gionsausübung verfolgt, so beispielsweise im Iran. In den Gefängnissen sitzen nicht nur Bahais und Christen, sondern auch viele kritische Muslime.
Es gibt natürlich auch Politiker, die mit Angst spielen, weil Ressentiments und Paranoia Mittel der politischen Mobilisierung sind. In Staaten mit schwachen öffentlichen Institutionen wird ein Spiel getrieben, das auf Kosten der Religionsfreiheit geht. Autoritäre Regime haben immer Angst, dass sich soziale Gruppen, die jenseits ihrer Kontrolle sind, selbständig organisieren.
In Europa verkehren sich scheinbar die Rollen. Hier fühlen sich die Muslime oft unterdrückt und verfolgt, die Berufung auf das Christentum, die man bei islamophoben Bewegungen in Europa gelegentlich findet, bleibt meist extrem oberflächlich. Die Skepsis gegenüber dem Islam, die zu Islamophobie führen kann, verläuft heute primär nach dem Muster: Wir sind modern, die anderen sind Modernitätsverweigerer! Es geht mittlerweile nicht mehr so sehr nach dem alten Muster: Abendland versus Morgenland, sondern: moderne versus vormoderne Aufklärung versus Aufklärungsverweigerung.
Das erkennt man übrigens auch daran, dass diese Frage sehr stark an der Frauenthematik exemplifiziert wird. Wie hält man es mit dem Kopftuch? Wie hält man es mit der Burka, mit der Zwangsverheiratung? Beim Gender-Thema bilden wir in Europa uns ein, dass wir auf dem Stand der Postaufklärung angelangt sind, während die anderen angeblich auf ewig in der Phase der Präaufklärung verharren. Ob das so ist, lasse ich dahingestellt.
Religionsfreiheit gehört zum Kernbestandteil jeder Zivilgesellschaft, doch auch diese Tradition wird brüchig. Das in Wien beheimatete Dokumentationsarchiv der Intoleranz gegen Christen schreibt im Jahresbericht 2011, in Europa seien 85 Prozent aller Hassdelikte gegen Christen gerichtet. Der ehemalige EU-Kommissar Lord Chris Patten hält es für „bemerkenswert“ – ich zitiere –, „wie intolerant sich die Atheisten gegenüber Gläubigen verhalten“. Also auch die Christophobie schreitet voran in unseren Ländern.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bloßes Dulden anderer Religionen und Kulturen reicht für einen Dialog nicht aus. (Präsident Mayer gibt das Glockenzeichen.) Es braucht viel mehr die Einsicht in den bereichernden Wert von Vielfalt und die Wertschätzung religiöser wie kultureller Diversität. Religion ist eben immer auch eine öffentliche Angelegenheit, eine zivile Gesellschaft darf den Glauben oder auch den Unglauben ihrer Bürger nicht ins stille Kämmerlein verbannen. Christen, Juden, Moslems, Buddhisten, Atheisten, Agnostiker, sie alle müssen dasselbe unteilbare Recht haben, sich zu ihrer jeweiligen Weltanschauung friedlich zu bekennen. Nur so leisten sie der Freiheit einen Dienst auf der ganzen Welt.
Präsident Edgar Mayer: Frau Vizepräsidentin, ich darf Sie um einen Schlusssatz ersuchen.
Bundesrätin Mag. Susanne Kurz (fortsetzend): Ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident, ich denke, das ist ein wichtiges Thema und 1 Minute Überzeit wird mit Sicherheit möglich sein.
Die Frage der Religionsfreiheit darf nicht losgelöst von anderen Rechten wie den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten betrachtet werden. Eine Verbesserung der Situation von Minderheiten kann nur mit der Verbesserung aller Menschenrechte der Betroffenen einhergehen. Dabei kann die EU und somit auch Österreich unterstützend wirken und Perspektiven eröffnen, zum Beispiel in konkreten Bereichen wie der Bildung oder der Zusammenarbeit mit den NGOs. Wichtig ist zum Beispiel auch, den Jugendaustausch zu forcieren. Die EU soll sich darauf konzentrieren, einen Beitrag zur Verbesserung der tatsächlichen Lebensbedingungen der Menschen zu leisten, denn Bildung und Wohlstand sind Grundvoraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Weltanschauungen.
HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite