgemeine Erleuchtung und die Weisheit kommen an sich zu Pfingsten – das ist schon länger vorbei. Vielleicht wissen Sie auch nicht, dass sich dieses Pfingsten ausdrückt in einer Taube und nicht in einem Geier. Und ich glaube auch nicht, dass diese weiße Taube nur das schwarze Lager sucht, wo offensichtlich die gesamte Weisheit und die wahre Erkenntnis des richtigen Weges zu sein scheint.

Ich hätte den Fall Zogaj heute nicht angesprochen, die ÖVP spricht ihn ihrerseits an. Jetzt kann man diesen Fall so oder so ansprechen, aber eines verstehe ich nicht, ganz nüchtern: Ein Staat bildet junge Menschen aus, lässt sich das wahnsinnig viel kosten. Die gesamte Schulausbildung dieser Arigona hat Österreich bezahlt. Und die will nur eines: sie will Friseurin werden. Sie spricht Deutsch und ist integriert, wie andere, die wir zu integrieren haben, sich das gar nicht vorstellen können. Wenn man die Inter­views gehört oder gelesen hat, ist sie des Oberösterreichischen zumindest mächtiger als ich als Tiroler, der Oberösterreichisch nicht kann. Aber die Frau Bundesminister wird sie wahrscheinlich verstehen.


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Das heißt: Was leisten wir uns hier für einen volkswirtschaftlichen Nonsens, indem wir junge Menschen ausbilden, die auch einen Arbeitsplatz hätten, und dann abweisen? Ganz zu schweigen von der Frage, wie wir hier leichtfertig mit dem Leben eines ganz jungen Menschen umgehen, der eigentlich nichts anderes bekommt als die kalte Schul­ter. Denn wenn wir sie zurückweisen, dann ist sie eine Sekundäranalphabetin. Sie kann in dieser Sprache jenes Landes weder schreiben noch lesen, denn Österreich hat sie ja in dieser Sprache nicht ausgebildet. Sie ist hier ausgebildet worden, um berufstätig zu sein. Aber dort, wohin sie abgeschoben wird, hat sie den Status einer Sekundäranalphabetin. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Wenn das alles in Ordnung ist, okay. Ich freue mich, dass das für Sie alles in Ordnung ist, nur vom Heiligen Geist, der beim Herrn Perhab zu Hause wohnt, weiß ich nicht, ob der das so in Ordnung findet. (Heiterkeit. – Bundesrat Dr. Kühnel: Wir freuen uns, dass er dort wohnt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist dann aber eher ein Lämmergeier oder so. Wir werden das ja sehen. (Bundesrat Dr. Kühnel: ...! Das ist despektierlich!) Nein, diesem Vogel, der bei Perhab wohnt (Heiterkeit), dem spreche ich die Heilige-Geist-Funktion ab. Insofern kann das ein Lämmergeier sein. (Bundesrat Konecny: Habt ihr alle einen Vogel?) Ja. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.)

Frau Bundesministerin, ich habe Sie ja eigentlich als Volksanwältin immer sehr tatkräf­tig, kämpferisch, sehr auf der Seite jener erlebt, denen Unrecht geschehen ist, durch die Verwaltung, durch Gesetzeslücken, denen durch Hoheitsverwaltung vermeintlich oder tatsächlich Unrecht geschehen ist. Sie arbeiten an Ihrer Marke. Ich muss das zur Kenntnis nehmen. Aber ein Ziel kann nicht sein – oder vielleicht wird das der nächste Kollege von der SPÖ erklären, ob jetzt das Ziel eine Art Burma ist. Beim Kollegen Ertl denke ich, Burma ist irgendwie ein interessantes Ziel: Rollläden herunter, und zu glauben, als Burma mitten in Europa zu überleben, das macht Sinn.

Ich habe mir ja nicht gedacht, Frau Bundesminister, dass diese Spirale noch ein bisschen und noch ein bisschen zugedreht werden kann – und jetzt mit eurer (in Richtung SPÖ) Steigbügelhalterei. Wie sehr haben wir noch gemeinsam, sogar mit Veto, zum Beispiel gekämpft beim damaligen Inkrafttreten des Staatsbürgerschafts­gesetzes und haben einigen Staatsbürgerschaftsstellen zumindest jene Luft gegeben, um das in einer doch noch liberaleren Weise abzuarbeiten?!

Was wir jetzt hier vorliegen haben, das widerspricht in unterschiedlichen Teilen, nicht total, weil ich bin kein Schwarzweißmaler, aber in unterschiedlichen Teilen und in unter­schiedlichen Bestimmungen, zum Beispiel der höchstgerichtlichen Recht­sprechung in Österreich, dem Europarecht, der Europäischen Menschenrechtskon­vention – in unterschiedlichen Teilen, nicht in allem. Ich bin nie einer, der nur schwarz­weiß sieht, sondern da gibt es auch sehr sinnvolle Bestimmungen, aber es gibt auch ganz heikle Dinge drinnen.

Gehen wir noch einen Schritt zurück. Es haben sich ja sehr, sehr viele an der Begut­achtung beteiligt. Man kann ein Ministerium führen, indem man in einen Dialog eintritt, oder man kann sagen, alles, was uns zugetragen wird, ist Wurscht, wir wissen es besser. Zum Beispiel die ganzen Experten, die Stellungnahmen der unterschiedlichen Institutionen, der Arbeiterkammer zum Beispiel, der Rechtsanwaltskammer, des eige­nen Menschenrechtsbeirates – alles im Grunde ignoriert. Selbst die Stellungnah­men des Rechnungshofes und des Finanzministeriums über die Kosten.

Haben Sie sich schon einmal überlegt, welche Kosten heute hier mit beschlossen werden? – Die Opposition, aus unterschiedlichen Gründen, Herr Kollege Ertl, kann sagen, dass wir heute darauf hingewiesen haben. Nehmen wir zum Beispiel die aus­gedehnten Schubhaften her: Da steht drinnen, bei einem Folgeantrag ist Schubhaft anzuordnen. Wenn man das jetzt auf die Dublin-Fälle umrechnet, 331 Dublin-Fälle,


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dann macht das 2008 pro Tag 33 100 € aus. Wenn man dann die Folgeanträge, das sind 789, dazunimmt, sind es 78 900 €. Das heißt, das, was wir hier heute be­schließen, diese Ausdehnung der Schubhaft, macht 112 000 € pro Tag aus. Das wird heute hier mit beschlossen.

Aber die Spirale dreht sich ja weiter und dreht sich weiter. Zum Beispiel die Verfah­rensbeschleunigungen. Auch bei Bagatelldelikten. Da stellt man sich dann die Frage: Ist die Wurstsemmel tatsächlich verhältnismäßig? Oder: die automatische Aufhebung des Abschiebeschutzes. Oder: Rechtsstaatliche Defizite, wie zum Beispiel die amts­wegige Überprüfung der Aufhebung durch den Asylgerichtshof, bleiben.

Das, was der Kollege Perhab so wunderbar gemalt hat – ich halte das für bedenklich, die Gebietsbeschränkung während des Verfahrens in der ersten Instanz. Das ist eine Einschränkung der Möglichkeit, sich zu beraten.

Oder: die Ärztekammer. Sie können sagen, ich kenne mich nicht aus, ich berufe mich hier nur auf die Ärztekammer. Wenn die Ärztekammer sagt, es sei Nonsens, das Alter durch Röntgen festzustellen, dann muss ich sagen, das ist immerhin die Ärztekammer! Die Kurpfuscher können das vielleicht auch. Ich weiß nicht, woher Sie diese Sicherheit nehmen, dass das, was Sie hier im Gesetz festschreiben, das Richtige ist.

Oder: Niederlassung. Wenn man schon sagt, man will Kinderehen bekämpfen, dann ist das okay, aber dann bitte mit demselben Alter festlegen! Wenn eine Familien­ange­hörig­keitsgemeinschaft bei Ehegatten plötzlich mit 21 hier festgehalten wird: Also wir haben immer noch Volljährigkeit mit 18. Wenn jemand 19 ist und heiratet, dann ist es keine Kinderehe, dann ist es eine Ehe von normalen Erwachsenen.

Oder: die Haftungsübernahmeerklärung, die auf eine einzige Person beschränkt wird. Okay, man kann sagen, wir wollen mit aller Macht das Ziel Richtung Burma beschrei­ten und reduzieren, reduzieren, reduzieren. Nur wir sind keine Insel à la Burma, sondern wir sind ein Land ... (Bundesrat Konecny: Burma ist auch keine Insel!) – Im Sinne der Abschottung einer Insel, Herr Kollege Konecny! Dass Burma mitten im Hochland liegt, wissen wir beide bestens. – Aber ein Herr Kreisky, ein Herr Chargaff oder der, der erst jetzt unlängst in New York geehrt wurde, aus der Truppe der Edelweiß-Formation, das wären alles Menschen gewesen, hätten andere Länder nicht damals großzügig Asyl gewährt, Montreal, Uruguay, Shanghai, um nur wenige zu nennen, die das nicht überlebt hätten, was es bei uns selbst an Verfolgung gegeben hat.

Herr Kollege Ertl, das Wort „Asyl“ ist nicht mit kriminell zu verwechseln, das Wort „Asyl“ ist nicht mit Missbrauch zu verwechseln. (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er auch nicht gesagt!) Er hat es nicht gesagt, aber ich höre immer, es schwingt so ein Grundton mit. Mir kommt es immer ein bisschen so vor ... (Bundesrätin Mühlwerth: Weil du es so hören willst!) Nein, ich höre das nicht. Ich habe immer das Gefühl, auch bei euch, Herr Kollege Mayer, man spielt immer ein bisschen den Brandstifter und schreit dann nach der Feuerwehr, weil die Menschen das gar nicht anders wollen.

Wenn man jetzt den Drogenhandel hernimmt: Hinter jedem kleinen Drogenhändler steht auf jeden Fall ein weißer Verdiener. Eines ist klar: Wenn ich Menschen, die hier Asyl suchen, denen jetzt auch noch Österreich das beeinsprucht hat, den Zugang zum Arbeitsmarkt so weit hinausschiebe, dann darf ich mich nicht wundern, wenn ich Menschen in die Kriminalität dränge, wenn sie keinen legalen Zugang zum Arbeits­markt haben – oder wenn für eine Asylsuchende, und das wissen Sie ganz genau, Frau Mühlwerth, wo dann eine Kommune zu einer Art Zuhälter wird, die einzige Möglichkeit der Beschäftigung dann die Prostitution ist, weil es ein Gewerbe ist und sie keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat. Das ist ja das Schreckliche, was wir und unsere Gesetze hier auslösen.


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Deshalb, um das Ganze vielleicht ein bisschen zu relativieren und weil gerade auch Wirtschaftskammerwahlen sind: Alle Zahlen deuten darauf hin – jetzt nehmen wir nicht den Bereich Asyl her, sondern den Bereich Migration –, dass ein Drittel aller neuen Jobs von Migranten geschaffen wurden, die bereits zu den stärksten und intensivsten Gründern von neuen Unternehmen zählen. Die Kepler Universität Linz hat ja bewiesen, dass Migranten insgesamt mehr in das System hineinbezahlen, als sie herausbekom­men.

Das heißt, generell ist der Asylsuchende – und da kommt ja immer wieder der oft verwendete und auch hier schon verwendete Begriff „Asylant“ durch; der Asylant sei kriminell und so weiter – jemand, der aus unterschiedlichen Gründen – da kann logischer­weise auch ein Missbrauch dabei sein, überall gibt es solche und solche Menschen – Asyl sucht, aber dass Asylsuchende prinzipiell Täter sind oder Menschen, deren Handlungen das Motiv zugrunde liegt, das System missbrauchen zu wollen, das kann es bitte nicht sein. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind keine ...!)

Die Grundversorgung, die heute hier von diesem Rednerpult aus schon angesprochen worden ist, ist so mangelhaft, dass NGOs und Private einspringen müssen. Und da kommt jetzt das „große Geheimnis“ für den Herrn Perhab: Es ist zum Beispiel die von Ihnen so geschätzte Kirche, die genau hier hilft, zum Beispiel Anwälte zu bezahlen und eine entsprechende Struktur hineinzubekommen, weil das Gläubigenpflicht ist, Herr Kollege Perhab, aber das sollten Sie vielleicht einmal mit Ihrem Pfarrer oder mit Ihrem Beichtvater bereden. (Bundesrat Kneifel: Gläubigenpflicht?! Anwälte zu zahlen ist Gläu­bigenpflicht?!) Nein, die Hilfe (Bundesrat Kneifel: Das geht zu weit!), die Unter­stützung notleidender Menschen, das ist nun einmal bei uns so! (Bundesrat Kneifel: Die Anwälte sind nicht notleidend!) Nein, aber die Menschen, die Rechtsschutz brauchen, sind notleidend, wenn sie das selbst nicht bezahlen können, deshalb tut es die Kirche. Können wir uns darauf verständigen? Aber das ist eine Diskussion, die ihr wahrscheinlich woanders führt.

Was ich zum Schluss noch erwähnen möchte, ist die Aberkennung des Status des Asylberechtigten. Ich denke, das sind Gummiparagraphen, wenn hier wörtlich als Begründung steht: wenn „der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt“. – Das ist nicht weiter spezifiziert, da kann ich alles und nichts vermuten. Das sind Gummiparagraphen, die einfach eines modernen, den Menschenrechten verpflichteten Staates, der von sich aus Integration fördert und nicht inmitten der EU alles Fremde als befremdlich betrachtet, nicht würdig sind.

Wir werden diesem Gesetzespaket unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall der Bun­desrätin Kerschbaum.)

14.43


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Kalina. – Bitte.

 


14.43.23

Bundesrat Josef Kalina (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bedauerlicherweise ist es so, dass diese Debatte schon nach drei Rednern wieder nach demselben Schema verläuft wie viele dieser Debatten zu diesem so wichtigen, so viele Menschen betreffenden Thema. Man hat es bei den Ausführun­gen des Kollegen von der FPÖ gehört, man hört es aber jetzt natürlich genauso bei der Rede von Stefan Schennach von den Grünen.

Dir, Stefan, sei gesagt: Natürlich waren diese Dinge, die da jetzt aufgeführt wurden, Diskussionen im Zuge der Formulierung des Gesetzes – deswegen gab es die Begut­achtung –, aber das meiste von dem, was du hier zitiert hast, zum Beispiel die Beden-


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ken der Arbeiterkammer oder der Kirchen oder anderer, wurde ja deswegen in der Begutachtung gehört und dann aufgegriffen, der Gesetzentwurf wurde dann im Aus­schuss des Nationalrates verändert und letztendlich ist das Gesetz unter Einbeziehung dieser Bedenken so beschlossen worden.

Das heißt, es ist einfach sachlich unrichtig, was hier behauptet wird. Das ist sehr schmerzlich, wenn solche Behauptungen auch vonseiten der Grünen kommen, weil es nur dazu beiträgt, dass die Debatten leider so unsachlich geführt werden. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Mag. Klug: Genau!)

Besonders schmerzlich ist es, wenn dann in einer Nebenbemerkung – ich möchte das in Erinnerung rufen – die Wurstsemmel zitiert wird, die ausreichen sollte – wahrschein­lich war die geklaute Wurstsemmel, die gestohlene Wurstsemmel gemeint –, dass jemand abgeschoben wird und so weiter. (Bundesrat Schennach: ... Wiederholung!)

Dazu möchte ich sagen: Das ist einfach falsch! Es ist sachlich unrichtig, und das ist etwas, wo ich glaube, dass die Grünen genauso wie die Freiheitlichen in dieser Debatte die beiden Seiten der unrühmlichen Medaille der Eskalation spielen. – Es ist nämlich falsch: Um in den Status zu kommen, dass man ausgewiesen wird, muss man Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr ausfassen. Ich möchte von den Grünen gerne wissen: Wer in diesem Land wurde vom Straflandesgericht deswegen zu einem Jahr Arrest verurteilt, weil er irgendwo eine Wurstsemmel entwendet hat?! Wenn man in Österreich von der Strafgerichtsbarkeit zu mehr als einem Jahr Kerker verurteilt wird, muss es Delikte im Bereich der Körperverletzung geben, Delikte, die schwer sind, lieber Kollege Schennach, und das ist nicht Wurstsemmeldiebstahl!  Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.

Dann möchte ich auch noch eine Vorbemerkung machen, weil ja dieser gesamte Fall Zogaj, der ja auch von beiden Seiten kommt, heute wieder so viel in den Medien diskutiert wird. Ich beschäftige mich seit dreißig Jahren – ich war Journalist – mit dem Thema Medien. Das, was mir an dem Fall Zogaj so zu denken gibt und wirklich wehtut, ist, dass man da spürt, dass ein Mädchen von den verschiedensten Gruppen ausschließlich für die eigenen politischen Interessen verwendet wird.

Es wurde von keiner der Seiten – nicht von denen, die formal für sie argumentieren, und auch nicht von denen, die jetzt formal so für Härte eintreten – jemals an die Familie oder an das Schicksal des Mädchens gedacht, sondern jeder hat nur sein mediales, politisches Geschäft betrieben. Ein fünfzehnjähriges Mädchen kommt nicht selber auf die Idee, irgendwo eine Videobotschaft zu verfassen, in der sie schon de facto mit Suizid droht, wie es Arigona Zogaj schon vor Jahren gemacht hat. Da muss ihr jemand helfen, eine solche Botschaft aufzunehmen und sie dann zum Landesstudio Oberösterreich zu bringen. Und so sind beide Seiten gleichermaßen beschäftigt, an einem Fall, an einem Mädchen eine mediale Debatte abzuführen, bei der dann am Schluss als Opfer dieser medialen Umtriebe das Mädchen überbleibt. Das ist das, was mir zu denken gibt, weil ich weiß, wie diese Mediengesellschaft bedauerlicherweise funktioniert – nämlich ohne Rücksicht auf Verluste! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich möchte aber jetzt zum eigentlichen Thema kommen, nämlich zur Ausgangslage, und ich möchte versuchen, politisch zu argumentieren. Zu meinen Vorrednern: Es wurde aus Gesetzestexten zitiert. Die müssen nun einmal so sein. All diese Gesetze sind so, dass sie, wenn man sie einem gewöhnlichen Staatsbürger vorliest, ein bisschen technokratisch, manches Mal sogar unmenschlich klingen, aber dahinter verbirgt sich ja eine politische Absicht, die aus gesundem Menschenverstand formuliert wird – hoffentlich.


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Worum geht es? Es geht bei den vorliegenden Gesetzen auf der einen Seite natürlich um den Schutz vor Verfolgung, hinsichtlich dessen Österreich eine große Tradition zu verteidigen hat – und so wie ich es sehe, nehmen wir diese Aufgabe auch weiterhin durchaus wahr. Man sieht das, wenn man genau schaut, wenn man die Anerken­nungsquoten vergleicht. Für das, was wir für politische Flüchtlinge tun, brauchen wir uns nach wie vor nicht zu verstecken. Wir können auf diese große Tradition bauen und weiterhin darauf stolz sein. Das ist die eine Ausgangslage.

Die zweite Ausgangslage ist die Bekämpfung der Kriminalität, die die Bürger von uns so sehr wollen. Ich erinnere mich noch, es gab auch im Bundesrat eine Enquete, im Zuge derer von den Fachleuten festgestellt wurde, was die verschiedenen Ursachen der Kriminalität sind. Zu den neueren Ursachen gehören – in ganz Europa, aber natür­lich auch in Österreich – die Probleme, die rund um die illegale Zuwanderung geschaf­fen werden. Und da wird eben in Österreich, muss man sagen, seit Jahren, das wissen wir, das Asylrecht von vielen als Deckmantel für illegale Zuwanderung gebraucht – sagen wir, missbraucht.

Das ist meiner Meinung nach ein Faktum. Da braucht man dann nicht furchtbar böse zu sein, wenn man das beim Namen nennt. Das ist ein Faktum, und damit müssen wir uns beschäftigen und beschäftigen wir uns auch in diesen drei Materien heute hier. (Bundesrat Ertl: ... es eh! Dann kannst du ja dagegen stimmen!) Es ist die illegale Zuwanderung eben eine große Ursache von Kriminalität, die die Leute sehr stört.

Das Dritte, wo diese Materie hineinspielt und was eine unserer Aufgaben als Politiker ist, ist einfach, dass wir unseren Arbeitsmarkt in Ordnung halten müssen. Ich meine – und auch das muss man klipp und klar in Richtung der Grünen sagen –, die Basis von Asyl ist die Genfer Flüchtlingskonvention, aber das hat nichts mit den globalen Migra­tionsströmen zu tun, die es gibt, die bedauerlich sind – ich wünsche jedem Einzelnen, dass er ein besseres Leben führen kann –, das kann aber nicht im Kontext des österreichischen Asylrechts vonstatten gehen. Daher ist für diese Fälle das österreichi­sche Ausländerbeschäftigungsgesetz zuständig. Da muss man sich melden, da muss man Anträge stellen, dann kommt man, wenn man die Qualifikation hat, ins Land, aber man kann nicht versuchen, das zu umgehen, indem man Asylanträge stellt. Das hat es in der Vergangenheit aber häufig gegeben, und daher waren die bisherigen Gesetzes­änderungen und ist auch die heutige natürlich politisch richtig, um das zu verhindern.

Kommen wir jetzt zu den Problemen: Was sind denn die Probleme? Ich möchte ver­suchen, das mit gesundem Menschenverstand zu beurteilen. Diese armen Beamten – also „arm“, es ist ihre Aufgabe – müssen ihre Aufgabe erfüllen und werden dann mit komplett falschen Angaben, über was auch immer, konfrontiert: Die Leute sagen nicht, woher sie wirklich kommen; sie sagen nicht, was die wirklichen Gründe für ihr Kommen sind; sie sagen nicht einmal ihr Alter, wie wir festgestellt haben; sie geben ihre wahre Identität nicht preis – wir haben in Salzburg immer wieder Fälle von Mehrfachiden­titäten – und so weiter. – Das ist leider mehr die Regel als die Ausnahme. Das ist ein politisches Problem und dann natürlich auch ein Problem für die Verwaltung. Das ist der eine Aspekt der Ausgangslage.

Der zweite ist diese Lawine an Folgeanträgen. Jetzt haben wir – über den Asylge­richtshof haben wir das letzte Mal im Zuges dessen Berichts diskutiert – schon einen großen Teil der Arbeit positiv erledigt und Verfahren beschleunigt. Trotzdem sieht man dann, dass nach einem wirklich einwandfreien rechtsstaatlichen Verfahren immer mehr Leute wieder und wieder einen Antrag stellen. Das Ganze hat zur Folge, dass man die Leute nicht in ihre Herkunftsländer zurückbringen kann. Das muss man doch politisch zur Kenntnis nehmen, dass das so ist, und dann irgendwelche Schlussfolgerungen daraus ziehen!


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Deshalb, finde ich, sollten sich aber die Grünen – wenn man diese Debatte führt – hinstellen und sagen: Wir sind der Meinung, man soll jeden oder jede, der oder die einen Asylantrag stellt, einfach hier in Österreich lassen. Bitte sagen Sie das der Bevöl­kerung offen!

Aber Sie sollten nicht irgendwelche Geschichten vorschieben, zum Beispiel, dass die Leute gefoltert werden, oder es ist da der Vorwurf gekommen, dass wir die Genfer Flüchtlingskonvention nicht einhalten und die Menschenrechte ignorieren. Das ist alles nicht wahr! Es geht um ein Problem, für das die Leute von uns eine Lösung verlangen. Daher sind diese Maßnahmen aus meiner Sicht vollkommen richtig. Sie wurden nach vielen Debatten, nach vielen Einwänden und mit vielen Änderungen, die letztendlich miteinbezogen wurden – auch von unserer Fraktion wurden viele Änderungen ver­langt –, beschlossen, und jetzt ist ein wasserdichtes, rechtssicheres Verfahren da.

Ich möchte noch kurz darauf zu sprechen kommen, worum es eigentlich geht: Es geht eben genau darum, auch in Zukunft den Schutz von Verfolgten sicherzustellen. Das ist so, und das bleibt so. Aber es geht eben auch darum, die von mir jetzt aufgezählten Gründe und Möglichkeiten des missbräuchlichen Verwendens dieses Asylrechts zu verhindern. Ich glaube, dass wir wieder einen Schritt weitergekommen sind, das auf eine – hoffentlich politisch ruhigere – Basis zu stellen, sodass man sagen kann: Die Behörden, die Politik in Österreich bemühen sich, das sehr sachlich und mit gesundem Menschenverstand zu regeln.

Es ist einfach klug, wenn es viele Leute gibt, die hierherkommen, einen Bart haben und sagen, dass sie erst 15 Jahre alt sind, zu schauen, ob sie wirklich 15 Jahre alt sind oder nicht vielleicht doch älter – weil man sich ja nicht immer anschwindeln lassen kann. Es ist einfach auch klug, dass man, wenn Leute ihr Verfahren hier in Österreich abwarten müssen, Maßnahmen findet, damit sie nicht in die Illegalität untertauchen. Das ist ja keine Schikane, sondern man würde sich ja erwarten, dass jemand, wenn er hierherkommt und Schutz sucht, bei der Behörde dazu beiträgt, alles aufzuklären. Es ist einfach klug, dass man, wenn von zig Fällen berichtet wird, bei denen man die Verwandtschaftsverhältnisse anzweifeln muss oder kann, ein einwandfreies Verfahren wie die DNA-Analyse anwendet, um festzustellen, ob die Betroffenen verwandt sind oder nicht – der Staat kann sich ja nicht dauernd anschwindeln lassen!

Das heißt, dass – aus meiner Sicht – nichts gemacht wird, was unzumutbar wäre, und schon gar nichts, was menschenrechtlich verwerflich wäre, sondern es wird mit Augen­maß versucht, einen offensichtlichen Missstand zu beseitigen.

Abschließend möchte ich etwas sagen, das ich bei diesen Gelegenheiten immer wieder gesagt habe und von dem ich wirklich hoffe, dass wir auch da einen Schritt weiterkommen – gerade wenn wir dieses Fremdenrechtsänderungsgesetz heute hier beschließen: Es ist natürlich mit einem gewissen Anstieg der Schubhaft zu rechnen, wenn wir all diese Maßnahmen setzen. Ich finde das auch in Ordnung, denn es geht ja letztendlich darum, dass jemand, der nach diesen langen rechtsstaatlichen Verfahren eben keinen Anspruch auf Asyl erhält, tunlichst möglichst schnell in sein Heimatland zurückgebracht werden sollte.

Aber, Frau Minister Fekter, da sollte man wirklich schauen, dass diese Menschen – die sich ja in der Tat nichts zuschulden haben kommen lassen – ordentlich behandelt wer­den, dass die Schubhaft nicht mit einer Strafhaft verwechselt wird, sondern dass dort wirklich menschenwürdige Bedingungen herrschen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt, den man, glaube ich, auch immer wieder erwähnen muss, ist, dass wir – der Außenminister, Sie, die gesamte Bundesregierung – wirklich schauen müs­sen, dass wir diese Probleme, die wir bei der Abschiebung von wirklich kriminell gewor­denen Menschen haben – nicht von Wurstsemmeldieben, sondern von Drogenhänd-


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lern und anderen schwer Kriminellen –, lösen. Manchmal können diese nicht in ihre Heimatländer zurückgebracht werden, weil wir keine Abkommen mit diesen Ländern haben, Stichwort Nigeria oder auch andere – zum Beispiel osteuropäische – Länder. Da müssen wir – der Außenminister, die Innenministerin und die gesamte Bundes­regierung – aktiv werden und Abkommen schließen, damit es der Polizei und den Behörden auch möglich wird, diese Leute wieder in ihre Heimatländer zurückzubekom­men – denn es ist auch für mich kein rechtsstaatlich befriedigender Zustand, dass man bei den Leuten, die aus dem Gefängnis herauskommen, bei denen niemand weiß, wo sie hingehören, und die kein Land aufnimmt, letztendlich nichts anderes machen kann, als diese wieder freizulassen. Irgendwo in Wien tauchen diese dann wieder unter. Das ist inakzeptabel, und diesem Problem müssen wir uns als Nächstes stellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.55


Präsident Erwin Preiner: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zwanziger. Bitte.

 


14.55.52

Bundesrat Peter Zwanziger (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Zu sagen, wir brauchen Zuwanderung – noch dazu aus dem Osten oder aus Afrika –, weil unser Land sonst überaltert, das ist sicherlich der verkehrte Weg.

Ja, wie wollen Sie denn mit Asylanten umgehen, die das System schamlos ausnützen? Im Asylbereich geht es nicht um diejenigen, die aus politischen oder religiösen Gründen zu uns kommen, sondern um jene Ausländer, die als Scheinasylanten nach Österreich kommen und die Sozialleistungen unseres Staates ausnützen.

Die Ärmsten der Armen der Ausländer kommen ja meistens ohnehin nicht zu uns, denn die haben nicht einmal das Geld, das sie brauchen würden, um hierherzukommen. Es sind sehr viele dabei, die ganz genau wissen, wie sie unser System ausnützen können und wie sie trotz Diebstahls oder Körperverletzungen nur im Wiederholungsfall abgeschoben werden können.

Tatsache ist, dass man noch vor ein paar Jahren die Haustüre, die Wohnungstüre oder auch die Autotüre wenigstens noch ein bisschen offenlassen konnte. Jetzt fangen die Menschen in Österreich wieder an, sich selbst zu schützen.

Was hat uns die Grenzöffnung wirklich gebracht? Der Menschenhandel boomt, es werden Kurden in Lastwägen nach Österreich geschleust. Ein Teil ist hier, ein Teil in Deutschland oder sonst irgendwo. Was soll man mit diesen Menschenmassen machen? Wir haben für diese Leute ja keine Arbeit, und wenn, dann bräuchten wir qualifizierte Leute, Facharbeiter. Da werden wir wohl unsere eigenen Leute weiter- und ausbilden.

62 Prozent der Österreicher sind davon überzeugt, dass der Wegfall der Grenzkon­trollen an der Ostgrenze und die damit verbundene Reisefreiheit schuld an der steigen­den Kriminalität sind. Der Täter kommt nach Österreich, macht seinen Einbruch und ist nach ein paar Stunden wieder in seiner Heimat in Sicherheit – derjenige ist nämlich dann in Sicherheit!

Es besteht ja die Möglichkeit, Grenzkontrollen einzuführen, wenn die öffentliche Ord­nung oder die nationale Sicherheit dies erfordern. (Bundesrat Kainz: Themen­ver­fehlung! Ihr Rede wäre einklagbar! Das ist ja vollkommen falsch!) Die Grenzen gehören ordentlich kontrolliert, und das nicht hin und wieder, sondern eigentlich jeden Tag. Das ist eine Forderung, die wir Freiheitlichen vom BZÖ schon sehr lange stellen, auch die FPÖ fordert das ja schon sehr lange. (Rufe bei ÖVP und FPÖ: Die „Freiheitlichen vom


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BZÖ“?! – Heiterkeit. – Bundesrat Dr. Kühnel: Wo sind Sie jetzt? Bundesrat Mag. Klug: Das war jetzt für uns nichts Neues!) Die Freiheitlichen in Kärnten! (Unruhe im Saal.) – Ja, das ist so eingetragen in Kärnten. Beruhigt euch wieder! (Heiterkeit des Redners. Anhaltende Zwischenrufe.)

Zum Schluss möchte ich Ihnen noch sagen: Schützen wir unsere Heimat Österreich vor ausländischen Kriminellen, damit sich unsere Landsleute – auch wenn Sie lachen! – wieder sicher fühlen. – Danke. (Beifall des Bundesrates Mitterer. Bundesrat Perhab: Schöne Grüße an die Freiheitlichen!)

14.59


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Fekter. – Bitte.

 


14.59.33

Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Schennach – jetzt ist er zwar nicht da – hat ausgeführt, dass es volkswirtschaftlich nicht klug ist, für Personen, die nicht hier bleiben können, viele Kosten aufzuwenden.

Wenn man sich vor Augen führt, dass die österreichischen Asylbehörden heuer 16 Prozent der Asylverfahren positiv erledigt haben, aber beim Rest, nämlich bei über 12 100 Fällen, keine Asylgründe vorlagen, dann sieht man, dass genau dies geschieht: Für 84 Prozent der Antragsteller haben wir viel Geld aufgewendet, und das, damit Personen unser System missbrauchen, die nicht hierbleiben dürfen. Daher ist diese Gesetzesnovelle dringend notwendig – damit wir den Missbrauch eindämmen und die Verfahren für jene abwickeln, die wirklich Hilfe brauchen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Klug und Zangerl.)

Es gibt einen zweiten Grund, warum wir das Gesetz strenger gemacht haben, um Missbrauch vorzubeugen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn es uns nämlich nicht gelingt, die Personen, die zu uns hereingeschleppt werden, in absehbar kurzer Zeit in ihr Herkunftsland zurückzubringen, dann halten wir den Schleppermarkt nach wie vor aufrecht und dieser bleibt attraktiv – und ich will nicht Handlangerin der Schlepper sein! Es ist gerechtfertigt, dass wir kein attraktives Schlepperland sind – daher dieses Gesetz. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

Bedauerlicherweise hat sich in den vergangenen Jahren im Asylbereich, im Ver­gleichszeitraum 2000 bis heute, eine wirklich signifikante Trendwende hin zum Miss­brauch ergeben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben heuer – also von Jänner bis Ende Oktober – bereits 4 329 nicht zugelassene Asylanträge.

Das ist eine Steigerung von 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wir haben beispiels­weise im selben Zeitraum, also von Jänner bis Ende Oktober, 1 306 nicht zugelassene Folgeanträge – auch das ist eine Steigerung, und zwar von 99 Prozent. Daraus kann man erkennen: Wir haben im Hinblick auf unzulässige Anträge eine extreme Steige­rungskurve, und daher ist es gerechtfertigt, dass man Maßnahmen setzt, einerseits in der Legistik – und da bedanke ich mich beim Hohen Haus –, aber andererseits auch im Vollzug, um diese Missbräuche abzustellen.

Missbrauch passiert auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Einerseits, wie schon von Vorrednern erwähnt, wird bei den Behörden – das beginnt bei der Polizei und setzt sich dann bei den Asylbehörden fort – auf unterschiedliche Art und Weise Identitäts­verschleierung betrieben: keine Dokumente, gefälschte Dokumente, falsche Angaben über das eigene Alter.

Plötzlich haben wir einen rapiden Anstieg von unbegleiteten Minderjährigen. Wir sind ein humanes Land, und wir helfen unbegleiteten Minderjährigen besonders, wenn sie


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tatsächlich minderjährig sind. Aber wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein sehr großer Teil dieser Personen, die behaupten, minderjährig zu sein, gar nicht min­der­jährig sind. Es ist State of the Art, dass in allen anderen europäischen Ländern die Röntgenuntersuchung der Handwurzel und Röntgenuntersuchungen des Schulterbe­reiches durchgeführt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei uns bekommt jeder Asylwerber eine Röntgenuntersuchung, nämlich bezüglich Tuberkulose – und da ist es doch zumutbar, dass er dann auch seine Hand hinhält, wenn er die Privilegien unseres Minderjährigen­schutzes in Anspruch nehmen will. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Das Handwurzelröntgen ist keine Zwangsmaßnahme, sondern ein Angebot zur Be­weisführung: Wenn jemand keine gesicherten Dokumente hat, wenn der Zahnstatus augenscheinlich ein höheres Alter vermuten lässt und wenn auch das Aussehen jemanden älter erscheinen lässt – beispielsweise ein Haufen Brusthaare oder ein Rauschebart (Zwischenrufe und Heiterkeit) –, dann hat die betreffende Person die Möglichkeit, freiwillig ein Handwurzelröntgen durchführen zu lassen. Verweigert sie dieses, dann wird das in die Beweiswürdigung einfließen.

Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss schon wissen, wie da vorgegangen wird: Es gibt ein rapides Ansteigen der unbegleiteten Minderjährigen – die wir dann besonders schutzwürdig behandeln –, und wenn diese Minderjährigen dann einen Status haben, in Österreich bleiben zu können, kommen schlagartig die Anträge auf Familienzusammenführung.

Das heißt, dass das etwas ist, was sich die Schlepperorganisationen natürlich gezielt für Österreich ausdenken – weil wir die Beweisführung bisher nicht lückenlos durch­führen konnten, da das Gesetz es nicht ermöglichte. Ich bedanke mich dafür, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, diese Lücken zu schließen.

Das Zweite ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Schlepperorgani­sati­onen den Betreffenden beibringen zu lügen, zu betrügen, falsche Angaben zu machen, ihre Identität nicht preiszugeben und unter gar keinen Umständen zu sagen, woher sie kommen – denn wenn wir nicht wissen, woher sie sind, können wir sie nicht nach Hause schicken.

Wenn Personen, die bei uns Schutz suchen, den Aufenthalt hier so beginnen – nämlich ganz zu Anfang, in ihrer schutzsuchenden Phase, mit den Behörden auf diese Art und Weise umzugehen –, ja wie glauben Sie denn, können wir diese „Lügner“ und „Be­trüger“ – unter Anführungszeichen – jemals integrieren und ihnen unsere Werte bei­brin­gen, wenn sie als Erstes gelernt haben, dass dieser falsche Umgang eigentlich erfolgversprechend ist?! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Da wird uns Integration niemals positiv gelingen, wenn sie nicht wirklich von Anfang an zur Kenntnis nehmen, dass wir ihnen helfen, wenn sie schutzwürdig sind, dass wir aber sehr wohl Mittel haben, wenn sie uns anlügen und wenn sie uns betrügen. (Vize­präsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Drittens hat die Bevölkerung null Verständnis dafür, dass Menschen unter dem Deck­mäntelchen Asyl ihre kriminelle Energie bei uns ausleben. Ich kann das Beispiel von der Wurstsemmel nicht mehr hören! In Österreich muss man nämlich schon eine ziemliche kriminelle Energie entwickeln, damit es zu strafrechtlichen Verurteilungen kommt.

Zuerst wird bei Kleinigkeiten, bei mangelnder Strafwürdigkeit der Tat, der Staatsanwalt das Verfahren einstellen. Bei ein bisschen einer gröberen Tat gibt es die Diversion, zuerst einmal eine Probezeit, dann gib es noch einmal eine Diversion, man muss viel-


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leicht eine Geldbuße zahlen oder gemeinnützige Arbeit verrichten. Die ersten Strafen sind bedingt, man fasst noch nicht viel aus, wenn man das erste Mal vor dem Richter steht.

Das heißt, wenn man Strafen in einem gewissen Ausmaß bei der österreichischen Justiz ausgefasst hat, dann hat man schon eine gewisse kriminelle Karriere hinter sich. (Bundesrätin Mühlwerth: Leider!) Es ist nicht einsehbar, dass sich Leute unter den Schutzmantel unseres Asylsystems begeben, Grundversorgung beziehen, die ganze Sozialversorgung haben und dann einbrechen und stehlen gehen und die organisierte Kriminalität hier in Österreich ausleben.

Dafür habe ich kein Verständnis, und dieses Gesetz bietet uns jetzt Möglichkeiten: einerseits, dass wir Kriminelle rascher abschieben, und andererseits, dass wir uns den Status jener, die schon einmal einen positiven Asylbescheid bekommen haben – also asylberechtigt sind – und kriminell geworden sind, noch einmal genau anschauen.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass diejenigen, die wir zur Zeit des Balkankrieges mit Asylbescheid aufgenommen haben, jetzt unter Umständen ihre kriminelle Energie hier ausleben. Da ist es gerechtfertigt, sich anzusehen: Gelten die Asylgründe noch: ja oder nein? Und wenn sie nicht mehr gelten, dann müssen sie zurück in ihr Herkunfts­land.

Dieses Gesetz erlaubt uns, die Hintertüre für Missbrauch und Kriminelle zu schließen, damit wir die Vordertüre für jene, die Schutz brauchen, offenlassen können, denn dass wir in Österreich eine gute Tradition haben, Asyl zu gewähren, wenn Schutz wirklich notwendig ist, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll außer Streit stehen, und zwar bei allen hier im Hohen Haus! Das fällt unter den Verfassungsbogen der Genfer Konvention. Aber Missbrauch mit unserem Sozialnetz, Missbrauch mit unserem System, das müssen wir unterbinden!

Missbrauch ist es auch dann, wenn Personen eigentlich nur aus wirtschaftlichen Grün­den zu uns kommen wollen und das über die Asylschiene zu erreichen versuchen. Es gibt in Österreich für Ausländer mehrere Möglichkeiten, bei uns legal zu arbeiten: Wir haben ein Ausländerbeschäftigungsregime, wir haben Schlüsselarbeitskräfte, wir haben Saisonniers, wir haben die Quotenregelung. Das heißt, wer aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen möchte, der muss sich im Ausländerbeschäftigungsregime eine Arbeit suchen und kann hier nicht Asyl fordern, denn auch das ist Missbrauch.

Demjenigen, der gewusst hat, dass kein Asylgrund vorliegt, sich aber hereinschleppen ließ und dann über eine Fülle von Folgeanträgen, nämlich weit über 120 – weit über 120! –, versucht, hier zu bleiben, müssen wir sagen: Der Rechtsstaat in Österreich ist intakt und nicht bankrott und lässt sich auch nicht erpressen! Wir müssen die Gesetze, die wir hier beschließen, auch vollziehen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.12


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Junker. – Bitte.

 


15.12.27

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister Fekter! Liebe Damen und Herren! Nach der Frau Bundesminister müsste man ja an und für sich überhaupt nichts mehr sagen, denn es wurde dargelegt, wie wichtig diese Novelle ist.

Dass wir heute diese Novelle beschließen, ist auch deshalb wichtig, um die Aus­länderszene in den Griff zu bekommen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Situation in Tirol hinweisen, wo 200 Marokkaner eine Stadt in Schach halten, wo 200 Marokkaner Frauen und Mädchen in Angst versetzen. Die haben Angst, wenn sie


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ausgehen oder wenn sie von einem Kurs, der erst um 22 oder 23 Uhr aus ist, nach Hause gehen oder in eine Tiefgarage zu ihrem Auto gehen müssen, wenn dann Trüppchen von Marokkanern aufkreuzen und man nicht weiß, was passieren wird. Es werden nicht nur junge Mädchen bedroht, sondern diese Marokkaner schrecken auch vor älteren Damen nicht zurück. Auch ich bin schon des Öfteren sehr schnell in der Garage ins Auto gestiegen und bin froh gewesen, dass sich die Türen automatisch öffnen ließen und ich sie nicht mit dem Schlüssel öffnen musste. (Abg. Ertl: Das wurde durch dieses Gesetz aber nicht gelöst!)

Diese Marokkaner kommen mittels Schlepper über Italien nach Tirol. Unsere Polizei arbeitet hervorragend: Wenn sie sie an der Grenze aufgreift, werden sie sofort zurück­geschickt. Aber über die Grüne Grenze sind sie wahrscheinlich schneller wieder in unserem Land, als die Polizei in Innsbruck ist. Daher brauchen wir ein Gesetz, mit dem man derer habhaft wird.

Wenn sie dann nämlich wieder im Lande sind und aufgegriffen werden, sind sie sozu­sagen keine Marokkaner mehr, denn sie haben weder einen Personalausweis noch sonst irgendein Dokument bei sich, mit dem man ihr Herkunftsland sicherstellen könnte. Wenn man dann über den Dialekt, den die Dolmetscher ja erkennen und sagen, das ist aber ein marokkanischer Dialekt, kein algerischer, ihre Herkunft sichert, dann tritt Plan B in Kraft: Sie sind minderjährig.

Und da hat die Frau Bundesminister Fekter ja schon gesagt: Auch rauschebärtige, etwas ältere Herren sind auf einmal nur 15 Jahre alt. Da muss es legitim sein, dass man mittels Handwurzelröntgen das Alter bestimmt. Auch bei unseren eigenen Kin­dern, die durch Veranlagung zu groß oder zu klein werden, wird mittels Handwurzel­röntgen bestimmt, wie groß sie werden können, und die erleiden dadurch auch keinen gesundheitlichen Schaden.

Auch DNA-Analysen, mittels derer man die Familienzusammengehörigkeit feststellen kann, müssen legitim sein und sind notwendig. Es gibt genügend Personen, die zu uns kommen, die wilde Schicksale hinter sich haben. Wir können uns in Österreich wahr­scheinlich gar nicht wirklich vorstellen, dass so etwas passiert, wie zum Beispiel Verfolgungen, Verstümmelungen, Mord. Das haben viele dieser Menschen hinter sich, und sie leiden unter denen, die illegal und ungerechtfertigt in unser Land kommen.

Und mit dieser Novelle haben wir jetzt ein Instrument in der Hand, das es uns ermög­licht, diejenigen zu schützen, die unseren Schutz auch tatsächlich brauchen, aber dieje­nigen, die unseren Schutz ausnützen, die ihn nicht nötig haben, die unter Umständen auch Rechtsanwälte und sogenannte Gutmenschen ausnützen, um hier bleiben zu können, in ihr Land wieder zurückzuschicken, wenn ein abschlägiger Be­scheid da ist. Wichtig ist, dass es zu keinen unnützen Verlängerungen mehr kommt, denn nur dann kommt es zu Härtefällen, und das soll nicht passieren.

Stimmen wir dieser Novelle zu, um Österreich wirklich Sicherheit zu geben – aber auch, um denjenigen Menschen Sicherheit zu geben, die bei uns gerechtfertigterweise um Asyl ansuchen, dass diejenigen Asyl bekommen, die es notwendig haben, und dass diejenigen, die es nicht notwendig haben, die zu Unrecht um Asyl ansuchen, zurückgewiesen werden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.16


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


15.17.02

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Innenministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen!


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 26

Ich möchte zunächst nur ganz kurz replizieren auf den Kollegen Zwanziger. Einerseits habe ich nicht ganz mitgekriegt, ob Sie jetzt dem BZÖ oder der FPÖ angehören. Ich habe auf der Liste nachgesehen und habe festgestellt, dass da BZÖ steht, aber das „Freiheitliche“ dazu hat mich doch etwas irritiert. Von der Argumentation her ist es ja im Prinzip egal. Denn bei der Argumentation ist bei Ihnen durchgekommen, so wie vorhin beim Kollegen Ertl, dass Sie offenbar keinen Unterschied sehen zwischen Asyl, Migration, illegalem Grenzübertritt und Bleiberecht. Das sind verschiedene Bereiche, und diese gehören daher auch unterschiedlich geregelt. Zum Glück ist nicht alles im Asylgesetz geregelt.

Zu Ihrem Aufruf, unsere Heimat Österreich vor ausländischen Kriminellen zu schützen: Warum sagen Sie da vor „ausländischen Kriminellen“? Es gibt ja österreichische Kriminelle auch, oder? (Zwischenruf des Bundesrates Zwanziger.) Ich möchte schon festhalten, dass es auch inländische Kriminelle gibt und dass wir unsere Heimat auch vor inländischen Kriminellen schützen müssen. Das sind immer diese unterschwelligen Urteile: Alles, was von außen kommt, ist kriminell!

So ähnlich kommt es mir auch bei der Frau Ministerin vor. Natürlich ist es nicht gut, wenn die Leute ihre Identität verheimlichen, wenn man ausforschen muss, woher sie kommen. Das sehe ich alles ein. Aber nicht jeder, der bei Altersangaben lügt, oder nicht jeder, der lügt, wenn er seine Herkunft nicht richtig angibt, ist deshalb unbedingt ein Krimineller. Das kommt aber in der Diktion immer so rüber. Es wird diesen Men­schen sofort unterstellt, dass sie dann einbrechen gehen et cetera, nur weil sie viel­leicht einmal gelogen haben. Es kommt ja auch darauf an, mit welcher Information man in dieses Land kommt, egal, ob man Asylgründe hat oder nicht. Wenn die Information allgemein die ist: Sag nicht, woher du kommst!, dann werden es wahrscheinlich auch diejenigen machen, die Asylgründe haben.

Was das Handwurzelröntgen betrifft, möchte ich schon betonen, dass alle internatio­nalen Fachinstitute sagen, dass es da Schwankungsbreiten von drei Jahren gibt. Und das ist dann auch zu berücksichtigen. Es ist eine sehr ungenaue Feststellung, ob einer minderjährig ist oder nicht, wenn drei Jahre Schwankungsbreite bestehen.

Das sind die Kleinigkeiten, die dann immer relativ unsanft beiseite gewischt werden und die dann zu sehr ungenauen Diskussionen führen. Und genau diese ungenauen Diskussionen und die ewige Vermischung von Migration, Asyl, Bleiberecht und Einwanderung wollen die Grünen endlich verhindern. – Danke. (Beifall des Bundes­rates Schennach.)

15.19


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Mag. Klug. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


15.20.01

Bundesrat Mag. Gerald Klug (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als bemühte und redliche Parla­mentarierInnen haben wir auch hier im Bundesrat den Oppositionsvertreterinnen und -vertretern schon mehrmals das Angebot gemacht beziehungsweise die Einladung an diese ausgesprochen, uns mit der jeweils zu beschließenden Gesetzesmaterie intensiv und mit Argumenten auseinanderzusetzen, um einen möglichst hohen, inhaltlich anspruchsvollen Dialog zu führen, um dann anschließend die einzelnen Argumente gegeneinander abzuwägen und zu einer Beschlussfassung zu kommen.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich persönlich zumindest bei einem Teil der Oppositionsver­treterinnen und -vertreter mit dem erst kürzlich erlangten Fraktionsstatus gedanklich ein bisschen die Motivation verbunden hatte, dass diese Einladung das eine oder an-


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dere Mal doch tatsächlich aufgegriffen wird und wir hier einen inhaltlich anspruchs­vollen Dialog führen werden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Liebe Kollegin Mühlwerth, die Hoffnung stirbt zuletzt (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), und wahrscheinlich werden Sie von mir noch des Öfteren diese einleitenden Worte hören, weil ich mir sicher bin, dass es da oder dort doch einmal gelingt, einen inhaltlich anspruchsvollen Dialog zu führen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich musste allerdings heute bedauerlicherweise zum wiederholten Male feststellen, dass es einzelnen Proponenten der Opposition immer wieder gelingt, unter Beweis zu stellen, dass sie es sehr, sehr häufig ausschließlich darauf abzielen, auf die schäbigste Art und Weise Gesellschaftsgruppen gegeneinan­der auszuspielen. Wenn ich das mit so deutlichen Worten formuliere, dann möchte ich das auch gerne konkretisieren.

Sehr geehrter Herr Kollege Ertl! Ich fordere Sie an dieser Stelle jetzt auf, noch einmal hier heraus zu kommen, um im Zusammenhang mit der Fremdenrechtsnovelle allen Mitgliedern des Bundesrates konkret zu erklären, welcher Zusammenhang zwischen Asylwerbern und Mindestpensionisten besteht! (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat er gesagt! Das muss er nicht noch einmal sagen! Nicht böse sein, aber ...!) Bis zu einem gewissen Grad habe ich das ja ohnedies befürchtet, ohne jetzt schnippisch sein zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Fremdenrechtsnovelle hat im Prinzip die Sozialpolitik überhaupt nichts zu tun, aber eines steht schon fest: Werter Kollege Ertl, sollte sich bei Ihnen jemals – jemals! – das System in der Sozialpolitik im Allgemeinen und in der Pensionsversicherung im Besonderen vorgestellt haben, das da lautet: Ausgleichszulagenrichtsatzbezieher, dann würden Sie sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass der unmittelbare Vergleich, den Sie aus Niederösterreich mit den 740 € im Monat im Bereich der Asylweber – falls die Zahl stimmt, die Sie zitiert haben – angestellt haben, mit dem derzeit in Geltung befindlichen Ausgleichszulagenrichtsatz von 772,40 € nicht im Ansatz möglich ist.

Es hat weder von den Beträgen her gestimmt, noch hat die Frage Asylrecht im Allge­meinen mit den Mindestausgleichszulagenrichtsatzbeziehern im Besonderen etwas zu tun. Ich stelle daher fest, liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindest für unsere Fraktion: Wenn es um die Frage des dauerhaften Erhalts des sozialen Friedens in unserem Land geht, dann trennen uns Welten, Herr Kollege Ertl! Ich betone: Welten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun aber zurückkehrend zur Fremdenrechtsnovelle: Wie schon aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Kalina zu hören war und was auch nicht in Zweifel steht, stimmt die sozialdemokratische Bundesratsfraktion der vorlie­genden Novellierung sehr, sehr gerne zu. Insbesondere stimmen wir deshalb sehr gerne zu, weil die zentrale Zielsetzung in dieser Novelle im Wesentlichen darin besteht, Asylmissbrauch zu verhindern, ohne gleichzeitig – und ich betone das ganz besonders, weil das die Grünen bei uns immer wieder überhören – allen Asylwerbern generell oder partiell Missbrauch unterstellen zu wollen. Gerade aufgrund dieser Zielsetzung stimmt die sozialdemokratische Fraktion der heutigen Novellierung zu!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Hetzern Einhalt gebieten, aber die Ängste der Bevölkerung sehr ernst nehmen: Mit dieser Botschaft wollen wir bei der heutigen Beschlussfassung letztlich ins Ziel gelangen! Und wir hoffen, dass dies im Zusam­menhang mit dem weiteren Vollzug, der ja danach ansteht, letztlich auch gelingt.

Da es aber im unmittelbaren Zusammenhang steht und wir bei einem anderen Tages­ordnungspunkt auch schon sehr, sehr intensive Gespräche hier im Bundesrat hatten, erlauben Sie mir, auch einige Sätze zum Asylgerichtshof zu sagen.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 28

Der Präsident des Asylgerichtshofs Harald Perl ist heute klarerweise nicht hier, aber ich möchte ihm gerne seitens der sozialdemokratischen Fraktion ein herzliches Dankeschön sagen.

All jene Ziele, die wir damals bei der Installierung des Asylgerichtshofes verfolgt haben und die den Vertreterinnen und Vertretern der sozialdemokratischen Fraktion ein großes Anliegen waren (Bundesrat Mayer: Und der ÖVP!) – vor allem!; das schließt ja, Edgar, deine Fraktion nicht aus –, die also vor allem den Vertreterinnen und Vertretern der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion ein großes Anliegen waren, die da gelautet haben, erstens: Abbau der sogenannten Altfälle im Asylverfahren, um das nicht besonders attraktive Wort „Rucksack“ nicht in den Mund zu nehmen, zweitens: Erreichung einer maßgeblichen Beschleunigung des Asylverfahrens, sind vom Prä­sidenten Harald Perl mit seinem Team im neuen Asylgerichtshof erreicht worden. In diesem Zusammenhang vor allem von den Vertreterinnen und Vertretern der sozial­demokratischen Bundesratsfraktion an den Herrn Präsidenten des Asylgerichtshofes ein herzliches Dankeschön. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.27


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bun­desrat Kainz. – Bitte, Herr Bürgermeister.

 


15.27.49

Bundesrat Christoph Kainz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Viel wurde zu dieser Fremdenrechtsnovelle schon gesagt – von der Frau Innenministerin als kompeten­tester Sicherheitsministerin dieser Republik bis zu vielen Mandatarinnen und Manda­taren. Kollege Zwanziger hat es probiert, hat aber eine komplette Themenverfehlung begangen, und der eigentlich wesentliche Höhepunkt seiner Rede war der Annähe­rungsversuch des BZÖ an die Freiheitliche Partei, und selbst dieser ist in die Hose gegangen. Das war etwas, wie man es, glaube ich, nicht machen soll, aber es sei dir unbenommen, hier parteipolitische Versuche vom Rednerpult aus bei einem solch wichtigen Thema zu machen.

Frau Kollegin Kerschbaum, ich denke, dass die gesetzliche Bestimmung richtig ist – ich weiß, dass wir da nicht zusammenkommen, aber ich glaube, die deutliche Mehrheit der Bevölkerung und vor allem all jene, die damit tagtäglich arbeiten müssen, befürworten diese gesetzliche Regelung, dass die Altersfeststellung mittels Röntgen möglich ist. Das ist das Einfachste und Zweckmäßigste, das es gibt. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber ungenau!)

Weil Sie „ungenau“ sagen: Jetzt haben wir überhaupt keine Möglichkeit. Wenn Sie jetzt dagegen sind, weil Sie ein Gutachten herausziehen, in dem es heißt, dass es da einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren gibt, so muss ich sagen, das ist trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung! Er stellt eine deutliche Verbesserung dar. Deswegen verstehe ich es überhaupt nicht, dass jetzt alle drei Oppositionsparteien – jede aus einem anderen Grund – diesem Gesetz nicht zustimmen, da sie die österreichische Bevöl­ke­rung beziehungsweise die deutliche Mehrheit der Österreicher nicht hinter sich haben.

Jede Oppositionspartei versucht, ein anderes Argument vorzuschieben, um eine Ver­bes­serung zu erzielen, und keines davon ist eigentlich überzeugend. Das Ziel dieses Bundesgesetzes ist es, Asylverfahren zu beschleunigen und Asylmissbrauch abzu­stellen – darin sind sich eigentlich alle einig.

Alle sagen in ihren Reden – ich darf heute der Letztredner zu diesem Tagesordnungs­punkt sein, zumindest ist es bis jetzt laut Liste so – eingangs: Wir befürworten, dass


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 29

Asylverfahren beschleunigt werden, wir befürworten, dass Asylmissbrauch einge­dämmt wird – und dann stimmt man letztendlich nicht mit. Irgendwie funktioniert das nicht und passt das nicht zusammen.

Die Regierungsparteien – ich darf da im Gegensatz zu meinem Vorredner Mag. Klug natürlich unsere Fraktion zuerst nennen, weil, so denke ich, die ÖVP in den letzten Jahren, das kann man auch sehr gut nachverfolgen und das weiß ich aufgrund meiner Tätigkeit auch im Nationalrat, immer dafür war – haben in den letzten Jahren und bis jetzt immer dem Asylgesetz zugestimmt. Aber ich gebe schon zu: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Letztendlich sind wir froh, dass es heute so ist, wie es ist. (Bundesrat Gruber: Der Asylgerichtshof war eine massive Forderung der Sozialde­mokratie, Herr Kollege!) Österreich ist ... – Bitte? (Bundesrat Gruber: Wenn ich die Erinnerung ...: Der Asylgerichtshof war eine massive Forderung ...!) – Ja, das war auch eine Forderung! Ich spreche ja der Sozialdemokratie nicht ab (Bundesrat Gruber: Nur zur Erinnerung!), dass sie auch durchaus legitime und sachlich gute Forderungen im Asylwesen hat. (Bundesrat Gruber: Nur zur Erinnerung!) Das habe ich ihr nicht abgesprochen, aber ich denke, dass die Österreichische Volkspartei gerade in der Asylpolitik die Sicherheitspartei dieser Republik ist (Beifall bei der ÖVP), weil wir immer Linie gehalten haben. Und das kann man auch nachvollziehen und nachlesen.

Einer Sache, so glaube ich, sind wir uns alle hier in diesem Raum bewusst: dass die Österreicherinnen und Österreicher immer eine sehr, sehr große humanitäre Verant­wortung wahrgenommen haben, und darauf sollte man auch stolz sein. Aber natürlich hat sich auch da die Situation verändert, und es ist Aufgabe der Politik, der Regierung und der Gesetzgeber, bezüglich Veränderungen die richtigen Maßnahmen zu setzen und die richtigen gesetzlichen Antworten darauf zu geben.

Eine richtige gesetzliche Antwort auf die Veränderung der Asylsituation ist diese heu­tige Novelle mit ihren Änderungen. Die Zahlen sprechen für sich: Wir haben einen Rückgang der Asylanträge, aber – die Frau Minister hat es auch gesagt – wir haben eine deutliche Steigerung der Folgeanträge. Und es gilt, da Maßnahmen zu setzen.

Schauen wir uns die Nationen nach der Antragsstärke an: Die antragsstärkste Nation ist die Russische Föderation mit – berechtigterweise – dem höchsten Prozentsatz an negativen Asylbescheiden. Völlig klar, das liegt natürlich auch daran, dass die Antrag­stellung wirtschaftliche Überlegungen sozusagen erahnen lässt. – Afghanistan, Irak: deutlich weniger Anträge, aber eine deutlich höhere Zahl an positiver Erledigung der Asylverfahren – gleichfalls zu Recht.

Ich meine, diese beiden Beispiele zeigen das ganz klar, und ich denke, dass es doch logisch, legitim und richtig ist, geeignete Maßnahmen, vor allem gegen die straffälligen Asylwerber – das ist das, was die Österreicherinnen und Österreicher zu Recht verärgert und wodurch unsere Partnerschaft und unsere humanitäre Situation fast übergebührlich beansprucht wird –, zu setzen, nämlich beschleunigte Asylverfahren bei Strafverfahren, Schubhaft, auch die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Das sind richtige Maßnahmen, die jeder versteht und mit denen wir auf dem richtigen Weg sind.

Zur Altersbestimmung – ich habe das schon eingangs erwähnt –: Man kann doch erwarten, dass jemand, der um Asyl ansucht, im Verfahren mitwirkt! Dass man dem­jenigen helfen und ihn begleiten muss, das ist doch klar, denn niemand hat es einfach und tut sich leicht, wenn er sein Heimatland verlässt und dann woanders sozusagen ein Verfahren durchlaufen muss, aber man kann doch erwarten, dass er mitarbeitet! Deshalb denke ich, dass da die Nutzung gerade der modernen Möglichkeiten, nämlich eine radiologische Untersuchung zur Feststellung des Alters, eine vollkommen richtige und logische Maßnahme ist, genauso wie auch der Rückgriff auf die DNA betreffend


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Familienzusammengehörigkeit – das wurde schon gesagt, ich möchte das nicht wie­der­holen.

Aber auch die Gebietsbeschränkungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind eine Maßnahme, die aus der Praxis kommt. Das ist ja nicht etwas, was man sich überlegt hat, weil man die Asylwerber sozusagen auf ein Gebiet einschränken möchte, sondern die Praxis zeigt einfach, dass für viele, weil sie eben unter dem Deckmantel des Asyls nach Österreich kommen und dann in die Anonymität untertauchen, eine Gebietsbeschränkung eine richtige und notwendige Maßnahme ist.

Natürlich gibt es auch in diesem Jahr, beispielsweise in den letzten Wochen, sehr prominente Fälle – ich möchte nur an die Türken und Kurden auf der A 2 erinnern, die um Asyl angesucht haben und dann sofort untergetaucht sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Hätten wir jetzt schon das, was wir heute beschließen, sähe die Geschichte anders, und insofern ist das ein gutes Beispiel dafür.

Selbstverständlich wäre es uns allen am liebsten, wenn wir es nicht bräuchten – ich wünsche den Türken und Kurden, dass sie sich zu Hause wohl fühlen und nicht verfolgt werden, damit sie nicht flüchten müssen; warum die geflüchtet sind, sei dahingestellt, aber es ist so (Zwischenruf des Bundesrates Schennach) –, aber wir müssen die richtigen gesetzlichen Maßnahmen haben, damit wir unserem humanitären Ziel, das unbestritten ist, letztendlich gerecht werden und nicht solchen, die das ausnützen wollen, Tür und Tor öffnen.

Ich möchte zum Schluss noch drei andere Themen ansprechen, weil sie auch inhaltlich dazu passen.

Die Frau Minister hat in den letzten Wochen und Monaten mit viel Geschick und Motivation versucht, zusätzlich zum Erstaufnahmezentrum in meiner Region, nämlich Traiskirchen – mittlerweile heißt es ja „Erstaufnahmezentrum Ost“, damit die Stadt Traiskirchen nicht ständig in den Medien ist –, eine Erstaufnahmestelle zu finden. – Das ist dringender und notwendiger denn je! Traiskirchen trägt seit Jahrzehnten die Hauptlast in der Asylpolitik Österreichs!

Da wir hier im Bundesrat als Ländervertreter sitzen – und sitzen dürfen! – und jeder seine Region vertritt, verstehe ich schon, dass man versucht, hier regionale Interessen einfließen zu lassen, aber Asyl- und Fremdenrechtspolitik verlangen eine sehr, sehr sachliche und besonnene Vorgangsweise. Und da darf ich schon an die FPÖ appellieren, die Bevölkerung dort nicht mit Falschmeldungen, mit einer falschen Darstellung zu Unrecht zu beunruhigen!

Eine weitere Erstaufnahmestelle ist dringender notwendig denn je, und ich danke dir, Frau Minister, wirklich herzlichst für deine sehr konsequente Vorgangsweise, und ich hoffe und denke, dass du das Thema – und wir mit dir – in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich gut und positiv abschließen kannst.

Zum Schubhaftzentrum: Auch durch Falschinformation bezüglich eines Schub­haft­zentrums wird die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden total verunsichert. Ihr wisst doch ganz genau, wie ein Schubhaftzentrum funktioniert, und so möchte ich zum Schluss noch an die Quotenaufteilung der Bundesländer erinnern: Freunde, es geht nicht, dass ein paar Bundesländer die Last der gesamten Republik tragen! So funk­tioniert Gemeinschaft nicht, wir müssen auch in dieser Frage fairer miteinander um­gehen!

Mit dem heutigen Asylgesetz beschließen wir schnellere Verfahren und eine klare Entscheidungsgrundlage. – Ich denke, wir haben jene gesetzliche Antwort gefunden, die die Asylwerber zu Recht von uns erwarten können, aber vor allem haben wir mit


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dieser Gesetzesnovelle jene Antwort gefunden, die die Österreicher von uns zu Recht erwarten, nämlich Transparenz, Klarheit und Verlässlichkeit.

Ich darf dir, sehr geehrte Frau Minister, herzlichst danken und hier mit großer Freude die Zustimmung der Österreichischen Volkspartei mit dem Koalitionspartner, glaube ich und nehme ich an, verkünden und auch gerne zusagen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Mag. Klug und Zangerl.)

15.37


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. – O ja, bitte, Herr Kollege.

 


15.38.00

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Die Debatte hat mich doch dazu bewogen, sie ein bisschen zu reflektieren, da meine Fraktion immer wieder angesprochen wurde. Darüber hinaus möchte ich mich als Freiheitlicher den anderen vorstellen – und es freut mich, dass sich wieder einmal jemand vom BZÖ geoutet hat.

Ich möchte nicht auf die Argumente der Grünen eingehen, weil ich glaube, der Unter­schied zwischen unseren Standpunkten ist so groß, dass es letzten Endes sinnlos ist, hier eine Diskussion zu führen.

Es freut mich, dass vor allem die Frau Bundesministerin für Inneres hier Standpunkte vertritt, die auch die Standpunkte meiner Fraktion sind. (Bundesrätin Kerschbaum: Das fällt schon auf! – Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) – Ich habe mir schon fast gedacht, Frau Minister – schade, dass Sie nicht in meinem Wahl­kreis sind –, ob ich Sie nicht das nächste Mal frage, ob Sie bei uns kandidieren möchten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Genauso bin ich bass erstaunt darüber, dass Herr Kollege Kalina durchaus Stand­punkte vertritt, die ebenfalls mit meinen absolut übereinstimmen, daher brauche ich jetzt auch nicht mehr auf die einzelnen Argumente einzugehen.

Es ist ganz klar – ich glaube, darin sind wir uns alle hier einig –, dass das Asylrecht ein Menschenrecht ist, und dieses ist zu wahren. Aber umgekehrt ist es so, dass dieses Asylrecht nicht zu missbrauchen ist. Es gibt genug Beispiele, die uns zeigen, wie dieses Recht missbraucht wird. Und dass ein gesetzlicher Rahmen vorgegeben wer­den muss, um Missbrauch zu verhindern, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Andererseits sollte uns als Politiker auch klar sein, dass wir unsere autochthone Bevölkerung zu beschützen und zu verhindern haben, dass diese durch Asylmiss­braucher geschädigt wird. Daher sind Gesetze aus meiner Sicht so zu formulieren, dass sie ganz klar sind und eine Unterscheidung zwischen echten Asylwerbern und Scheinasylanten ermöglichen.

Es muss so sein, dass für den Fall, dass sich jemand weigert, zum Beispiel die Ver­wandtschaft oder das Alter feststellen zu lassen, der Staat, der Gesetzgeber die Möglichkeit vorsieht, das nötigenfalls auch mit staatlicher Gewalt durchzusetzen. Deswegen betrachte ich dieses Gesetz leider Gottes als eine Art von Placebo-Gesetz, weil niemand, der sich da weigert, mehr gezwungen werden kann, das Alter oder Verwandtschaftsverhältnisse feststellen zu lassen.

Es ist das ein Schritt vielleicht in die richtige Richtung, aber nicht die letzte Konse­quenz, man traut sich den letzten Schritt nicht zu gehen. Ich verstehe das: Die ÖVP braucht einmal eine Richtung – die die Frau Minister jetzt vorgegeben hat –, aber es ist nicht das Ende der Entwicklung. Ich hoffe, dass Sie bald draufkommen werden, dass da noch einige Maßnahmen nötig sind.


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So werden es aus meiner Sicht, wenn das heute mit den Stimmen der ÖVP und der SPÖ beschlossen wird, zahnlose Gesetze bleiben, und wir werden uns mit dieser Thematik auch noch in Zukunft auseinanderzusetzen haben – aber noch haben Sie die freiheitliche Zustimmung dazu nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

15.41


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich habe hiezu keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Okto­ber 2009 betreffend ein Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Ok­tober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird.

Ich ersuche all jene, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist eben­falls die Stimmenmehrheit.

15.42.533. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (331 d.B. und 389 d.B. sowie 8202/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tages­ord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. Ich bitte um den Bericht.

 


15.43.17

Berichterstatter Kurt Strohmayer-Dangl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für innere Angele­gen­heiten über den Beschluss des Nationalrates vom 21. Oktober 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Sprengmittelgesetz 2010 erlassen und die Gewerbeord­nung 1994 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am heu­tigen Tag mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 33

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte, Frau Bundesrätin. (Rufe bei der ÖVP – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bundesrätin Kersch­baum –: Sprengmeisterin! Frau Sprengmeisterin!)

 


15.44.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nein, ich bin keine Sprengmeisterin! Ich explodiere zwar manchmal, tue damit aber selten jemandem weh. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Prinzipiell sind wir einer Neuregelung des Sprengmittelgesetzes positiv gegenüber­gestanden, insbesondere auch deshalb, weil die alte Regelung aus dem Jahr 1935 ist und man da sicher einiges hätte verbessern können. Das Problem, das wir jetzt mit dieser Vorlage haben, ist, dass viele an sich gut gemeinte Intentionen in dem Gesetz sehr aufgeweicht wurden, und einige Ziele, die dieses Gesetz meiner Meinung nach verfolgen sollte, durch diese Auslegung einfach nicht erreichbar sind.

Eines dieser Ziele wäre zum Beispiel, dass nur Menschen, die verlässlich und zuver­lässig sind, Spreng- und Schießmittel erwerben und besitzen können sollen. – Ich denke, das wäre prinzipiell ein Ziel, bei dem wir uns alle einig sind, aber das, was in diesem Gesetz steht betreffend Definition von Verlässlichkeit von Personen, erscheint mir doch sehr weich.

Wenn jetzt im Gesetz steht: „Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er 1. suchtkrank ist, 2. psychisch krank oder geistig beeinträchtigt ist oder 3. durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Schieß- und Sprengmitteln sach­gemäß umzugehen“, dann ist das – abgesehen davon, dass die Begriffe schon ein bisschen seltsam sind – zum Teil etwas diskriminierend, und dann würde mich schon auch interessieren, wie Sie feststellen, ob jemand suchtkrank ist, denn ich bin über­zeugt davon, dass in Österreich sehr viele Menschen suchtkrank sind und weder das Innenministerium noch sonst irgendein Ministerium davon weiß. – Gerade was den Alkohol betrifft, gibt es da sicher eine Dunkelziffer, und diesbezüglich bezweifle ich, dass Sie diese Menschen durch diese Regelung sofort ausschließen können.

Ich denke, es wäre in jedem Fall eine Einzelprüfung notwendig. – Man kann ja schauen: Wie ist ein Mensch? Kann ich dem etwas anvertrauen oder nicht?, und nicht einfach sagen: Ja, der ist suchtkrank, der hat vor vielleicht, ich weiß nicht, zehn Jahren oder irgendwann einmal Haschisch geraucht, deshalb ist er suchtkrank, aber der daneben, der vielleicht seit Jahren seinen Haustrunk zu sich nimmt, ist es nicht. – Ich denke, das ist eine Definition, die so nicht ausreichend ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ein zweiter Punkt sind die Ausnahmen: Es gibt sehr viele Ausnahmen betreffend den Geltungsbereich dieses Gesetzes, nämlich für Gebietskörperschaften, öffentliche Amtsträger und Angestellte von befugten Unternehmen. – Prinzipiell ist klar: Polizei und Ähnliches müssen natürlich von dem Gesetz ausgenommen sein, warum Gebiets­körperschaften allgemein von dem Gesetz ausgenommen sind, ist mir schon wieder ein Rätsel. Und warum diese von diesem gesamten Gesetz ausgenommen sind, näm­lich auch von der Entsorgung und auch von den Bereichen, die den Verlust und die Wiederauffindung von Waffen und Sprengmitteln betreffen, ist mir gleichfalls unerklär­lich.

Ein nächster und eigentlich sehr wichtiger Punkt ist: Im Prinzip sollte durch dieses Gesetz unter anderem das Ziel erfüllt werden, dass die Entsorgung von alten, nicht mehr funktionierenden Sprengmitteln ordnungsgemäß erfolgt. Das ist jetzt in diesem Gesetz aber so geregelt, dass man sie in kleinen Dosen verbrennen kann. Was da tatsächlich drinnen ist und was dabei entsteht – es hat auch das Landwirtschafts­ministerium, in diesem Fall als Umweltministerium, kritisiert, dass das nicht gescheit


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geregelt ist, denn da können ja doch sehr giftige Stoffe bei der Verbrennung ent­stehen –, darum hat sich bei der Erstellung des Gesetzes offenbar niemand geküm­mert.

Zu guter Letzt sollten Besitz und Erwerb von Schießmitteln meiner Meinung nach ziemlich streng geregelt sein, denn je mehr Munition jemand hat, umso eher ... – Es sollte zumindest geregelt sein, damit man weiß, wie viel jemand davon hat.

Es gibt jetzt aber sehr viele Ausnahmebestimmungen vom normalen Nachweis: Da ist prinzipiell die Befreiung bis 10 Kilogramm Schießmittel, und daneben sind alle, die einen Waffenpass, eine Waffenbesitzkarte oder eine Jagdkarte haben, befreit, oder die traditionellen Schützenvereinigungen inklusive all ihrer Mitglieder.

Dann frage ich mich schon: Wo wird da überprüft, wie viel davon sich jemand zulegt? – Das ist für mich schon eine Frage, die gerade mit Hilfe dieses Gesetzes beantwortet werden sollte: Wie viel Munition beschafft sich jemand, wie viele Waffen hat jemand irgendwo daheim? – Das wäre genau das, was wir wissen wollen und wo man wahrscheinlich auch ansetzen müsste, um ungewollten Gebrauch von Schusswaffen – sagen wir es einmal so – zu verhindern. (Ruf bei der ÖVP: Das gehört ins Waffen­gesetz! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Im Übrigen denke ich schon, dass der Besitz einer Waffe allgemein – ich meine, es gibt natürlich Menschen, die glauben, sie brauchen eine Waffe unter dem Kopfpolster; ganz so funktioniert es in Österreich ohnehin nicht, aber im Normalfall ... (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) – Es ist mir schon klar, dass das ins Waffengesetz gehört, aber trotzdem braucht man für den Betrieb von Waffen auch Munition. Das ist auch klar, oder? Sind wir uns darin einig? (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich habe eine Mausefalle zu Hause. Mit meiner Mausefalle habe ich noch niemanden umgebracht – ich habe noch nicht einmal eine Maus gefangen, denn zum Glück wohne ich im ersten Stock, und da gibt es wenig Mäuse. (Bundesrat Mayer: ... fangen keine Mäuse!) – Ich hatte auch einmal eine Katze. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wir reden aber jetzt über Schieß- und Sprengmittel und nicht über Katzen und Mause­fallen. Da sind, wie ich meine, die Auswirkungen schon sehr unterschiedlich.

Es wird immer behauptet, dass die meisten Fälle ohnehin mit Messer, Axt, Schere und weiß Gott was allem und nicht mit Schusswaffen passieren. Das mag zwar einerseits stimmen, aber andererseits hat ja zum Glück nicht jeder eine Schusswaffe daheim. Deshalb ist das zum Glück auch logisch.

Ein Punkt, der jetzt auch nicht unbedingt mit diesem Gesetz etwas zu tun hat, betrifft die Softguns. Ich denke, dass gerade auch in diesem Bereich eine Regelung notwen­dig wäre, auch in Österreich, weil durch diese Softguns in letzter Zeit immer wieder doch schwerwiegende Unfälle verursacht wurden und diese andererseits als Kinder­spielzeug gelten, was ich für eine Verharmlosung halte. Ich gebe aber zu, dass das nicht unbedingt in einem Zusammenhang mit dem Sprengmittelgesetz steht. Das ist aber ein Punkt, dessen Regelung uns auch wichtig wäre.

Jetzt zum Sprengmittelgesetz: Prinzipiell ist es, wie gesagt, wichtig, dass es da eine strenge Regelung gibt. Was uns jetzt daran hindert, diesem Gesetz zuzustimmen, sind die vielen Ausnahmen beim Erwerb, die schleißige Regelung bei der Entsorgung und die seltsame Definition der Verlässlichkeit von Personen. Aus diesen Gründen können wir diesem Gesetz leider nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Schennach.)

15.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte, Herr Bundesrat.

 



BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 35

15.51.14

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Ge­schätzte Frau Bundesminister! Dieser Tagesordnungspunkt wäre wohl der brisanteste, wenn man ihn so nennen könnte, der heutigen Tagesordnung, wo es um das Spreng­mittelgesetz 2010 geht, das ein Gesetz aus dem Jahre 1935 ersetzt.

Was wird da geregelt? – Frau Kollegin Kerschbaum hat es schon angesprochen: die Herstellung, die Verarbeitung, der Handel, der Erwerb, der Besitz, die Überlassung, die Ein- und Durchfuhr und das Lagern von Schieß- und Sprengmitteln.

Dieses Gesetz aus dem Jahr 1935, das wir heute ersetzen, beginnt im § 1 Abschnitt 1, noch in Kurrentschrift gehalten, mit folgenden Worten: „Unter Schieß- und Sprengmit­teln werden in diesem Gesetz alle Erzeugnisse verstanden, die bei willkürlich auslös­baren chemischen Zustandsveränderungen derart Energie frei werden lassen, daß Geschosse einer Feuerwaffe angetrieben oder feste Körper gesprengt werden können.“

Diese doch antiquierte Formulierung ist aber nicht der Grund dafür, dass wir dieses Gesetz ändern, sondern es hat das Parlament beschlossen, und zwar 1999 im soge­nannten Bundes-Rechtsbereinigungsgesetz, dass dieses Gesetz zu ändern ist. Darin wurde festgelegt, dass alle Gesetze, die vor 1946 kundgemacht wurden, mit Ende des Jahres 2009 außer Kraft treten. Das heißt, wir sind hier zum Handeln aufgefordert.

Was regelt das Sprengmittelgesetz 2010? – Es regelt ganz klar, wie ich schon erwähnt habe, den Umgang, den Handel sowie die Herstellung und Erzeugung von Schieß- und Sprengmitteln. Um Schieß- und Sprengmittel herstellen zu dürfen, muss zunächst eine allgemeine Bewilligung, die allgemeine Herstellerbefugnis, erteilt werden. Für die Erzeugung eines bestimmten Schieß- und Sprengmittels ist darüber hinaus auch eine Erzeugungsgenehmigung notwendig. Um mit Schieß- und Sprengmitteln handeln zu dürfen, muss eine Handelsbefugnis erteilt werden. Besitz und Erwerb werden in diesem Fall durch die Ausstellung eines Schieß- und Sprengmittelscheines bewilligt. Dafür notwendige Voraussetzungen sind – das wurde von Frau Kollegin Kerschbaum bereits angesprochen – die Verlässlichkeit beziehungsweise die Ausbildung zum Spreng­befugten.

Werden Schieß- und Sprengmittel gelagert, müssen durchgängige Aufzeichnungen, sogenannte Verzeichnisse, über den Bestand geführt werden. Für diese Aufzeich­nungen ist eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren vorgesehen.

Für besonders schwere Verstöße gegen dieses Bundesgesetz, wie die Herstellung und den Handel, den Besitz und das Überlassen ohne die dafür jeweils vorgesehene Bewilligung, sind gerichtliche Strafen vorgesehen.

Gleichzeitig, meine Damen und Herren, setzen wir mit diesem heutigen Beschluss eine EU-Richtlinie um, in der es um explosive Stoffe im Hinblick auf deren Kennzeichnung und die Rückverfolgung geht.

Wer ist vom Gesetz konkret betroffen? – Vom Gesetz in der Praxis konkret betroffen sind natürlich sehr massiv Personen in der Wirtschaft, die zum Beispiel bei Spren­gungen in Steinbrüchen, im Straßen-, im Tunnelbau Sprengmittel einsetzen. Betroffen sind im ländlichen Raum aber auch jene, die durch gezielte Sprengungen von Lawinen Menschen und Objekte vor Naturkatastrophen schützen. In vielen Schigebieten wäre, wie wir wissen, ein Betrieb ohne Sprengmitteleinsatz wohl kaum möglich.

Was wurde kritisiert? – Es ist zutreffend, dass Vereinigungen und Personen wie Jäger, Sportschützen und Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe bis zu 10 Kilogramm auch weiterhin ohne Schießmittelschein beziehen können. Es geht uns aber darum, im Kultur- und Sportbereich Sportschützen und Jägern grundsätzlich kein


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 36

Misstrauen entgegenzubringen. Diese haben schon bisher mit großer Sorgfalt und Kompetenz Spreng- und Schießmittel eingesetzt. In der Praxis werden weiterhin Mehr­fachladungen bei Patronenhülsen ermöglicht, etwa bei Schützenvereinen und diversen anderen Vereinen, zum Teil auch bei Brauchtumsveranstaltungen.

Frau Kollegin Kerschbaum! Ich lade Sie gerne dazu ein, dass wir gemeinsam die gesetzlichen Auflagen für die Verwahrung von Jagdwaffen und deren Munition, die das Jagdgesetz bereits jetzt vorschreibt, durchgehen.

Ich möchte damit aber nicht sagen, dass in diesem Bereich keinerlei Gefahren exis­tieren. Ich denke aber, dass man da durch überbordende Bürokratie das Fortsetzen der Tradition und das Vereinsleben nicht zusätzlich besonders erschweren sollte.

Mit dem 1. Jänner 2010 tritt demnach ein zeitgemäßes Gesetz in Kraft, dem wir von der ÖVP gerne unsere Zustimmung geben werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.56


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­rat Lindinger.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich um 16 Uhr die Sitzung für den Aufruf der Dringlichen Anfrage unterbrechen werde.

Bitte, Herr Bundesrat Lindinger.

 


15.56.39

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Kerschbaum, was die Verlässlichkeit betrifft, möchte ich schon betonen, dass klar definiert ist, wer als ver­lässlich gilt, und dass in sehr vielen Bereichen diese Definition ... (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Ja, wer einmal suchtauffällig war und in Behandlung war, der wird als nicht verlässlich eingestuft. (Bundesrat Schennach: Was ist mit Burnout?) § 5 ist in sehr viele Unterpunkte gegliedert, darin ist alles deutlich angeführt.

Aber was würden zum Beispiel die Biathleten sagen, wenn sie nicht genügend Schieß­mittel mitführen dürften? Was würden die Schützen, die zu Meisterschaften fahren, die zu olympischen Bewerben fahren, sagen, wenn sie nicht genügend Schießmittel mitführen dürften? (Bundesrat Schennach: Mein Gott, mir kommen die Tränen!) Gerade in diesem Fall sieht das Sprengmittelgesetz, das ja aus einer Zeit stammt, die in Österreich nicht sehr rühmlich war, nämlich aus 1935, eine Ausnahme vor. Damals war das Parlament ausgeschaltet, während heute das Parlament und somit auch der Bundesrat dieses Gesetz beschließen kann. Das war 1935 nicht so, da haben andere hier regiert.

Es ist auch wichtig, dass die Tiroler Schützenkorps weiterhin Sprengmittel, Schieß­mittel zum Abfeuern bei Festen und Feiern haben dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieses Gesetz sieht eben auch Ausnahmen vor, und das ist gut so. Daher stimmen wir dieser Vorlage zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich bedanke mich für die Zeitdisziplin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Berichterstattung wünscht ebenfalls kein Schlusswort.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 37

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

15.59.33Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Stefan Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend die aktuelle Situation an Österreichs Universitäten (2729/J-BR/2009)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zur Verhandlung über die Dring­liche Anfrage der Bundesräte Mühlwerth, Schennach, Kolleginnen und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Frau Bundesrätin Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Frau Kollegin.

16.00.00

 


Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gab wohl schon eine Son­dersitzung zum Thema Universitäten. Trotzdem haben wir, Kollege Schennach, unsere Kolleginnen und Kollegen und ich, uns entschlossen, heute noch eine Dring­liche Anfrage zu stellen.

Die Studentenproteste gibt es ja mittlerweile schon seit einigen Wochen. Das Audimax ist besetzt. Und wir haben für einen Teil der Forderungen durchaus großes Ver­ständnis. Da hat sich ein großer Unmut Luft gemacht, der offensichtlich keine andere Möglichkeit mehr gesehen hat, als mit einer Besetzung des Audimax auf sich und auf die Probleme der Universitäten aufmerksam zu machen.

Wir sind nicht mit allen Forderungen der Studenten einverstanden. Diese sind zu einem Teil berechtigt, zu einem anderen Teil aber wie Kraut und Rüben. Manche haben auch so ein marxistisches Gesellschaftsmodell (Bundesrat Gruber: Jessas na! Na sowas!) mit hineingebracht, mit dem wir uns nicht identifizieren können. Ich finde auch, dass das mit der Situation der Universitäten überhaupt nichts zu tun hat. Es hat jedenfalls damit nichts zu tun.

Womit die Besetzung sehr wohl etwas zu tun hat, das sind die Betreuungsverhältnisse an den Universitäten. Wir alle wissen es, wir haben zum Teil völlig überlaufene Studienrichtungen. Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass es auch Studienrich­tungen gibt, wo das Betreuungsverhältnis ganz ausgezeichnet ist. Und es gab große Kritik an der Bologna-Struktur, die von der Universität Wien nicht in entsprechender Form umgesetzt wurde, nämlich dahin gehend, dass man hier auch so studieren kann, wie man es sich vorstellt. Das heißt, der Hauptkritikpunkt war eine völlige Verschulung des Systems.

Die einzige Antwort, die Ihnen, Herr Minister, darauf eingefallen ist, waren die Wieder­einführung der Studiengebühren und eine Erweiterung der bereits bestehenden Zu­gangs­beschränkungen.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 38

Wir sagen zwar auf der einen Seite, dass in Österreich die Akademikerquote zu niedrig ist, auf der anderen Seite wollen wir aber Studierwillige und Studierfähige davon ab­halten, zu studieren, indem wir Zugangsbeschränkungen einführen. Das widerspricht sich unserer Meinung nach komplett.

Ja, wir sagen alle Studierwilligen, aber auch Studierfähigen sollen studieren können. Dazu wird es aber nötig sein, auch einmal bei den Gymnasien oder bei der AHS anzufangen. Eine Reform der Oberstufe scheint uns dringend geboten zu sein. Wir wissen, dass nicht nur in Wien – in Wien im Besonderen –, sondern auch an anderen Schulen, vor allem in Ballungszentren, Matura nicht gleich Matura ist und dass jemand, der die Reifeprüfung in der Tasche hat, deswegen noch lange nicht befähigt ist, ein Studium auch tatsächlich zu beginnen, geschweige denn zu beenden.

Und das wird leider, muss ich jetzt sagen, auch mit der Zentralmatura nicht so ohne Weiteres gesichert sein. Unsere Befürchtung war ja – deswegen die Ablehnung der Zentralmatura – unter anderem auch, dass es zu einem Sinken des Niveaus kommen könnte. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Und es gibt jetzt schon Stimmen von Lehrern, die sagen, die bei der Zentralmatura gestellten Fragen kann ein gut aus­gebildeter Hauptschüler auch beantworten. Also wird sich auch da die Frage der Studierfähigkeit stellen.

Das nächste Problem war: Wir haben so viele deutsche Studenten, weil es ihnen die EU möglich gemacht hat, dem Numerus Clausus zu entfliehen und bei uns zu studieren. Die Studenten aus der Bundesrepublik Deutschland machen insgesamt ein Drittel aus.

Aber ja, es gibt natürlich an einigen Fakultäten – wie zum Beispiel an der Medizi­nischen Fakultät – ganz massive Probleme. Und da muss man tatsächlich auch ansetzen. Nur stehen wir jetzt schon vor dem Problem, dass, wenn man diese Ein­gangstests macht, wo wir jetzt schon wissen, dass es dafür schon eigene Seminare gibt, wo man sich darauf vorbereiten kann, damit nicht gesichert ist, dass jene, die diese Tests bestehen, auch gute Ärzte werden. Die Tatsache, dass einer einen Test besteht, sagt überhaupt nichts darüber aus, welche Qualität er als Arzt haben wird. Daher glauben wir, dass diese Zugangsbeschränkungen nicht das bringen werden, was man sich davon verspricht. (Bundesrat Perhab: Welche Alternative gibt es?)

Der Rektor der Uni Innsbruck hat einen ganz interessanten Vorschlag gemacht, mit dem ich mich durchaus anfreunden könnte. Er hat gesagt: Verlangen wir doch von Studenten aus anderen Ländern, vor allem aus der Bundesrepublik Deutschland, Ausgleichszahlungen. Da ist auch sofort ein „Njet“ gekommen. Warum denken wir nicht darüber nach?

In den nordischen Staaten funktioniert das seit 1996 zwischen Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland. Warum soll man das nicht auch bei uns einführen? Zumindest kann man, denke ich, einmal darüber nachdenken, darüber diskutieren und schauen, ob man da auf einen grünen Zweig kommt.

Ich bin auch dafür, dass wir von den Studenten prüfungstechnisch etwas verlangen. Ich bin übrigens auch in den Schulen dafür, dass man von den Schülern etwas verlangt – nicht jetzt in der Form, dass wir sagen, wir bauen einen Leistungsdruck auf, an dem der Schüler zerbrechen muss. Niemand von uns wünscht sich einen Schüler Gerber oder das Schicksal eines Schülers Gerber. Aber eine gewisse Leistung darf und muss ich verlangen. Diese Leistung soll aber auf das Verständnis des Stoffes ausgerichtet sein, auf vernetztes Denken, auf kritisches Hinterfragen, damit ich dann die Schüler habe, denen ich durchaus ein Studium zutrauen kann und die nicht von reinem Faktenwissen beseelt sind. Das scheint uns auch zu wenig zu sein.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 39

Jetzt komme ich zu dem, was ich auch bei der Schulbildung immer wieder sage: Wir denken zu wenig über Bildung im Allgemeinen nach. Auch bei den Universitäten geht es ja vor allem um Ausbildung, aber nicht um Bildung als Gesamtes, wofür aber die Universität geradezu prädestiniert ist und was wesentlich ist. Daher muss auch über den Zweck der Universitäten und ihren Auftrag nachgedacht werden.

Wenn wir von Ausbildung sprechen, kann man, finde ich, auch darüber nachdenken, welche an den Universitäten stattfinden soll und was man weiter ausbauend den Fach­hochschulen übergeben kann.

Ein weiteres Thema ist auch jenes der Studienabbrecher. Ja, wir haben nach meinem Dafürhalten zu viele Studienabbrecher. In der „Presse“ war vor zwei Wochen nach einer Befragung der Studenten aufgelistet, welche Gründe es für einen Studienabbruch gibt. 19 Prozent – und das halte ich für einen wirklich hohen Prozentsatz – gaben an, dass institutionelle Gründe dafür verantwortlich sind, also das, was ich eingangs schon erwähnt habe: überfüllte Lehrveranstaltungen, falscher Aufbau des Studiums. Bei mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Studium war der Prozentsatz nicht so hoch. Wir sagen ja immer wieder, wenn man berufstätig ist, dann ist es so schwierig, zu studieren. Aber es waren trotzdem noch 11 Prozent, was zwar nicht so viel wie 19 ist, aber dieser Prozentsatz erscheint mir doch auch ein wenig hoch.

Tatsächlich bereitet mir Sorge – und das sollte uns allen Sorge bereiten –, dass 18 Prozent angegeben haben, das sie gar nicht vorhaben, das Studium zu beenden. Jetzt werden Sie sagen: Na ja, dann machen wir eben Studienbeschränkungen, dann sind die 18 gleich von vornherein weg! Ich glaube allerdings nicht, dass das der richtige Weg ist, sondern ich meine, es wäre wichtiger, die künftigen Studenten an den Schulen besser zu beraten und zu informieren, was letzten Endes bei einem Studium auf sie zukommt. Wir haben die Forderung nach Beratung und Information übrigens in unserem Bildungsprogramm, das hat sogar die ÖVP teilweise aufgegriffen, das ist dann allerdings wieder im Sande verlaufen. Wir haben gemeint, man könnte es in der Oberstufe zur Bedingung machen, dass die Wahlpflichtfächer schon in Richtung eines Studiums gehen. Wenn jemand beispielsweise Medizin studieren will, dann muss er Biologie nehmen und kann nicht sagen, das interessiert ihn nicht oder Physik interessiert ihn überhaupt nicht. Also darüber könnte man auch nachdenken, ob man nicht schon in der Oberstufe eine Schiene in Richtung Universität legen könnte.

Dazu haben wir aber von Ihnen, Herr Minister, bis jetzt leider überhaupt nichts gehört. Ich behaupte jetzt, Sie sind mit dem Kopf und mit einem Fuß schon in Brüssel und es interessiert Sie nur mehr mäßig – ich will nicht sagen: gar nicht –, denn Sie haben sehr lange nachgedacht, bis Sie sich dazu entschlossen haben, diese Woche vielleicht doch mit den Studenten zu sprechen. Das scheint mir für einen Wissenschaftsminister schon sehr lange zu sein.

Was dabei herauskommen mag, das werden wir sehen und das darf man sich fragen. Ich fürchte, es wird nicht wirklich etwas herauskommen.

In der Zwischenzeit haben aber natürlich all jene Studenten, die eigentlich zügig ihr Studium beenden wollen, größte Probleme, zu ihren Lehrveranstaltungen zu kommen. Die Republik Österreich gibt viel Geld dafür aus, um Hörsäle woanders anzumieten, damit die Studenten zu einer Lehrveranstaltung kommen, und das unter dem Gesichts­punkt, den wir ja immer wieder hören, dass wir kein Geld haben. Also ich denke, Herr Minister, hier sind Sie schon aufgefordert, in den letzten Tagen, die Ihnen noch bleiben, in Ihrem Ressort für Ordnung zu sorgen.

Ich darf Sie alle daran erinnern, vor allem die Regierungsparteien, dass wir am 24. September 2008 beschlossen haben, dass ab 2009 – in diesem Fall war es bis 2020; wir sind mittlerweile zurückgegangen und haben gesagt, 2015 sollte es sein –


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 40

2 Prozent des BIP für die Universitäten ausgegeben werden sollten. Und damit sollte schon heuer Schritt für Schritt begonnen worden sein.

Was ist geschehen? – Nichts! Herr Minister, Sie haben den Universitäten „großzügiger­weise“ 34 Millionen versprochen, aber das ist ja Geld, das ohnehin für die Universitäten reserviert war, das war nur zwischengeparkt, und das schütten Sie jetzt „großzügiger­weise“ aus, was aber auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schnider.)

Wir brauchen ein Gesamtpaket für die Universitäten. Wir brauchen mehr Lehrpersonal. Wir haben in einem Entschließungsantrag im Nationalrat auch gefordert, dass die Nebentätigkeiten der Professoren untersucht werden müssen. Wir alle kennen Stu­denten – Sie kennen sicher auch welche –, die einem berichten, dass sie eine Prüfung nicht machen konnten, weil der Professor leider nicht da war, die Seminare nicht besuchen konnten, weil kein Platz war. Ich denke, auch da ist das Personal zu fragen.

Wir haben auch gesagt, dass die Studierenden ihr Lehrpersonal auch durchaus einmal bewerten dürfen, so nach dem Motto: Wer prüft die Prüfer?

Die Abschlussquote muss erhöht werden, und gleichzeitig muss die Drop-out-Quote verringert werden – diesbezüglich muss Ihnen und uns allen etwas einfallen!

Worüber Sie aber überhaupt nicht nachdenken – das gibt es leider nur bei einigen Studien –, ist die Möglichkeit des Online-Studiums, das die Vereinbarkeit von Beruf und Studium erleichtern würde. Es gibt Universitäten, die das machen und die uns zeigen, wie es geht. Warum soll das also nicht generell möglich sein?

Wir brauchen auch ganz sicher eine studienplatzbezogene Finanzierung, wie sie die Fachhochschulen übrigens auch haben. Weg mit dem Gießkannenprinzip, weg mit der Situation der Universitäten, die dann immer um Geld betteln müssen! – Wobei ich die Universitäten selbst nicht aus der Pflicht nehmen möchte, sich selbst auch Gedanken zu machen, wie sie ihre Universitäten bewirtschaften können, denn ich finde, sie machen es sich auch manchmal zu leicht. Sie gehen zum Minister, sagen, dass sie mehr Geld brauchen, und dann gibt es entweder Geld oder nicht. Gibt es kein Geld, dann sagen sie, dass sie leider nichts machen können. Ich meine, da ist die Kreativität der Professoren auch einzufordern.

Was wir auch ganz dringend brauchen, weil sehr viele Universitäten auch in einem baulich schlechten Zustand sind – da brauchen wir nur die Wiener Hauptuniversität her­zunehmen; seit Jahren ist es so, dass Kabel von der Decke hängen und nichts gemacht wird –, sind ein Gesamtkonzept, ein Neubauplan, ein Gesamtsanierungsplan. Es kann nicht so sein, dass immer nur gerade dort, wo es besonders prekär ist, etwas getan wird, bevor also jemandem etwas auf den Kopf fällt. Es muss einen Gesamt­sanierungsplan und Neubauplan mit einer Zeit- und Kostenplanung geben. All das vermissen wir noch immer.

Man sollte nicht nur darüber nachdenken, wir meinen, dass eine Umstellung von Semester auf Trimester eine bessere Nutzung der Zeit und des Lehrraumes mit sich brächte.

Weiters brauchen wir eine Evaluierung des Bologna-Prozesses. Und wenn man draufkommt, dass der, so wie er jetzt ist, wirklich nicht optimal funktioniert – was wir jetzt behaupten, und die Studenten übrigens auch, die ja ideologisch zum Teil ganz weit weg von uns sind, aber darin sind wir uns einig –, dann muss man den Mut haben, zu sagen, dass wir ihn zeitweise aussetzen. Ich sage nicht, dass wir ihn komplett streichen sollen, aber man kann über eine zeitweise Aussetzung durchaus nachdenken und schauen, wie Wettbewerbsfähigkeit und Mobilität der Studenten zu gewährleisten sind.


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Ich befürworte sehr, dass Studenten ins Ausland gehen, aber fragen Sie bitte heute einen Studenten, ob er sich das auch leisten kann. Wenn ich als Student kein Eltern­haus habe, das mir das finanziert, bin ich wieder gezwungen, neben dem Studium zu arbeiten – was für den Spracherwerb vielleicht nicht so schlecht ist –, und da beißt sich die Katze in den Schwanz, weil dann eben wieder der Erfolg des Studiums infrage gestellt ist. Ich meine daher, dass da noch einiges zu tun ist.

Aber eines muss uns allen bewusst sein: Wenn wir bei der Bildung unserer Jugend sparen – und da sparen wir, denn für das Bankenpaket haben wir Geld, aber für die Universitäten nicht –, dann sparen wir auch bei unserer Zukunft. Und ich bitte, das nicht zu vergessen! (Beifall bei der FPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

16.14


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister Dr. Hahn zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


16.14.42

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Herr Prä­sident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal – das meine ich keineswegs zynisch – freue ich mich, dass es heute wieder die Möglichkeit gibt, über die Situation an den Hochschulen oder im tertiären Sektor zu reden, weil es erfreulich ist, wenn da sozusagen das Interesse breit gestreut ist. Das gibt mir auch die Möglichkeit, Frau Bundesrätin, auf Dinge einzugehen, hinsichtlich derer Sie jetzt in Ihren Ausführungen versucht haben, den Eindruck zu erwecken, dass wir oder ich noch darüber nach­denken, dass es da noch keine Ideen gibt, dass es da noch gar nichts gibt.

Erstens nehme ich für mich in Anspruch, dass ich nicht nur darüber nachgedacht habe, sondern dass ich mir der Probleme bewusst bin.

Zweitens gibt es vieles von dem, was Sie einmahnen, schon die längste Zeit. Daher möchte ich zuerst auf einiges davon eingehen und dann noch jene Punkte beant­worten, die nach dieser allgemeinen Beantwortung vielleicht noch offen geblieben sind.

Auf die gesamte Frage und Diskussion, die sich aufgrund der Demonstrationen und Beset­zungen ergeben hat, darauf, dass meine einzige Antwort darauf die Zugangs­regelungen waren, muss ich sagen, dass das eine sehr verkürzte Darstellung des Problems ist. (Bundesrat Schennach: Aber nicht ganz falsch, oder?) – Ich werde es gleich ausführen. Es ist falsch! (Bundesrat Schennach: Nicht ganz!)

Der Ausgangspunkt der Diskussion war, nämlich schon lange vor den Besetzungen, dass wir in den ersten Wochen des Wintersemesters bei den Neuinskriptionen einen ziemlichen Run feststellen konnten, auch von deutschen Studierenden in bestimmten Fächern an bestimmten Universitäten. Und in diesem Zusammenhang habe ich davon gesprochen, dass Zugangsregelungen vermutlich die einzige Möglichkeit sind – ers­tens sieht sie das Gesetz für solche Zwecke vor, und zweitens hat die Vergangenheit bewiesen, dass sie das einzig taugliche Instrument auch im Einklang mit EU-Prinzipien sind. Und das ist es, nicht mehr und nicht weniger.

Auch zur Frage der Ausgleichszahlungen ein offenes Wort. Wenn ich gelegentlich höre, dass man darüber reden soll, muss ich ehrlich sagen: Nicht böse sein, aber das ist mir schon vor zwei Jahren eingefallen. Ich habe schon vor zwei beziehungsweise zweieinhalb Jahren das erste Mal mit den Deutschen – damals anlässlich der Medizi­nerquote – über dieses Thema gesprochen. Und ich habe auch diesmal wieder angeklopft, aber ich sage ganz offen – ich nehme an, das ist relativ nachvollziehbar –: Wenn die Deutschen, aus welchen Gründen auch immer, ihre Studienplätze in bestimmten Fächern beschränkt haben, dann werden sie sich dabei etwas gedacht


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haben – oder auch nicht, jedenfalls haben sie es getan. Und sie entwickeln kein Verständnis dafür, für etwas im Ausland zu zahlen, was sie gar nicht beauftragen, denn wenn sie mehr Studienplätze in einzelnen Fächern haben wollten, dann könnten sie sie in Deutschland schaffen. Aber sie haben ganz bewusst in bestimmten Fächern ihre Kontingente limitiert und entwickeln daher keine sonderliche Bereitschaft, dafür zu zahlen, wenn Leute, die in Deutschland nicht die Berechtigung haben, ins Ausland gehen. – Das muss man ganz offen sehen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Zu dem, was in Skandinavien abläuft – ich habe mit meinem dänischen Kollegen gesprochen –: Die sind gar nicht so glücklich über diese öffentliche Diskussion, die jetzt hier in Österreich und Deutschland stattfindet, weil sie wissen, dass ihre Regelung nicht sonderlich – sagen wir es einmal salopp – EU-konform ist. Sie versuchen auch, darüber nicht sehr viel zu reden.

Ich darf Ihnen versichern, dass diese Regelung, die – das ist richtig – 1996 geschaffen wurde – die Ausgleichszahlung beträgt 3 000 € pro Studierenden pro Jahr –, in all den Jahren aus gutem Grunde nicht valorisiert wurde. Das ist der Status in den nordischen Ländern.

Worüber man nachdenken kann – und darüber denken wir nicht nur nach, sondern diesbezüglich finden auch Gespräche statt; ich kann Ihnen sagen, die Deutschen sind über die österreichische Diskussion auch nicht sonderlich glücklich, dass sie da sozusagen in die Bredouille kommen, und haben Interesse an einer, so weit es geht, einvernehmlichen Lösung, wobei, wie gesagt, auch ihren Befindlichkeiten Grenzen gesetzt sind –, ist, ob allenfalls in einer Änderung des EU-Primärrechts Möglichkeiten gegeben sind. Aber da haben wir gerade erst eine gröbere Änderung hinter uns ge­bracht, und so bald steht keine neue an. Da wäre dann federführend das Bundes­kanzleramt beziehungsweise der Bundeskanzler gefordert.

Womit Sie vollkommen recht haben, ist die bessere Beratung der Studierenden. Kollegin Schmied und ich haben schon vor zwei Jahren mit einem Pilotversuch in drei Bundesländern begonnen, den wir jetzt flächendeckend ausbauen wollen beziehungs­weise werden, dass nämlich an den 7. Klassen der AHS eine umfangreiche, nämlich mehrstufige Studienberatung stattfindet mit dem dezidierten Ziel, zum Zeitpunkt der Matura – viele, die hier im Saal sitzen, wissen, wie ambitioniert diese Zielsetzung ist; wahrscheinlich aus eigener Erinnerung, möglicherweise aber auch aus der Beobach­tung von eigenen Kindern oder von solchen von Freunden und Bekannten – zu wissen, was man dann im Herbst machen möchte.

Wir wissen, dass das vielfach noch nicht der Fall ist, aber diese klare, wenngleich ambitionierte Zielsetzung haben wir – verbunden mit dem Wissen, dass es an den Fachhochschulen und Universitäten über 400 verschiedene Studienmöglichkeiten gibt und es immer noch ein Thema ist, dass bis dato 60 Prozent der Erstinskribenten an den Universitäten lediglich 10 Prozent der möglichen Studienfächer wählen. Daher haben wir in ausgewählten Fächern tatsächlich einen Massenandrang, den wir zu bewältigen haben.

Was nun das 2-Prozent-Ziel anlangt: Es ist richtig, wir haben vor über einem Jahr im Parlament – ich glaube, im Nationalrat und auch hier im Bundesrat – den Beschluss herbeigeführt, 2 Prozent des BIP bis 2020 für den tertiären Sektor – das ist nicht nur die Universität, das sind auch die Fachhochschulen und so weiter – bereitzustellen. Unter diese 2 Prozent fallen auch die Drittmittel, also die gesamten Aufwendungen, die für den tertiären Sektor getätigt werden.

Ich darf Ihnen sagen, mit den aktuellen Budgets sind wir im Plan, um 2020 diesen Prozentsatz zu erreichen. Wenn Sie natürlich jetzt die Forderung erheben, es müsse schon 2015 sein oder vielleicht auch schon nächstes Jahr oder nächste Woche, dann


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wird das – das gebe ich offen zu – nicht in dieser Zeit zu realisieren sein. Aber auf dem 2020-Pfad mit den 2 Prozent befinden wir uns. Das ist ein realistisches Ziel.

Wenn es Möglichkeiten gäbe – da ist jeder gefordert; das ist ein Thema der gesamten Regierung –, in diesem Bereich mehr Mittel bereitzustellen, würde das den zustän­digen Ressortchef freuen, nur muss man schon auch immer die Frage stellen, wofür dieses Geld eingesetzt wird.

Ich habe mir die Stellungnahmen der letzten Wochen angesehen, die von den unter­schiedlichsten Gruppierungen in unserer Gesellschaft in unserer Republik kamen, und muss sagen: Das, was sie alle eint, ist die Forderung nach mehr Geld – aber selten habe ich daneben gefunden, wofür. Reflexartig wird also mehr Geld verlangt, was okay ist, aber es ist sozusagen auch die nächste und übernächste Denkschleife gefordert, nämlich zu sagen, wo und wie dieses Geld eingesetzt werden soll.

Daher auch dieser Hochschuldialog, den wir übermorgen beginnen werden, wobei ich hinzufügen möchte: Ich habe auf eigene Veranlassung festgehalten, dass das im Regierungsprogramm steht. Er ist von mir ganz planmäßig im August gestartet worden. Es mag nicht so „sexy“ sein, wenn der zuständige Minister das sagt, Besetzungen und Demonstrationen haben in unserer massenmedialen Gesellschaft offensichtlich eine andere Wirkung. Es soll mir recht sein. Damit ist dieses Thema breit aufgestellt, und wir können vermutlich schneller diskutieren und zu einem Ergebnis kommen, als ich es bisher gedacht habe.

Eines muss man aber auch wissen – das ist aus Ihren Ausführungen klar geworden, und ich kenne auch andere Positionen –: Es gibt zu den unterschiedlichsten Problem­stellungen höchst unterschiedliche Lösungsansätze. Ziel muss es, glaube ich, sein, den maximalen, den breitesten Konsens zu finden. Dann können wir uns in der Tat der Frage nähern: Wofür soll – ich bin ganz bei Ihnen, dass grundsätzlich mehr Geld sinnvoll ist – dieses Geld ausgegeben werden?

Ich habe auch nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich in the long run gegen eine Studienplatzfinanzierung nichts einzuwenden habe, nur muss man sich, wenn man sich mit der Frage einer Studienplatzfinanzierung auseinandersetzt, auch darüber im Klaren sein, dass es überall dort, wo es eine derartige Finanzierung gibt – man möge sich internationale Beispiele anschauen –, vonseiten des Gebers – und das ist die öffentliche Hand – natürlich sehr klare Vorschriften gibt, wie Kriterien aussehen, damit diese Finanzierung Platz greift.

In der Regel stellt das also auf die erfolgreiche Bewältigung eines Studiums ab und sicher nicht auf den Umstand, lediglich sozusagen einen Inskriptionskopf nachweisen zu können.

Ich erinnere mich an die noch nicht lange zurückliegenden Koalitionsverhandlungen, bei denen es durchaus Auffassungsunterschiede zwischen der Sozialdemokratie und der Volkspartei darüber gegeben hat, was wir bereits oder noch nicht als „studien­aktiven Studierenden“ bezeichnen wollen.

Also all diese Fragen sind einer Diskussion und dann einer Klärung zuzuführen. Des­we­gen ist der erste und naheliegende Schritt – das ist auch in der Regierungserklärung festgehalten –, dass wir bis zum Ende der Legislaturperiode eine Klarstellung dahin gehend haben wollen, wie in Hinkunft das heutige Globalbudget für die Universitäten in eines für Forschung und eines für Lehre aufgeteilt werden kann. Das ist meines Erach­tens der erste wesentliche Schritt. Der Nächste kann dann durchaus eine Studien­platzfinanzierung sein, aber da sind aus meiner Warte noch sehr, sehr viele Diskus­sionen zu führen, wie man das eigentlich bewerten kann, was dann schlussendlich in einer echten Studienplatzfinanzierung münden kann.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 44

Zur Frage des Online-Studierens: Einzelne Universitäten machen das intensiver, andere weniger. Wir haben versucht, in den anstehenden und jetzt zu Ende gehenden Leistungsvereinbarungsgesprächen mit den Universitäten auf dieses Thema hinzu­weisen. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass es mir ein großes Anliegen ist – ich werde mir das auch vor diesem Hintergrund ansehen –, dass die von mir mit einem Mascherl versehenen 34 Millionen €, die also ausschließlich der Verbesserung der Lehrbedingungen an den Universitäten zugute kommen sollen, in nicht unerheblichem Maße genau für derartige Möglichkeiten Verwendung finden sollten, weil damit auch Nachhaltigkeit gegeben ist.

Es geht darum, Instrumente, Strukturen zu schaffen, damit verstärkt dort, wo es not­wendig ist, Blended-studying-Komponenten eingeführt werden, sprich eine ver­nünftige Mischung aus Präsenznotwendigkeiten, aber auch elektronischem Fern­studium.

Zwei letzte generelle Bemerkungen zur gesamten Frage des Bauens – das wird jetzt vielleicht schlecht zu sehen sein (der Redner zeigt eine Graphik), aber in der Ge­schwindigkeit habe ich kein anderes Taferl zu Wege gebracht –: Die blauen Säulen zeigen Ihnen die Zunahme an Flächen beziehungsweise an Nutzflächen an den Universitäten in Quadratmetern. Wir halten jetzt bei knapp über 1,7 Millionen Qua­dratmeter Nutzfläche, ohne Universitätskliniken, und haben damit von 1990 bis jetzt die Fläche pro Studierenden von 5,1 auf 7,1 Quadratmeter gesteigert.

Wir geben seit fünf Jahren und für die nächsten fünf, sechs Jahre in Summe 1,6 Mil­liarden € für Verbesserungen im baulichen Bereich aus. Es wird praktisch an allen Uni-Standorten ständig gebaut, saniert, renoviert, aber natürlich kann man sagen, dass all das noch zu wenig ist. Wir versuchen anhand von Prioritätenlisten der Univer­sitäts­konferenzen, da entsprechende Schwerpunkte zu setzen, diese abzuarbeiten und damit die Ausbildungsqualität zu verbessern.

Zum Thema Bologna: Das ist etwas, das in der Tat ernst zu nehmen ist, weil die Umsetzung der Bologna-Philosophie in einzelne Lehrpläne da und dort sicherlich nicht optimal war.

Das war übrigens einer der wesentlichen Punkte, warum ich diesen Dialog haben wollte, weil ich vor über einem Jahr Auftrag gegeben habe, einmal exemplarisch Studienpläne anzuschauen. Und da muss man sagen, manche Universitäten haben tatsächlich völlig neue, sozusagen ab ovo Studienpläne konzipiert, andere aber haben das getan, was sie nicht hätten tun sollen, nämlich das seinerzeitige klassische Diplomstudium lehrplanmäßig in der Mitte irgendwo durchgeschnitten und gesagt, dass der erste Teil „Bachelor“ und der zweite Teil „Master“ heißt. Das ist falsch! Das gehört korrigiert.

Es hat auch da und dort den wenig zufriedenstellenden und hart kritisierten Versuch beziehungsweise die Praxis gegeben, ein Studium, das bisher für acht Semester geplant war, auf sechs Semester, sagen wir es einmal salopp, zusammenzupferchen. Das führt dann zu den mit Recht kritisierten Punkten, dass das alles ziemlich verschult ist, et cetera.

Diese Diskussion, ein sinnvolles Miteinander zwischen Bildung und Ausbildung zu schaffen, ist es allemal wert, ordentlich geführt zu werden. Wobei ich schon hinzu­füge – auch an die Adresse etwa der jetzt besetzenden Studierenden –: Gemäß einer Eurostat-Studie, also des regelmäßigen Euro-Barometers, wollen 90 Prozent der öster­reichischen und 95 Prozent der europäischen Studierenden eine ordentliche berufs­orientierte Ausbildung an den Universitäten. Das ist sicherlich etwas, was auch der zuständige Minister zu beachten hat.


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Ich darf mich schlussendlich zu den einzelnen Fragen noch insofern äußern, als ich versucht habe, einiges zusammenzufassen.

Die Fragen 1, 2, 4, 9, 10 und 11 sind alles Fragen, die ich unter dem Gesichtspunkt der Uni-Autonomie zusammenfassen würde und zusammenfassen muss, und da möchte ich schon darauf hinweisen, dass wir eine sehr weit entwickelte Universitäts­autonomie haben, und vieles von dem, was Sie hier verlangen oder einmahnen, ist in der souveränen Verantwortung der einzelnen Universitäten.

Das heißt nicht, dass ich mit den Universitäten nicht immer wieder im Gespräch bin und auch in Leistungsvereinbarungsgesprächen versuche, das zu realisieren, oder den Uni-Räten, insbesondere den von der Bundesregierung nominierten, nahelege, sich etwa mit der Frage der Nebenbeschäftigung von Universitätsangehörigen zu befassen. Ich weiß, dass das an einzelnen Universitäten stattfindet, und das ist ein Thema, das wir auch immer mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.

Zur Frage 3: Oberstufenreform oder Weiterentwicklung der Oberstufen. – Das ist auch ein Thema, von dem ich meine, dass es ausführlich diskutiert gehört. Da gibt es unter­schiedlichste Zugänge, die da lauten, sozusagen so wie bisher weiterzumachen. Ich kenne aber auch Diskussionen, etwa vor dem Hintergrund angelsächsischer Beispiele, wo man an den Oberstufen bereits Spezialisierungen vornimmt, die dann zu einge­schränkten Studienmöglichkeiten führen.

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wir sollten sie alle diskutieren, aber das Wesentliche ist da das Thema Studienchecker.

Zum Thema Finanzierung habe ich mich schon einleitend ausführlich, glaube ich, geäußert, auch zum Thema Raumbedarf, was eben die Fragen 5, 6, 8, 12 und 13 anbelangt.

Nochmals zur Frage der Studierendenzahl. – Auch das, Frau Mühlwerth, eint uns, glaube ich, wenn wir das Interesse haben, die Absolventinnenquote zu heben. Zu glauben, dass eine hinreichende Zahl von Studienanfängerinnen und -anfängern schon ein verlässlicher Garant für die Zahl der Absolventinnen und Absolventen ist, ist ein Irrtum. Da muss ich sagen: Das ist nicht der Fall!

Ich bringe da das deutsche Beispiel: Die Deutschen haben vergleichsweise weniger Studierende als Österreich. Wir rechnen ja immer mit dem Faktor 10. Deutschland hat rund 2 Millionen Studierende, wir hatten 240 000 im vergangenen Jahr, aber Deutsch­land hat im Sommersemester dieses Jahres 300 000 Absolventinnen und Absolventen gehabt, wir hingegen 24 000. Wir haben einen Faktor 1 : 10 und die Deutschen eigent­lich einen Faktor von weniger als 1 : 7, also deutlich effektiver als wir. Und das sind die Dinge, die uns zu denken geben sollten, und daher sollte man sich die unterschied­lichen Instrumente anschauen.

Ich glaube aber, dass die Studienchecker-Initiative, durch die Studieneingangsphase et cetera die Drop-out-Quote in den ersten drei Semestern eines Studiums deutlich rückläufig wird und auch das Commitment zum einzelnen Studium zunehmen wird, und daher gehe ich davon aus, dass sich diese Quote verbessert.

Ich muss allerdings schon auch sagen, vor allen Dingen jenen, die Eingangsprüfungen und Zugangsregelungen skeptisch gegenüberstehen: Dort, wo wir sie haben, ist die Drop-out-Quote dramatisch gesunken. Bei den Medizinern haben wir heute eine Drop-out-Quote von weniger als fünf Prozent. Vor diesen Maßnahmen hatten wir dort eine Drop-out-Quote von 50 bis 60 Prozent plus einer wesentlich längeren Dauer des Studiums.


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Zu Bologna habe ich mich schon geäußert. Ich kann Ihnen dazu noch sagen: Es gibt jährlich eine Berichtslegung auch national über den Fortgang der Umsetzung, der auch auf der Homepage meines Hauses jederzeit einsehbar ist. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.34


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Schennach. – Bitte, Herr Kollege.

 


16.34.56

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ein Dialog, der einen Monat lang braucht, bis er beginnt, wo es Besetzungen gibt, wo es Demonstrationen gibt, wo es eine wirklich bemühte Studentenschaft gibt, die vielleicht etwas überraschend aufschreit – da sind mir drei Wochen zu lang! Zu lang zum Nachdenken und auch vielleicht zu lang, um ein Verhältnis dazu zu finden, wie man denn mit den Studieren­den umgeht. Tut mir leid.

Herr Rektor Winckler hat das – Gott sei Dank – anders gesehen. Er hat gemeint, dass die Studierenden die Betroffenheit über den Zustand unserer Universitäten aufzeigen und somit zentrale Verbündete für eine bessere Universität sind. Das wäre eine andere Herangehensart gewesen, als Sie das gemacht haben, als einmal abzuwarten, ob nicht vielleicht der Atem der Studierenden kürzer ist und die Wogen sich schneller glätten.

Herr Bundesminister Hahn, Sie haben ein schreckliches Erbe übernommen, als Sie in dieses Ministerium gekommen sind, aber es ist Ihnen nicht gelungen, in der Zeit, in der Sie die Ressortführung hatten und in der Sie dieses schreckliche Erbe zu bewältigen begonnen haben, Wesentliches zu verbessern und es zumindest jetzt, wo Sie nach Brüssel gehen, so geordnet zu übergeben, dass wir nicht an die Zustände vor Ihrer Amtsübernahme erinnert werden.

Das Schwierige – Kollege Schnider wird mir das vielleicht bestätigen; wir sind zwar jetzt in einer Konfrontationsdiskussion, aber über Bildungsfragen haben wir uns hier in diesem Haus immer sehr gut verstanden – und eines der Hauptprobleme im Sport, zum Beispiel beim Staffellauf ist etwas, wo alle immer ganz nervös sind, nämlich die Übergabe des Stabes. Und das funktioniert auch in unserem Bildungssystem einfach nicht: Es funktioniert nicht die Übergabe vom Kindergarten zur Grundschule und schon gar nicht von den Gymnasien zu den Universitäten.

43 Prozent unserer SchülerInnen maturieren nur – da stimmt irgendetwas nicht. Mag sein, dass es die frühe, falsche Selektion ist, die wir hier durchführen. Wir sind blitzartig bereit – und das ist ja eigentlich die Lehre, ist das, was wir von den zornigen jungen Menschen eigentlich annehmen sollten, annehmen, ohne es gleich zu rechtfertigen – zu sagen: Stimmt alles nicht, und wir haben, und wir haben ...!

Die Jungen sind zornig, und ihr Zorn wird ja durch Folgendes belegt: Wenn wir laut OECD-Statistik über die Absolventenquoten am 30. Platz von 36 Staaten liegen, dann stimmt irgendetwas nicht! Wenn wir uns die Jahre 1996 bis 2006 ansehen: Da gibt es drei Staaten, die bei den Studierendenzahlen auf null sind – auf null, wo doch die einzige Chance in Europa ist: Ausbildung, Ausbildung, Ausbildung!

Wenn wir auf Mobilität setzen und so weiter, dann ist die Ausbildung der eigentlich große Schatz, und Österreich grundelt auf der Null-Linie herum! Und dann sehen wir


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Statistiken, die dann als Rechtfertigung präsentiert werden, über wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die es gar nicht gibt – so, wie es zum Beispiel in der Grundschule Lehrer und Lehrerinnen an Schulen gibt, die gar nicht mehr existieren, nur die Lehrer und Lehrerinnen werden geführt!

Schauen wir uns zum Beispiel Folgendes an – da gibt es auch Rechtfertigungen –: Die beste Universität im Ranking ist die Universität Wien, und die ist abgestürzt vom Platz 85 zwischen 150 und 200, während die Universitäten Indiens und so weiter nicht nur auf der Überholspur sind, sondern die fliegen ja geradezu im Düsenjet an uns vorbei!

Wenn wir uns das heurige Jahr ansehen: Wir haben 300 000 Studierende erwartet, 250 000 sind es nur geworden! Das ist zu wenig! Warum gehen unsere jungen Menschen nicht studieren?

Man kann in Österreich davon ausgehen – und man braucht keine Scheuklappen zu haben; Kollege Schnider, das haben wir bei anderen Themen schon bewiesen, dass wir keine haben –, dass die durchschnittliche Studiendauer sieben Jahre ist. Das kostet zirka 70 000 €. Was heißt „freier Hochschulzugang“? 70 000 €: Das ist der Verdienst­entgang, das sind Studien-, Prüfungsgebühren, Taxen, Kosten fürs Leben. Und wenn ich dann das Studium absolviert habe, was bleibt dann?

Schauen wir uns doch einmal die Wirklichkeit an! – Prekäre Beschäftigungs­verhält­nisse noch und nöcher, junge Leute, die in geringfügige Beschäftigungen gehen – manche sammeln sie geradezu. Ich kenne eine Studienabsolventin, sie macht jetzt ihren zweiten Magister; alles tiptop, voll ausgebildet: drei Mal prekäre Beschäftigung. Sie wissen, was das Maximum ist: 350 €; dreimal 350 € – doppelter Magister!

Das ist die Realität! Und das beantwortet zum Teil die Frage, warum unsere Univer­sitäten nicht gestürmt werden.

Wir, Bundesrat und Nationalrat, waren in einem nationalen Kraftakt sofort bereit, einen großen „Schirm“ über unsere Bankenwelt zu spannen, aber wir wissen seit zehn Jahren, dass an unserer universitären Ausbildung irgendetwas nicht mehr stimmt, dass mit Sicherheit 3 000 Lehrstellen fehlen, dass die Frauen in den Professuren – von Rektoraten will ich gar nicht reden – mit der Lupe zu suchen sind. Wenn wir aber davon ausgehen, dass über 50 Prozent jener, die studieren, Frauen sind, müssen wir sagen: Das wissen wir seit Jahren!

Herr Bundesminister Hahn, Sie verweigern hier die Beantwortung einer Reihe von Fragen, weil Sie sagen, das geht in die Schulautonomie. Da gibt es schon etwas, was wir schon noch immer Hochschulpolitik nennen, wo es um klare Vorgaben geht. Und wie sieht es tatsächlich aus? Ist jetzt jemand bereit, 60 000, 70 000 € zu „investieren“, um danach in prekäre Beschäftigungsverhältnisse oder in 1 000-€-Praktika – die kann man nämlich auch aneinanderhängen; 1 000 € für 1 000 € – zu gehen, dann gibt es ja noch immer die nächste Zugangshürde – die haben Sie heute nur so ein bisschen gestreift –: diese undurchsichtigen Studieneingangsphasen in manchen Studienbe­reichen, oder es müssen nach wie vor in den Hörsälen die Leute auf dem Boden sitzen bei Pflichtvorlesungen, wo sie sich um 5 oder 6 Uhr anstellen müssen, und wenn ich mich nicht richtig anmelde, verliere ich schon wieder ein Semester, und Professoren, die gar nicht wissen, in welcher Massenabfertigung sie sind, wenn sie 104, 105, 110 Studierende gleichzeitig zu betreuen haben!

Das sind die Gründe, warum wir in der Politik sagen oder die Gesellschaft insgesamt zu den Jugendlichen sagt: Ihr habt euch zu bilden! Und umgekehrt: Was ermöglichen wir den Jugendlichen? Ermöglichen wir ihnen überhaupt die Bildung? Ermöglichen wir ihnen überhaupt das Vertrauen in die Politik und dass die Politik genau das ernst


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nimmt? Das ist das, was eben diese Jugendlichen jetzt so traurig macht oder so wütend macht und diese Wut im Bauch entstehen lässt, dass da eigentlich die Zukunft verspielt wird.

Herr Bundesminister Hahn, Ihnen wünsche ich natürlich als EU-Kommissar alles Gute. Auch wenn man in der Sache streitet, so muss es nicht im Persönlichen sein. Ich glaube, wir haben uns immer sehr wertgeschätzt. Ich wünsche Ihnen wirklich alles Gute, und wir werden uns sicher in internationalem Rahmen sehen. Aber ich ersuche Sie trotzdem, vielleicht in einer zweiten Beantwortung, ein bisschen genauer auf die von Frau Kollegin Mühlwerth und mir gestellten Fragen einzugehen, und das nicht so kurz, wie Ihre Antworten vorhin ausgefallen sind. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

16.45


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


16.45.16

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten aufgrund dieser Dringlichen Anfrage schon einmal Folgendes fest­halten – der Herr Bundesminister hat das bereits angesprochen, und du, Stefan Schennach, hast es in deinen letzten Worten jetzt auch gesagt –: Ich habe schon ein bisschen den Eindruck, dass diese Dringliche Anfrage sich von ihren Fragen her an einen Bundesminister richtet, aber im Grunde müssten sich diese Fragen an zwei Bundesminister richten, um das einmal gleich deutlich werden zu lassen, und das hat ja Herr Bundesminister Hahn sehr deutlich gesagt, und eigentlich müssten hier alle Rektorinnen und Rektoren auch noch dasitzen.

Das ist nämlich ungefähr der Umfang dieser Dringlichen Anfrage, und genau das wurde ja soeben gesagt: Dass ein Teil dieser Fragen – das ist auch mein Eindruck – mit der Autonomie der Hochschulen zu tun hat. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin sehr, sehr froh, dass es das seit 2002 in dieser Art gibt, und ich habe auch den Eindruck, dass bei den Kolleginnen und Kollegen und vor allem bei den Rektoren eher Freude darüber herrscht, dass man eine stärkere Autonomie hat.

Da komme ich zu meinem ersten Punkt: Ich glaube – und da hat Kollege Schennach recht –, wir müssen uns sehr wohl über Übergänge unterhalten, was das gesamte Bildungssystem betrifft, aber Übergänge haben auch etwas mit Zugängen zu tun. Ein Übergang heißt immer, man geht wo hinaus und dann wo hinein. Das heißt, ich habe wo einen Zugang. Meines Erachtens habe ich da jetzt schon im tertiären Bereich ein grandioses, veritables Problem, denn es hat sich in den letzten Jahren schon der tertiäre Bereich, gerade was die Hochschulen, die Hochschullandschaft betrifft, kom­plett verändert, weil wir ja in Österreich nicht mehr nur einen Typ haben, nämlich diesen Prototyp Universität, sondern wir haben Fachhochschulen und haben jetzt auch Pädagogische Hochschulen.

Jetzt werde ich euch etwas sagen – und das ist das, was mich unglaublich stört an der Diskussion –: Ich habe schön langsam den Eindruck, dass die Universität als der Prototyp – da wird bei euch geredet vom Humboldt’schen Ansatz, dem stimme ich voll zu! – in Österreich zu einer Resthochschule verkommt. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Ja, aber warum? Und jetzt kommt meine Antwort darauf: Weil bei den Fachhochschulen und bei den Pädagogischen Hochschulen selbstverständlich Zugangsbeschränkungen sind, Prüfungen, Gespräche und weiß der Himmel was alles gemacht wird, und wir wissen doch von den Zahlen, dass nicht wenige Studierende, die nicht in die Fachhochschulen kommen, dann zwischenzeitlich auf die Universität


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gehen und irgendwas studieren, bis sie es halt dann noch einmal auf der Fach­hoch­schule versuchen.

Seid mir nicht böse, aber das kann es doch nicht sein bei einer Einrichtung, wo der Herr Bundesminister berechtigterweise gesagt hat: Um Gottes willen, da geht es um Forschung und Lehre, und deshalb ist natürlich das mit der Pro-Kopf-Zahl auch nicht so einfach zu debattieren! Wenn uns die Forschung wichtig ist, dann müssen wir dafür auch Geld zur Verfügung stellen, und erst recht in Verbindung mit der Lehre. Und eure erste Frage an den Bundesminister ist ja, ob da wohl eine forschungsgeleitete Lehre betrieben wird. Ja, selbstverständlich, da kann man nur ja sagen! Ja, aber ...!

Schauen wir uns doch die anderen Hochschultypen an: Fachhochschule und Päda­gogische Hochschule. Also, da bin ich mir nicht so sicher, ob diese Gewichtung Forschung und Lehre wirklich so funktioniert, und jetzt werde ich euch sagen, warum nicht: Weil eigentlich für eine Akkreditierung einer Hochschule wesentlich ist, dass sie unabhängig forscht und lehrt. Und ich behaupte jetzt: Wenn bei Hochschulen wie einer Pädagogischen Hochschule laut Kommentaren von mehr Wissenden als mir, von Juristen, die in ihren Fußnoten und Kommentaren schreiben, dass eigentlich das Pädagogische Hochschulgesetz dem Universitätsgesetz 1993 nachgebildet ist, also keinerlei Autonomie und Unabhängigkeit vom Ministerium und anderen Stellen gegeben ist, dann frage ich mich, ob wir nicht das auch einmal diskutieren müssen, ob nicht Hochschule bei uns gar nicht gleich Hochschule ist. Das geht also schon ein bisschen tiefer, als wir das sagen.

Und damit wundere ich mich jetzt aber schon sehr, dass wir zwar bei den anderen ohne Weiteres Zugangsbeschränkungen zu den Hochschulen in Kauf nehmen und sagen: Ja, das ist okay!

Und ich freue mich auch sehr – und da sieht man, dass es am Minoritenplatz eine einheitliche Meinung dazu gibt, bitte, nur um das auch klar zu sagen, denn ich bin überzeugt, dass Frau Minister Schmied hier auch nichts anderes gesagt hätte –, in einem interessanten Interview der „Tiroler Tageszeitung“, das mir vorliegt, Folgendes zu lesen. Da wird die Frau Bundesministerin gefragt:

„An den Pädagogischen Hochschulen, die Ihnen unterstehen, gibt es Aufnahme­prüfungen. Sollte es so etwas auch an den Unis geben?

Schmied: Ja, ich bin eindeutig für qualitative Zugangsregelungen – vor allem dort, wo die Studien stark berufsbezogen sind und wo es um Eignung geht.“

Ein wichtiges Wort spricht sie hier an, nämlich: Ich glaube, wir müssen viel stärker schauen: Wie schaffen wir Zugänge? – Wir sehen das immer negativ, im Sinne von Beschränkung. Ich glaube, wir müssen die Möglichkeit schaffen, wo jemand, was Eignung und Neigung betrifft, am besten seinen Platz hat! Und wir können es uns aufgrund unserer volkswirtschaftlichen Mittel, also schon ökonomisch, nicht leisten, dass Leute jahrelang sitzen und dann draufkommen: Das ist es nicht für mich! Und wir können es uns auch nicht leisten, dass Leute, die woanders eben nicht genommen werden, weil es dort Zugangsbeschränkungen gibt, dann halt dort studieren gehen, sondern ich glaube, wir müssen eindeutig zeigen, dass die Universität das ist, was ihr in der ersten Anfrage feststellt, nämlich eine forschungsgeleitete Lehrinstitution.

Wenn sie das ist, dann muss man aber sehr bald am Anfang klären, ob die Studieren­den sich überhaupt auf diesen methodologischen Weg einlassen wollen oder nicht. Und da halte ich eine klare Diskussion für notwendig, so wie wir es jetzt auch in dem Dreierpaket, das Pröll und Hahn ausgerufen haben, sehr klar auf den Tisch legen und sagen: Bitte, wir müssen darüber nachdenken, wie das mit den Zugangsbeschränkun­gen ist!


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Dann liegt mir noch etwas Interessantes zu dieser Geschichte vor, das ich gerade bekommen habe – das ist sehr interessant, das stimmt nämlich genau mit dem überein, was uns der Herr Bundesminister gerade gesagt hat – und das sich darauf bezieht, dass oft gesagt wird: Na ja, wenn das so ist, dann machen wir doch irgend­etwas mit Ausgleichszahlungen für diejenigen, die bei uns studieren, dann werden weniger Plätze!, und, und, und.

Also hier ist eine APA-Geschichte von heute, und darin steht:

„Wenig Aussicht auf deutsche Ausgleichszahlungen“, „Deutschland sieht sich als ,Importeur‘ von Studierenden und hält Ausgleich für ,nicht angemessen‘“.

Da heißt es: „Deutschland steht Ausgleichszahlungen für deutsche Studenten in Österreich mit wenig Sympathie gegenüber“, denn sie fragen sich – und das wird dann weiter ausgeführt –, wie sehr das für Deutschland überhaupt einen wirtschaftlichen Nutzen hat oder nicht.

Das heißt, genau dieser Vorschlag, der von Herrn Bundesminister Hahn vorher ange­sprochen wurde – weswegen er sich sichtlich ohnedies schon einmal „seine Füße ausgerannt“ hat, wird im Prinzip hier von Deutschland nicht goutiert. Das heißt, der ist weg vom Fenster.

Wir müssen auch darüber nachdenken – und ich will da jetzt keine Großdiskussion, ich weiß, da stehen wir alle unterschiedlich dazu, nur: wenn wir schon davon reden, komme ich da auch gleich zum zweiten Punkt, nämlich zum Budget –: So einfach können wir es uns nicht machen! Ich habe auch ein kleines Schildchen vorbereitet. (Der Redner zeigt eine Graphik.) Und das ist schon recht gut: Wenn Sie oben dieses Pink – das ist jetzt ganz in – sehen, dann sehen Sie diese Balken, was es praktisch jetzt sehr wohl mehr an Zuwächsen gibt. Das heißt, diese 17 Prozent für die nächsten Jahre, das ist ja nicht nichts! Bitte schauen Sie sich an: Da war 2007, 2008. (Bundesrat Schennach: Aber das ist jetzt nicht jährlich gerechnet! – Verteilt pro Jahr ...!)

Natürlich muss ich aber etwas sagen, und auf das möchte ich ja hinkommen: Selbstverständlich sind 157 Millionen € Ersatz für die Studiengebühren. Da muss man natürlich auch offen darüber reden, dass wir halt eventuell solche 157 Millionen Plus auch noch dazu hätten. Dann hätten wir vielleicht über 300 Millionen! Das wäre schon möglich! Es ließe sich darüber ja hier auch ein gewisses Überlegen breit machen.

Nur: Ich möchte das schon deshalb zeigen, weil man den Eindruck hat – und da möchte ich niemandem etwas unterstellen –, als herrschte bei uns irgendeine Mangel­wirtschaft und als ob in die Hochschulen und in den tertiären Bereich nichts investiert würde. Es ist nämlich aus meiner Sicht schon merkwürdig, wenn ich mir die OECD anschaue – sonst sind wir ja immer alle für Benchmarks. Wenn wir uns jetzt an­schauen, dass die OECD hier sagt, dass wir mit den jährlichen Ausgaben pro Studierenden mit 10 608,8 € im vorderen Drittel liegen und bei den kumulierten Aus­gaben, also im Durchschnitt auf einen Studierenden hochgerechnet, sogar mit 56 225,7 € an erster Stelle in den EU-Ländern und an zweiter Stelle in den OECD-Ländern liegen, dann müssen wir uns schon auch die Frage gefallen lassen – ähnlich wie in der Schule –, ob wir nicht finanziell ohnedies schon einiges hineinstecken, aber der Output nicht ganz so ist.

Da werden wir ein bisschen darüber nachdenken müssen, ob vielleicht die Hoch­schulen auch mit der Autonomie noch nicht zu leben gelernt haben, denn das, was der Herr Bundesminister gesagt hat, kann ich nur aus eigener Erfahrung bestätigen. Wissen Sie, wie an manchen Hochschulen das mit den Curricula gelaufen ist? – Genau so, wie er es gesagt hat! Es sind die Vorlesungen der Kolleginnen und Kollegen gleich geblieben, man hat es halt nur ein bisserl umgeschichtet. Und deshalb werden


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 51

Sie ja zum Beispiel merken, dass dieses neue „Format“, wie ich immer so schön sage, einer Hochschulveranstaltung, das „VÜ“ heißt – Vorlesung mit Übung –, kaum genützt wird. Wir haben die meisten immer noch als „VO“ – Vorlesung –, denn wenn man – ich sehe es an mir selbst – „VÜ“ anbietet, dann fragen einen die Kollegen: Fühlst du dich nicht irgendwie herabgesetzt, dass du „Vorlesung mit Übung“ machst? – Dabei be­deutet „Vorlesung mit Übung“, dass man mit den Studierenden wirklich in einen Dialog tritt, und „VO“ bedeutet eindeutig, dass die Leute dasitzen und man sie einige Monate lang frontal bearbeitet, und zum Schluss gibt es halt eine Prüfung.

Jetzt ist aber die Mehrheit dieser Veranstaltungen immer noch so orientiert! Aber das ist doch nicht Sache des Minoritenplatzes – seid mir nicht böse –, sondern das ist Sache der Hochschulen! Deshalb habe ich da den gleichen Vorwurf – und da können mich jetzt ruhig alle in den Hochschulen steinigen –, dass das nicht unbedingt nur eine Frage des Geldes ist, sondern die Frage ist, ob nicht dort inhaltlich mit der Autonomie nicht entsprechend umgegangen wird. Dann müssen wir hergehen und fragen, ob eben die Curricula nicht dementsprechend gemacht worden sind. – Ja, soll vielleicht der Herr Minister ein eigenes Referat im Ministerium einrichten, wo die Curricula ein bisschen dahin gehend untersucht werden, ob sie sich an den modernen hochschul­didaktischen Gegebenheiten orientieren? – Wenn wir das wollen, dann sagt das!

Ich muss ehrlich sagen, ich will das nicht! Ich will, dass diese Hochschulen lernen, autonom zu arbeiten. Und ich glaube, dazu sollten wir ihnen eine große Chance geben. Und deshalb glaube ich, dass wir hinsichtlich mancher dieser Dinge – die ihr hier berechtigt fragt, das möchte ich auch sagen, und ich bin auch sehr froh darüber, denn dann können wir uns hier wirklich einmal auch über dieses Thema unterhalten, nämlich über den tertiären Bereich, der hier in unserer Bildungskammer ohnedies bisher noch zu kurz gekommen ist, weil wir uns ja oft nur mit den Zehn- bis Vier­zehnjährigen und mit der Sekundarstufe eins und zwei beschäftigen – nicht umhin­kommen werden, anstatt nur zu sagen: Je mehr Geld, umso mehr kommt heraus!, auch darüber nachzudenken, ob vielleicht manche inhaltlichen Dinge nicht so laufen.

Damit komme ich zu meinem letzten, aber auch noch wichtigen Punkt: Bologna. (Bundesrat Schennach: Und vielleicht, dass der Studierende als Kunde und nicht als zu Versorgender betrachtet wird!) – Ja, natürlich! Damit redest du auch darüber, was Input und Output betrifft. Selbstverständlich stimme ich dir da zu!

Da hier auch der Bologna-Prozess angesprochen wurde: Ich weiß, da gibt es einige Probleme. Nur: Fangen wir nicht an, bei Dingen, die eigentlich europäisch gesehen eine klasse Geschichte sind, sofort alles in Frage zu stellen! Was nämlich das von euch angesprochene Klassenzimmerproblem betrifft, so sehe ich dieses teilweise auch. Das ist aber nicht das Problem von Bologna, denn – ein Beispiel: Wenn es in Österreich schwieriger ist, von einer Hochschule auf eine andere, von Graz nach Wien oder Innsbruck zu wechseln, als von hier nach Brüssel zu gehen, dann ist das ja genau das Problem, das wir intern haben, wo sichtlich wir es noch nicht geschafft haben, an den Hochschulen über unseren eigenen Tellerrand hinaus zu schauen, dann ist das nicht das Bologna-Problem. Was die Klassenzimmer-Geschichte betrifft, also den Vorwurf, es würden die Leute nur mehr verschult, so ist das genau das Problem, dass manche gedacht haben: drei Jahre, zwei Jahre – genau das hat der Herr Bundes­minister für mich ganz schlüssig erklärt –, so ist das das Problem, dass wir darüber nachdenken müssen, ob nicht dort etwas nicht stimmt.

Denn schaut, da gibt es noch etwas anderes: das Betreuungsverhältnis. 14,6 Studie­rende pro Mitarbeiter – damit liegen wir im EU- und OECD-Vergleich an vierter Stelle in den EU-Ländern und an siebenter Stelle in der OECD. Da sind wir ja auch nicht gerade die Schlechtesten!


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 52

Das heißt, wir müssen uns schon auch mit den Zahlen beschäftigen. Und ich glaube – und da werden wir nicht umhinkommen, weil ja auch die Oberstufe angesprochen worden ist –, wir sind auf einem guten Weg. Mit der standardisierten Matura ist zumin­dest ein erster Schritt gesetzt. Die BHS wird dem folgen. Nur: Wir sind da noch lange nicht am Ende! (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Nein, aber genau das, was du auch gesagt hast – da stimme ich dir vollkommen zu –: Wir werden darüber nachdenken müssen, ob wir uns nicht fragen müssen: Wie schaut der Übergang, und dann auch der Zugang, von den „maturaführenden“ Institutionen, sage ich einmal ganz offen – denn da sind wir ja zum Glück auch schon breiter und durchlässiger geworden –, in den tertiären Bereich aus? (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Ja, deshalb meine ich das: auch in der Lehre.

Das heißt, ich denke mir, wir müssen da genau hinschauen und kommen nicht umhin – und da wiederhole ich in aller Kürze noch einmal meine drei angesprochenen Punkte –, zu sagen: Übergang heißt auch Zugang! Und wenn ich sage: Zugang für Bestimmte, dann heißt das nicht von vornherein – denn „beschränkt“ klingt ja so –, wie manche gleich gemeint haben, man dürfe aufgrund einer sozialen Beschränkung nicht dazu, sondern ich meine – und ich glaube, das ist hier auch eindeutig gemeint, und das machen ja auch die FHs und die Pädagogischen Hochschulen –, es geht um die Frage: Bist du geeignet für diesen Weg oder nicht? – Und da glaube ich, wenn wir nicht zur Resthochschule verkommen wollen – und diesen Eindruck habe ich leider –, dann müssen wir über das reden.

Zweitens: Wenn wir schon über das Budget reden, dann sollen wir uns die Zahlen klar vor Augen halten, müssen aber auch bedenken, dass wir in den letzten zwei, zwei­ein­halb Jahren manches abgeschafft haben, das die Hochschulen schon sehr brauchen würden, und erst recht in Zeiten wie diesen.

Drittens: Reden wir uns nicht, so, wie wir es früher gerne gemacht haben, immer auf Brüssel aus, sondern reden wir uns jetzt auf Bologna aus! Das ist erstens eine wunderschöne Stadt – aber das sei hier nur nebenbei gesagt –, und den Bologna-Prozess halte ich für eine wichtige Geschichte, gerade was die Durchlässigkeit betrifft und was unser gemeinsames Europa betrifft.

Und so glaube ich: Offene Diskussion über den Zugang, offene Diskussion über die Frage: Wie gehen wir an den Hochschulen mit der Autonomie um?, und eine offene Diskussion auch darüber, ob wirklich in diesem Land alle drei Hochschultypen den Namen „Hochschule“ verdienen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

16.59


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. – Bitte.

 


17.00.18

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich glaube, dass Kollege Schnider sehr viel dazu beigetragen hat, die Diskussion etwas anzuheizen. Nur: Alles kann man nicht auf die Autonomie abwälzen.

Ich möchte aber zu Beginn meiner Rede zuerst einmal den Studentinnen und Studen­ten für ihre Aktionen und auch für ihre Demonstrationen danken. (Beifall bei Bun­desräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.) Ich möchte ihnen gern deswegen danken, weil sie einfach dazu beigetragen haben, dass die Bildungs­diskussion in Österreich wieder intensiv in Gang gekommen ist und nun auch intensiv geführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 53

In dieser Woche findet der Hochschuldialog zur Weiterentwicklung des österreichi­schen Universitäts- und Hochschulsystems statt. Insofern hat natürlich Kollege Schnider schon einen guten Beitrag dazu geliefert, denn genau diese Fragen werden ja dort diskutiert werden müssen. Es bedarf eines gesellschaftlichen Grundkonsenses. Das Ziel ist, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen zu sichern und auszubauen. Teilnehmen daran sollen alle gesellschaftlichen Gruppen, wie die Öster­reichische Hochschülerschaft, die Studierenden, Vertreter der Universitäten und Hoch­schulen, die Sozialpartner, die Vertreter der Regierung, namentlich das Wissenschafts- und Unterrichtsministerium, sowie die Vertreter des Parlaments. Dieser Dialog ist erst der Anfang für eine neue Hochschulpartnerschaft, ein erster Schritt zu einer Gesamt­konzeption zur Gestaltung des Hochschulwesens.

Dazu einige Fakten – einige wurden ja schon genannt, ich möchte sie noch auf den Punkt bringen –: Die Akademikerquote in Österreich – Kollege Schennach hat das angesprochen – ist besonders niedrig. Die Zahl der Personen mit Hochschulabschluss, gemessen als Anteil an der gleichaltrigen Bevölkerung, ist in Österreich mit 10 Prozent die geringste unter allen OECD-Ländern. Der OECD-Durchschnitt ist mit 20 Prozent doppelt so hoch wie in Österreich.

Österreich verfügt über eine niedrige Studienanfängerquote – das wurde ebenfalls schon erwähnt – und eine niedrige Absolventenquote. Der Anteil der Studienanfänger im Hochschulbereich an einem Altersjahrgang liegt in Österreich mit 42 Prozent unter dem OECD-Schnitt von 56 Prozent. Zieht man die sogenannten Bildungsausländer ab, liegt Österreich sogar nur mehr bei 32 Prozent.

Der Anteil der Absolventen eines Hochschulstudiums an einem Altersjahr in Österreich ist mit 22,1 Prozent ebenfalls stark unterdurchschnittlich. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 38,7 Prozent.

Der Hochschulzugang hängt in Österreich stark von der Bildung der Eltern ab. In Österreich haben 27 Prozent der Väter von Studierenden einen Hochschulabschluss, aber nur 11 Prozent aller Männer in der vergleichbaren Altersgruppe. Obwohl der Bevöl­kerungsanteil also nur bei rund 10 Prozent liegt, sind knapp 30 Prozent der Studierenden mit einem solchen familiären Bildungshintergrund ausgestattet.

Die Studienbedingungen in einigen Studien an Universitäten sind unzumutbar, und das schon seit Jahren. In bestimmten Studienrichtungen sind die Studienbedingungen schon seit Jahren konstant schlecht; vor allem das Betreuungsverhältnis von Studie­renden zu Lehrenden ist in diesen Massenstudien untragbar.

Die Ausgaben für Hochschulen, gemessen an unserer Wirtschaftsleistung: Österreich investiert 1,3 Prozent des BIP in Hochschulen. Spitzenländer wie Kanada und Finnland investieren 1,7 Prozent. Korea investiert 2 Prozent. Ziel muss sein – und dieses Ziel hat sich auch die Bundesregierung gesetzt –, dass Österreich auf 2 Prozent kommt und dass wir schrittweise, sowohl durch öffentliche als auch durch private Investitionen, genau in diese Richtung gehen und 2020 dieses Ziel erreicht haben. Aber beginnen müsste man ab 2010.

Die Zahl der Maturanten steigt. Im Jahr 1990 hatten wir noch 31 744, im Jahr 2000 37 796, und im Jahr 2008 betrug sie bereits 41 868. Und die Zahl wird in den kom­menden Jahren noch weiter steigen.

Die Durchschnittsstudienzeit – dies wurde ebenfalls bereits angesprochen – ist in Österreich überdurchschnittlich lang. Österreich liegt mit 5,6 Jahren deutlich über dem OECD-Schnitt von 4,5 Jahren.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 54

All diese Faktoren führen zu mittelmäßigen Resultaten unserer Universitäten bei internationalen Rankings. Beim aktuellen Times Higher Education World University Ranking findet sich nur eine österreichische Universität unter den weltweit 200 besten.

Wir brauchen daher eine höhere Akademikerquote, eine Steigerung der Zahl der Studienanfänger und Studienabsolventen, bessere Studienbedingungen an den Uni­versitäten und Hochschulen, eine neue Form der Finanzierung der Universitäten und Hochschulen.

Ich bin froh darüber, dass sowohl die Grünen als auch die Freiheitlichen diese Dring­liche Anfrage gestellt haben, denn es gibt dadurch Gelegenheit, über diese Fragen ausführlich zu reden.

Herr Bundesminister, ich hoffe, dass der Dialog Hochschulpartnerschaft ein erster Schritt zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des österreichischen Hochschul­wesens ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

17.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


17.07.12

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben mir meine vorbe­reiteten Worte sozusagen alle durcheinandergeschmissen. Ich glaube aber, dass wir Freiheitlichen gemeinsam mit den Grünen einen guten Schritt getan haben und dafür gesorgt haben, dass dieses Thema doch ein bisschen auf einer breiteren Ebene diskutiert wurde.

Ich möchte nicht noch einmal mit der Wiederholung sämtlicher Ausführungen die Geduld der Zuhörer über alle Maßen strapazieren, aber ich glaube, ein paar ganz wichtige Punkte darf ich noch einmal wiederholen.

Die Studentendemonstrationen in den letzten Wochen haben gezeigt, dass es sich um ein sehr wichtiges Thema handelt, und sie haben werbewirksam aufgezeigt, dass wir schon über Jahre und schon sehr lange eine sehr unbefriedigende Situation im österreichischen Bildungswesen haben.

Wir haben aus den Diskussionen gehört, dass wir Geld brauchen. Also die Univer­sitätsmilliarde, glaube ich, ist durchaus ein Thema, über das gesprochen werden muss, ob das 2020 der Fall sein soll oder, so wie wir uns das wünschen, schon vorher. Ich glaube, es ist wichtig, dass es bereits auf Schiene ist, und das ist laut den Aus­führungen von Bundesminister Hahn ja bereits der Fall.

Das, was bisher von den Regierungsparteien offeriert wurde, hat für meine Begriffe eher Trinkgeldcharakter. Wenn ich berücksichtige, dass die Wirtschaft und die Banken diesbezüglich von der Politik sehr hochkarätig unterstützt wurden, dann ist das, was man im Bildungswesen bisher angeboten hat, aus meiner Sicht eher ein Hohn, und ich glaube, dass es tatsächlich mehr braucht.

Ich bin, glaube ich, auch mit meinen Vorrednern einig darin, dass in diesem Zusam­menhang eine Diskussion über den gesamten Sektor geführt werden muss, die den Sektor der Hochschulbildung, die Universitäten, die Fachhochschulen, die Privatuni­versitäten und die Pädagogischen Hochschulen betrifft. Und selbstverständlich muss auch die Frage erlaubt sein, ob die ausschließlich berufsorientierte Ausbildung, im Rahmen von Bachelorstudien etwa, in verstärktem Ausmaße an den Fachhochschulen angesiedelt werden könnte und auf diese Weise umso mehr all jenen, die neben der


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 55

Ausbildung der Bildung verpflichtet bleiben wollen, der freie Zugang zu den Univer­sitäten zu ermöglichen wäre.

Bildung ist grundsätzlich, natürlich zusammen mit der berufsorientierten Ausbildung, ein für sich schon enormer Wert, dem eine zentrale Bedeutung zur Sicherung des sozialen Friedens und des allgemeinen Wohlstands zukommt. Je höher das Bildungs­niveau einer Gesellschaft ist, desto sicherer wird sie zukünftige Herausforderungen bewältigen können. Deshalb haben wir alles daranzusetzen, die Forderungen, die von anderen Fraktionen gestellt werden, aber auch die Forderungen, die wir in dieser Dringlichen Anfrage gestellt haben, ernst zu nehmen und darüber zu diskutieren und zu versuchen, das Maximale umzusetzen.

Selbstverständlich dürfen dabei die Universitäten und auch das Management der Universitäten nicht aus der Verantwortung gelassen werden, da gebe ich dem Herrn Kollegen Schnider völlig recht – die Kritik darf selbstverständlich auch an dieses Mana­gement gerichtet werden.

Universitäten sollten internationale Bildungsstätten sein. Ich bin im Grunde genom­men mit den renommierten US-Universitäten nicht immer ganz einverstanden, aber in diesem Hinblick sind die renommierten US-Universitäten ein Vorbild. Um eine solche Internationalität auch für Österreich zu erreichen, ergeht die Aufforderung an die EU, endlich fehlende Harmonisierungen in Angriff zu nehmen, denn es wird deutlich, dass die Harmonisierung der Sozial-, Steuer-, aber auch der Studiensysteme innerhalb der EU erst Stückwerk ist.

Soll Europa tatsächlich wirtschaftlich und sozial eine Einheit werden, ist auch auf dieser Ebene noch viel Arbeit zu leisten. Das zeigt im Prinzip dieser sogenannte Ansturm der deutschen Studenten auf österreichische Unis, vor dem wir uns eigentlich gar nicht fürchten sollten, aber er ist die Folge einer fehlenden Harmonisierung. Es bedarf nämlich auch institutioneller Reziprozität, was zum Beispiel im Falle des deutschen Numerus clausus oder des deutschen Bewerbungsmodus, in welchem die österreichischen Studierenden zum Beispiel überhaupt nicht berücksichtigt sind, nicht gegeben ist.

Auch wenn Sie bereits gesagt haben, dass Sie mit den deutschen Kollegen dies­bezüglich schon gesprochen haben, ich hätte Sie hiermit noch einmal gerne dazu aufgefordert, eventuell mit den Verantwortlichen zu verhandeln, dass eine Gleichbe­handlung aller Studierenden herzustellen ist.

Ich habe es ganz gern, vielleicht aus meiner Tätigkeit heraus, die Studierenden, so wie Herr Kollege Schennach das bereits angedeutet hat, als Kunden zu sehen. Und wenn die Studierenden als Kunden gesehen werden und diese Kunden ein qualitativ hochwertiges Produkt erhalten möchten, und dies in einer angemessenen Zeitdauer, dann darf man hinterfragen, weshalb diese Kunden teilweise zwei Semester verlieren müssen, nur weil der zuständige Professor keine Zeit für die Lektüre oder die Bewer­tung der Dissertation hat, weil er vielleicht gerade irgendwo im Ausland bei einer anderen Professur ist. Oder: Der Studienfortschritt wird massiv behindert, weil die notwendigen Lehrveranstaltungen und Seminare ausgebucht sind oder die Hörsäle überfüllt sind und das Raumangebot nicht vorhanden ist. Oder: Der Studierende muss sich mit Lektoren, die sich sicher sehr bemühen, zufriedengeben, weil der zuständige Dozent nicht verfügbar ist. (Präsident Preiner übernimmt wieder den Vorsitz.)

All dies bedeutet, dass wir, glaube ich, die Forderungen, die wir bereits angesprochen haben, im Detail diskutieren müssen. Und wenn die öffentliche Hand sehr viel Geld für die Verbesserung der Situation an unseren Universitäten in die Hand nimmt, dann ist zum Beispiel auch ein Auditieren, das heißt eine laufende Qualitätsüberprüfung, wie


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 56

zum Beispiel moderne, erfolgreiche Unternehmen dies durchführen, unserer Unis unumgänglich und darf auch verlangt werden.

Ich würde mir von den hochkarätig ausgebildeten Professoren, Dozenten und Mana­gern, aber auch von den Studierenden sowie den zuständigen Politikern entsprechend kreative Vorschläge und Ideen erwarten, damit gemeinsam die besten Ergebnisse für unsere Bildungsstätten erzielt werden können. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

17.14


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Ich erteile es ihr.

 


17.14.37

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Die Unis beklagen immer wieder die unterschiedliche Qualität der Maturanten und Maturantinnen und begründen damit Zugangsbeschränkungen und Aufnahmetests.

Mit dem Haupttermin des Schuljahres 2013/2014 wird an den AHS eine neue Reife­prüfungsverordnung in Kraft treten, die den Abschluss der Bildungsstandard­entwick­lung auf der vierten und achten Schulstufe bildet. Diese neue Reifeprüfung wird sowohl standardisiert als auch kompetenzorientiert sein. Die dafür notwendige Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes wurde am 17. November 2009 kundgemacht. Diese SchUG-Novelle sieht weiters vor, dass ab dem Haupttermin 2015 an allen zur Reife­prüfung führenden Schularten die Reifeprüfung standardisiert und kompetenz­orientiert abgelegt wird.

Die standardisierte und kompetenzorientierte Reifeprüfung ist im gemeinsamen Regie­rungsübereinkommen festgelegt worden. Diese soll Leistungen von Schülerinnen und Schülern vergleichbarer machen, Transparenz und höchstmögliche Objektivität ge­währleis­ten und die Aussagekraft von abschließenden Prüfungen erhöhen und an internationale Standards anschlussfähig machen.

Ein besonderes Anliegen, das mit dieser Novelle des Schulunterrichtsgesetzes verfolgt wird, ist die nachhaltige Sicherung von erworbenen Kompetenzen.

Die seit Herbst 2004 gültigen neuen Lehrpläne der Oberstufe sind kompakte, ziel­orientierte und verbindliche Kernlehrpläne, bei denen die Kompetenzen, die die Schüler/Schülerinnen am Ende des Ausbildungsganges an einer AHS erreicht haben sollen, bereits angesprochen werden. Sowohl die Formulierungen im Allgemeinen Teil als auch die Zielformulierungen in den Lehrstoffabschnitten beziehen sich darauf. Die Lehrpläne der AHS-Oberstufe schließen somit an die kompetenzorientierten Lehrpläne der Unterstufe an. Folglich ist eine standardisierte und kompetenzorientierte Reife­prüfung der logische Schlusspunkt der gesamten Bildungsstandardentwicklung.

Neben der Modellentwicklung wurde parallel an einem umfangreichen Implementie­rungskonzept gearbeitet; in den kommenden Jahren werden zahlreiche Schulversuche durchgeführt. Viele, vor allem fachbezogene, Fortbildungsveranstaltungen und Hand­reichungen werden in den kommenden Jahren die Stützen dieses Konzeptes sein. Den Facharbeitsgemeinschaften wird in diesem Veränderungsprozess eine wichtige Vermittlerrolle erwachsen.

Das Modell nimmt grundsätzlich Rücksicht auf die gesetzlichen Sonderformen der AHS und auf die im Lehrplan mit mindestens acht Wochenstunden ausgewiesenen autonom möglichen Schwerpunkte. Besucht eine Schülerin/ein Schüler eine AHS-Sonderform oder einen solchen lehrplanmäßigen Schwerpunkt, muss dieser entweder bei der Vorwissenschaftlichen Arbeit oder bei den Klausurprüfungen als „4. Klausur“ oder bei


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 57

den Mündlichen Prüfungen von den Schülerinnen und Schülern bei ihrer Prüfungswahl im Rahmen der Reifeprüfung abgebildet werden. Die Aufgabenstellungen für diese „4. Klausur“, wenn sie eine Schwerpunktklausur ist, zum Beispiel Informatik, werden allerdings am jeweiligen Standort erstellt.

Die Aufgabenstellungen der Klausurarbeiten decken jedenfalls den im Lehrplan definierten Kernbereich ab, der für alle AHS-AbsolventInnen verpflichtend ist. Auch wenn eine Schule den einen oder anderen Klausurgegenstand mit einer höheren Stun­denzahl ausgestattet hat, liegt der Fokus in erster Linie auf den erworbenen Kompetenzen und nur sekundär auf den Inhalten. Dies wird besonders in den Fremd­sprachen deutlich.

Schauen wir uns nun das Modell an. – Voraussetzung zum Antreten zur neuen Matura: positiver Abschluss des Abschlussjahrganges, also AHS: achte Klasse.

Drei voneinander unabhängige Bereiche: vorwissenschaftliche Arbeit, schriftliche Klausuren, mündliche Prüfungen.

Grundlage: seit vier Jahren gültiger kompetenzorientierter Lehrplan der AHS-Ober­stufe.

Vorwissenschaftliche Arbeit, einschließlich Präsentation: für alle Schüler und Schülerin­nen verpflichtend; eigenständige schriftliche Arbeit über ein halbes Schuljahr zu einem Thema; beschränkter Umfang, das heißt 4 500 bis 6 000 Worte.

Berücksichtigung von Schulschwerpunkten, Sonderformen, Interessen der Schüler und Schülerinnen.

Drei oder vier Klausurarbeiten:

Drei verpflichtend: Deutsch, Mathematik, lebende Fremdsprache, plus eine freiwillig: weitere Fremdsprache oder Darstellende Geometrie, Biologie und Umweltkunde, Physik, Musikkunde, Sportkunde, Informatik und so weiter.

Standardisiert in Deutsch (beziehungsweise Slowenisch, Ungarisch, Kroatisch als Muttersprache), Mathematik, Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Italie­nisch, Latein oder Griechisch); Klausuren in allen übrigen Fächern werden an der Schule entwickelt.

Differenzierung: Mathematik (Gymnasium, Realgymnasium oder Laptopklassen), Latein (vier oder sechs Jahre), Fremdsprachen nach Wochenstunden und freiwillig auf höherem Niveau.

Beurteilung und Korrektur der ... (Bundesrat Kainz: Um was geht es da jetzt eigentlich genau? Jetzt geht es um die Unis ...!)

Nein, es geht um die Oberstufe! Auch das ist gefragt worden. (Bundesrat Kainz: Sie bauen das auf sozusagen?) Die bauen das auf. (Bundesrat Konecny: Das ist Gegenstand der Debatte, Herr Kollege! Lesen Sie die Anfrage! – Bundesrat Reisenberger: Da haben sie dir falsch eingesagt! – Bundesrat Konecny: Inkompetenz hindert nicht am Reden und Zwischenrufen!)

Beurteilung und Korrektur der standardisierten Klausuren durch Lehrkraft nach vorge­gebenem Korrektur- und Beurteilungsschlüssel.

Wiederholung bei einem oder mehreren Nichtgenügend in vorgegebener Frist möglich.

Kompensation einer negativen Klausur mit mündlicher Prüfung ist möglich. (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 58

An sich wäre das schon sehr interessant, denn wir haben das ja auch beschlossen. Ich verstehe nicht ganz, warum es so überhaupt nicht interessant ist, weil es ja auch tatsächlich angefragt wurde.

Drei oder zwei mündliche Prüfungen:

Präsentation der Vorwissenschaftlichen Arbeit.

Themenpool aus maximal 24 Themenbereichen (laut Lehrplan) wird am Standort erstellt; Schüler und Schülerinnen ziehen zwei Themenbereiche, eines wird gewählt.

Lehrkraft stellt zum gewählten Thema eine Frage.

Abbildung des Schulschwerpunktes beziehungsweise der Sonderform möglich.

Dauer der Prüfung: 10 bis 15 Minuten.

Ich könnte Ihnen noch, aber anscheinend ist das ja nicht mehr gewünscht, die Modalitäten rund um die Beratende Bundes-Reifeprüfungskommission im BMUKK mitteilen:

Begleitung und Evaluierung aller zentralen Elemente der neuen Reifeprüfung.

Zusammensetzung: BundesministerIn für Unterricht, Kunst und Kultur oder VertreterIn (Vorsitz), zwei amtsführende PräsidentInnen der Landesschulräte, drei Fachdidak­tikerInnen aus dem Universitätsbereich (entsendet vom Unterrichtsministerium und vom Wissenschaftsministerium), ein Vertreter/eine Vertreterin der Universitäts­kon­ferenz, je ein Mitglied des Unterrichtsministeriums und des Wissenschaftsministeriums, je ein Vertreter/eine Vertreterin der Zentralausschüsse für AHS und BMHS, ein Ver­treter/eine Vertreterin der Bundesschülervertretung und eine Vertreterin oder ein Vertreter des Elternbeirates im BMUKK.

Ich danke und hoffe, Ihnen über die neue Matura entsprechende Auskunft gegeben zu haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Eibinger. Ich erteile es ihr.

 


17.25.12

Bundesrätin MMag. Barbara Eibinger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die meisten Anwesenden schon länger in diesem Haus sind, können Sie sich wahr­scheinlich noch daran erinnern, dass ich vor ungefähr einem Jahr den Antrag hier in diesem Hause eingebracht habe, Einspruch gegen die Abschaffung der Studien­gebühren zu erheben. (Bundesrat Konecny: Keine Meisterleistung!) Ich möchte die Begründung von damals wiederholen.

Die Begründung war damals, dass die Abschaffung sowohl der Studienbeiträge als auch der Zugangsbeschränkungen zu massiven Problemen an den Universitäten füh­ren wird. Österreich – das habe ich damals schon ausgeführt – ist damit das einzige Land im Bologna-Raum, das beides nicht hat.

Zweitens habe ich damals schon erwähnt, dass das einen Einnahmenausfall an den Universitäten von 150 Millionen € im Jahr bedeutet, und drittens, dass damit die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten gegenüber der Fachhochschule, aber auch gegenüber den anderen Ländern beeinträchtigt wird. (Bundesrat Konecny: Denken Sie auch daran, welche Familien sich das Geld ersparen!) Gut. (Bundesrat Konecny: Nein, nicht gut!) Wer hat damals nicht mitgestimmt? Jene Fraktionen, die heute unter anderem auch diese Dringliche Anfrage eingebracht haben. Die, die damals nicht


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 59

mitgegangen sind, schreien heute auf und wundern sich über dieses Chaos, das wirklich vor einem Jahr schon absehbar war. (Bundesrat Konecny: Daran hat sich doch nichts geändert! Das ist doch ein Witz! – Bundesrat Reisenberger: Das ist doch nicht durch die Studiengebühren, das Chaos! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Weiters darf ich auch anführen, weil heute die Absolventenzahlen gekommen sind, dass die Studienbeiträge einen positiven Steuerungseffekt haben. Es war nämlich so, dass die Absolventenzahlen gestiegen sind. Was gesunken ist, ist die Quote jener Studenten, die keine Prüfungen abgelegt haben. Diese lag vorher nämlich bei 40 Prozent und ist auf 15 Prozent zurückgegangen.

Also: Jenen, die studieren wollten, die Prüfungen machen wollten und die im Studium etwas weiterbringen wollten, haben die Studienbeiträge diese Möglichkeit auch ge­geben.

Die Unis geben mittlerweile selbst auch die Antwort auf dieses Chaos. Ich habe es gerade in der APA gelesen. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat jetzt als erste Univer­sität den Antrag gestellt, ein Auswahlverfahren einzuführen. Da gibt es gemäß einem Notfallsparagraphen die Möglichkeit, dass wegen unvertretbarer Studienbedingungen Zugangsbeschränkungen beziehungsweise ein Auswahlverfahren kommen. Das ist jetzt die Antwort der Universitäten.

Die Antwort der Studenten, die in diesem Chaos eben unvertretbare Studienbedin­gungen vorgefunden haben, haben wir ja schon seit einigen Wochen. Die sehen wir. Man mag inhaltlich dafür Verständnis haben, ja oder nein. Wofür wir aber kein Verständnis haben, ist das Wie. (Bundesrat Schennach: Wer ist denn das „wir“ eigentlich?) Ich spreche für meine Fraktion, Herr Kollege Schennach.

Kein Verständnis haben wir – ich sage jetzt noch einmal „wir“ – für Sachbeschä­digun­gen in besetzten Hörsälen. Wir haben kein Verständnis, wie es vorgekommen ist, dass man Sponsionsfeiern stört, und wir haben kein Verständnis dafür, dass man jene Studierenden vom Studium abhält, die wirklich studieren wollen. Ich darf ein Beispiel aus Graz nennen: Ein riesiger Hörsaal war von einer Handvoll Leuten besetzt, während vor der Tür zwei- bis dreihundert gestanden sind, die hineinwollten, um die Vorlesung zu besuchen. Das kommt einem doch auch ganz komisch vor.

Verständnis haben wir vor allem jetzt nicht mehr, da der Hochschuldialog einberufen ist, da der Hochschuldialog übermorgen beginnen soll. Also ich denke, da ist jetzt wirklich alles auf Schiene in diese Richtung. (Bundesrat Konecny: Na, na, na! – Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

Lassen Sie mich zum Online-Studium Stellung nehmen, weil ich beruflich damit befasst bin, und zwar mit berufsbegleitenden Studiengängen. Da ist es meiner Meinung nach so, dass das Online-Studium gut ist, ein gutes Zusatzangebot, aber dass es eben nicht alleine stehen kann, dass es nur eine Unterstützung sein kann, weil der Kontakt mit den Vortragenden, mit den Lerngruppen sehr wichtig ist. Man sieht auch, dass bei reinen Fernstudien sehr hohe Dropout-Quoten gegeben sind.

Also da kann ich nur Danke für die Initiative des Herrn Bundesministers sagen, dass da wirklich auf eine Kombination von Präsenz- und Fernlehre gesetzt wird. Es liegt natürlich auch an den Universitäten – auch das ist schon erwähnt worden –, dass dies geschieht.

Auch ich möchte ganz kurz zum Bologna-Prozess Stellung nehmen. Ich halte es für absolut sinnvoll, dass man sich zu diesem europäischen Hochschulraum bekennt, denn es kann nicht sein, dass Österreich da ein eigenes Süppchen kocht. In der Wirt-


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schaft, in der Politik, überall ist es grenzüberschreitend – wir können nicht den Hochschulraum nur auf Österreich beschränken und das aussetzen.

Ich möchte da schon eines zu bedenken geben. Die Curricula sind noch nicht so lange umgestellt, das sind erst wenige Jahre.

Es ist sicher so, dass der Bachelor in der Wirtschaft die Akzeptanz noch nicht hat, die er haben sollte, aber man kann von der Wirtschaft auch nicht einfordern, was die öffentliche Hand nicht macht. Deshalb ist der Vorstoß schon gekommen, dass man Bachelor-Absolventen die A-Wertigkeit zuerkennen soll – und das wäre jetzt wirklich ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung.

Als Juristin möchte ich auch noch ein Beispiel aus der Vergangenheit bringen. Früher hat man nach dem Jus-Studium den Doktortitel erhalten. Das wurde damals auf den Magister umgestellt, und es hat sich niemand vorstellen können, dass ein Rechts­anwalt „nur“ Magister ist. Mittlerweile hat sich auch das etabliert und ist gang und gäbe, und deshalb denke ich, dass auch diese Umstellung noch ein wenig Zeit brauchen wird – das liegt in der Natur der Sache.

Wofür ich aber schon bin – und das haben sowohl der Herr Bundesminister Hahn als auch mein Kollege Andreas Schnider gesagt –, ist, sich die Curricula auf jeden Fall noch einmal anzuschauen. Das ist bei Weitem nicht überall optimal gelaufen, und da haben wir sicher Handlungsbedarf.

Aber um dies und auch andere Fragen zu diskutieren, hoffe ich jetzt wirklich auf eine breite Teilnahme am Hochschuldialog: seitens der Studenten, seitens aller Fraktionen, der Experten und auch der Sozialpartner. Ich freue mich, dass diese gute Initiative jetzt startet und möchte darauf hinweisen, dass dies bereits im Sommer in Alpbach vorgestellt wurde – so viel nur zum Thema Redebereitschaft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

17.31


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


17.31.36

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (ohne Fraktionszugehörigkeit, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Hahn, als Sie gesagt haben, Sie hätten nicht nur darüber nachgedacht, sondern ..., habe ich mir gedacht, vielleicht kommt jetzt: ... auch schon Lösungen gefunden!

Leider ist danach nur gekommen, dass Sie sich auch der Probleme bewusst sind. Ich denke, es ist schön, das Sie das Bewusstsein haben, aber es wäre doch schön langsam an der Zeit, auch Lösungen zu finden.

Wenn Frau Kollegin Eibinger die Probleme dahin gehend ortet, dass wir vor einiger Zeit die Studiengebühren abgeschafft haben, so glaube ich, dass es die Probleme an den Universitäten schon länger gibt. Zu sagen, dass die Studenten demonstrieren, weil jetzt alles so schlimm ist, weil wir die Studiengebühren abgeschafft haben – es ist ein bisschen so rübergekommen –, wäre, denke ich, der falsche Weg.

Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass die Frau Ministerin Gehrer vielleicht ein bisschen früher zurückgetreten wäre. Gerade in dem Fall muss ich sagen, dass sie die StudentInnen zuallerletzt als KundInnen betrachtet hat, sondern ganz im Gegenteil – so habe ich den Eindruck gehabt – bestenfalls als Bittsteller. (Beifall des Bundesrates Schennach sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Minister Hahn, Sie haben sich bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage bei verschiedensten Punkten immer wieder auf die Autonomie der Universitäten berufen:


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beim Festhalten an der forschungsgeleiteten Lehre als Prinzip, bei der Erhebung der Nebentätigkeiten des Lehrpersonals, bei den Verhandlungen zur Adaptierung der Leis­tungsvereinbarung zum Online-Studium, bei den Zugangsbeschränkungen et cetera.

Was mir am meisten wehtut, ist, dass Sie sich auf die Universitätsautonomie berufen, wenn es um eine Evaluierung der Tätigkeit des Universitätsmanagements geht. Ich denke, dass Sie die Evaluierung jetzt in Form der Studentenproteste erhalten haben. Sie einmal prinzipiell zu fragen, wie zufrieden sie mit der Universität sind, das kann auch das Ministerium machen, nicht nur die Universität. Das wäre an und für sich eine Aufgabe, die Sie wahrnehmen können. Aber wenn Sie jetzt in den Dialog treten, werden Sie ja zu hören bekommen, was den Studenten nicht gefällt und nicht so sehr taugt.

Eine kleine Anmerkung noch, Herr Kollege Schnider, zu den Eignungstests: Prinzipiell sehe ich schon ein, dass man sich vorher überlegen sollte, ob ein Studium passt oder nicht, und dass ein Eignungstest vielleicht gar nicht so dumm ist. Nur, diesen Eig­nungstest als Zugangsbeschränkung zu verwenden, was heißt das dann? Eigentlich heißt das: Je mehr Menschen ein Studium beginnen wollen, desto besser geeignet muss der Einzelne sein, um es machen zu dürfen – oder?

Ich denke, dass Eignungstests prinzipiell – in dem Sinne, dass ich überlege, was das richtige Studium für mich ist, möglichst viele Informationen bekomme und möglichst vorher schon weiß, worauf ich mich einlasse – sicher sinnvoll wären, aber als Zugangs­beschränkung kann ich diese Maßnahme einfach nicht verstehen. (Beifall des Bun­desrates Schennach.)

17.34


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Hahn. – Bitte.

 


17.34.41

Bundesminister für Wissenschaft und Forschung Dr. Johannes Hahn: Ich möchte in gebotener Kürze noch auf ein paar Dinge eingehen. Zunächst einmal haben wir für manches nicht nur Lösungen gefunden, sondern diese auch umsetzen können. Bei manchem, sage ich ganz offen, gibt es auch unterschiedliche Auffassungen unter den Koalitionspartnern, aber das Wesen des Regierens ist es, bei diesen Punkten zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen.

Es ist mir wichtig, vorweg zu sagen, warum der Dialog erst übermorgen beginnt – weil das ein paar Mal als Kritik gekommen ist. (Bundesrat Schennach: Das ist doch inter­essant!) – Das liegt, ehrlich gesagt, insofern an mir, als ich den Wunsch gehabt habe, dass vor dieser Konferenz – nämlich morgen – eine Zusammenkunft stattfindet, bei der Expertinnen und Experten ein paar Daten als faktische Grundlage liefern sollen. Manche von Ihnen, die ebenfalls mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zusam­menarbeiten, wissen, dass es vom Zeitablauf oder von der Vorlaufzeit her oft nicht möglich ist, so ein Meeting innerhalb von ein oder zwei Wochen auf die Beine zu stellen.

Wenn ich darauf verzichtet hätte, dann hätten wir schon vor 14 Tagen mit dem Dialog starten können. Mir war es nur wichtig, als Grundlage dieses Dialogs diese Experten zu hören, und diese sollten sich auch vorbereiten können. Manche von ihnen – Österreicher – sind zur Zeit gar nicht im Lande. Ich denke etwa an Herrn Professor Pechar, der gegenwärtig in Kanada ist – da er dort offensichtlich eine Gastprofessur hat –, der sich aber auch in die Vorbereitung eingeschaltet hat. Das ist die simple Erklärung, warum es etwas länger gedauert hat.

Offen gesagt: Als jemand, der selbst expeditiv ist und denkt, wäre es mir auch schneller lieber gewesen, aber wichtig ist, dass das Fundament passt, und ich sage


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ganz ehrlich: Der morgige beziehungsweise übermorgige Tag kann nur der Beginn eines Dialoges sein. Wahrscheinlich werden wir auch da und dort in Subgruppen arbeiten müssen, wenn wir wirklich Interesse daran haben, lösungsorientiert vorzu­gehen. Es sollte unser gemeinsames Ziel sein – oder zumindest das von möglichst vielen –, zu einem Ergebnis zu kommen, damit wir dann in der Tat jenen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens finden, auf dem aufbauend dann Lösungen erar­beitet werden können.

Frau Kollegin Kerschbaum, ich kann Ihnen sagen, dass es fast zu jedem Thema Lösungen gibt. Diese sind nur unterschiedlich, und man muss sich einmal darauf verständigen, was ein mehrheitlicher Zugang ist. Das ist wie eine Gleichung mit zwei Unbekannten: Wenn ich die eine Unbekannte im Sinne der mehrheitlichen gesell­schaftlichen Konsenslösung definiere, ergibt sich sozusagen das Ergebnis für die zweite Unbekannte von selbst. Das ist die eigentliche Aufgabe der nächsten Wochen und Monate.

Um betreffend die Studierendenzahlen auch noch einmal klarzustellen, warum wir erst jetzt wieder jene Zahlen von 2 000 haben: Durch die Einführung der Studienbeiträge 2001 haben sich 40 000 Studierende von der Uni verabschiedet und exmatrikuliert. Wir haben also einen Knick gehabt, und in den letzten Jahren haben sukzessive jährlich mehr Studierende inskribiert, daher sind wir jetzt wieder bei jenem Wert von 2 000; allerdings um den – wie ich meine guten – Preis, dass wir die Zahl derer, die tatsächlich studieren, zum Vergleichszeitraum rund um 2000 deutlich angehoben haben.

Zu den Rankings auch ein offenes Wort: All jene Universitäten, die in den Rankings vorne sind, haben Zugangsregelungen und nicht gerade „schlampige“ Studien­bei­träge – das muss man auch sehen. Dass die Uni Wien noch dort ist, wo sie steht, hängt ursächlich mit ihrem Standing bei den Forschungsleistungen zusammen. Das Problem, das wir vielfach haben, sind die Defizite im Bereich der Lehre. Das hängt aber auch mit definitorischen Problemstellungen zusammen. In internationalen Ver­gleichen etwa werden Lektoren nicht dem Lehrpersonal zugerechnet. Dies ist aber, wie wir wissen, in österreichischen Universitäten ganz wesentlich, da Lektoren sehr maßgeblich für die Leistungen bei der Lehre sind.

Etwas, das ganz wichtig ist – und ich glaube, das sollten Sie wissen –, ist, dass Österreich, wenn wir den gesamten postsekundären Bereich betrachten, nach Irland den höchsten Anteil an Menschen hat, die einen postsekundären Abschluss vorweisen können. Weltweit sind wir an vierter Stelle, da sind noch die Japaner und die Australier vor uns.

Man muss also das Gesamtbouquet dessen betrachten, was wir im postsekundären Bereich anbieten. Wenn man das alles zusammenfasst, dann können wir Gott sei Dank feststellen, dass die Ausbildungsqualität der Österreicherinnen und Österreicher gar nicht so schlecht ist, und das schlägt sich letztlich auch – Gott sei Dank – trotz aller Schwierigkeiten in den Arbeitslosenzahlen nieder. Auch da muss man sehen, dass Menschen mit einer akademischen Berufsausbildung ungleich bessere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt haben als jene, die keinen Abschluss haben.

Der Anteil derer, die keinen Pflichtschulabschluss haben, macht, gemessen an den Arbeitslosenziffern, fast 50 Prozent aus, und der Anteil der Akademiker, glaube ich, 2,5 oder 2,6 Prozent.

Das heißt, Wissen schafft Arbeit; Wissen schafft auch eine bessere Lebensper­spek­tive; es gibt auch Untersuchungen, dass das durchschnittliche Lebenseinkommen von Akademikern 150 000 €, glaube ich, oder 180 000 € höher ist als jenes von Pflicht­schulabsolventen. Daher ist es, so meine ich, legitim, von denen, die diese Ausbildung


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machen können, entweder Beiträge zu verlangen oder eben auch zu akzeptieren, dass von der Gesellschaft Gegenleistungen verlangt werden.

Zum Problem der Kundenorientierung an den Universitäten sage ich auch ganz offen: Die Einführung der Studienbeiträge hat kurzfristig das eine oder andere bewirkt, aber punkto Kundenorientierung hat es Jahre gedauert, bis sich etwas verändert hat. Wir konnten in den letzten Jahren schon eine leichte Zunahme, wenn Sie so wollen, der Kundenorientierung an den Universitäten feststellen; ich vermute aber, das wird wieder relativ schnell verlorengehen.

Nichtsdestotrotz habe ich auch bei den Leistungsvereinbarungsgesprächen darum gebeten, darauf hinzuwirken und zu schauen, in welchem Ausmaß Evaluierungen auch zu Konsequenzen führen. Es ist zwar Fakt, dass heute an den Unis sehr viel evaluiert wird, dass auch Studierende ihre Vortragenden beurteilen, das findet alles statt, die Frage ist nur, in welchem Ausmaß daraus Konsequenzen gezogen werden. Es hat mich daher – unter Anführungszeichen, damit es niemand in die falsche Kehle bekommt, aber trotzdem – durchaus „gefreut“, als ich gehört habe, dass sich die Uni Wien von einem Professor getrennt hat. Es genügt mir dieser Hinweis; ich will keinen Namen und auch sonst keine Details nennen, dort gibt es hunderte von Professorinnen und Professoren, aber offensichtlich gibt es einmal Konsequenzen, und das ist gut so, denn man muss die Sache nicht überstrapazieren, aber klare Signale zu setzen, ist, glaube ich, ganz wichtig.

Eine vorletzte Bemerkung, weil das ein paar Mal angesprochen wurde: Auch ich habe die eine oder andere Diskussion über die Verteilung punkto Geldströme Richtung Bil­dungs- und Universitätsbereich in der Gesellschaft geführt. Im Konjunkturpaket II finden sich weitere 34 Millionen €, die jetzt gleichzeitig mit den anderen 34 Millionen € zur Verbesserung der Geräteinfrastruktur an den Universitäten ausgeschrieben wer­den. Wenn man diese Beträge also zusammenzählt, ergibt das 68 Millionen € und somit in der Größenordnung das, was man salopp als eine „Universitätsmilliarde“, wenn auch in Schilling, bezeichnen kann. Manchmal, gestehe ich, habe ich den Ein­druck, man wirft den Begriff „Universitätsmilliarde“ in den Raum und überlegt sich nicht sonderlich, in welcher Währung, Hauptsache, es ist eine Milliarde. Also ich denke, man muss sich da und dort schon die Größenordnungen in Erinnerung rufen.

Ein Letztes, quasi mein persönlicher gleitender Übergang zum Thema EU-Harmo­nisierung: Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Bildungsagenden keine gesetz­geberische Kompetenz der EU darstellen. Das, was die Europäische Union machen kann und auch macht, ist, in vielen Bereichen durch Initiativen, durch Aktivitäten sozusagen da und dort Gleichklänge zu erzeugen. (Bundesrätin Mühlwerth: ... mit den Studentenströmen hat sie es schon können, indem sie uns gesagt hat, wir müssen die ... nehmen!) – Ja, das hat aber nichts mit Bildungskompetenz zu tun, sondern mit Grundprinzipien der Europäischen Union wie etwa der Niederlassungsfreiheit, die da quasi eingemahnt wurde und die zu berücksichtigen ist. Bildung im engeren Sinn ist jedoch gesetzgeberisch keine EU-Kompetenz, aber natürlich kann die Europäische Union durch eine Vielzahl von Initiativen etwas bewirken.

Der Bologna-Prozess ist im Übrigen auch keine EU-Initiative, denn daran nehmen 46 Länder teil, er geht also auch im geographischen Sinne weit über Europa hinaus.

Eine letzte Bemerkung, damit Sie, hoffe ich, auch für die Diskussion die eine oder andere Problemstellung sehen: Wann immer wir mit Deutschland diskutieren, auch über die Bildung hinausgehend, müssen wir mit dem Faktor 1 : 10 rechnen.

Also auch wenn wir, was wir nicht wollen – da gibt es, glaube ich, einen breiten gesellschaftlichen Konsens –, in Österreich den Numerus Clausus einführen, ändert das nichts daran, dass es 1 : 10 ist, und auch wenn man sich den Fragen von


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Ausgleichszahlungen und so weiter nähert, dann stellt sich theoretisch für die deutsche Seite die Frage, ob das kontingentiert wird oder nicht.

Kontingentierungen wären wohl EU-rechtlich nicht haltbar, und wenn es zu keinen Kontingentierungen kommt, sondern der Markt theoretisch quasi vollkommen offen wäre und Deutschland das bedienen müsste, dann würde das Folgendes bedeuten – ich bringe Ihnen zwei letzte Zahlen –: Es gibt in Deutschland zwischen 8 000 und 9 000 Studienplätze in der Medizin und 35 000 bis 38 000 junge Deutsche, die Medizin stu­dieren wollen. Also wenn nur ein Teil der Differenz nach Österreich käme, dann könnten wir das, selbst wenn die Deutschen das finanzieren würden, infrastrukturell gar nicht alles bewältigen. Ich bitte also schon auch, verschiedene Überlegungen mit zu berücksichtigen, weshalb wir zu anderen Lösungsansätzen kommen müssen, die es da und dort gibt.

In Summe möchte ich mich noch einmal für die, wie ich ehrlich sagen muss, äußert qualitätvolle Diskussion bedanken. Wenn das die künftige Bildungsdiskussion prägt, dann bin ich zuversichtlich, dass wir nicht nur diskutieren, sondern auch zu breiten Diskussionsergebnissen kommen, die dann auch – wo es notwendig ist – in gesetz­liche Initiativen münden können oder in ganz konkrete Maßnahmen in Richtung der Universitäten beziehungsweise des tertiären Sektors überhaupt. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.46


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


17.46.544. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2009 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Postmarktgesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird (319 d.B. und 459 d.B. sowie 8203/BR d.B.)

 


Präsident Erwin Preiner: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf. Wir gelangen nunmehr zum 4. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Kalina. Ich ersuche um den Bericht.

Weiters heiße ich Frau Bundesministerin Bures nochmals herzlich willkommen.

 


17.47.19

Berichterstatter Josef Kalina: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 18. November 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Postmarktgesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird.

Dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; ich komme daher sogleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am heutigen Tage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Erwin Preiner: Danke für den Bericht.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 65

17.48.24

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die EU verfügt eine Richt­linie – nicht erst gestern, also wir hätten da auch schon länger Zeit gehabt –, und schon „hupft“ Österreich. (Bundesrat Konecny: ... Minister geben!)

Frau Minister Bures, wir hätten genauso wie Luxemburg die Möglichkeit gehabt, die Verlängerung dieses Liberalisierungsprozesses des Postmarktes bis 2013 in Anspruch zu nehmen. Aufgrund unserer Topographie wäre das durchaus möglich gewesen, aber nein, in solchen Dingen sind wir immer in vorauseilendem Gehorsam bei den Aller­ersten dabei. (Bundesrat Gruber: Vorzugsschüler!) Wenn man sich jetzt das Trauer­spiel der vergangenen Woche anschaut, als es um die EU-Posten ging, dann wundert einen eigentlich überhaupt nichts mehr. – Das muss ich schon kurz erwähnen, denn es war wirklich eine einzige Peinlichkeit, was sich SPÖ und ÖVP da gegenseitig – und letzten Endes auch uns allen – geboten haben.

Molterer, der ein durchaus gewichtiges Ressort hätte bekommen können, so hört man zumindest (Bundesrat Gruber: Das ist ein Gerücht!), durfte es nicht werden, denn auf den war die SPÖ böse, da schließlich er es war, der gesagt hat: Es reicht!, und einmal mehr hat die ÖVP Neuwahlen provoziert, mit bekanntem Ergebnis: Ihr habt die Wahl nicht gewonnen. (Bundesrat Gruber: Sind wir nicht beim Postmarktgesetz, Frau Kollegin?!) – Molterer durfte es jedenfalls nicht werden.

Dann war Frau Ferrero-Waldner, die schon seiende Kommissarin im Gespräch. Die ist offensichtlich bei der eigenen Partei auch nicht so gut angeschrieben gewesen, zumin­dest ist sie nicht favorisiert worden, sodass sich der SPÖ-Bundeskanzler Faymann bemüßigt gefühlt hat, der Ferrero-Waldner Rosen zu streuen. Damit war aber klar, dann wird sie es ganz sicherlich nicht, wenn der politische Gegner den eigenen Leuten Rosen streut.

Dann kam Gusenbauer ins Gespräch. Da hat Faymann gesagt, er habe nie gehört, dass Brüssel irgendwie irgendetwas von ihm wollte. Auch klar: Man wird sich keinen innerparteilichen Konkurrenten in der EU heranzüchten, der dort irgendeine Plattform hatte.

Geeinigt haben Sie sich dann auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: auf einen relativ farblosen Kandidaten (Bundesrat Konecny: Kennen Sie ihn?), der auch ein ent­sprechend kleines Ressort bekommen wird. Das haben Sie wirklich „gut“ gemacht: Hier haben Sie so ziemlich alles vermurkst, was es zu vermurksen gab!

Aber wenn es darum geht, eine Schlechterstellung für die Bevölkerung, die die EU so nicht vorgeschrieben hat, aber auf die Schiene gestellt hat, zu erwirken, sind wir immer gleich vorne dabei. Ich kann Ihnen wirklich dazu gratulieren: Das haben Sie „hervor­ragend“ gemacht!

Zu diesem Gesetz haben alle Stellungnahmen durchaus kritisch ausgesehen, sowohl europarechtlich als auch verfassungsrechtlich, und es haben auch alle darauf hingewiesen – diesmal war es nicht einmal die Opposition alleine. Ist das in irgendeiner Form von Ihnen aufgegriffen worden? Natürlich nicht! Daher finde ich es immer so nett, wenn der Kollege Klug die Vorschläge der Opposition einfordert. – Es ist völlig egal, wer Vorschläge macht, denn in den seltensten Fällen wird einer aufgegriffen.

Auch die Unterstützer des Volksbegehrens – immerhin 140 000 Menschen, die das unter­stützt haben – mussten wieder einmal diese leidvolle Erfahrung machen, dass ihr Anliegen völlig negiert wird. Es wird in irgendeiner Schublade wieder einmal ver­modern, was Unterzeichner von Volksbegehren leider allzu oft schon haben erleben müssen. (Bundesrat Dr. Kühnel: Es waren auch nicht gar so viele!)


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 66

Bei 140 000 können Sie nicht sagen: Das ist nichts, das ist uns egal, das ist uns zu wenig! Wo setzen Sie denn dann die Zahl an? (Neuerlicher Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Kühnel.)

Eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung ist mit diesem Gesetz nicht gege­ben. Sie sagen in dem Entwurf, es soll 1 650 Geschäftsstellen geben. Das hört sich gut an, ist ja auch durchaus löblich, es gibt aber überhaupt keine Mindestanzahl. Es ist auch nicht gesichert, wie wir heute im Ausschuss schon gehört haben, dass das jetzt wirklich diese Postdienststellen seien; es könnten auch fremdfinanzierte sein. (Bundes­rat Konecny: Sie haben ein Wort ausgelassen, ...!)

Es ist keine Mindestanzahl im Gesetz definiert, oder? (Bundesrat Konecny: Nein! Sie meinen Poststellen, also solche, die die Post ...!) Ja, die Postdienststellen. (Bundesrat Konecny: Das haben Sie aber nicht gesagt!) Gut, die Postdienststellen. Sind Sie jetzt zufrieden?

Die Maximalentfernung soll im ländlichen Gebiet, also sprich: unter 10 000 Ein­woh­nern, 10 Kilometer betragen. Das ist eine „grandiose Idee“, muss ich sagen! Ich konnte leider heute im Ausschuss nicht herausfinden, wem diese eingefallen ist, noch dazu, wo ja in der Gesetzesvorlage auch gerechnet wird, dass man 10 Minuten für diese 10 Kilometer braucht. Das bedeutet ganz klar, das kann man nur schaffen, wenn man ein Auto hat.

Es gibt aber viele ältere Menschen, die entweder kein Auto haben oder sich nicht mehr trauen, mit dem Auto zu fahren, und die sind dann auf das öffentliche Verkehrsnetz angewiesen oder darauf, dass sie irgendjemand zu der Poststelle bringt.

Jetzt wissen wir aber, dass im ländlichen Raum der öffentliche Verkehr auch nicht ganz unproblematisch ist: Erstens fährt er nicht so oft wie im städtischen Bereich, und zweitens höre ich immer öfter, dass die Gemeinden mit der Finanzierung Schwierig­keiten haben und sich die eine oder andere Gemeinde schon überlegt, ob sie nicht pleite geht, wenn sie das Netz so aufrechterhält, wie es jetzt ist. Von einer Verdichtung ist da überhaupt keine Rede. Das heißt, wenn etwas passieren wird, dann wird sich das öffentliche Verkehrsnetz wahrscheinlich verdünnen.

Da denke ich an die arme Pensionistin, die sich ihre Rente von der Post holen muss – was ja eigentlich ein Wahnsinn ist, dass man das jetzt nicht mehr vom Briefträger oder vom Postdienstzusteller bekommt, weil man das auch eingeschränkt oder abgeschafft hat. (Bundesrat Konecny: Das muss sie nicht, sie kann ein Konto eröffnen!) Die Pensionistin muss jetzt dort hinpilgern, die muss schauen, wie sie dort hinkommt. Also da muss ich Ihnen schon sagen: Das ist wirklich nicht im Sinne der Bevölkerung!

Ich sehe auch die Öffnungszeiten als nicht so großartig an: 20 Stunden an fünf Tagen in der Woche und 15 Stunden an drei Tagen in der Woche in jenen Postdienststellen, die es jetzt schon gibt, die aber von der Gemeinde fremd betrieben werden. Das heißt, wenn ich einen eingeschriebenen Brief bekomme, berufstätig bin und zu dem Zeit­punkt, zu dem er zugestellt wird, nicht daheim bin, muss ich mir Urlaub nehmen, um meinen Brief abholen zu können, weil es zu den Zeiten, wo ich nicht arbeiten muss, nicht möglich ist, dort hinzugehen. Das ist keine Dienstleistung am Kunden!

Da es nicht wirklich einen Kollektivvertrag für diese Mitarbeiter gibt, auch nicht für jene, die an den Fremddienststellen arbeiten werden, und nicht sichergestellt ist, dass es einen fairen Wettbewerb geben wird (Bundesrat Gruber: Frau Kollegin! Wer hat seinerzeit die Postämter zugesperrt?), dass es eine faire und gleiche Bezahlung geben wird, kann man sich vorstellen, mit welcher Motivation diese Mitarbeiter das machen werden. (Bundesrat Gruber: Sie sperren alles zu, und dann stellen Sie sich her und kritisieren alles! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Wir haben ja jetzt schon Schwierigkeiten bei Zustellungen mit Fremdunternehmen. Bei mir im Haus ist man schon mit dem eifrigen Briefetauschen am Werk. Während früher unser Postler, der alle kannte, auch Briefe mit einer ungenügend ausgeführten Adresse an die richtige Adresse zugestellt hat, findet sich heute ein Brief mit dem richtigen Namen, aber einer unvollständigen Adresse, aber oft auch mit einer richtigen Adresse, beim Nachbarn. Erfreulicherweise funktioniert das bei mir im Haus, dass man dann die Briefe dem richtigen Adressaten bringt.

Wir fürchten, dass hier einem Sozialdumping bei den Löhnen sehr wohl Tür und Tor geöffnet wird – und das kann es nicht sein! Das gilt auch für die Zeitungszusteller. Auch da gibt es ein Ungleichgewicht. Auch da ist bekrittelt worden, dass das nicht funktionieren wird, weil wir da offensichtlich eine Zweiklassengesellschaft bei der Zustellung haben werden, weil es, wenn es zu 100 Prozent im Eigentum des Verlags ist, vom Postmarktgesetz ausgeschlossen ist. Da hätte man sich sicher auch ein ande­res Modell überlegen können, wo Minderbeteiligungen zum Tragen kommen, damit die Zeitungszustellung, die ja durchaus ein demokratisches Recht ist, vorgenommen wer­den kann.

Wir glauben daher, dass mit diesem Gesetz die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb nicht gegeben sind, daher werden wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. (Beifall des Bundesrates Ertl.)

17.57


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile es ihm.

 


17.57.44

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde darauf verzichten, eine Brücke zwischen der Besetzung von EU-Spitzenfunktionen und dem österreichischen Postmarkt herzu­stellen. Das ist schon der Kollegin Mühlwerth nicht sehr eindrucksvoll gelungen.

Ich finde – ich habe es in einem Zwischenruf schon formuliert –, die Frau Kollegin und ihre Partei betreiben hier in einem auffälligen Maß eine Kindesweglegung. Denn: Hat es nicht einmal eine Regierung gegeben, der damals unbestreitbar Ihre Partei ange­hörte – und Sie waren Bundesrätin dieser Partei in diesem Hause –, die die Postämter zugesperrt hat? War es nicht so? Gab es da nicht Minister aus jener Partei, die genau das taten? Die Sozialdemokraten – damals eine Oppositionsfraktion – haben dagegen Entschließungsanträge eingebracht. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie all die tränenreichen Formulierungen damals auch gefunden hätten, die Sie jetzt hier machen, und uns bei diesen Entschließungsanträgen unterstützt hätten.

Ganz abgesehen davon, Frau Kollegin: Ich habe Verständnis für den Gebrauch von Klischees, aber die „arme Rentnerin“, die sich ihre Pension am Postamt abholen will oder muss, ist irgendwie seit 20 Jahren verschieden. Auch die arme Rentnerin hat heutzutage ein Konto. Ich glaube, man sollte nicht so tun, als ob unsere älteren Mitbürger, zu denen ich in zunehmendem Maße auch zähle, Dödel wären, die nicht in der Lage wären, einen Kontoauszug zu lesen oder einen Bankomaten zu bedienen. Das ist eine ziemliche Zumutung.

Es geht um etwas ganz anderes: nämlich darum, Marktbedingungen zu schaffen, die, entsprechend dem EU-Recht, den Zutritt auch für andere Bewerber als die traditionelle Post ermöglichen, und zwar unter Bedingungen, wo dieses Unternehmen nicht vorsätzlich aus dem Markt gedrängt wird.

Es ist ja nicht so, dass wir hier mit der Generaldirektorin der Post AG diskutieren; die hätte sich ja selber auch nicht geklagt, nehme ich an. Hier gibt es ein Unternehmen,


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das mehrheitlich im Staatseigentum steht – jawohl! –, das aber natürlich seine eigenen Unternehmensinteressen verfolgt und zu verfolgen hat.

Diesem Unternehmen werden im Interesse der Öffentlichkeit Verpflichtungen auferlegt, und es wird versucht – und ich glaube, das wird erfolgreich sein –, Regelungen zu schaffen, dass diese Belastung des Universaldienstleisters Post nicht zu seinem Tod führt. Das ist letztlich das Kunststück, das man zuwege bringen muss, die Ausge­wogenheit, die man finden muss, um hier den berechtigten Bedürfnissen der Bevölke­rung gerecht zu werden.

Ich habe ja mit den privaten Anbietern meine Probleme: Wenn man durch Wien wandert, sieht man nicht selten, dass Zetteln an Haustüren picken, wo draufsteht, wo die betreffenden Herrschaften ihre Pakete abholen können, weil per Gegen­sprech­anlage nicht aufgemacht wurde. Das halte ich – auch vom Standpunkt des Daten­schutzes – für nicht gerade satisfaktionsfähig.

Aber Tatsache ist, dass es private Anbieter gibt und dass es private Anbieter auf die­sem Markt geben wird.

Wir haben im Augenblick 1 500 Poststellen in Österreich. Dass diese um rund 1 000 vermindert wurden, hat nichts mit der gegenwärtigen Bundesregierung, nichts mit der gegenwärtigen Ministerin und nichts mit ihrem unmittelbaren Amtsvorgänger zu tun, aber sehr viel mit Ministern – ob sie noch blau oder schon orange waren, weiß ich nicht in jedem Einzelfall – aus Ihrer Ecke.

Es gibt eine im Gesetz festgelegte Mindestzahl von Postgeschäftsstellen, nämlich 1 650. Das ist mehr, als wir haben; es ist nicht das, was wir auf dem Höhepunkt hatten. Und es gibt für die Post die Möglichkeit, dort, wo sie eigene Dienststellen führt, diese durch einen Postpartner ersetzen zu lassen. Allerdings gibt es hiefür einen strengen Schließungsmechanismus, der unter Aufsicht der Regulierungsbehörde steht und der auch eine Einbindung der Gemeinden vorsieht – etwas, was wir immer verlangt haben: dass nicht hinter dem Rücken einer Gemeinde das örtliche Postamt zugesperrt werden kann.

Das Zweite, was zu unterstreichen ist, ist, dass es faire Regeln für alle Marktteilnehmer gibt: wie gesagt, den Universaldienstleister Post AG und die anderen Marktteilnehmer. Natürlich werden Unternehmen, die in diesen Markt gehen, nicht alle Dienste und nicht alle Dienste flächendeckend anbieten wollen und können. Aber klar ist, dass das nicht zu Lasten, zu ökonomischen Lasten der Post AG gehen kann. Man kann das nicht ohne eine Anzeige, also ohne die Meldung, dass man hier ein Marktteilnehmer wird, tun. Dort, wo adressierte Briefe zugestellt werden, ist außerdem eine Konzessions­pflicht vorgesehen. Und drittens ist klargestellt, dass es bestimmte Arbeitsbedin­gun­gen, angemessene Arbeitsbedingungen geben muss, gerade auch für die privaten Anbieter.

Nicht zuletzt ist festzuhalten, dass endlich das alte und im Chaos geendete Problem der Hausbrieffachanlagen hier in einer vernünftigen Art und Weise geregelt wird. Es entsteht keinerlei Belastung für die Hauseigentümer. Es entsteht aber auch keinerlei Belastung für die Mieter. Vielmehr werden diese Anlagen von der Post AG und den anderen Marktteilnehmern – das Verfahren, wie die Kosten aufgeteilt werden, erspare ich mir jetzt – getragen. Das ist ein Ansatz, den man schon vor fünf oder sieben Jahren hätte machen können. Sie erinnern sich alle an das Chaos rund um die Hausbrief­anlagen, die zunächst vorgeschrieben wurden, dann wurde das aufgehoben. Also diese vernünftige Regelung hätte auch – ach so, jetzt ist die Kollegin draußen! (Bun­desrätin Mühlwerth ist momentan nicht im Saal); sonst hätte ich gesagt: Kolleginnen und Kollegen Ihrer Partei einfallen können.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 69

Dass ich ein besonderes Sympathieverhältnis zur traditionellen Post habe, ist bei meinem Lebensalter und meiner politischen Einstellung nicht überraschend. Aber es ist klar, dass auch ein Unternehmen, das teilweise im öffentlichen Eigentum steht, sich im Markt bewähren muss.

Die Kritik, die es hier gibt, kann ich in manchen Punkten teilen. Auch ich kenne den Sport mit dem Brieferl austauschen ganz gut. Ich bin gescheitert bei dem Versuch, zahlreichen Zustellern, in diesem Fall der Post AG, zu erklären, dass dann, wenn auf zwei – noch klassischen – Briefanlagen „Konecny“ draufsteht und darunter ohnedies auch der Vorname steht, der eine ich bin und der andere mein Sohn ist. Ein inner­familiärer Posttausch ist nicht ganz so heikel wie der mit Nachbarn, aber da gibt es genügend Anlassfälle, um kritisch zu sein.

Ich will das niemandem ausreden; ich bin es selbst. Nur: Die Adresse hat das Mana­gement der Post AG zu sein.

Ich glaube, wir sollten noch eines in diesem Zusammenhang sagen: Es ist eine Mana­gementaufgabe, es ist eine Motivationsaufgabe des Managements gegenüber den Mitarbeitern. Das Gesetz bietet der Post AG eine vernünftige Grundlage für ihre Zukunftsplanung. Und ich hoffe, dass da nicht wieder einmal jemand dazwischen­pfuscht – wie im vergangenen Jahr die ÖIAG, die ohne irgendeinen Auftrag der Bundesregierung eine Sondierung in Richtung Verkauf der Post AG nach Deutschland gestartet hat, was erstens eine hohe Unzuständigkeit dieser Einrichtung illustriert hat, aber zweitens natürlich die Mitarbeiter nicht gerade motiviert hat.

Frau Bundesministerin, ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung dieser Geset­zesgrundlage, die wir sicherlich heute beschließen werden, und auch beim guten Zureden gegenüber dem Management der Post AG. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.06

 


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

 


18.07.05

Bundesrat Stefan Schennach (ohne Fraktionszugehörigkeit, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Lieber Kollege Albrecht Konecny, sehr interessant, ich teile Ihre Meinung bei einem Befund lückenlos: Die Post ist besser als ihr Ruf! Und ich glaube, die Österreichische Post ist etwas, auf das wir auch in all den Jahren wirklich stolz sein konnten.

Das ist etwas, wo wir die Meinung teilen. Nicht ganz teilen wir – was eher selten ist, da wir sehr oft einer Meinung sind – die Meinung hinsichtlich der Wertigkeit dieser uns heute vorgelegten Umsetzung der Voll-Liberalisierung des österreichischen Postmark­tes.

Das Problem kennen wir überall dort, wo wir alte, große Monopolbetriebe im Staats­eigentum auf den Markt der Liberalisierung schicken, wie zum Beispiel bei der Tele­kom. Wir kennen es natürlich auch beim ORF. Auch der wurde zurechtgeschnitten, um den Privaten eine Möglichkeit des Überlebens zu bieten. Auch bei der Bahn stehen wahrscheinlich Diskussionen aus. Und jetzt ist die Post dran.

Das Hauptproblem in diesen Prozessen ist, dass es einfach mächtige Interessen­gruppen gibt, denn wenn man versucht, beiden oder mehreren Interessengruppen gerecht zu werden, dann kann nicht immer das herauskommen, was man will.

Wenn wir zum Beispiel das hernehmen, was Kollege Konecny gemeint hat: dass endlich soziale Auflagen hinsichtlich der Beschäftigungen da drinnen sind.


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Lieber Albrecht Konecny, du bist ein sehr kritischer Mensch und weißt es wahr­scheinlich genauso gut, aber wir können heute davon ausgehen, dass es ungefähr 90 Prozent im Bereich der neuen Anbieter gibt, nämlich dem liberalisierten Teil des Postmarktes, wo wir eigentlich mehr Scheinselbständige vorfinden beziehungsweise Personen, die überhaupt selbständig tätig sind und die ohne Sozialversicherung, ohne Krankenversicherung und ohne Urlaubsanspruch tätig sind. Und man kann, wenn wir hier so weiche Formulierungen wie „angemessene Bezahlung“ oder „angemessene Arbeitsbedingungen“ oder den „jeweils anzuwendenden Kollektivvertrag“ vorfinden, sagen: Das sind extrem weiche Formulierungen, die mit links überspielt werden können!

Und Kollege Himmer, der ja aus der Wirtschaft kommt und jetzt so vor sich hinschaut und sich wahrscheinlich auch gerade vorstellt, wie das geht (Bundesrat Mag. Himmer: Ich lausche!), weiß natürlich, dass diese Schlupflöcher wahnsinnig leicht vorhanden sind und auch genützt werden.

Ja, es ist richtig: Die von Herrn Konecny genannten 1 650 Postgeschäftsstellen gibt es (Bundesrat Konecny: Noch nicht!) – es wird sie dann geben –, aber nur 165 davon sollen alle Dienstleistungen anbieten. – Da schaut die Zahl dann aber schon anders aus! Und da meine Wiege wirklich im engen Talschluss stand, frage ich mich: Wie schaut denn das dann wirklich von der Gesamtversorgung des Landes her aus? Wie schaut es im ländlichen Bereich aus?

Wir selbst haben bei der Schließung der Postämter seinerzeit noch eine gemeinsame Dringliche hier gemacht, um genau darauf hinzuweisen, wie wichtig eigentlich Post­ämter für kleine Gemeinden sind – genauso wichtig, sage ich jetzt einmal, großzügig wie ich immer bin, wie dass die Kirche im Dorf bleiben sollte, oder auch, dass die Gendarmerie, jetzt Polizei, im Dorf bleiben sollte, und, wie nicht ganz unwichtig ist, dass es auch noch die Greißler gibt –, wobei ich, Kollege Himmer, natürlich kein Problem damit habe, wenn auch andere Postdienstleistungen erbringen: Wenn es einem Greißler das Überleben sichert, wenn er auch Postgeschäfte abwickelt, ist das schon in Ordnung, nur sollte dann doch in einer angemessenen Entfernung oder in einer angemessenen Nähe zu den einzelnen Kunden eine alle Dienstleistungen anbietende Geschäftsstelle sein. – Die sehe ich hier derzeit nicht verwirklicht.

Wenn wir auch einmal betrachten, was doch nicht wenige Menschen beim Volks­begeh­ren unterzeichnet haben, so ist es genau das: Diese Einschränkung der Universal­dienstleistungen ist einer der zentralen Punkte. – Ich sehe diese derzeit nicht mehr in der Form flächendeckend als Grundversorgung gewährleistet!

Weiters: Dass bei der Vollliberalisierung nun irgendwo ein fairer Wettbewerb sicher­gestellt werden musste, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man nicht alle Kosten immer den Haus- oder den Wohnungseigentümern umhängen kann – das hängt jetzt mit den Hausbrieffachanlagen zusammen.

Jene, die damals wirklich investiert haben, ... (Bundesrat Konecny: Die haben Pech gehabt!) – Die haben Pech gehabt? – Das ist jetzt locker gesagt, als Gesetzgeber! Die haben ein Gesetz befolgt! (Bundesrat Konecny: Das wir beide nicht beschlossen haben!) – Ja, wir haben dagegen gestimmt. Aber warum können nicht heute in einer Regelung zum Beispiel die Mitbewerber am Markt für diese Kosten der Umstellung mit herangezogen werden? – Das wäre meiner Meinung nach eine elegantere Lösung, als immer zu sagen: Der Endkunde soll eben bezahlen!

Ein anderer Punkt: Die normierte Annahme für den gesamten Zeitungs- und Zeitschrif­tenzusteller ist nach wie vor – ich bin neugierig, ob es hier Klagen geben wird – meiner Meinung nach verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, denn diese gesicherten Tarif­ein­heiten – das werden wir dann noch sehen – können durchaus umgangen werden.


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Wir alle haben ein bisschen eine druckerische und herausgeberische Seite: Wir beide (in Richtung Bundesrat Konecny) haben wahrscheinlich in unserem Leben schon öfter Zeitungen zur Massenzustellung gebracht, und wir wissen auch, wie leicht diese Tarifeinheiten umgangen werden können.

Dass die Genehmigungspflicht durch eine bloße Anzeigepflicht ersetzt wird, das ist eine schwache Regelung, und dass hier Strafbestimmungen generell fehlen, zeigt, dass man nicht genug Ernsthaftigkeit beweist oder dass jene Lobbys, die gesagt haben: Machen wir eine Regelung ein bisschen mit Augenzwinkern!, doch die sieg­reicheren waren.

Trotzdem, Frau Bundesministerin: Ich hoffe sehr, dass Sie in der Umsetzung erfolg­reich sind und diese Punkte, die wir auch heute und die Ihre Fraktion seinerzeit gemeinsam mit uns als Sorge vorgetragen haben, in der Umsetzung mitberücksich­tigen werden.

Dass wir heute nicht den Weg der Zustimmung gehen, heißt nicht, dass wir Sie dort nicht unterstützen, wo Sie versuchen, zum Beispiel diese Universaldienstleistungen auch wirklich zu garantieren. – Danke. (Beifall der Bundesrätin Kerschbaum.)

18.15


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile es ihm.

 


18.15.31

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­des­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Das Postmarkt­gesetz hat uns die vergangenen Monate sehr intensiv beschäftigt, und ich werde mich bemühen, hier nichts zu wiederholen, was sachlich-inhaltlich von meinen Vorrednern gesagt worden ist.

Ich glaube, es gibt zwei ganz wesentliche Ziele bei diesem Postmarktgesetz. Das ist einerseits, dass die Versorgung auf einem modernen Dienstleistungsniveau flächen­deckend funktioniert, und andererseits, dass wir unter den neuen Wettbewerbs­bedingungen auf den europäischen Märkten die politischen Rahmenbedingungen für ein Unternehmen Post schaffen, damit auch in der Zukunft ein effizientes, leistungs­fähiges Unternehmen zur Verfügung steht – und wir tragen da ein gerüttelt Maß an Verantwortung, so wie wir da sitzen und das beschließen wollen.

Wir haben in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte – ich möchte jetzt keine Namen nennen – einiges an Erfahrung gesammelt, um welche Verantwortung es hier geht. Ich möchte nur ein einziges Unternehmen bringen: Wir haben, glaube ich, bei den Bun­desbahnen wesentlich mehr Sorgen als bei der Post AG. (Bundesrat Boden: Das hättet ihr dem Kukacka sagen müssen!) – Ich möchte das im Detail nicht ausführen (Bundesrat Boden: Das hättet ihr Kukacka sagen müssen!), aber darum geht es ganz wesentlich: dass diese Post AG auch in der Zukunft ein starkes, leistungsfähiges Unternehmen bleibt.

Nach anfänglichen Irritationen bei der Gesetzwerdung liegt jetzt, glaube ich, ein vernünftiges Gesetz vor, das den Erfordernissen eines brauchbaren politischen Rah­mens entspricht. Wir müssen das dann aber insgesamt differenzierter betrachten: Die 1 650 Poststellen sind eine gute Zahl, sie sind aber noch nicht alle da – darüber werde ich noch ganz kurz einige Sätze verlieren.

Es ist, glaube ich, vernünftig geregelt, wie die Schließungsszenarien ausschauen, wie die Konsultationsmechanismen, wie Ersatzmaßnahmen ausschauen sollen, wie be­hördliche Steuerung erfolgt und so weiter. – Ich glaube, an sich kann man das in einem Gesetzestext nicht weiter gehend formulieren.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 72

Jetzt geht es aber darum, wie man mit diesem Gesetz lebt: Welche Realität wird sich daraus entwickeln? – Das ist ganz entscheidend!

Die erste Frage betrifft Folgendes: Ich glaube, wir haben, wenn ich das richtig gelesen habe, bis zum 1. Jänner 2011 Zeit, die Zahl 1 650 mit Leben zu erfüllen. Das heißt also, im nächsten Jahr müssen in etwa 150 Poststellen – eigen- oder fremd­betrie­bene – neu dazukommen, und ich sehe hier eine große Verantwortung für Sie, Frau Bundesminister, aber auch und vor allem für das Post-Management, wie diese Zahl zustande kommt, dass diese dann tatsächlich gewährleistet ist, denn alles andere hieße ja, dass wir heute schon totes Recht beschließen, und das wollen wir sicher nicht. – Man muss sich also nach dem 1. Jänner 2011 fragen lassen, ob dieses Gesetz, das wir hier formulieren, auch so in der Praxis gelebt wird.

Weiters möchte ich an dieser Stelle einmal eine wirklich positive Bemerkung und ein Ja zu den Postpartnern sagen – sofern es sie gibt; es gibt sie nicht überall. Grundsätzlich hat sich das, glaube ich, in der Praxis bewährt, wo geeignete Postpartner zur Ver­fügung stehen. Ich kenne keine Gemeinde, in der sich ein Bürgermeister darüber beschwert, dass er jetzt einen Postpartner hat – im Gegenteil!

Es ist ja dann ein höheres Maß an Dienstleistung gewährleistet, wenn man Postpartner findet, die lange Öffnungszeiten haben, denn wann immer wir über den ländlichen Raum sprechen, wissen wir auch, dass die Leute auspendeln – 30, 40, 50 Kilometer. Die können sich ja nicht für einen eingeschriebenen Brief Urlaub nehmen, um diesen Brief vom Postamt abzuholen – und das ist bei der Heimfahrt möglich, sollte das der Supermarkt sein, oder was immer das ist, welcher Postpartner auch immer zur Verfügung steht: Diese haben Öffnungszeiten bis 18 Uhr, 18.30 Uhr, 19 Uhr, und das ist für viele Leute eine lebbarere Situation.

Ich muss sagen, ich als Vertreter des ländlichen Raumes würde die Kritik sehr gerne aufgreifen, mir ist sie aber bis dato nicht untergekommen, und aus dem Grund glaube ich, dass das System der Postpartner, sofern man geeignete findet, ein positives ist.

Entscheidend scheint mir zu sein, dass man beim Finden dieser Postpartner oder, wenn keine Postpartner gefunden werden, bei der Führung eigenbetriebener Post­stellen keinen minimalistischen Kurs fährt, denn solche Not-Poststellen, die eben 15, 20 Stunden in der Woche offen sind, die wollen wir sicher nicht, denn das ist das Gegenteil dessen, was man an Dienstleistung am Bürger erwartet.

Was ich sagen möchte, ist: Ich sehe das Gesetz grundsätzlich sehr positiv, aber wie man das Gesetz lebt, ist noch eine ganz andere Baustelle, und darauf möchte ich hinweisen.

Wenn wir die Frage der Postversorgung diskutieren, dann müssen wir das ganzheit­licher machen: Ich sage, noch mehr oder fast gleich wichtig wie die Frage der Zahl der Postämter ist, ob es den Landbriefträger, so wie er derzeit in den ländlichen Räumen unterwegs ist, auch in der Zukunft gibt. – Darüber finden wir ja hier im Gesetz nichts, das ist im Gesetz nicht normiert, das ist in der Verantwortung des Post-Managements.

Durch den Landbriefträger findet die Dienstleistung direkt am Kunden statt, direkt an der heute oft strapazierten Oma, denn dieser bringt das Paket und nimmt es wieder retour und bringt bis zur Briefmarke alles. – Und da geht es natürlich um Kosten, die bei einem Management als Sparpotenzial durchaus verführerisch sein können: Da geht es um Autos, da geht es um Personen, die mit diesen Briefen hinfahren. Es ist eine ganz entscheidende Frage, ob in diese Richtung Ausdünnungen kommen oder nicht!

Im Sinne einer ganzheitlichen Postversorgung und von infrastrukturellen Dienstleis­tungen an den Bürgern möchte ich auch das Thema Breitbandversorgung, Glas­faser­ausbau im ländlichen Raum nicht unangesprochen lassen: Sehr, sehr viel von


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dem, was die Bürgerinnen und Bürger heute an postalischem Interesse haben, wird über Internet abgewickelt! Da geht es um Lebensqualität, da geht es um Arbeitsplätze in den Regionen, und da bringt man sehr viel hin, was sonst möglichen Kürzungen zum Opfer fallen könnte.

Frau Bundesministerin Bures, ich habe die dringende Bitte an Sie, dass Sie in dieser Richtung – Breitbandausstattung bis in den letzten Haushalt, Glasfaserausstattung im ländlichen Raum – im Sinne der Wirtschaftsstandortentwicklung ganz intensiv Druck machen. Ich halte das für eine wesentliche Zukunftsschiene, um diese Räume lebensfähig zu erhalten.

Zusammenfassend ist Folgendes zu sagen: Dies ist ein vernünftiges Gesetz, das den politischen Rahmen darstellt und mit dem man, glaube ich, gut arbeiten kann, aber es ist keine Garantie. Und ich glaube, eine gute, bürgernahe Postversorgung bleibt eine Daueraufgabe, die uns in den nächsten Jahren noch öfter beschäftigen wird.

Sollten bei der Umsetzung dieses neuen Postgesetzes und wenn man das Ganze dann im praktischen Leben testet, Defizite auftauchen, dann erwarten wir uns selbst­ver­ständlich, dass Vorschläge kommen, wie man diese Dinge nachjustieren, verbes­sern kann. – Das ist meine Bitte.

Wir stimmen diesem Postgesetz zu, weil wir glauben, dass es der richtige Weg ist. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.23


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mitterer. Ich erteile es ihm.

 


18.24.02

Bundesrat Peter Mitterer (ohne Fraktionszugehörigkeit, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Professor Konecny ist nicht da, aber ich hätte ihm gerne eine Frage gestellt, weil er es sehr befürwortet, dass das Postmarktgesetz den Markt auch für private Anbieter öffnet: Warum ist das Anbieten von Dienstleistungen, die bisher die Post erbracht hatte, für private Anbieter lukrativ, während die Post AG diese Leistungen wegen Defizits durch Postamtsschließungen reduziert? (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) – Das ist eine gute Frage (Bundesrat Gruber: Das ist eine Standortfrage, Herr Kollege! Das Zentrum ist interessant, am Land ist es uninteressant!), an der nicht Ministerin Bures schuld ist und auch nicht ihre direkten Vorgängerinnen und Vorgänger. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Ich glaube, dass der Zustand unseres Postsystems ein typisch österreichisches, haus­gemachtes Problem darstellt: Ein Beamtenstaat, der, wie in der ÖBB, eben auch in der Post Platz gegriffen hat, wo kein wirtschaftliches Denken gelernt wurde (Bundesrat Zangerl: ... macht Überschüsse, Herr Kollege!) – das ist über 20 Jahre her! –, denn wirtschaftliches Denken erfordert Flexibilität. Das hat es bei der Post 20 Jahre lang nicht gegeben. – Jetzt müssen wir als Gesetzgeber flexibel sein, um diesen Karren noch einmal aus dem Dreck zu ziehen.

Keine Anpassung an die Entwicklungen – Unflexibilität ist in der Post angesagt gewe­sen, und das seit 20 Jahren!

Das Fax-Zeitalter ist ja jetzt vorbei, und dann hat man die Entwicklung verschlafen. Elektronische Datenübermittlung und -Kommunikation waren aber vorhersehbar und sind eine Tatsache. Seid einmal ehrlich – und ich bin Betriebsinhaber im Tourismus­bereich –: Wann gehen wir denn noch auf die Post? – Im Jahr 2009 ist keine einzige Anfrage für Zimmer per Brief gekommen, zwei noch mit Fax, der ganze Rest kam über


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die elektronischen Medien, und das wird Ihnen jeder meiner Kolleginnen und Kollegen auch bestätigen. Das war vorhersehbar!

Wo waren denn die Reaktionen der Verantwortlichen bei der Post? (Bundesrat Kaltenbacher: Wer war denn Minister?) – Ein zeitgerechter Ausbau der Geschäfts­felder wäre damals gefragt gewesen. Es hätte auch dem ländlichen Raum viel ge­bracht, wenn die Post damals schon andere Geschäftsfelder angegangen wäre und neue Kunden gebracht hätte.

Was machen Sie jetzt? – Jetzt warten Sie, bis die Statistik zeigt, dass die Frequenz so weit unten ist, dass Sie wieder ein Postamt schließen können. – Das ist zu wenig Innovation!

Zu Postpartner und Postservicestellen – weil ja immer angeboten wird, dass immer dann, wenn ein Postamt schließt, 1 : 1 ein solches Service angeboten wird, entweder mit Partner oder mit Postservicestelle –: Ich glaube, dass Postpartnerstellen für die Dienstleistungen, die wir heute noch von der Post brauchen, ausreichend sind – das gebe ich ehrlich zu; wir brauchen nicht mehr die Leistungen, die anno dazumal erbracht werden mussten –, allerdings nur, wenn es funktioniert.

Zwei Beispiele, wo es funktioniert, in zwei Seengebieten in Kärnten – zuvor gab es Postämter; eines ist seit sechs, eines seit acht Jahren geschlossen –: In beiden Fällen hat das Tourismusbüro der jeweiligen Gemeinde diese Aufgabe übernommen. Öff­nungszeiten vorher, in der Post: 20 bis 25 Stunden pro Woche; jetzt – sogar noch zurzeit, in der Winterzeit –: 40 Stunden pro Woche, im Sommer 70 Stunden pro Woche, Samstag, Sonntag geöffnet. Die Bevölkerung dort jubelt und ist froh, dass die Postämter dort geschlossen haben und sie nun die Tourismusinformationsstellen als Postpartner haben. (Bundesrat Zangerl: Aber dafür kriegt man nichts, Herr Kollege!) – Natürlich!

Es gibt aber auch andere Beispiele, und das ist das Problem. Wenn man zum Beispiel Postpartner findet, die im Moment zwar gut funktionieren, aber nach zwei Jahren, weil es ein Lebensmittelhandel ist und dieser, als der Großmarkt gekommen ist, dem Druck nicht mehr standgehalten und geschlossen hat, eben kaum Nachfolger gibt. Dort zieht sich die Post zurück, und das sind dann die großen Problemfälle. (Bundesrat Gruber: Dann gibt es wieder ein Postamt!)

Deshalb ist das neue Postmarktgesetz kein Garant für flächendeckende Versorgung – ich möchte nicht noch einmal das Thema ansprechen, was flächendeckend ist, denn eine Entfernung von zehn Kilometer mag irgendwo, wo es Mobilität durch öffentliche Verkehrsmittel gibt, nahe sein, und zwei Kilometer sind schon weit, wenn dort nichts angeboten wird. – Der Unterschied zwischen Stadt und Land wird dort noch einmal sehr eklatant hervortreten.

Solange diese Dinge nicht in einem Gesetz geregelt sind, werden wir diesem Gesetz keine Zustimmung erteilen. (Beifall des Bundesrates Zwanziger.)

18.29


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Bures. Ich erteile es ihr.

 


18.29.21

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Wortmeldungen – mit Ausnahme der letzten – ganz deutlich zeigen, wie Postdienstleis­tungen jeden Einzelnen von uns betreffen. Egal in welcher Form ausgeschmückt – ob es die Pensionistin in einer besonderen Lebenssituation war oder ob es sozusagen die Frage der Dienstleistungen, Brief aufgeben, Pakete abholen, wie auch immer, war – es


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 75

ist, glaube ich, immer zum Ausdruck gekommen: Irgendwie haben wir, jeder Ein­zelne/jede Einzelne von uns, relativ oft mit dem Unternehmen, mit der Dienstleistung Post zu tun.

Spätestens dann, wenn Sie heute, ich weiß nicht, um wie viel Uhr, nach Hause kommen, ist, bevor man noch die Wohnungstür aufsperrt, meistens das Erste, was man tut, dass man das Postkästchen aufsperrt und schaut, ob nicht etwas drinnen ist. Daher kann ich auch wirklich gut verstehen, dass es in den letzten Jahren zu Recht eine sehr emotionale Diskussion rund um diese Postdienstleistungen gegeben hat, weil es für die Einzelne und den Einzelnen wirklich so wichtig ist und weil diese Dienst­leistung – das brauche ich in dieser Runde auch nicht zu erwähnen – auch so wichtig für den Wirtschaftsstandort ist.

Wir leben in Österreich, was die Wirtschaftsstruktur betrifft, in einem Land, in dem die Bedeutung von Klein- und Mittelbetrieben immer wieder betont wird. Genau die sind aber in den Regionen auf die Dienstleistung Post in hohem Maße angewiesen, für diese Betriebe ist die Post gar nicht wegzudenken. Deshalb hat die Postversorgung auch eine so große Bedeutung.

Daher ist es auch nicht spurlos an der Bevölkerung vorübergegangen, als in den Jahren 2002 bis 2005 angekündigt wurde, dass man 1 000 Postämter schließen würde, aber immer versprochen wurde, dort würden die Postpartner kommen. Als es dann dazu gekommen ist, dass 800 völlig ersatzlos, ohne ein Angebot von Post­partnern, zugesperrt wurden, hat das tatsächlich zu großer Verunsicherung und zu Recht auch zu großen Emotionen geführt. Das brauche ich gerade im Bundesrat nicht zu erwähnen, da ja die Bundesräte in besonders gutem Kontakt zur Bevölkerung stehen, vor allem im ländlichen Raum. Unter jenen, die mich in Folge dieser Schließungsaktion kontaktiert haben, waren auch sehr viele Bürgermeister.

Als Anfang dieses Jahres das Postmanagement wieder angekündigt hat, 300 Post­ämter schließen zu wollen, wieder mit dem Versprechen, geeignete und tolle Partner finden zu wollen, habe ich gesagt, das kennen wir schon, das lassen wir kein zweites Mal zu, diese Diskussion mit dem Versprechen, gute Postpartner zu finden. Ich habe von Bürgermeistern von allen politischen Parteien Briefe bekommen, die mich gefragt haben: Frau Ministerin, können Sie nicht etwas tun?

Meine Zuständigkeit ist eigentlich nur die Legistik. Die operativen Fragen sind laut Kompetenzverteilung in der Bundesregierung nicht bei mir angesiedelt. Aber die Möglichkeiten, die ich hatte, habe ich ausgeschöpft. Ich habe einen Bescheid erlassen, um das auch in Erinnerung zu rufen, wonach ich Schließungen dort gestoppt habe, wo es keinen geeigneten Ersatz gibt. Da hat es viele gegeben, die gesagt haben, da geht sie ein bisschen weit. Es hat ja auch einige gegeben, wie das Postmanagement, das eine Klage eingebracht und so versucht hat, meine Bemühung, zu verhindern, dass es zu weiteren Schließungswellen wie in der Vergangenheit kommt, zu vereiteln.

Ich finde, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war eine gute. Dieser hat nämlich nicht nur bestätigt, dass das, was ich getan habe, richtig war, indem ich versucht habe, Schließungen zu stoppen, sondern dass das auch rechtens war und auch verfassungskonform ist. Darüber bin ich sehr froh.

Ich bin auch sehr froh, dass diese Diskussion heute hier stattfindet, und möchte mich auch dafür bedanken, weil ich glaube, dass ein Bescheid, den man erlässt, um zu verhindern, dass es, wie gesagt, zu diesen Schließungen kommt, noch keine Rechts­sicherheit gibt. Daher habe ich mit Hochdruck an diesem neuen Gesetz gearbeitet.

Jetzt kann man darüber reden, ob man die Liberalisierung verschieben hätte sollen. Ich bin froh, dass wir jetzt rasch Klarheit haben, wie sich die Postdienstleitung in Öster-


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reich in Zukunft organisiert, in Wirklichkeit auch ganz unabhängig von der Liberalisie­rung.

Aber, Frau Bundesrätin, trotzdem ein Wort dazu. Die Gründe, warum andere Länder die Liberalisierung nicht mit 1. Jänner 2011 in Kraft treten lassen, sind vielfältig, sollten aber nicht für Österreich gelten. Sie haben es selbst angeschnitten. Zur Größe: Auch wenn Österreich ein kleines Land ist, ist ein Vergleich mit Luxemburg nicht angebracht. In Österreich können wir über den ländlichen Raum diskutieren. In Griechenland wurde in der Begründung auf die große Zahl der Inseln hingewiesen. Man kann Österreich zwar als Insel der Seligen bezeichnen, aber nicht mit der geographischen Struktur Griechenlands vergleichen. Andere Gründe gab es bei den neuen Beitrittsländern. Zu denen gehören wir wahrlich nicht, nicht nur was den Zeitpunkt des Beitritts zur Euro­päischen Union betrifft, sondern auch was unsere wirtschaftliche Stärke und Aus­gangs­position betrifft.

Daher, glaube ich, war der Umsetzungszeitpunkt richtig, und ich bin froh, dass wir dieses Gesetz heute beschließen. Damit schaffen wir nicht nur die Grundlage für eine gute, flächendeckende Postdienstversorgung im ganzen Land, sondern beenden damit auch die Diskussionen und die Verunsicherung, die es gegeben hat.

Lassen Sie mich noch weitere Punkte, die auch in der Diskussion angeschnitten wurden und die mir in diesem neuen Postmarktgesetz so wichtig erscheinen, erwäh­nen. Erstmals wird gesetzlich eine Mindestzahl von Postgeschäftsstellen festgelegt. Mir wäre das Postamt am liebsten, aber am allerwichtigsten ist mir, dass es eine große Versorgungsdichte gibt. Wenn heute davon die Rede war, dass die Bevölkerung jubelt, wenn eine Mindestanzahl von Postgeschäftsstellen in Österreich kommt, dann war das genau das, was ich wollte.

Ich verweise auch auf das Beispiel, dass Postpartner gut funktionieren können – die Einbeziehung der Bürgermeister vorausgesetzt; das war auch schon ein Vorschlag, den ich für die Übergangsbestimmung gemacht habe. Wenn die Menschen, die vor Ort politische Verantwortung tragen, dem zustimmen und sagen, ja, das ist in Wirklichkeit ein Mehr an Qualität, wenn die Öffnungszeiten noch länger sind und auch am Samstag geöffnet ist, dann war ich diejenige, die gesagt hat, dann tun wir das. Daher haben wir jetzt nicht nur die Festschreibung von 1 650 Postgeschäftsstellen, sondern wir haben auch einen ganz klaren Mechanismus, was die Mitspracherechte betrifft.

Wir haben erstmals auch die Einbeziehung des Gemeindebundes, die Einbeziehung des Städtebundes, der Verbindungsstelle zu den Bundesländern vereinbart, weil ich glaube, dass die Post regional eine so wichtige Infrastruktureinrichtung ist, dass wir jene, die vor Ort die Situation wesentlich besser einschätzen können, in diese Ge­spräche mit einbeziehen sollten. Ich kann Ihnen sagen, ich vertraue da auf die, die in der Region politisch tätig sind, denn die wissen genau, ob die Dienstleistung schlechter oder besser wird. Diese werden jetzt auch rechtlich die Möglichkeit haben, zu sagen, wir sind dann dafür, wenn die Versorgung für die Bevölkerung meiner Gemeinde, meiner Stadt besser wird. Wenn das nicht der Fall ist, dann werden im Rahmen des Poststellenbeirates entsprechende Diskussionen geführt werden müssen.

Daher ist es erstmals so, dass wir diese Mindestanzahl festschreiben, was bedeutet, dass wir in Österreich um 150 Geschäftsstellen mehr haben werden.

Der zweite wesentliche Punkt ist die Frage fairer Löhne. In den Verhandlungen war es mir ganz wichtig, dass es mit der Öffnung einer möglichen neuen Branche für private Anbieter auch erstens so etwas wie Wettbewerbsgleichheit gibt. Und das Zweite: Ich bin natürlich, es wird Sie nicht besonders wundern, eine, die alles unternimmt, dass wir Lohn- und Sozialdumping in unserem Land verhindern.


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Daher kann man, wie Herr Bundesrat Schennach vorher gemeint hat, natürlich sagen, angemessene Löhne nach einem Kollektivvertrag, das ist eine schwammige Formulierung. Wir haben aber im Arbeitsrecht nichts Stärkeres als kollektivvertragliche Vereinbarungen. Der Kollektivvertrag ist ein ganz starkes Instrument, um Lohndumping auszuschließen. Wir haben in Österreich das Instrument des Kollektivvertrages, ausgehandelt von den Sozialpartnern, haben aber, auch wenn es ein noch stärkeres Instrument wäre, keinen gesetzlichen Lohn.

Wir wissen, dass wir in der Zweiten Republik, was Kollektivverträge, was sozialpart­nerschaftliche Vereinbarungen betrifft, sehr gut gefahren sind und dass wir daher in Österreich nicht im Wettbewerb mit Billiglohnländern, sondern im Wettbewerb mit hoch­wertigen Arbeitsplätzen stehen. Daher war mir das ganz wichtig, und es war in den Diskussionen auch sehr lange Thema, ob wir tatsächlich in ein Gesetz schreiben, dass ein Kollektivvertrag anzuwenden ist.

Ich bin froh darüber, dass es gelungen ist, diese Regelung im Gesetz zu verankern und damit nicht nur für einen fairen Wettbewerb zu sorgen, sondern uns eben auch darum zu bemühen, dass es in diesem Bereich kein Lohndumping gibt.

Die Frage der Umgehung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen diskutieren wir erstens einmal in vielen Bereichen – das ist auch eine ganz wichtige Diskussion, was Schein­selbständigkeit betrifft, wo man versucht, arbeitsrechtliche Regelungen, wie Kollektiv­verträge, zu umgehen. Aber auch da sieht das neue Postmarktgesetz etwas vor, das nicht erwähnt wurde. Wenn man als möglicher privater Anbieter nicht die Betriebsmit­tel, die Arbeitsbedingungen und daher auch die arbeitsrechtlichen Regelungen nach­weisen kann, dann gibt es eben keine Konzession.

Man kann nie ausschließen, dass es in einem Bereich sozusagen schwarze Schafe gibt, aber die sind dann rauszuholen. Gesetzlich ist das ganz klar: Wir haben einen Kollektivvertrag, und ein privater Anbieter, der die Konzessionsvoraussetzungen erfüllen will, muss nachweisen, dass er die Betriebsmittel hat und sich auch arbeits­rechtlich an die gesetzlichen Bestimmungen hält. Andernfalls bekommt er keine Konzession. Auch das ist, glaube ich, ein starkes Mittel und daher das Gegenteil von schwammigen Formulierungen, die auch nicht meine Stärke sind.

Dritter Punkt, der mir wichtig ist – und damit zum „Rosinenpicken“ –: Private Anbieter finden sich immer dort, wo es große Gewinnchancen für eine Tätigkeit gibt. Das ist im Übrigen jetzt auch ein bisschen das Problem bei den Paketzustellungen. Versuchen Sie einmal, im ländlichen Raum über private Zusteller unter den gleichen Bedingungen etwas zustellen zu lassen. Das macht nur die Post, und die privaten Anbieter versorgen jene Gebiete, wo sie hohe Gewinnchancen haben.

Wir wissen, der Postdienstleister muss auch in die Täler und in die Regionen, die nicht so dicht besiedelt sind, fahren, die Privaten aber wollen nicht dorthin fahren – und das geht nicht. Daher enthält das Postmarktgesetz – viertens – einen Punkt, durch den dieses Rosinenpicken ausgeschlossen wird. Es geht darum, dass konzessionierte Markt­teilnehmer unter gewissen Regelungen, die klar definiert sind, auch eine Abgeltung für den Universaldienst leisten müssen.

Ein weiterer Punkt, der auch angesprochen wurde und der mir wesentlich erscheint, ist eigentlich eine Reparatur, die mit dem jetzigen Liberalisierungsschritt nicht sehr viel zu tun hat, nämlich die Frage der Hausbriefanlagen. Es war mir wichtig, sicherzustellen, dass die Kosten nicht auf die Mieterinnen und Mieter übergewälzt werden, wie das gemacht wurde. Es waren ja nicht die Hauseigentümer, die es bezahlt haben. Es wurde auf die Mieter und Wohnungseigentümer übergewälzt. Mir ist es darum gegangen, dass, wenn eine Umrüstung erforderlich ist, das nicht auf Kosten der


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Mieterinnen und Mieter und der Wohnungseigentümer geschehen soll, und das haben wir jetzt im Gesetz auch so geregelt.

Es stimmt, ich konnte das für die Vergangenheit nicht regeln, aber für die Zukunft ist klargestellt, dass diese Kosten nicht übergewälzt werden können. Es ist aber auch nicht so, dass die Post auf diesen Kosten automatisch sitzen bleibt. Auch diesbe­zügliche Bedenken haben wir mit dieser Regelung berücksichtigt. Es ist nämlich so, dass wir die Vorfinanzierung sichergestellt haben, was die neuen Hausbriefanlagen betrifft. Die Post muss gesetzlich die Vorfinanzierung übernehmen – dafür hat sie auch einen relativ langen Zeitraum. Es gibt viele, die im Rahmen dieses Prozesses gesagt haben, dass der Liberalisierungsschritt eigentlich viel zu lange ist – und da haben wir das Gegenteil von einer Musterschülerin. Die lange Übergangsfrist ist, was mögliche private Anbieter betrifft, eher kritisch gesehen worden. Aber wir haben gesagt, wenn es der Post möglich ist, damit auch die finanzielle Vorsorge für diese Investitionen zu treffen, dann gibt es eine längere Frist dafür. Wenn dann aber die neuen privaten Markt­teilnehmer auf den Markt strömen und diese Infrastruktur „Postkastl“ mitbenüt­zen, dann soll es auch eine Abgeltung, nämlich eine Teilübernahme der Umrüstungs­kosten für die Postfächer geben.

Ich denke, dass es mit diesem Gesetz wirklich gelungen ist, Klarheit zu schaffen und für die Zukunft die Bedeutung der Postdienstleistung zu unterstreichen.

Es wurde in der Diskussion auch angesprochen, wie man das Gesetz lebt. Natürlich kommt es immer darauf an, wie ein Gesetz gelebt wird, aber ich glaube, es ist so formuliert, dass relativ klar ist, was der Gesetzgeber und ich als zuständiges Regie­rungsmitglied für eine notwendige Postinfrastruktur halten. Wie das Gesetz dann gelebt wird, ist allerdings eine operative Entscheidung, eine Entscheidung des Managements, das dafür verantwortlich ist, und damit letztlich eine Entscheidung des Eigentümer­vertreters. Ich hoffe, dass die ÖIAG darauf schaut, ob das, was der Gesetzgeber heute beschließt, auch eingehalten wird oder ob wieder versucht wird – so wie damals, als es kein klares Gesetz gab –, eine Schließungswelle durchzuführen. Ich würde mir schon wünschen, dass dem Management da auf die Finger geschaut wird, dass das, was in diesem Gesetz mehrheitlich, ich denke, die Zustimmung bekommen wird, auch tatsächlich gelebt wird. Aber es gibt ja parlamentarische Möglichkeiten, sich das dann noch anzusehen.

Wie gesagt, ich glaube, dass heute ein sehr gutes Gesetz vorliegt. In Bereichen, in denen es unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Auffassungen gibt, muss es wie immer einen Kompromiss geben. In den Kernfragen habe ich aber eine gewisse Art von Kompromisslosigkeit an den Tag gelegt, nämlich was die Kollektivverträge, die Mindestanzahl und das Rosinenpicken, also die Kernelemente dieses Gesetzes betrifft. Das ist gut so.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu anderen Themen sagen, die angeschnitten wurden.

Zum Glasfaserausbau: Der Bundesrat hat vor Kurzem ein neues Telekom­munikations­gesetz beschlossen, das ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden € für den Glasfa­serausbau in Österreich ausgelöst hat. Das heißt, wir gehen da den richtigen Weg. Ich glaube aber, dass trotz der modernen Kommunikationstechnologien die Postkarten nicht ganz wegzudenken sind, und auch der eine oder andere Brief geschrieben wer­den wird.

Das Zweite, das ich noch kurz sagen wollte, ist: Mir hat gut gefallen, dass Bundesrat Schennach gemeint hat, dass die Post ein tolles österreichisches Unternehmen ist. Das sehe ich im Übrigen auch bei den Österreichischen Bundesbahnen so. Auch das ist ein Unternehmen, an dem wir tagtäglich arbeiten müssen, damit es noch besser


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wird, aber ich glaube, es gehört zu jenen Unternehmen, die eine sehr wichtige Infra­struktur für dieses Land und seine Menschen zur Verfügung stellen. Für die Pendler, die Schülerinnen und Schüler hat es so große Bedeutung, dass wir zu Recht stolz auf die ÖBB sein können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.47


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Sodl. Ich erteile es ihm.

 


18.47.15

Bundesrat Wolfgang Sodl (SPÖ, Burgenland): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Kollegin Mühlwerth, haben Sie wirklich verges­sen, was in den Jahren 2002 bis 2005 passiert ist? Waren es nicht Ihre Parteikollegin­nen und Parteikollegen, die in dieser Zeit 1 000 Postämter geschlossen haben?! Waren es nicht die Minister Schmid, Forstinger, Reichhold, Gorbach, und waren die nicht von der FPÖ? Oder hat es damals die Zeit der FPÖ nicht gegeben?

Frau Kollegin Mühlwerth, ich habe in Ihrer Biographie nachgelesen. Sie sind seit dem Jahr 1998 (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth) im Landesparteivorstand – dann ist das falsch (Bundesrätin Mühlwerth: Passt schon!); das stimmt also, Sie müssen mich nur ausreden lassen! – und seit dem Jahr 2005 im Bundesparteivorstand. Die Polemik, die Sie betreiben, ist enorm. Selbst im Glashaus zu sitzen und mit Steinen zu werfen, ist nicht unbedingt gut.

Im Postmarktgesetz steht taxativ im § 1 Abs. 1:

„Dieses Bundesgesetz soll gewährleisten, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte und qualitativ hochwertige Postdienste angeboten werden. Es soll insbesondere

a) für die Bevölkerung im gesamten Bundesgebiet eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung mit Postdiensten (Universaldienst) gewährleisten und

b) einen fairen Wettbewerb beim Erbringen von Postdiensten ermöglichen.“

Dieser § 1 sagt ja einiges aus.

Das Postmarktgesetz, das heute zur Diskussion und zur Beschlussfassung steht, habe ich sehr interessiert verfolgt. Die Post – wir haben es heute schon gehört – ist ein wesentlicher Teil der Infrastruktur eines Landes, und es ist unsere politische Aufgabe und unsere politische Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Post für die Libera­lisierung des Marktes 2011 fit ist.

Die Ausdünnung der Infrastruktur gerade im ländlichen Raum darf nicht weiter voran­schreiten. Allein – auch das haben wir heute schon gehört – in den Jahren 2000 bis 2005 wurden in Österreich 1 000 Postämter, und zwar ohne gesetzlichen Ersatz, geschlossen. Heute im Ausschuss haben wir gehört, dass statt der 1 000 Postämter lediglich 200 Postpartner eingesetzt wurden.

Auch meine Gemeinde war von der Schließung betroffen. Wir sind eine Gemeinde mit zirka 1 500 Einwohnern, und die Gemeindevertretung und die Bevölkerung haben über die politischen Grenzen hinweg für den Erhalt des Postamtes gekämpft.

Ich persönlich war bei sämtlichen Gesprächen mit den Vertretern der Post AG dabei. Alle Bemühungen und Argumente waren leider ergebnislos, und das Postamt wurde geschlossen. Das Einzige, das wir erreichen konnten, war, dass unser Nahversorger mit den Agenden des Postpartners betraut wurde. Dieser hat seine Arbeit als Post­partner hervorragend erfüllt – bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem wiederum Verantwort­liche der Post AG den Vertrag ändern wollten, um für die Dienstleistung weniger zu


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bezahlen. Darauf wurde der Vertrag gekündigt, und ein neuer Nahversorger wurde mit der Postservicestelle beauftragt.

Ich bin heute natürlich sehr dankbar dafür, dass wir jetzt einen Postpartner in unserer Gemeinde haben, möchte aber schon festhalten, dass damit das Postamt nicht ersetzt ist.

Geschätzte Damen und Herren, werfen wir noch einmal einen Blick zurück auf die Jahre 2000 bis 2006. Hunderte Schließungen sind erfolgt, und die Postbediensteten waren und sind zu Recht frustriert: niemals Anerkennung, immer nur Stress und Druck und immer die Angst im Nacken, den Arbeitsplatz zu verlieren.

Mit vielen Bediensteten habe ich persönliche Gespräche geführt, und ich verstehe ihre Anliegen, ihre Sorgen und auch ihre Ängste. Darum ist es an dieser Stelle sicherlich angebracht, allen Bediensteten der Post AG für ihre geleistete Arbeit – unter diesen widrigsten Umständen geleistete Arbeit – ein aufrichtiges und herzliches Dankeschön auszusprechen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktions­zugehörigkeit.)

Mit diesem Gesetz wurden die EU-Richtlinie zur Postmarktliberalisierung und das Regierungsprogramm erfüllt. Erstmals wird – wir haben es heute schon von der Frau Bundesministerin, von den Vorrednerinnen und Vorrednern gehört – die flächen­deckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen gesetzlich vorge­schrieben. Das Angebot wird nicht reduziert, sondern jedenfalls in gleicher Qualität aufrechterhalten und sogar erweitert.

Einer der Kernpunkte ist, nach den Bestimmungen des Postmarktgesetzes 1 650 Post­geschäftsstellen in Österreich zu garantieren – das sind um 150 mehr als derzeit. Nach einem sorgfältig berechneten Schlüssel – die Hauptkriterien kennen wir, das ist die Einwohnerzahl auf der einen Seite und die Entfernung von der Postgeschäftsstelle auf der anderen Seite – wird die Grundversorgung mit Postgeschäftsstellen österreichweit festgesetzt.

Ein wesentlicher Punkt ist natürlich – es ist sehr wichtig, dass das auch im Gesetz verankert ist –, dass es kein Zusperren ohne Ersatz gibt. Wenn die Post ein Postamt schließt oder wenn ein Postpartner zusperrt, muss die Post einen neuen Postpartner finden oder ein neues Postamt aufsperren. Das heißt: kein Tag ohne Postversorgung! Der Ersatz muss qualitativ gleichwertig sein. Dies alles garantiert ein strenger Schließungsmechanismus unter Einbindung der Gemeinden, was ich sehr wichtig finde, und unter Aufsicht der Regulierungsbehörde.

Sehr geehrte Damen und Herren! Weiters ist es auch wichtig zu sagen, dass es nicht sein kann, dass sich private Anbieter nur die Rosinen herauspicken. Es kann nicht sein, dass ein privates Unternehmen seine Zustelldienste nur auf große Ballungs­räume, auf Großstädte konzentriert – und alles andere ist im Prinzip egal!

Ich habe vor 14 Tagen selbst einen privaten Postdienst in Anspruch genommen. Ich bin ein Hobby-Musiker und habe mir ein Instrument bestellt, und ich möchte Ihnen jetzt sagen, wie das bei den Privaten funktioniert.

Am 11. November habe ich per Internet ein Instrument aus Deutschland bestellt und war eigentlich sehr positiv überrascht, dass ich am Freitag bereits die Paketinformation bei mir zu Hause hatte – meine Gattin und ich sind berufstätig –, nämlich mit der Ver­stän­digung, dass ein erneuter Zustellungsversuch für Montag, 16.11., vorgesehen ist.

Am Montag – natürlich ein Arbeitstag – waren wir beide wieder nicht zu Hause. Ich habe dann über das Internet versucht, das Paket – es gibt da eine Paketnummer – zu verfolgen; das hat aber nicht funktioniert. Ich habe mich dann telefonisch informiert,


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und es wurde mir die Auskunft gegeben, dass ich drei verschiedene Möglichkeiten hätte:

Erstens: Das Paket kann mit einer Vollmacht-Zustellung bei einer von mir gewünschten Person hinterlegt werden.

Zweitens: Das Paket kann mit Vollmacht hinterlegt werden, wie zum Beispiel vor der Haustüre.

Drittens: Es gibt auch die Möglichkeit, dass das Paket abgeholt wird, und zwar dieses Paket in Kalsdorf bei Graz oder in Graz selbst.

Ich komme aus dem südlichen Burgenland, aus dem Bezirk Güssing. Bis nach Graz werden es – eine Strecke – 80, 85 Kilometer sein und bis Kalsdorf etwa 95 Kilometer, insgesamt also – beide Richtungen – 160 bis 180 Kilometer. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) – Das wären dann 120 Kilometer gewesen.

Angesichts dieses Beispiels muss man natürlich auch die privaten Anbieter hinter­fragen, welche Serviceleistung sie den Kundinnen und Kunden bieten.

Ich komme wieder zurück zum Postmarktgesetz. Bei der Regulierungsbehörde wird überdies eine Beschwerde- und Antragstelle für Länder und Gemeinden sowie für die gesetzlichen Interessenvertretungen eingerichtet. Diese Stelle prüft vorgebrachte Beschwerden bezüglich des Universaldienstes und bringt sie in begründeten Fällen vor die Regulierungsbehörde. Somit gibt es faire Regeln für alle Marktteilnehmer.

Das Postmarktgesetz bringt auch für die lange umstrittene und nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs von 2006 zum Erliegen gekommene Umrüstung der Hausbrieffachanlagen eine Lösung, eine sehr positive Lösung. Die Frau Bundes­minis­terin hat das bereits angesprochen, ich möchte das jetzt nicht noch einmal erwähnen.

Kollege Keuschnigg hat die Öffnungszeiten der Postdienststellen angesprochen. Ich sehe die Problematik genauso, nämlich wenn die Postdienststellen unter Umständen nur 15, 20 Stunden vormittags aufsperren. Ich glaube, auch das ist für die Kundinnen und Kunden nicht sehr gut.

Danke, Frau Bundesministerin, auch für die Antwort bezüglich des Ausbaus des Lichtwellenleiternetzes in Österreich. In diesem Bereich die Infrastruktur der Telekom­munikation voranzutreiben ist ein ganz wichtiger Faktor.

Es wurde auch schon angesprochen: Anfangs dieses Jahres gab es wieder Hinweise darauf, dass die Post AG weitere 300 Postämter schließen werde. Durch enorme Kraftanstrengung und politische Verantwortung hast du, sehr geehrte Frau Bundes­ministerin, dies durch deinen Bescheid verhindert. Anscheinend waren nicht alle mit dieser Entscheidung glücklich, darum wurde der Verfassungsgerichtshof angerufen.

Vor sechs Wochen bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Richtigkeit des Be­scheides, dass es keine Postamtsschließungen ohne Ersatz gibt.

Zum Stopp weiterer Privatisierungen und rücksichtslosen Gewinnstrebens auf Kosten der Menschen und der Lebensqualität im ländlichen Raum setzen wir heute ein deutliches Zeichen. Ich möchte dir, geschätzte Frau Bundesministerin, dazu recht herzlich gratulieren. Du hast es ermöglicht, dass es ein modernes Postmarktgesetz gibt, das erstmals die flächendeckende Versorgung garantiert. Du hast restauriert und richtig gestellt, du hast alles, was möglich war, gemacht. Dafür sind dir viele verant­wortliche Menschen, Politiker in unserem Land, die Bediensteten, die Arbeitnehmerin­nen und die Arbeitnehmer der Post AG dankbar, aber vor allem auch die Menschen, die Bevölkerung in unserem Land.


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Ein Danke an dich, ein Danke an deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

18.59


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Zangerl. – Bitte.

 


19.00.18

Bundesrat Stefan Zangerl (ohne Fraktionszugehörigkeit, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Beamter der Postdirektion Innsbruck, der der Institution Post mit einer mehr als 500-jährigen Geschichte 43 Jahre lang gedient hat, möchte ich schon sagen, dass dieses Gesetz bei meinen Tiroler Kolleginnen und Kollegen in der FCG sowie auch bei mir selbst nicht gerade Begeisterungsstürme hervorgerufen hat.

Dieses Postmarktgesetz ist, wie wir alle wissen, der letzte Schritt in Richtung Öffnung und Liberalisierung der Postdienste, wie dies in entsprechenden Richtlinien der EU vorgesehen ist. Als leider unumgänglich erkannt, liegt das Hauptaugenmerk dieses neuen Gesetzes in der Aufrechterhaltung der flächendeckenden Versorgung in ganz Österreich, insbesondere im ländlichen Raum, und in der Sicherstellung der Versor­gung.

Das vorliegende Gesetz ist jedoch nicht geeignet, die flächendeckende Versorgung mittel- und langfristig sicherzustellen, sondern es ist leider viel mehr nach den Kriterien der Globalisierung und den internationalen Kapitalverflechtungen ausgerichtet. Gerade in wesentlichen Punkten wird dies deutlich, so unter anderem bei der Regelung über den Universaldienst. Es ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber im Gegensatz zur Novelle des Postgesetzes 2005 nicht mehr von der Möglichkeit ausgeht, dass mehrere Universaldienstleister in Österreich ihre Leistungen anbieten.

Dass der Markt sowie die geographische und historische Struktur unseres Landes dies nicht zulassen, ist eine wichtige Erkenntnis. Da jedoch der Universaldienst laut dem Gesetz ein Mindestangebot darstellt, wird es aufgrund der begrenzten Ertrags­mög­lich­keiten in weiten Teilen des ländlichen Raumes auch nur dieses Mindestangebot geben.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird kein Postdienstanbieter das Postnetz in jenen Bereichen verstärken, die bereits jetzt unterversorgt sind. Zudem spricht das Gesetz von Zugangspunkten, die in der Versorgungsdichte unterschied­lichen Charakter haben können. Das sind Postgeschäftsstellen, eigen oder fremd betrieben, mobile Postämter, Landzusteller, Postbriefkästen. Diesbezüglich ist anzu­merken, dass Landzusteller und mobile Postämter niemals ein Ersatz für Postämter oder Postservicestellen sein können!

An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich sowohl der Gesetz­geber als auch die Österreichische Post leider schon längst vom Bestreben, dass die Universaldienste von eigenen Mitarbeitern der Post AG zu erbringen sind, verab­schiedet haben. Auf diese künftige Vorgangsweise lassen sowohl die aktuelle Unter­nehmenspolitik der Post AG als auch das vorliegende Gesetz leider schließen.

Insbesondere in der Aufspaltung und in der Folge der Auslagerung einzelner Bereiche liegen große Gefahren für die Versorgung des ländlichen Raumes. Es kann nicht sein, dass sich die Österreichische Post sukzessive der Bereiche Annahme und Zustellung entledigt und sich nur mehr auf die verhältnismäßig lukrativen Teile der Sortierung und der Logistik beschränkt.

Gerade aus Tiroler Sicht ist festzustellen, dass bereits die letzte Schließungswelle bei den Postämtern einen schweren Eingriff in die Versorgungsstruktur des ländlichen


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Raumes dargestellt hat und der Status quo nicht als ausreichend für die Erbringung von Universaldiensten zu bezeichnen ist. Entgegen den geplanten gesetzlichen Bestimmungen sollte nicht der Universaldienstbetreiber ein Konzept für die Flächen­versorgung erstellen, sondern die Postbehörde. Die öffentliche Hand hat festzulegen, welche Dienste in welchem Umfang notwendig und zu erbringen sind. Eine rein quantitative Feststellung in diesem Zusammenhang ist mit Sicherheit unzureichend!

Die gegenwärtige Entwicklung zeigt bereits jetzt, dass sich die Kritik und die Befürch­tungen bewahrheiten. Viele Postpartner springen nach kurzer Zeit wieder ab oder können die gewohnte Servicequalität der Postämter, insbesondere im Hinblick auf Beratung, Verkauf und Bankgeschäfte, einfach nicht einhalten.

Ebenso ist der § 7 Abs. 1 dieses Postmarktgesetzes zu hinterfragen, wonach eine flächendeckende Versorgung mit Postgeschäftsstellen im Sinne des § 6 als gegeben gilt, sofern den Nutzerinnen und Nutzern bundesweit 1 650 Postgeschäftsstellen zur Verfügung stehen. Ob die Postgeschäftsstellen mit eigenem oder mit fremdem Per­sonal zu führen sind, wird in der Gesetzesvorlage nicht vorgeschrieben.

Da müsste ich jetzt den Kollegen Mitterer, der ja da so stark war in seiner Argumen­tation, fragen, wo man denn all diese Leute eigentlich hintun möchte. Da wird ganz locker über 1 000 Mitarbeiter „drübergesprungen“, die entlassen worden sind, und kein Mensch in diesem Hohen Hause fragt danach! Ich habe es bei einem einzigen ansatz­weise gehört.

Der Gesetzgeber soll im Sinne der Erhaltung des bisherigen Vertrauens in die Post­dienste in Österreich festlegen, dass mindestens drei Viertel der Postgeschäfts­stellen mit eigenem Personal zu führen sind und dass man nicht die Bevölkerung, die Menschen in Pools abschiebt, wo sie warten, bis man sie in Pension schickt oder bis sie zum Arzt gehen müssen.

Durch die Dichte solcher Zugangspunkte ist auch sicherzustellen, dass die in Öster­reich übliche hohe Qualität der Postdienste mittel- und langfristig nicht gefährdet wird. Das wird ja auch im Volksbegehren „Stopp dem Postraub“ gefordert, und die 140 582 Unterstützungserklärungen sind, obwohl dieses Volksbegehren in der Haupt­urlaubszeit aufgelegen ist, sind nicht einfach so vom Tisch zu wischen.

Angeblich orientiert sich diese Zahl von 1 650 Postgeschäftsstellen am derzeitigen Versorgungsstand. Es ist dem Gesetzgeber zugute zu halten, dass er erstmals eine quantitative Festlegung treffen ließ, was unter einer „flächendeckenden Versorgung“ zu verstehen ist. Jedoch liegt dieser Feststellung die unzutreffende Annahme zugrunde, dass der derzeitige Versorgungsstand als ausreichend gilt.

Auch die dahinter liegende Methodik zur Berechnung der maximalen Entfernungen der Poststellen gibt schon Anlass zur Besorgnis. Insbesondere die im Erläuterungstext dargelegte Methodik zieht den privaten Pkw als Grundlage jeglicher Mobilität im ländlichen Raum heran, was aber längst nicht überall zutrifft. Im ländlichen Raum gibt es zahlreiche Tages- und Wochenpendler. In weiten Teilen Österreichs betrifft dies sogar einen Großteil der Bevölkerung. In diesen Familien steht in der Regel kein zweites Fahrzeug zur Verfügung. Somit sind diese Personen überwiegend von den Zugangspunkten abgeschnitten.

Die Modelle für die Berechnung der Versorgungsgebiete sind jedenfalls zu verfeinern und den gewachsenen Strukturen anzunähern. Hierbei besteht ein großer Unterschied zwischen dem flachen Land und den Gebirgstälern. Ein Land wie Tirol, geschätzte Zuhörer, ist nun einmal nicht die Simmeringer Haide. Im Gebirge sind Nachbarorte wegen bestehender Naturgefahren oder anderer Rahmenbedingungen nicht immer erreichbar. Darüber hinaus beruhen historische, gewachsene Verbindungen oft auf


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gänzlich anderen Faktoren als Entfernung, Größe des Ortes, Einwohnerdichte et cetera. Verkehrsknoten oder andere Standortvoraussetzungen, wie große Betriebe, Standort des Arztes, Geschäfte und so weiter, bilden hier ganz wichtige Kriterien.

Bezeichnend ist auch, dass die Gesetzesvorlage umfassende Regelungen im Hinblick auf die Hausbrieffachkästen und die Hausbrieffachanlagen enthält, jedoch keine qualitativ entsprechenden Bestimmungen über das Netz der Postfilialen.

Gegenüber dem ersten Gesetzentwurf haben sich nach meinem Dafürhalten trotz umfangreicher Verhandlungen keine wesentlichen Änderungen ergeben. Somit stellt sich die Frage: Welchen Zweck haben denn eigentlich so lange Verhandlungen, gemessen an den recht bescheidenen Adaptierungen, die dann erfolgt sind? Es hat fast den Anschein, dass man in langwierigen Verhandlungen die Kernpunkte und die notwendigen Regelungen sozusagen in weitem Bogen umschifft hat.

Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Gesetz von jenen verfasst worden ist, deren Wirkungsbereich durch dieses Gesetz zukünftig geregelt werden soll. Es ist doch bei der Beschlussfassung von Gesetzen darauf zu achten, dass sich nicht die Spieler selber die Regeln geben! Diese Tendenzen waren bereits bei mehreren Liberalisierungsvorgängen im infrastrukturellen Bereich zu beobachten. Ob durch dieses Gesetz die Zukunft der Österreichischen Post AG gesichert ist, erscheint mir mehr als fraglich. Trotzdem danke ich der Frau Ministerin für ihre Be­mühungen. Es war sicher nicht leicht, zu erreichen, dass wir wenigstens da angekommen sind. – Ich danke allen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten ohne Fraktionszugehörigkeit.)

19.09


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Wenger. Ich erteile es ihm.

 


19.09.24

Bundesrat Franz Wenger (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich so auf die Uhr schaue, dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass jenen die Sympathie gehört, die ihre Rede so kurz wie möglich halten. Ich werde mich daher auf einige wenige Sätze beschränken. Es ist ja wirklich schon nahezu alles gesagt worden, aber es gibt doch einige Ergänzungen, die mir im Besonderen aus der Sicht der ländlichen Region wichtig erscheinen.

Das Besondere am Postmarktgesetz ist, dass ein Markt liberalisiert wird, der kaum oder gar nicht wachsen wird. Das bedeutet, dass im Grunde genommen nur eine Umverteilung des Marktes möglich sein wird. Und dass es dazu besonderer Regelun­gen bedarf, ist ausreichend erläutert worden.

Die Sicherstellung der Bevölkerung in der Versorgung, die gleiche Qualität zu den gleichen Bedingungen – eine Zielsetzung, gegen die es ja grundsätzlich keinen Einwand geben kann, und sie wird auch angestrebt. Allerdings, meine Damen und Herren, hat die Umsetzung der Europäischen Postrichtlinie in nationales Recht meiner Meinung nach noch Lücken, die allerdings bei gutem Willen geschlossen werden können.

Was im § 7 unter flächendeckender Versorgung mit Postgeschäftsstellen und Post­dienstleistungen verstanden wird, wurde ausreichend erläutert. Hier erscheint mir ein Hinweis besonders wichtig, nämlich, dass in Gemeinden mit mehr als 10 000 Ein­wohnern und Bezirkshauptstädten zu gewährleisten ist, dass für mehr als 90 Prozent – ich betone: für mehr als 90 Prozent! – der Einwohnerinnen und Einwohner eine Post­geschäftsstelle in einer Entfernung von maximal zwei Kilometern erreichbar sein muss.


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In den anderen Regionen, also vornehmlich in den ländlichen Regionen, spricht man von zehn Kilometern. Da ist keine Rede mehr davon, wie viel Prozent der Bevölkerung denn durch eine Postdienststelle abgedeckt werden müssen.

Wenn wir nun Postdienstleistungen, also die Dienstleistung bewerten, an deren Erbrin­gung ein allgemein öffentliches Interesse besteht, müssen für uns bei der Erbringung der Postdienstleistung Kriterien wie Versorgungssicherheit, soziale Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit gegenüber rein ökonomischen Gesichtspunkten im Vordergrund stehen. Das vorliegende Gesetz enthält diesbezüglich aber eine sehr städtelastige Komponente, und es besteht die Gefahr, dass der ländliche Raum in der Versorgungs­sicherheit doch ein wenig auf der Strecke bleibt.

Bei dieser Festlegung wurde auf die völlig unterschiedlichen Mobilitätsstrukturen wenig Rücksicht genommen – das wurde bereits ausreichend erläutert –, und die Definition der Erreichbarkeit wurde, speziell was das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln betrifft, kaum beachtet. Auch die Regelung der Öffnungszeiten mit 20 Stunden und darunter wird sich im ländlichen Raum wahrscheinlich negativ auf die Erbringung der Dienstleistungen auswirken.

Im Besonderen beschäftigt mich jedoch ein Strategiepapier, das die Post AG 2008 bei McKenzie in Auftrag gegeben hat. Dieses Papier ist so etwas von geheim, dass nur ganz wenige wissen, was drinnen steht. Ich berufe mich daher auf diese wenigen Geheimnisträger. Demnach hat die Post offensichtlich die Möglichkeit, bis 2015 die Zahl der eigenbetriebenen Filialen weiter zu reduzieren. Und ich zitiere nun, wenn es nun so stimmen sollte, aus diesem Strategiepapier zur Erläuterung.

In Österreich gibt es jetzt noch zirka 830 Standardfilialen mit ein bis zwei Mitarbeitern. Und jetzt komme ich zum Beispiel Salzburg: Dort haben wir zurzeit 73 Standard­filialen – nach dem Strategiepapier von McKenzie wird hier eine Null stehen. Regional­filialen mit zwei bis vier Mitarbeitern haben wir derzeit in Österreich 250, in Salzburg zur Zeit acht. Auch da wird nach dem Strategiepapier von MacKenzie in Salzburg eine Null stehen. Center-Filialen mit mehr Mitarbeitern als vier gibt es in Österreich derzeit 220, bei uns in Salzburg elf; fünf werden davon noch übrig bleiben.

Es ist also mehr als verständlich, dass ich hier schon meine Zweifel habe, nachdem dieses Strategiepapier vom Aufsichtsrat der Post AG den Informationen nach bereits abgesegnet wurde, und es ist doch zu befürchten, dass die ländlichen Regionen ein wenig zum Handkuss kommen. Ich will nicht sagen: viel, aber ein wenig, und zwar sage ich deshalb „ein wenig“, weil ich der Überzeugung bin, dass sich diese Lücken noch schließen lassen. Es gehört nur ein dementsprechendes Wollen dazu.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, meine Zustimmung zum vorliegenden Gesetzes­beschluss erfolgt daher schon auch in der Erwartung, dass diese in der Diskussion aufgezeigten Mängel auf der Ebene der Post AG behoben werden, dieses Ziel auch von der Politik und vom Mehrheitseigentümer Bund verfolgt wird, denn dieses Bundes­gesetz, so sind wir der Meinung, soll jetzt endlich gewährleisten, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft hochwertige Postdienste angeboten werden. Für die Bevölkerung bedeuten diese Dienste nämlich Lebensqualität und für die Wirtschaft Standort­qua­lität, und dieses Ziel sollten wir mit Nachdruck anstreben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.16


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Podgor­schek. Ich erteile es ihm.

 


19.16.26

Bundesrat Elmar Podgorschek (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Ich muss leider – es bleibt mir nichts anderes übrig – dem Herrn Abge-


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ordneten Sodl antworten, da er ja festgestellt hat, man solle nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Da gebe ich ihm vollkommen recht und sage: Er soll selber aufpassen, dass er nicht mit Steinen wirft.

Ich gebe zu, dass es in der Regierungszeit von 2000 bis 2006 auch Postämter­schließungen gegeben hat. Letztlich hat das bei uns zu einer Parteispaltung geführt, wie man weiß. (Bundesrat Sodl: War der Strache dabei?) – Bitte, ich komme schon noch darauf zu sprechen! Der Herr Strache ... (Bundesrat Mag. Klug: Die Post hat nicht zur Parteispaltung geführt! – Heiterkeit.)

Darf ich Ihnen etwas sagen: Ich bin seit 1976 sogar Parteimitglied. Ich stehe dazu! – Nicht die Postämterschließung hat zu einer Parteispaltung geführt, aber wir wissen, dass es zu einer solchen gekommen ist und dass in Theorie und Praxis unsere Partei nachhaltig darunter gelitten hat. Letztlich war es aber so, dass schon beim Postmarkt­gesetz 1997 der dann später zur Berühmtheit gelangte Abgeordnete Rosenstingl fest­gestellt hat (Bundesrat Gruber: Eine negative Berühmtheit!), dass zahlreiche Post­ämter auf dem Lande geschlossen wurden beziehungsweise vor ihrer Schließung stehen. Das war 1997! (Bundesrat Gruber: Eine negative Berühmtheit!) – Ich habe das jetzt völlig wertneutral gesagt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das wart ihr! Ihr habt 1997 mit den Schließungen begonnen!) 1997 war kein Freiheitlicher Bundesminister, sondern da war Caspar Einem Bundesminister. Also aufpassen, wenn Sie sagen, dass Sie sich immer eingesetzt haben gegen die Schließungen der Postämter.

Abgeordneter Kurt Wallner hat bei der Debatte damals gesagt: Die PTA ist für den liberalisierten Markt bestens gerüstet. Sie kann den Börsengang im Jahre 1999 in Angriff nehmen. Auch die Konsumenten sind insofern geschützt, als sie ein Mindest­maß an postalischen Dienstleistungen vorfinden und eine flächendeckende Versor­gung gewährleistet ist. – So viel zu Ihrer Vergangenheit! (Beifall der Bundesrätin Mühlwerth.)

19.19


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Gruber. Ich erteile es ihm.

 


19.19.02

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erinnere mich sehr gut an die Jahre 2002 bis 2006, als Bundesrat hier in einer ÖVP/FPÖ-Koalition, in einer ÖVP/BZÖ-Koalition, und ich erinnere mich auch sehr gut daran, dass ich des Öfteren hier gestanden bin und dass ich des Öfteren hier bitter beklagt habe – damals als Opposition –, mit Eingaben, Entschließungsanträgen et cetera, dass wir alle sehr gelitten haben. Vor allem in Sonntagsreden ist von allen gesagt worden: Das kann nicht so sein – der ländliche Raum wird ausgehöhlt, die Infrastruktur im ländlichen Raum wird zerstört!

Und genauso war es auch. Das Zusperren von Postämtern, Polizeidienststellen, Bezirksgerichten, Forstverwaltungen sowie massive Einschränkungen im Nahverkehr – bei den ÖBB, aber auch bei den Busbetreibern – haben in dieser Zeit einen traurigen Höhepunkt erreicht, und zwar in der Zeit von 2002 bis 2006. (Beifall bei der SPÖ.)

Über die Schicksale und über die Probleme der Mitarbeiter könnten wir jetzt hier stundenlang reden. Ich habe sogar Unterlagen mit von Telekom-Mitarbeitern, mit Umständen so ähnlich wie jetzt auch in Frankreich – mit Selbstmord und mit einigem mehr. Dieses Thema möchte ich jetzt gar nicht behandeln. (Bundesrätin Mühlwerth: Und euer Praschak?) Aber es ist traurig genug, wie man damals mit Leuten, die 25, 30, 35 und 40 Jahre in den Betrieben waren, umgegangen ist. – Nur so viel dazu.


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Meine Damen und Herren, allein im Gasteinertal – immerhin gibt es dort drei Fremden­verkehrsorte mit 3,5 Millionen Nächtigungen, 15 000 Einwohner, ungefähr 4 000 Sai­sonniers – wurden in diesem Zeitraum drei Postämter zugesperrt, ein Bezirksgericht zugesperrt, eine Polizeidienststelle zugesperrt, eine Forstverwaltung zugesperrt. Von der Einstellung von manchen Zugs- und Busverbindungen zum Nachteil der Schüler und vor allem der älteren Menschen möchte ich hier gar nicht reden, ich will es nur angemerkt haben.

Meine Damen und Herren, diese Zusperrpolitik hat einen Namen – ich habe es vorhin schon gesagt –, und der Name dieser Zusperrpolitik lautet: ÖV/FPÖ-Koalition, und er lautet: ÖVP/BZÖ-Koalition. Und die Ausführenden waren einige Kurzzeitminister – wie Schmid, Forstinger, Reichhold, Gorbach, Böhmdorfer, Strasser –, gedeckt vom dama­ligen Finanzminister Grasser und unterstützt von der ÖIAG durch Michaelis. – Das sind Fakten, das sind Tatsachen! Die kann man nachlesen, und die weiß man auch, wenn man schon einige Jahre hier im Haus tätig ist. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mitterer: Aber es ist wenigstens etwas weitergegangen!)

In diesem Zeitraum wurden von den ehemals 2 300 Postämtern 800 geschlossen (Bundesrat Ertl: Was hat eure Gewerkschaft dazu gesagt?), und zwar ohne Ersatz. Ohne Ersatz! Ohne Postdienstleister! Und als Draufgabe wollte der ÖIAG-Vorstand Michaelis unsere Post dann noch nach Deutschland verscherbeln. (Bundesrat Hensler: Jetzt sind wir die Schuldigen!) Nein, das ist ja Tatsache, bitte! 800 Postämter wurden zugesperrt, Herr Kollege Hensler. 800 Postämter wurden zugesperrt – ohne Ersatz! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dazu kommt noch, dass dann die ÖIAG ohne einen Regierungsauftrag – wirklich, Herr Kollege Hensler, horch mir zu, dann kannst du darauf eingehen! –, dass die ÖIAG unter Michaelis damals – ohne Regierungsauftrag, bitte! – sogar noch den Versuch unternommen hat, unsere Post nach Deutschland zu verscherbeln!

Durch diese Vorgangsweise, meine Damen und Herren, der damals zuständigen Minis­ter und der ÖIAG entstand eine Situation, angesichts der man sich heute noch die Frage stellen muss: War es beabsichtigt, die Post gemeinsam mit der P.S.K. und mit dem Postbus-Betrieb so zu schädigen, dass man sie nachher zu einem Schleuderpreis an private Interessenten verkaufen kann, so wie es zum Teil mit der Austria Tabak und mit der Telekom geschehen ist?

Es war, meine Damen und Herren, für mich sehr erfreulich, dass unmittelbar nach dem Regierungswechsel der heutige Bundeskanzler und damalige Infrastrukturminister Faymann als Erster bei der Post die Stopptaste gedrückt hat und die Postvorstände aufgefordert hat, endlich kreativ zu werden, über neue Geschäftsfelder nachzudenken. Für Personaleinsparungen und für Postamtschließungen braucht man keine überbe­zahlten Manager.

Trotzdem versuchte das Management Anfang 2009 weitere 300 Postämter zu schließen. Und da gebührt dir, sehr geehrte Frau Bundesminister, großer Dank – Dank deshalb, weil du mittels Bescheid, der auch vor dem Verfassungsgerichtshof standge­halten hat, eine weitere Schließungswelle gestoppt hast. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieses Postmarktgesetz, das uns heute hier zur Beschlussfassung vorliegt, bietet vor allem Rechtssicherheit. Mit diesem Postmarktgesetz ist eine flächendeckende Versor­gung garantiert, ein erster Schritt gegen eine weitere Aushöhlung der ländlichen Infra­struktur gesetzt. Dieses neues Gesetz beendet die Verunsicherung der Bevölkerung, der 23 000 Mitarbeiter, der Gemeinden und Länder sowie der Wirtschaft. Künftig wer­den erstmals 1 650 Poststellen garantiert – das sind um 150 mehr als in der Vergan­gen­heit.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 88

Dieses Postmarktgesetz bringt faire Bedingungen für die Beschäftigten von konzes­sionierten Postdienstleistungsunternehmen. Sie müssen nach einem Kollektivvertrag beschäftigt werden, wie die Frau Bundesminister bereits ausgeführt hat. Es gibt faire Bedingungen für alle Marktteilnehmer in einem liberalisierten Markt. Rosinenpicken wird durch einen finanziellen Ausgleich an den Universaldienstleister ausgeschlossen – was eine ganz wichtige Sache ist. Das Gesetz stellt sicher, dass es bei der Umrüstung der Hausbriefanlagen zu keinen Belastungen für Mieter oder Eigentümer kommt.

Es ist Ihnen gelungen, sehr geehrte Frau Bundesminister – und dafür gebührt Ihnen unser Respekt –, die Anliegen der Bevölkerung, der Mitarbeiter, der Wirtschaft sowie die Vorgabe der EU-Richtlinie unter einen Hut zu bringen. Dafür haben sich die monatelangen Verhandlungen ausgezahlt.

Wir Sozialdemokraten werden diesem Postmarktgesetz unsere Zustimmung geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsident Erwin Preiner: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Hensler. Ich erteile es ihm.

 


19.26.50

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Letzte, der zu dieser Problematik spricht, aber schenken Sie mir bitte noch 5 Minuten Ihrer Auf­merksamkeit!

Erlauben Sie mir aber vorerst eine persönliche Bemerkung. Ich habe die Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten sehr aufmerksam verfolgt, und ich erlaube mir zu sagen: Es war, bis Kollege Gruber gekommen ist, eine sachliche Diskussion. Man kann unterschiedliche Meinungen haben, aber der Grundsatz dieser Aktion war es – und das möchte ich schon erwähnen –, dass man versucht hat, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. (Bundesrat Gruber: Herr Kollege Hensler, ich hab den Verdacht –...!) Kollege Gruber, ich persönlich bin der Meinung, dass es uns relativ wenig bringt, wenn man sagt, was gestern war, vorgestern et cetera. (Bundesrat Gruber: ... Kindesweglegung!)

Dieses Gesetz, geschätzte Frau Bundesminister – und ich möchte das hier auch im Namen meiner Fraktion sagen –, ist ein gutes Gesetz. Es geht in die richtige Richtung, nämlich sehr wohl, was den ländlichen Bereich betrifft, und ich bin dem Kollegen Schennach sehr dankbar und auch meinem Freund Keuschnigg, der sehr treffend auf die ganze Problematik im ländlichen Bereich hingewiesen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme aus einer 200-Einwohner-Gemeinde. Im Nachbarbereich hatten wir ein Postamt – 400 Einwohner –, und Sie können sich vorstellen, dass es dort bei der Schließung desselben große Diskussionen gab – Diskussionen, die zweifelsohne berechtigt waren. Jawohl, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war damals schon Bundesrat, und etliche Bürgermeister sind zu mir gekommen und haben ihre Bedenken geäußert.

Aber man hat sich – und ich sage das hier bewusst – Gedanken über die Frage gemacht: Wie kann man diese Problematik positiv bewegen? – Und wir haben versucht, einen Postpartner zu suchen, und wir haben hier eine Betätigung, gleichzeitig aber auch einen Rahmen geschaffen, durch den erreicht wurde, dass dieser Post­partner in sehr vielen Bereichen – bei Gott nicht immer, aber in sehr vielen Bereichen – die Region belebt hat. Ich glaube, da ist uns wirklich etwas gelungen.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 89

Meiner Überzeugung nach sind für die Zukunft – damit ich jetzt auch noch kurz auf das Gesetz eingehe – drei Grundvoraussetzungen wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren: Erstens – und das ist bereits angesprochen worden; ich möchte da nochmals den Kollegen Schennach erwähnen, der gesagt hat, dass das wichtig ist; ich bin da ganz seiner Meinung – eine flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Jawohl, dieses Gesetz bietet diese flächendeckende Versorgung!

Zweitens: Arbeitsplätze der Mitarbeiter nicht aufs Spiel zu setzen – auch ein wichtiger Punkt.

Dritter Punkt: Es müssen die Rahmenbedingung für einen fairen Wettbewerb in der dann liberalisierten Post geschaffen werden.

Abschließend zu dieser ganzen Problematik: Es gab und gibt seit etlichen Jahren Diskussionen über die Post, aber der Grundsatz soll und muss immer wieder lauten: Wir alle, alle politischen Parteien sollen und müssen sich bemühen, hier die ent­sprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Und Rahmenbedingungen zu schaf­fen, das heißt, Vorschläge zu machen, zu diskutieren und eine gemeinsame Lösung zu finden.

Für mich gilt – dies sei abschließend gesagt – jenes Wort, das schlicht und einfach lautet: Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein. Das gilt für die Post! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.)

19.31


Präsident Erwin Preiner: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

19.31.47Einlauf

 


Präsident Erwin Preiner: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungs­weise in der heutigen Sitzung insgesamt vier Anfragen – 2727/J bis 2730/J – einge­bracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates erfolgt auf schriftlichem Wege.


BundesratStenographisches Protokoll778. Sitzung / Seite 90

Als Sitzungstermin wird Donnerstag, der 3. Dezember 2009, 9 Uhr, in Aussicht genom­men. Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen die Beschlüsse des Nationalrates vom 18. und 19. November 2009 in Betracht, soweit sie dem Einspruchsrecht bezieh­ungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 1. Dezember 2009, 13 Uhr, vorge­se­hen.

*****

Ich danke Ihnen, Frau Bundesministerin Bures, dass Sie so lange ausgeharrt haben.

Ich bedanke mich auch bei allen Bundesrätinnen und Bundesräten, die sich für die Klausur am kommenden Montag angemeldet haben, wünsche Herrn Bundesrat Mitterer zu seinem heutigen Geburtstag alles Gute und allen Anwesenden einen angenehmen Weg nach Hause.

Die Sitzung ist geschlossen.

19.32.47Schluss der Sitzung: 19.33 Uhr

 

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