BundesratStenographisches Protokoll829. Sitzung / Seite 28

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10.14.51

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch einmal einen Schritt zurückgehen und schauen, wie dieses Freihandelsabkommen verhandelt wird.

Ich glaube, es ist zunächst vollkommen gleichgültig, ob man grundsätzlich gegen ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika ist oder ob man es für eine Supersache hält, dass es ein Freihandelsabkommen gibt.

Wir alle haben vor zirka zwei Jahren ACTA erlebt. ACTA wurde genauso verhandelt, nämlich hinter verschlossenen Türen. Man wusste nicht, wer verhandelt. Es wurde dann natürlich geleakt, das schon, aber man wusste ursprünglich nicht, wer verhandelt, und niemand, kein Parlamentarier und keine Parlamentarierin, egal ob auf euro­päischer Ebene oder auf nationalstaatlicher Ebene, wurde irgendwie informiert.

Zu Recht hat das Europaparlament Nein zu ACTA gesagt, denn heute, in Zeiten, in denen wir Transparenz, Informationsfreiheit beziehungsweise Transparenzgesetze diskutieren – die wir leider in Österreich noch nicht haben, aber in anderen euro­päischen Staaten –, kann man in dieser Form nicht verhandeln.

In diesem Punkt verstehe ich im Übrigen weder die Europäische Kommission, die offensichtlich nicht aus ACTA gelernt hat, noch verstehe ich die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, denn wenn die USA aus guten Gründen ein Inter­esse daran haben, dass es ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union gibt, dann müssen sie ja auch die Zeichen der Zeit erkannt haben, dass nämlich jetzt der Wunsch besteht, gemäß demokratischen Mitteln informiert zu werden und mit zu diskutieren, und dass es den Drang gibt, teilzunehmen, seine Meinung abzugeben und eine öffentliche Diskussion zu führen. In Anbetracht dessen verstehe ich tatsächlich nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Form eine Geheimhaltung vornehmen wollen: Nicht nur wir bekommen nämlich die Verhandlungspapiere nicht – sondern lediglich Positionspapiere –, sondern auch die Senatoren und Senatorinnen der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch diese bekommen diese Information nicht.

Wenn man in den USA und in der Europäischen Union sagt, dass wir keine gelenkten Demokratien wollen, wie es diese zum Beispiel in Russland gibt, dass wir keinen Staatskapitalismus wollen, der auf Menschenrechte pfeift, wie es China praktiziert, sondern dass wir einen liberalen Rechtsstaat demokratisch aufrechterhalten wollen, dann müssten wir erst recht zusammen sagen: Wir wollen gemeinsam für Transparenz sorgen, wenn wir gemeinsam verhandeln! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundes­räten der FPÖ.)

Ich verstehe nicht, dass das in diesem Fall nicht möglich war! Und ich bin Ihnen auch dankbar für das Beispiel Vattenfall, weil es natürlich genau im Zusammenhang mit dem Leistungsschutz das beste Beispiel ist, das man erzählen kann. Vattenfall klagt Deutschland in Höhe von 3,7 Milliarden €, indem argumentiert wird, dass man dort demokratisch einfach bestimmt hat, aus der Atomkraft auszusteigen.

Ich möchte Ihr Beispiel jetzt noch zuspitzen: Das bedeutet in Wahrheit das Ende der Demokratie! Wenn nämlich ein Konzern und ein paar Schiedsrichter, die nicht einmal Richter sein müssen, hinter verschlossenen Türen entscheiden, ob ein Staat aus der Atomkraft aussteigen kann oder nicht, dann können wir – das hat Herr Kollege Jenewein gestern recht gut im Ausschuss gesagt – die Parlamente zusperren. Wir müssen also besonders gut aufpassen, in welche Richtung und in welche demo­kratische Zukunft wir – gemeinsam mit den USA – gehen wollen.

 


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