BundesratStenographisches Protokoll814. Sitzung / Seite 106

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und andererseits habe ich mir gedacht: Sind die irgendwo angerannt? Diese Ambi­valenz, die wahrscheinlich alle Bürger und Bürgerinnen derzeit haben, dass wir alle den Friedensnobelpreis bekommen haben, das sollten wir auch diskutieren, wie ich meine.

Auf der einen Seite sollten wir sehr stolz darauf sein, dass wir es geschafft haben, un­ter dieser Fahne, die ja nicht umsonst auch hier ist (der Redner verweist auf die hinter dem Präsidium befindliche EU-Flagge), zusammenzuarbeiten, nicht mehr Krieg zu füh­ren – in Frieden, in Freundschaft, manchmal in Streit, das gehört zur Demokratie dazu, aber eben auch in einer demokratischen Art und Weise.

Gleichzeitig sehen wir in Europa, wie wir Demokratie noch immer erkämpfen müssen. Es ist die Troika schon erwähnt worden, es ist heute in mehreren Debatten die Auste­ritätspolitik schon erwähnt worden, es ist auch erwähnt worden, dass in Griechenland Menschen schon nicht mehr wissen, wie sie ihre Medikamente zahlen sollen, ebenso die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa.

Wir müssen – und das, finde ich, ist auch ein Auftrag dieses Preises – dafür sorgen, dass dieser Frieden erhalten bleibt. Und ein ganz wesentlicher Beitrag zu Frieden ist immer noch der soziale Frieden, der soziale Ausgleich. Hier aber sehe ich Defizite. Und ich halte es deswegen für so wichtig, dass wir diesen Preis auch diskutieren, weil es ein Auftrag ist, weil wir vielleicht darüber nachdenken sollen: Was haben wir er­reicht?, aber auch: Was müssen wir noch erreichen?

Wenn ich an die vielen Toten denke, auch heute noch, wenn Frontex irgendwelche Boote, in denen Flüchtlinge sitzen, einfach abdrängt, wieder nach Hause schickt und diese Menschen einfach ertrinken, wenn ich zusehe, in welch unfassbar schlechten Zu­ständen Asylwerberinnen und Asylwerber in Griechenland eingepfercht werden, dann denke ich mir: Wieso soll Europa diesen Friedensnobelpreis bekommen? Wozu?

Vielleicht sollten wir ihn deswegen bekommen, damit wir ihn auch als Auftrag verste­hen. Und so können wir uns freuen, dass wir heute bei diesem Tagesordnungspunkt beschließen, dass wir keine Grenzzollamtshäuser mehr brauchen. Aber es soll uns auch ein Auftrag sein, und ich fand es schade, dass wir das nicht intensiver diskutieren konnten. Ich glaube, es ist wichtig, dass es überall diskutiert wird, überall! – Danke. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

15.02


Präsident Georg Keuschnigg: Zu einer abschließenden Stellungnahme ist Herr Staatssekretär Mag. Schieder zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


15.02.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn es nicht das Kernthema ist, was Bundesrat Marco Schreuder angesprochen hat, dennoch meine Einschätzung da­zu – diese ist vielleicht unbedeutend, aber trotzdem beteilige ich mich kurz an der ge­wünschten Debatte –:

Ich glaube, dass die Verleihung des Friedensnobelpreises an Europa, an die Europäi­sche Union auch deshalb erfolgt ist, weil in den letzten Jahren das europäische Eini­gungsprojekt noch nie so sehr an des Messers Schneide gestanden ist: Wird es wei­tergehen oder nicht? Und wenn man sich Umfragen unter den Menschen, der Bevölke­rung in Europa ansieht, wie sie zu diesem Projekt steht, dann sagen auch viele ir­gendwie: Die jetzige Situation gefällt uns am wenigsten gut! – Die einen wollen es zer­stören und sagen, das brauchen wir nicht mehr, die anderen sagen, es muss jetzt ek­latant etwas weitergehen, weil wir auch gesehen haben, dass im Zuge der Krise die europäischen Mechanismen nicht in der Art antworten können, wie wir es uns wün-


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