BundesratStenographisches Protokoll822. Sitzung / Seite 67

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Die Verschärfung der Strafbestimmungen darf aber nicht Anlass dafür geben, zu glauben, dass damit dieser gesellschaftspolitische Auftrag erfüllt ist beziehungsweise wäre. Es wäre traurig, wenn in einer Gesellschaft der Umgang miteinander einzig und allein auf dem Strafrecht aufbauend funktionieren würde. Für gegenseitigen Respekt und Anerkennung über die Geschlechtergrenze hinweg zu sorgen ist vielmehr ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag an jeden Einzelnen von uns. In einer Gesellschaft, in der dem Halbe-Halbe-beziehungsweise 50-50-Prinzip zum Durchbruch verholfen werden soll, darf es keinen Platz mehr für Machogehabe geben. Und dies hat für jeden zu gelten – egal, welcher ethnischer Herkunft jemand ist.

Wer bei uns lebt, muss mit den bei uns geltenden Regeln leben und darf keine Chance erhalten, sich auf kulturell bedingte Rollenbilder auszureden. Somit muss bei einer strafbaren Handlung gemäß dem Grundsatz „Gleiches Recht für alle“ verurteilt werden. Es darf die Justitia keinesfalls die Herkunft als Milderungsgrund anführen. Das wäre fatal.

Warum erwähne ich das heute und hier ausdrücklich? – Weil es im Jänner 2010 in Wien bei einer Verurteilung in einem Strafprozess bereits einen Tabubruch genau in diese Richtung gegeben hat. Der Richter meinte damals bei der Urteilsverkündung gegen einen österreichischen Familienvater türkischer Herkunft, der die scheidungs­willige Gattin mit zwölf Messerstichen attackiert hatte, dass für diesen im Hinblick auf seine Herkunft eine Scheidung eine gleichermaßen begreifliche wie heftige Gemüts­bewegung auslösen könne. Ich wiederhole: eine gleichermaßen begreifliche wie heftige Gemütsbewegung auslösen könne!

SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm und die Grünen Alev Korun und Judith Schwent­ner betonten damals, dass es unzulässig sei, Dutzende Messerstiche in den Kopf und eine anschließende Attacke mit einem Stahlrohr gegenüber einer scheidungswilligen Frau im Hinblick auf die ethnische Herkunft des Gewalttäters als kulturbedingte Affekt­handlung zu beurteilen. Ebenso unzulässig wäre es, bei einer Verurteilung im Sexual­strafrecht auf die Rolle zwischen Mann und Frau im Herkunftsland Rücksicht zu nehmen beziehungsweise abzuzielen, wie es leider mindestens in einem Gerichtsurteil in Deutschland vorgekommen ist.

Aus sozialdemokratischer Sicht gibt es bei dem heute zu beschließenden Gesetz einen Wermutstropfen, auch wenn es die Kollegin Michalke nicht so sieht. Dieser bezieht sich darauf, dass Po-Grapschen auch weiterhin erlaubt sein soll. Jemanden ungefragt einfach an das Gesäß zu fassen ist mehr als unhöflich, es ist eine unerträgliche Grenz­überschreitung und eine Demütigung und Erniedrigung. Gerade weil so etwas schon oft genug passiert ist, versichere ich Ihnen hier, dass für mich als Sozialdemokraten das keinesfalls damit erledigt ist, sondern dass es weiterhin auf der Agenda stehen sollte oder stehen bleiben wird.

Eine Beleidigung und eine üble Nachrede sind strafbar, Po-Grapschen nicht. Verstehe, wer das wolle! Ich verstehe es nicht. Da haben wir noch einiges zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesminister Dr. Karl. – Bitte, Frau Minister.

 


12.24.58

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich freue mich, dass ich Ihnen heute den Entwurf des Sexualstrafrechtsänderungsgesetzes 2013 vorlegen kann, der wirklich von einer breiten Mehrheit mitgetragen wird.

 


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