BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 64

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Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schreuder. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.08.35

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Frau Ministerin! Vor einigen Tagen ist der Grimme Online Award vergeben worden, und zwar an eine Gruppe von Frauen im gesamten deutschsprachigen Raum, die eine Kampagne ge­startet hat, die gar nicht geplant war, sondern die entstanden ist. Unter dem Hashtag „Aufschrei“ haben Tausende und Abertausende von Frauen ihre Erlebnisse zu sexu­ellen Belästigungen – egal, ob es in der Schule war, egal, ob es an den Universitäten war, egal, ob es in der Arbeitswelt war, ob es in den Familien war, ob es auf der Straße war –, kundgetan. Und ich selbst, der das damals vor einigen Monaten genau verfolgt hat, war zutiefst erschüttert, wie auch in meinem Bekanntenkreis Menschen sich auf Twitter dazu geäußert und erzählt haben, mit welcher Vehemenz solche Taten gesetzt werden – da kam nicht nur ein Tweet von einem Erlebnis, sondern da kamen teilweise 10, 20 Erlebnisse von einzelnen Frauen. Das hat mich zutiefst erschüttert.

Der Auslöser dieser „Aufschrei“-Debatte oder dieser „Aufschrei“-Kampagne, die es online gab, war ja auch eine Debatte, die in Deutschland und auch bei uns geführt wurde, und ich möchte mich daher auch bei meiner Vorrednerin, bei Frau Posch-Gruska für ihre Äußerung bedanken. Wir teilen die von ihr dargelegte Ansicht und wir bedauern es sehr, dass bei dieser doch relativ großen, eigentlich sehr großen Sexualstrafrechtsreform das Grapschen in § 218 des Strafgesetzbuches nicht Eingang gefunden hat.

Nichtsdestotrotz werden wir den vielen, vielen Verbesserungen, die in diesem Gesetz zu finden sind, zustimmen, und wir werden dem gerne zustimmen. Wir halten es für richtig, dass manche Dinge nicht nur im Sinne einer Straftat oder im Sinne dessen, welche Strafen verhängt werden, verschärft werden, sondern dass auch der Geset­zestext verschärft wird, dass es klarere Formulierungen im Gesetzestext gibt, die gewisse Zweifel, die es gegeben haben könnte, ausräumen.

Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch zahlreiche Punkte, die wir zu einem gewissen Grad anders sehen, und die möchte ich hier auch erwähnt haben.

Ich möchte aber zuerst noch einen positiven Aspekt hervorheben, weil das auch eine Initiative unserer grünen Kollegin im Nationalrat Helene Jarmer war und wir uns sehr freuen, dass diese Bestimmung Eingang in dieses Gesetz gefunden hat, nämlich § 205, wo es um den sexuellen Missbrauch von wehrlosen und psychisch beeinträch­tigten Personen geht. Hier gab es ja diskriminierende Elemente innerhalb dieses Gesetzes. Jetzt wird doch klar zwischen den Tatbeständen Beischlaf und geschlecht­liche Handlung unterschieden. Wir bedanken uns sehr, dass das Eingang gefunden hat, und wir begrüßen das sehr.

Ein Paragraph wird auch verändert, das ist § 207b. § 207b ist ja ein Paragraph, der durchaus auch umstritten ist, der politisch noch immer diskutiert wird, auch von meiner Seite her diskutiert wird, weil er historisch einfach eine eher dunkle Geschichte hat. Als 2002 sowohl vom Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg als auch vom Verfas­sungsgerichtshof, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, der berühmte § 209, der ja unterschiedliche Schutzalter für heterosexuellen und männlichen homosexuellen Sex vorsah, abgeschafft worden ist, wurde dieser Paragraph neu eingeführt. Das Gute an dem Paragraphen war, dass er neutral formuliert war, dass es für alle gleich gilt. Die Gerichtspraxis hat allerdings gezeigt, dass er in der Praxis dann doch sozusagen als Nachfolgeparagraph wahrgenommen worden ist. Wir haben unfassbar viele Anfragen über die Praxis eingebracht, die dann gezeigt haben, dass dieser Paragraph fast aus­schließlich gegen homosexuelle Männer verwendet worden ist, obwohl es so nicht


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