BundesratStenographisches Protokoll843. Sitzung / Seite 60

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wohnen. 80 Prozent aller Jugendlichen sind in die elterlichen Haushalte zurückgekehrt. In den proletarischen Quartieren – und die gibt es – breiten sich Prostitution, Kleinkri­minalität und Drogenabhängigkeit aus. Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden Abschottung und Ghettoisierung der Arbeiter- und Armenviertel, denn den Bewohne­rinnen und Bewohnern dort fehlt buchstäblich das Geld, um ihre Stadtteile verlassen zu können. Zu alldem kommt in Griechenland noch das Massenelend von Migrantinnen und Migranten, davon sind ungefähr 800 000 registriert und 350 000 ohne Papiere.

Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns mitten in Europa. Und deshalb ist die Fra­ge legitim, ob der Sparkurs, den Europa fährt, wirklich noch der richtige ist und ob wir dem nicht ein Ende setzen sollten oder zumindest überlegen, wie wir diesen Dingen begegnen, und ob wir nicht auf mehr Wachstum und mehr Investition setzen sollten – und das durch mehr Solidarität. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Tatsache ist aber auch, dass diese Griechenlandkrise so viele Kräfte der EU bindet, dass momentan viel zu wenig Zeit für angemessene Reaktionen auf andere weltpoliti­sche Krisen bleibt. Sie sind schon angesprochen worden: Russland – Ukraine, aber auch die Herausforderungen durch den islamischen Terrorismus. Hier muss Europa ei­ne Antwort finden, denn dort liegt die Ursache des größten Flüchtlingsstroms, auf den ich heute nicht eingehe, da ich das bei meiner letzten Rede schon gemacht habe.

Dadurch bedingt ist der Populismus in Europa im Aufwind. Die Argumente, mit denen die antieuropäischen Parteien Wahlkampf machen, richten sich immer gegen die Euro­päische Union im Allgemeinen. Sie werden allerdings auch unterstützt, da sehr oft von den nationalen Regierungen Brüssel für alles verantwortlich gemacht wird. Einfache Be­kenntnisse zu Europa als Antwort auf die EU-Skeptiker reichen eigentlich nicht mehr aus, das müssen wir uns auch eingestehen.

Es ist gar nicht so leicht, die EU in Zeiten von Wirtschafts- und Finanzkrise immer zu verteidigen, und es erfordert manchmal auch Mut, denn man muss die Bürgerinnen und Bürger schon ernst nehmen und vor allen Dingen auch ihre Ängste ernst nehmen.

Das Volksbegehren, das heute schon angesprochen worden ist, hat 210 000 und nicht 260 000 Unterschriften. Es ist jetzt nicht ein großartig erfolgreiches Volksbegehren, es ist auf Rang 23, glaube ich, von allen Volksbegehren. Aber es ist klar, es hat die Schwelle von 100 000 Unterschriften überschritten, und das österreichische Parlament muss sich damit beschäftigen. Wir sollten das auch als Chance sehen, eine ehrliche Diskussion mit denen zu führen, die das unterschrieben haben, denn es sind solche, die von Europa wegwollen – die Mehrheit will das Gott sei Dank nicht. Aber wir wollen auch nicht, dass diejenigen mehr werden, und deshalb, denke ich mir, sollten wir ge­meinsam alles daransetzen, die EU zu stärken, aber auch die Nachteile und das, was in der EU noch verbessert werden muss, aufzuzeigen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zelina.)

12.27


Vizepräsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dörfler. – Bitte.

 


12.27.25

Bundesrat Gerhard Dörfler (FPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich darf unsere Vertreter in Brüssel herzlich begrüßen! Das Thema ist „Aktuelle He­rausforderungen für Österreich und Europa“. Ich stehe, wie der Herr Landeshauptmann Pühringer, für ein föderales politisches System. So leidenschaftlich, wie er heute fest­gehalten hat, dass Österreich aus neun Bundesländern besteht, so bestehe ich darauf, dass wir ein Europa der Regionen, ein Europa der Menschen, ein soziales Europa, ein Europa der Arbeit haben. Was haben wir aber wirklich?

 


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