BundesratStenographisches Protokoll816. Sitzung / Seite 66

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Im Jahr 2001 hat die österreichische Bundesregierung unter Wolfgang Schüssel die Basis für den Entschädigungsfonds gelegt, mit dem Washingtoner Abkommen wurde das Fundament für den Entschädigungsfonds gesetzt. Der amerikanische Chefver­handler Stuart Eizenstat hat damals gesagt, dass er das Washingtoner Abkommen als eine Wasserscheide in der neuen österreichischen Geschichte sieht.

Im „Standard“-Interview vom 6. September 2010 führte Stuart Eizenstat aus: „Öster­reich kann sehr stolz auf sich sein. Es ging bei diesen Verhandlungen nicht nur um Geld, sondern um die Beurteilung der eigenen Geschichte. () Die österreichischen Verhandler“ – unter der Regierung Schüssel – „waren unglaublich engagiert, es gab weniger Konflikte als mit Deutschland oder der Schweiz. ()

Die meisten Länder waren dagegen, und erst Österreichs Verhandler () brach das Eis. Dass es gerade Österreich war, beschämte die anderen.“

Zusammenfassend hält Stuart Eizenstat fest: „Historiker werden sagen, Österreich hat sehr viel getan.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der vorliegenden Novelle wird die Arbeit des Ent­schädigungsfonds beendet, die restlichen Mittel stehen aber weiterhin für das Geden­ken, für die Versöhnung und für die Unterstützung der Opfer zur Verfügung. Das rest­liche Geld fließt in Sozialprojekte, in die Sanierung jüdischer Friedhöfe, in Schul­projekte und auch in die Neugestaltung des Österreich-Pavillons in der Gedenkstätte Auschwitz.

Österreich hat gelernt, und Österreich hat auch sehr viel getan. Das ist die Erfolgs­bilanz, die positive Bilanz, die wir heute mit dem Entschädigungsfonds Österreich, un­serer Geschichte und der Welt vorlegen können. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.39


Vizepräsidentin Mag. Susanne Kurz: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Schreuder. – Bitte.

 


11.39.06

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Die Einrichtung des Nationalfonds war historisch wichtig, enorm wichtig, hat gleichzei­tig auch eine historische Logik, und ich glaube, diese historische Logik hier noch ein­mal festzuhalten ist ganz wichtig.

Manchmal bei Gedenkveranstaltungen wird gehandelt nach dem Motto: 1938 kamen die Nazis, und 1945 waren sie wieder weg!, so als ob es irgendwelche Außerirdischen gewesen wären, die gelandet sind, ihr Unwesen getrieben haben und dann wieder ver­schwunden sind. Das halte ich für einen hochproblematischen Umgang mit unserer Vergangenheit, weil ja das, worauf der Nationalsozialismus fußte, in einem erheblichen Ausmaß bereits vorhanden war – bei den unterschiedlichen Opfergruppen natürlich in unterschiedlicher Form – und auch danach nicht verschwand.

Der Antisemitismus ist in Wien bekannterweise von Dr. Karl Lueger salonfähig ge­macht worden. Opfergruppen, die zwischen 1938 und 1945 in Konzentrationslager de­portiert worden sind, wurden aufgrund von Paragrafen verurteilt, die es davor und auch danach zum Teil noch gab. Ich nehme zum Beispiel die Opfergruppe der Homosexuel­len, die aufgrund des § 129 Abs. 1b verurteilt worden sind. Diesen Paragrafen hat es schon in der Monarchie und in der Ersten Republik gegeben, und es gab ihn im Na­tionalsozialismus, mit dem fürchterlichen Aspekt, dass auch Konzentrationslager droh­ten – das gab es davor und danach nicht –; diesen Paragrafen gab es in Österreich aber noch bis 1971, und das ist leider ein Faktum, das hierzulande sehr wenig bekannt ist. Es wurden auch in den späten vierziger Jahren und in den fünfziger Jahren noch Menschen aufgrund dieses Paragrafen ins Gefängnis geschickt, weil sie in der NS-Zeit dazu verurteilt worden sind – und nicht selten waren es dieselben Richter.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite