BundesratStenographisches Protokoll834. Sitzung / Seite 155

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18.04.05

Bundesrätin Elisabeth Reich (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Änderung des Übergangs­gesetzes aus dem Jahr 1920 wird die verfassungsrechtliche Basis für die Zusammen­legung von Bezirksgerichten gelegt. Damit entfällt nun die Bestimmung, der zufolge sich die Grenzen der politischen Bezirke und der Gerichtsbezirke nicht überschneiden dürfen, die der Verfassungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen als nicht verfas­sungs­konform festgestellt hatte.

Die Regierungskoalition hatte bereits zu Jahresbeginn einen Versuch unternommen, das Überschneidungsverbot in der Verfassung aufzuheben. Leider hat es noch einige Zeit gedauert, bis es soweit war. Nun ist es soweit.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, erlaubt mir einen kurzen Rückblick in die Geschichte, der mir geholfen hat, diese Materie besser zu verstehen!

Die heute bestehenden Gerichtsbezirke gehen grundsätzlich auf das Jahr 1850 zurück. Es wurden damals 70 Bezirksgerichte für die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg festgelegt. Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Oberösterreich, in dem ich zu Hause bin, entstanden dadurch 47 dieser Gerichtsbezirke, die so definiert waren, dass die Bewohner und Bewohnerinnen sie in einer Tagesreise mit der Post­kutsche erreichen konnten.

Zur ersten Schließung von Bezirksgerichten kam es schon im Jahr 1923, bei der in Oberösterreich leider auch das Gericht meiner Heimatgemeinde Haslach dabei war. Mit der 2002 beschlossenen Bezirksgerichte-Verordnung wurde die Schließung von weiteren Bezirksgerichten in die Wege geleitet. 2011 startete die Diskussion über die zusätzliche Auflösung von Bezirksgerichten und die Zusammenlegung von Gerichts­bezir­ken. Laut Aussage des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz betrifft dies vor allem Bezirksgerichte, die sich nicht in den Bezirkshauptstädten befinden.

Mit 2013 trat die neue Bezirksgerichte-Verordnung in Kraft. In meinem Wahlkreis war davon das Bezirksgericht in Bad Leonfelden betroffen, wofür es großes Medien­interesse gab. Da kam es nun auch zu einer Überschneidung mit den politischen Bezirk, da die Gemeinden Vorderweißenbach und Oberneukirchen aus dem politischen Bezirk Urfahr-Umgebung dem Gerichtsbezirk Rohrbach zugeordnet wurden. Anderer­seits wurden aus dem Bezirk Rohrbach zwei Gemeinden dem Gerichtsbezirk Urfahr-Umgebung zugeordnet.

Werte Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir wieder bei diesem Übergangsgesetz gelandet, dass der Verfassungsgerichtshof nun als Hindernis für diese Zusammen­legungen sieht, wobei die in der Vergangenheit erfolgten Zusammenlegungen von Bezirksgerichten für ihn zum Teil unzulässig waren. Aber die historischen Grundlagen für dieses Gesetz sind nach Meinung vieler Experten und Expertinnen weggefallen, und im Sinne einer Strukturreform in Richtung eines effizienten und bürgernahen Staates und einer modernen Justiz ist dieses Übergangsgesetz überholt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, ihr stimmt mit mir überein, dass wir in unserer Zeit über Bezirks- und Landesgrenzen hinausdenken müssen, dass wir keine unausgelasteten Kleinstgerichte, sondern Einrichtungen mit mehreren und speziali­sierten Richterinnen und Richtern brauchen; dass es für die Menschen draußen auch nicht wichtig ist, ob ein Gerichtssprengel sich mit dem politischen Bezirk überschneidet, sondern die Erreichbarkeit für sie bedeutsam ist.

Und da diese Gesetzesänderung auch Sparpotenziale enthält, ist es ein Zeichen der Vernunft, das zu ändern. Ich werde mit meiner Fraktion gerne zustimmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.08

 


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