BundesratStenographisches Protokoll808. Sitzung / Seite 22

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1811/M-BR/2012

„Welche Kriterien muss ein Bezirksgericht künftig erfüllen, damit der jeweilige Gerichts­standort erhalten bleibt?“

 


Präsident Gregor Hammerl: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Bevor ich auf Ihre Frage ein­gehe, möchte ich noch ganz kurz darlegen, warum ich eine Strukturoptimierung im be­zirksgerichtlichen Bereich überhaupt für notwendig halte. Da muss man einmal festhal­ten, dass in Österreich die Bezirksgerichtsstruktur – überhaupt die Gerichtsstruktur – in den Grundzügen auf das Jahr 1849 zurückgeht. Damals war das ausschlaggebende Kriterium, dass man innerhalb eines Tages mit der Kutsche das Gericht erreichen musste. Gott sei Dank spielt dieses Kriterium heute keine Rolle mehr, weil die Zeit der Kutschen vorbei ist, dieses Kriterium können wir daher nicht mehr heranziehen.

Man muss natürlich auch sagen, dass sich in den einzelnen Bundesländern seit 1849 auch vieles getan hat. Ganz unterschiedlich: Manche Bundesländer haben seither Zu­sammenlegungen vorgenommen, in anderen Bundesländern hat sich seither nicht viel verändert. Wir haben also auch ganz unterschiedliche Ausgangspunkte in den einzel­nen Bundesländern.

Die Zielsetzung, die ich mit dieser Strukturoptimierung verfolge, ist in Wirklichkeit vor allem eine, die man auf drei große Punkte beschränken kann, und zwar geht es mir zum einen darum, die Qualität zu verbessern. Das bedeutet nicht, dass die jetzigen Be­zirksgerichte schlecht arbeiten. Das möchte ich festhalten.

Die jetzigen Bezirksgerichte leisten sehr gute Arbeit, aber ich bin überzeugt davon, dass man die Qualität durch Spezialisierungsmöglichkeiten verbessern kann. Wenn wir nämlich auch bei den Bezirksgerichten die Möglichkeit schaffen, dass sich ein Richter auf einen Fachbereich oder einige wenige Fachbereiche spezialisieren kann, dann ist das meines Erachtens für die Qualität schon von großer Bedeutung. Man sieht ja deut­lich auch in anderen Bereichen, dass sich das Rechtssystem weiterentwickelt hat, dass es immer komplexer geworden ist und immer komplexer wird und dass die Antwort auf diese zunehmende Komplexität in allen Bereichen die Spezialisierung ist.

Denken Sie zum Beispiel an die Rechtsanwälte: Wenn Sie einen Anwalt für eine Scheidung brauchen, dann werden Sie nicht zum Spezialisten für Wirtschaftsrecht ge­hen, sondern Sie werden sich erkundigen, wer der beste Scheidungsanwalt ist. Das heißt, da findet natürlich eine Spezialisierung statt, und ich bin eben der Meinung, dass man durch die Einräumung von Spezialisierungsmöglichkeiten auch die Qualität auf Bezirksgerichtsebene steigern kann. Dazu brauche ich natürlich eine bestimmte Anzahl von Personal bei Gericht, darauf komme ich noch zu sprechen.

Die zweite Zielsetzung, um die es mir geht, ist die Ermöglichung eines besseren Kun­denservice, eines besseren Bürgerservice. Das erscheint oft paradox, wenn ich das sage, weil es immer heißt, wenn man das kleine Bezirksgericht vor Ort schließt, dann schafft man damit ja nicht ein besseres Kundenservice, ein besseres Bürgerservice. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass wir teilweise wirklich sehr kleine Bezirksgerichte haben, an denen nicht einmal eine ganze Richterstelle vorgesehen ist.

Wir haben teilweise Bezirksgerichte mit 0,6 Richterstellen, 0,8 Richterstellen. Das heißt, dass ein Richter zugleich an zwei oder vielleicht sogar drei Bezirksgerichten tätig ist – mit der Konsequenz, dass er nicht die ganze Woche an einem Standort vor Ort ist, sondern vielleicht zwei Tage am Standort A, zwei Tage am Standort B und an einem Tag am Standort C. Das heißt, er ist nicht die ganze Woche erreichbar. Das gilt aber nicht nur für die Richter, sondern etwa auch für die Rechtspfleger, für die Bezirksan­wälte. Ich bin überzeugt davon, dass man in größeren Einheiten auch insofern mehr


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